Sonntag, 15. Juli 2007

Kopftuch-Gesetze nicht vereinbar mit Religionsfreiheit

BERLIN - Der frühere Verfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde hat sich dagegen ausgesprochen, Bürgern, auch Einwanderern, Wertebekenntnisse als Voraussetzung für ihre Integration abzufordern: Es komme in einem liberalen Rechtsstaat nicht auf die Gesinnung an, "sondern auf die Rechtstreue in dem Sinne, dass die geltenden Gesetze befolgt werden", sagte Böckenförde dem Tagesspiegel.

Kritisch äußerte sich Böckenförde in diesem Zusammenhang zur Formulierung im neuen "Nationalen Integrationsplan", in dem es heißt, dass die Zuwandernden vorbehaltlos das Grundgesetz und die gesamte deutsche Rechtsordnung akzeptieren müssten. Dies sei in Ordnung, wenn gemeint sei, dass die geltenden Gesetze ohne Vorbehalt zu befolgen seien. Sollte es bedeuten, "sich auch innerlich, gesinnungsmäßig zu ihnen zu bekennen, dann nicht", sagte Böckenförde.

Auf Gesinnungen abzustellen, ist nach Ansicht Böckenfördes für die Freiheit in einem Staate gefährlich. Da die Ehrlichkeit eines Bekenntnisses nie nachprüfbar sei, führe dies "leicht zu Herrschaft von Vertrauen und Verdacht". "Wir kennen das aus der Praxis des sogenannten Radikalenerlasses. Der freiheitliche Staat ist aber keine Gesinnungsgemeinschaft, sondern eine Rechtsgemeinschaft." Böckenförde, der selbst praktizierender Katholik ist, erinnerte an das Verhältnis der katholischen Kirche zum Staat, die gegen den modernen Staat lange einen mentalen Vorbehalt gehabt habe. Erst im Zweiten Vatikanischen Konzil vor vierzig Jahren habe sie sich zur Religionsfreiheit bekannt.

Deutliche Kritik äußerte Böckenförde an den Kopftuch-Gesetzen einiger Länder: "Lehrerinnen prinzipiell Kopftücher zu untersagen, halte ich nicht für vereinbar mit der Religionsfreiheit. Insbesondere dann, wenn zugleich Symbolzeichen des christlichen und jüdischen Bekenntnisses für zulässig erklärt werden. Abgesehen davon wäre es jedenfalls ein Zeichen politischer Klugheit, eine entsprechende Gesetzgebung zu unterlassen."

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