Mittwoch, 18. Juli 2007

Autor Saramago will Portugal abschaffen

Saramago will einen neuen Staat 'Iberia'
Literatur-Nobelpreisträger José Saramago hat seine Landsleute schockiert. Portugal solle ein Teil von Spanien werden, schlägt er vor.

Mit einem provozierenden Vorschlag hat der portugiesische Schriftsteller José Saramago in seiner Heimat für Aufregung gesorgt. In einem Interview regte der 84-jährige Autor an, Portugal solle territorialer Bestandteil des großen Nachbarn Spanien werden.

Um die Empfindlichkeiten und den Stolz der Portugiesen nicht zu verletzten, könne sich der neue Staat «Iberia» nennen. Der Literatur-Nobelpreisträger selbst ist seit 14 Jahren Wahlspanier: Er lebt mit seiner spanischen Frau Pilar del Río auf der Kanaren-Insel Lanzarote. Der Protest kam prompt.

Ex-Außenminister wittert Verrat

Der frühere portugiesische Außenminister António Martins da Cruz warf Saramago geradezu Vaterlandsverrat vor: «Es ist einfach, Portugal im Ausland zu hassen. Das Schwierige ist es, im Ausland die Interessen der Heimat zu verteidigen. Und dazu ist Senhor Saramago offenkundig nicht in der Lage», sagte er laut Medienberichten vom Dienstag.

Der Dichter Manuel Alegre erinnerte Saramago daran, er sei seinem Land einiges schuldig. Schließlich habe er den Nobelpreis von 1998 der portugiesischen Sprache zu verdanken. «Er hat nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Er ist ein portugiesischer, kein spanischer Autor.»

Niemals werde Portugal ein Teil Spaniens sein, echauffierte sich Alegre, zugleich Gründer der Sozialistischen Partei (PS) seines Landes. Im Internet löste Saramagos Vorschlag eine wahre Protestflut aus. «Lieber eine Minute lang Portugiese als ein Leben lang Spanier», schrieb jemand in einem Leserkommentar.

Überzeugter Kommunist und Atheist

Ein anderer riet Saramago, er solle seine portugiesische Staatsbürgerschaft doch aufgeben. Der Autor hat als überzeugter Kommunist und Atheist mit seiner Heimat in der Tat ein schwieriges Verhältnis: Er hat nie verziehen, dass sein Roman, «Das Evangelium nach Jesus Christus» (1991) in Portugal wegen angeblicher Verletzung religiöser Gefühle von der damaligen konservativen Regierung von der Vorschlagsliste für den Europäischen Literaturpreis gestrichen wurde.

Die Idee einer einzigen Nation aus Portugal und Spanien tauchte indes schon in seinem Roman «Das steinerne Floß» auf. Darin löst sich die Iberische Halbinsel vom europäischen Festland und treibt fortan ohne Richtung auf dem Meer.

In der Zeitung «Diário de Notícias» vertrat der Schriftsteller nun die Meinung, die zehn Millionen Portugiesen würden von einer Einverleibung durch Spanien (45 Millionen Einwohner) nur profitieren. Portugal könne wie das Baskenland, Katalonien oder Galicien zu einer autonomen Region Spaniens mit eigenständigem Parlament werden.

Dies müsse schließlich nicht bedeuten, die portugiesische Kultur oder Identität aufzugeben. «Wenn es den Portugiesen richtig erklärt wird, würden sie diese Integration bestimmt akzeptieren», meinte er. In einer Umfrage hatten sich vergangenes Jahr immerhin 28 Prozent der Portugiesen für eine solche Staatenunion ausgesprochen - 70 Prozent waren allerdings dagegen.

Viele Portugiesen ärgert es nämlich seit jeher, als Anhängsel Spaniens betrachtet zu werden, zumal nicht wenige Spanier dazu neigen, das Nachbarland völlig zu ignorieren. Jahrhundertelang haben sich beide Staaten den Rücken zugekehrt.

Saramago straft Sprichwörter Lügen

Nur von 1580 bis 1640 standen die Portugiesen unter spanischer Herrschaft. Aus dieser Zeit stammt ein geläufiges Sprichwort in Portugal: «De Espanha nem bom vento, nem bom casamento» (Aus Spanien kommen kein guter Wind und keine guten Eheleute).

Dem ist Saramago jetzt geradezu symbolisch entgegengetreten: In Granada gaben sich der Autor und seine spanische Frau (57) nach 20 Jahren zum zweiten Mal das Ja-Wort. Bislang war ihre Ehe nur in Portugal standesamtlich anerkannt worden. (Von Jörg Vogelsänger)

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