Er ist wieder da: Ex-Kanzler Gerhard Schröder ist zurück im Wahlkampf der SPD. Über Politik wolle er nicht reden, sagte Schröder bei seinem Auftritt in Lübbecke – von wegen. Beim Thema Afghanistan fuhr der Altkanzler erstmals seinem Zögling Frank-Walter Steinmeier in die Parade.
Altkanzler Schröder auf dem Blasheimer Markt
Erst am Freitagabend ist hier „Miss Lübbecke“ gekürt worden. Zuvor gab es den „Starauftritt“ von Mickie Krause. Schon seit Stunden spielen an diesem Samstagnachmittag im Festzelt die „Hochtiroler Buam“ auf, als ein besonderer Gast in „Meier's Deele“ erwartet wird. Gerhard Schröder hat sich angesagt, hier in Lübbecke. Dem Festwirt Karl-Heinz Meier hatte er das schließlich einst versprochen, beim Landespresseball in Hannover, „beim Bier“, wie Meier süffisant bemerkt.
Achim Post kann das nur Recht sein. Er kandidiert in Minden-Lübbecke erstmals für den Bundestag, für die SPD, versteht sich. Und er kannte Gerhard Schröder schon, als der noch nicht einmal den Landespresseball in Hannover besuchte, sondern Juso-Vorsitzender war. Dreißig Jahre lang ist das her.
Achim Post setzt darauf, das Direktmandat zu gewinnen. Er ist in der SPD so gut verdrahtet, dass er alle politischen Größen in seinen Wahlkreis lotst. Herrn Meier zu Liebe aber hat er darauf verzichtet, Schröder auf Plakaten anzukündigen oder das Festzelt mit SPD-Luftballons zu schmücken. Nun gibt es Schröder pur.
Schröder in Lübbecke, als Unterbrechung des Kaffeekonzerts mit den „Hochtiroler Buam“ – das ist einer von wenigen Auftritten des Altkanzlers während des Bundestagswahlkampfes. Doch wie Schröder in das Zelt marschiert, wie er Hände schüttelt und Schultern geradezu zu zertrümmern trachtet, wie er Autogramme gibt und scherzt und nicht zuletzt wie er während seiner Rede manche Silbe verhaspelt – Schröder ist hier ganz der alte Fuchs, als der er bekannt ist. Auch wenn sein Haupt, man schaut und schaut – und staunt, manch graues Haar aufweist.
Herr Meier wollte keinen Wahlkampf an diesem Samstagnachmittag und deshalb hält sich Schröder ein wenig zurück, formal wenigstens. Er versprüht dafür allerlei Ironie, nicht zuletzt für „meinen Freund Karl-Heinz“, der ein Freund ist, weil er mit ihm schließlich schon ein Bier getrunken hat. „Über Politik“ werde er nicht reden, spottet Schröder und grinst.
Von wegen. Schröder betreibt sehr wohl Wahlkampf – und zwar durch und durch im Schröderschen Sinne. Wahlkampf jenseits 67seitiger Deutschlandpläne mit vielen Spiegelstrichen. Mit Sinn für Stimmungen im Volk. Mit einer Nase für die Großwetterlage. Mit dem Risiko, sich Feinde zu machen, anzuecken, Verwirrung auch in den eigenen Reihen zu stiften.
All das dürfte Schröder just an dem Punkt erreichen, wo er beim Thema Afghanistan anlangt. Zuvor hat er Angela Merkel veralbert („fällt mir nix zu ein“) und Guido Westerwelle („der taugt nix“). Dann widmet er sich der Wirtschaftskrise („in Amerika kriegen die Leute den Hals nicht voll“).
Schröder nähert sich Afghanistan über das Thema Europa und die Bedeutung des Friedens. „Hier sind ja Leute, die sind noch älter als ich – ist ja beinahe ein Wunder, dass das möglich ist“, leitet er reichlich ungelenk ein. Vielleicht fünf Minuten widmet er sich dann dem Land am Hindukusch, wo doch seinem niedersächsischem Landsmann und Parteifreund Peter Struck zufolge auch Deutschlands Sicherheit verteidigt wird. Schröder aber, der einst die deutschen Soldaten gegen internen Widerstand dorthin entsandt hatte, sieht das inzwischen ganz anders. „Wir können da nicht auf ewige Zeit bleiben“, poltert Schröder. Dem afghanischen Präsidenten müsse man sagen: „Ihr könnt Euch nicht immer auf andere verlassen. Ihr müsst Euch auf Euch selbst verlassen.“
Im Jahre 2015 müsse „Ende“ sein mit dem internationalen Engagement. „Wir brauchen ein Datum“, verlangt Schröder. Er hat damit eine Position eingenommen, die in der SPD hinsichtlich des Wahlkampfes diskutiert, dann aber verworfen wurde. Erstmals aber fährt der Altkanzler seinem Zögling Steinmeier in die Parade – möglicherweise nach einer entsprechenden Absprache, viel eher aber wohl allein aus Schröderschem Bauchgefühl heraus. Helmut Schmidt vertritt schon eh und je die Auffassung, Deutschland habe in Afghanistan nichts zu suchen. Steinmeier sieht das ganz anders, bislang.
Um seinen Leuten noch etwas Wahlkampfmunition zu verpassen, erinnert Schröder sogleich an Angela Merkels zaudernde Haltung beim Thema Irakkrieg; die deutsche Beteiligung daran hatte Schröder vor ziemlich genau sieben Jahren, ebenfalls kurz vor einer Bundestagswahl, ausgeschlossen. „Eine in der CDU“ gebe es, mokiert sich Schröder, ohne Merkels Namen zu nennen, die habe „deutsche Soldaten noch ganz woanders“ hin entsenden wollen. „Das darf man nicht vergessen“, appelliert er. Steinmeiers Namen erwähnt Schröder während seiner Rede nicht. Zwei Vorgänger im Amte lobt Schröder, ganz Staatsmann, für ihre Außenpolitik: Helmut Schmidt und Helmut Kohl.
Am Ende gibt Schröder noch einmal den Wahlkämpfer, wie man ihn kennt. Er erinnert an die eigene Herkunft aus kleinen Verhältnissen. Er kitzelt noch einmal seinen „Freund Karl-Heinz“, als er auf die Bundestagswahl „im September“ verweist. „Wenn man mich fragen würde, wen man wählen soll“, ruft Schröder und gibt sich ganz generös, „würde ich glatt sagen: Mit beiden Stimmen SPD.“ Dann wird der lokale Sportverein gelobt, und bevor der Zillertaler Hochzeitsmarsch erklingt, wendet sich Schröder ein letztes Mal an Karl-Heinz Meier: „Am 27. September wähl' Du gefälligst auch SPD. Auch wenn Du das noch nie getan hast.“
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