Freitag, 4. September 2009

Nato will Luftangriff auf Tanklastzüge untersuchen

Der von deutschen Soldaten angeforderte Luftangriff auf zwei entführte Tanklastzüge im Norden Afghanistans wird ein Nachspiel haben. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen kündigte eine Untersuchung des Einsatzes an, bei dem zwischen 50 und 90 Menschen getötet wurden.

Afghanistan

Afghanische Sicherheitskräfte untersuchen den Ort des Luftangriffs der internationalen Einsatzkräfte auf zwei Tanklastzüge bei Kundus. Bei dem Angriff sollen 50 Taliban-Kämpfer und zahlreiche Zivilisten getötet worden sein

Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hat eine Untersuchung der tödlichen Luftangriffe in der afghanischen Provinz Kundus angekündigt. Ein Team von Ermittlern unter der Leitung eines Admirals der Nato-geführten Schutztruppe Isaf sei bereits an den Ort des Geschehens geschickt worden, sagte Rasmussen. „Das afghanische Volk muss wissen, dass uns alles daran liegt, es zu schützen, und dass wir diesen Vorfall umfassend und umgehend untersuchen werden.“Bei dem nächtlichen Isaf-Angriff seien „mit Sicherheit eine Reihe von Taliban getötet worden.“ „Es ist möglich, dass es auch zivile Opfer gab, aber das ist noch nicht klar.“Nach Angaben des deutschen Verteidigungsministeriums ist noch nicht klar, ob und wie viele Zivilisten durch die Bombardierung von zwei von Taliban gekaperten Tanklastzügen in der Provinz Kundus starben,. Das Verteidigungsministerium sprach von mehr als 50 getöteten Aufständischen, erklärte aber: „Unbeteiligte sind nach derzeitigem Kenntnisstand nicht zu Schaden gekommen.“

Der afghanische Präsident Hamid Karsai hingegen ließ in Kabul mitteilen, es seien „rund 90 Menschen getötet oder verletzt“ worden. Er äußerte sein „tiefes Bedauern“ und erklärte: „Unschuldige Zivilisten sollten bei Militäroperationen nicht getötet oder verwundet werden.“

Karsai sagte, er werde den Zwischenfall von einer Kommission untersuchen lassen. „Angriffe auf Zivilpersonen sind für uns inakzeptabel“, sagte er. Auch der stellvertretende Leiter der UN-Mission in Kabul, Peter Galbraith, erklärte, ein UN-Team werde den Fall untersuchen. „Es muss geprüft werden, was passiert ist und warum ein Luftangriff in einer Situation ausgeführt wurde, in der nicht mit Gewissheit entschieden werden konnte, ob Zivilpersonen beteiligt sind“, sagte er.

Nach Angaben der Bundeswehr hatten Taliban-Kämpfer in der Nähe von Kundus einen Kontrollposten errichtet und dort gegen 01.50 Uhr Ortszeit zwei beladene Tanklastzüge in ihre Gewalt gebracht. Die Taliban hätten den Treibstoff in den Unruhedistrikt Char Darah bringen und selbst nutzen wollen. Bei der Durchquerung des Flusses Kundus sechs Kilometer vom deutschen Wiederaufbauteam entfernt seien sie mit den Fahrzeugen in einer Sandbank steckengeblieben. Von der Bundeswehr angeforderte Nato-Flugzeuge hätten sie dann um 02.30 Uhr bombardiert.

Der Angehörige eines Opfers aus dem betroffenen Dorf Hadschi Amanullah sagte: „In der Gegend waren auch Taliban, aber mehr Opfer gibt es unter Zivilisten.“ Der Mann namens Nadschibullah berichtete, auch sein Cousin sei tot. Insgesamt seien „mehr als 150 Menschen getötet oder verletzt“ worden.

Die Bewohner seien aus ihren Häusern gekommen, als sie den Lärm der Tanklastwagen hörten, und nicht, um sich Benzin zu holen. Zu vor war berichtet worden, die Taliban hätten die Menschen aus dem Dorf aufgefordert, sich Benzin von den entführten tankern abzufüllen.

Der Polizeichef von Kundus, Abdul Rasak Jakubi, sagte, eine „Anzahl Zivilisten“ sei getötet worden. Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid nannte die Zahl 150. Der Gouverneur der Provinz Kundus, Mohammed Omar, sagte: „Das Problem ist, dass all diese Menschen rund um die Tanklastwagen schwer verbrannt wurden und es unmöglich ist, sie zu identifizieren.“ Unter den Toten seien vier oder fünf Anführer der Taliban gewesen. Der Treibstoff sei für die Bundeswehr gewesen.

Die Internationale Schutztruppe Isaf und afghanische Stellen richteten eine Untersuchungskommission ein. „Die Isaf bedauert jeden unnötigen Verlust von Menschenleben und ist zutiefst besorgt über das Leid, das diese Aktion unseren afghanischen Freunden bereitet haben könnte“, sagte Isaf-Sprecher Eric Tremblay. EU-Chefdiplomat Javier Solana sagte: „Es tut mir für die Familien der Menschen, die bei der Explosion der Benzintankwagen getötet wurden, sehr leid.“

Opfer von Kämpfen und Terror in Nordafghanistan

Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) werde sich zunächst nicht persönlich äußern, weil das „Informationsbild“ noch ungesichert sei. Auf die Frage, ob die Bundeswehr an ihrem Sprachgebrauch festhalten wolle, wonach in Afghanistan kein Krieg herrsche, sagte der Sprecher: „Es handelt sich um einen Stabilisierungseinsatz, zugegeben um einen recht robusten Stabilisierungseinsatz, der Kampfhandlungen miteinschließt.“ Die Bundeswehr selber hat mit den Tornados in Afghanistan zwar Aufklärungsjets, aber keine Flugzeuge für Bombenangriffe im Einsatz. Werden Luftangriffe bei der Isaf angefordert, übernehmen das beispielsweise die Amerikaner oder Briten. Linksparteichef Oskar Lafontaine sagte: „Die Lage in Afghanistan wird immer desolater und kritischer. Es gibt mehr Opfer in der Zivilbevölkerung als je zuvor. Der Kriegseinsatz der Bundeswehr und der Nato ist völkerrechtswidrig.“

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