Donnerstag, 5. Juli 2007

Auskunft über Einkünfte verärgert Politiker

Die Offenlegung der Parlamentarier-Nebeneinkünfte sorgt für Zündstoff: Einige Politiker fühlen sich ungerecht behandelt, Kritiker fordern dagegen noch mehr Klarheit. Denn die jetzt geltende Regelung verschleiert eher als zu informieren.

Berlin - Bundestags-Vizepräsident Hermann Otto Solms (FDP) plädiert dafür, die Regeln angesichts des knappen Bundesverfassungsgericht-Urteils nochmals zu überprüfen. Dass vier Richter die Regelung kippen wollten, heiße schließlich, "dass im Grunde genommen beide Positionen zum Tragen gekommen sind", sagte er der "Thüringer Allgemeine". Das Gericht hatte gestern die Klagen von neun Parlamentariern gegen die 2005 geschaffenen Transparenzregeln abgewiesen. Vier der acht Richter des Zweiten Senats hielten die Klage für gerechtfertig - bei Stimmengleichheit gelten Klagen jedoch als abgewiesen.

Auch der SPD-Abgeordnete Peter Danckert - einer der neun Kläger - erwartet eine Novellierung der gesetzlichen Regelungen. "Ich glaube, dass das Parlament das Urteil nach einem gründlichen Studium zum Anlass nehmen wird, das Abgeordnetengesetz zu modifizieren", sagte er der "Berliner Zeitung". SPD-Fraktionschef Peter Struck sagte der "Märkischen Allgemeinen", er erwarte, "dass sich jeder an die Veröffentlichungspflicht hält".

Nach der neuen Transparenzregel müssen Abgeordnete ihre Nebentätigkeiten nur in drei Einkommensstufen angeben: Stufe 1 erfasst monatliche Einkünfte von 1000 bis 3500 Euro, Stufe 2 Einkünfte bis 7000 Euro und Stufe 3 Einkünfte über 7000 Euro. Die Angaben wurden auf die Internet-Seiten der einzelnen Abgeordneten des Bundestags gestellt (www.bundestag.de). Zu jedem Parlamentarier sind unter dem Stichwort "Veröffentlichungspflichtige Angaben" Tätigkeiten und Funktionen neben dem Mandat, das mit 7009 Euro brutto monatlich vergütet wird, seit der vorigen Bundestagswahl aufgeführt. "Die Einkünfte sind nach dem Bruttoprinzip erfasst, das heißt, die Höhe der Einkünfte bezeichnen nicht den wirtschaftlichen Gewinn aus einer Tätigkeit oder das zu versteuernde Einkommen." So ist es auf der Bundestags-Seite formuliert.

Kritiker fordern genaue Summen

Der Parteienrechtler Hans-Herbert von Arnim fordert nun die Offenlegung der exakten Summe der Nebeneinkünfte. "Der Wähler muss selbst einschätzen können, ob ein Abgeordneter Diener zweier Herren ist", sagte der Professor an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer der Nachrichtenagentur AP.

Es sei ein "großes Privileg", dass deutsche Abgeordnete voll bezahlt würden und gleichzeitig einen Beruf ausüben können, ohne dass ihnen das angerechnet werde, erklärte von Arnim. "Das sollte man nicht verbieten." Durch die Berufsausübung behielten die Abgeordneten ihre Unabhängigkeit und seien weniger durch ihre Parteien erpressbar.

Von Arnim kritisierte auch Bundestagspräsident Norbert Lammert. Zwar sei anzuerkennen, dass dieser sofort nach dem Urteil aus Karlsruhe die Nebeneinkünfte im Internet veröffentlicht habe. Doch dies sei "auch ein Ausdruck schlechten Gewissens", glaubt von Armin. "Das Gesetz ist seit fast zwei Jahren in Kraft", betonte der Parteienforscher. Lammert hätte die Nebeneinkünfte demnach schon vor eineinhalb Jahren öffentlich machen müssen. Sein Verhalten bleibe ein "glatter Gesetzesbruch". Dieses Vorgehen sei einmalig in der deutschen Demokratie.

Auch der Anti-Korruptions-Organisation Transparency International gehen die Regelungen nicht weit genug. "Wir erwarten mehr Offenheit von den Parlamentariern - vor allem eine genauere Aufschlüsselung der Zahlungen", sagte Deutschland-Geschäftsführer Christian Humborg der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung", das bisherige Regelwerk gehe nicht weit genug.

Dass der ehemalige Unionsfraktionschef Friedrich Merz, 51, ebenfalls einer der Kläger, zu den Gutverdienern unter den Bundestagsabgeordneten gehören würde, war angesichts der bekannten Liste seiner Nebentätigkeiten seit langem klar. Seit heute hat die Öffentlichkeit zumindest grobe Anhaltspunkte dafür, wie viel Geld Merz quasi nebenher noch verdient. In dem dreistufigen System dominiert bei Merz die Stufe drei. Allein für sein Engagement in Top-Gremien von acht Unternehmen bekam Merz im Jahr 2006 mindestens 56.000 Euro, seine anwaltlichen Einkünfte sind bislang noch nicht erfasst.

Kläger Merz ist nicht Spitzenverdiener

Mit seinen Einnahmen ist Merz allerdings vermutlich noch lange nicht Spitzenreiter der Nebenverdiener. Der frühere Minister für Forschung und Technologie (1982-1993), Heinz Riesenhuber, stieß 2006 nach den erkennbaren Mindesteinnahmen in deutlich höhere Sphären vor als Merz. Riesenhuber saß in neun Unternehmen im Aufsichts-, Verwaltungs- oder Beirat. Die jeweils mit Stufe 3 eingeordneten Entgelte betrugen damit mehr als 63.000 Euro. Eifrige Vortragsredner sind unter anderem der ehemalige SPD-Arbeitsminister Walter Riester und FDP-Chef Guido Westerwelle.

Klar sind die Angaben zum Beispiel bei Ex-Außenminister Joschka Fischer. Er hat elf Nebenverdienste, die ihm mindestens 7000 Euro eingebracht haben (Stufe 3), zusätzlich zwei der Stufe 2 (jeweils mindestens 3500 Euro). Bei Oskar Lafontaine ist nur seine - inzwischen eingestellte - Autorenschaft für den Springer-Verlag angegeben (Stufe 2). Gregor Gysi kommt auf mindestens 38.000 zusätzlich.

Die Liste der Nebeneinkünfte weist mancherlei Kuriosität auf. Im Eintrag der Abgeordneten Angela Merkel (CDU) heißt es in der Rubrik "Entgeltliche Tätigkeiten neben dem Mandat" wörtlich: "Bundeskanzlerin, Berlin, monatlich Stufe 3." Damit wird ausgewiesen, dass Merkel für ihre Arbeit als Bundeskanzlerin mehr als 7000 Euro pro Monat bezieht. In dieselbe Verdienstkategorie fallen Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) und die anderen Minister mit Parlamentsmandat: Auch bei ihnen ist für ihre "Nebentätigkeit" im Bundeskabinett jeweils die Stufe 3 genannt.

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