Sonntag, 8. Juli 2007

Karin Wolff: Coming-out ohne Tamtam

Das Coming-out der CDU-Ministerin wird mit Wohlwollen aufgenommen – Kritik gibt es nur hinter vorgehaltener Hand.

Von Dennis Klein

Wohl nicht ohne Hintergedanken nahm Hessens Kultusministerin Karin Wolff ihre Freundin zum Sommerfest der "Bild"-Zeitung mit. Sie wollte, dass die sechsmonatige Beziehung mit ihrer Lebensgefährtin publik wird. Und das auflagenstärkste Blatt der Republik bedankte sich mit einer wohlwollenden Titelgeschichte: "Ich liebe eine Frau", schrieb das Springer-Organ für seine Verhältnisse recht zurückhaltend in großen Lettern und lobt den Mut der 48-Jährigen.

Was bei anderen Parteien wohl nur ein müdes Gähnen auslösen würde, ist für die Union nach wie vor heikel. So musste der (heterosexuelle) Sozialminister des benachbarten Baden-Württemberg erst im vergangenen Jahr gehen, weil die bloße Unterstützung des Stuttgarter CSD vielen Konservativen zu weit ging. Und Homo-Gerüchte dienen dort auch der Denunziation: Als sich die (ledige) Annette Schavan nach der Abdankung Erwin Teufels als Ministerpräsidentin empfahl, machten plötzlich Geschichten die Runde, die damalige baden-württembergische Kultusministerin sei lesbisch. Zwar ist die hessische CDU nicht ganz so traditionell eingestellt wie die Parteifreunde im Süden – aber auch hier gibt es Abgeordnete wie den Hans-Jürgen Irmer, der Schwulen schon mal rät, sich mit Hilfe einer Behandlung umpolen zu lassen. Und auch der inzwischen in Ungnade gefallen Fuldaer CDU-Politiker Martin Hohmann hat im Bundestag jahrelang gegen Schwule und Lesben gehetzt, ohne dass die Partei ihn zur Rede stellte. Er stolperte schließlich über judenfeindliche Äußerungen.
Daher sind auch so manche Konservative etwas verschnupft, dass Wolff ein gutes halbes Jahr vor den Landtagswahlen die traditionell orientierte Wählerschaft so verwirrt. Denn bislang profilierte sich die Kultusministerin als stramme Konservative und überzeugte Christin. Damit brachte sie es in den CDU-Bundesvorstand und ist als stellvertretende Ministerpräsidentin die mächtigste Frau in Hessen.

"Wolff ist nicht Wowereit"

Von allen Seiten erhält die Ministerin Lob für ihr Coming-out. Der Lesben- und Schwulenverband lobt sie als "mutig". Zeituungskommentatoren jedweder Couleur schließen sich dem an. So stellt die konservative "FAZ" gleich die Vorzüge der Unionslesbe gegenüber dem Sozi-Schwulen hervor: "Wolff ist nicht Wowereit: Sie liebt eine Frau - und damit basta", kommentierte das Blatt. Die Union schätzt es, wenn sich ihre geouteten Politiker in der Öffentlichkeit möglichst nicht zu homosexuell geben – so redet auch Ole von Beust nicht über sein Privatleben und wird dafür geliebt. Edmund Stoiber wird dagegen dafür geliebt, dass er ständig Trivial-Anekdoten über die Ehe mit seiner Karin zum Besten gibt.

Ministerin Wolff selbst besteht darauf, dass sie mit ihrem Coming-out "kein Tamtam" machen wolle. Und hatte erst heute wieder einen großen Tag im Landtag, in der ihre Schulpolitik von der eigenen Partei ausdrücklich gelobt wurde. Die Opposition wettert dagegen vor allem gegen den Vorschlag Wolffs, die christliche Schöpfungslehre auch im Biologieunterricht zu diskutieren.

Die Aufregung um den vorgeschlagenen "fächerübergreifenden Unterricht" in Glaubensfragen steht nun für kurze Zeit etwas hinter dem Coming-out zurück. Womöglich steckte aber hinter der neuen Offenheit gar kein politisches Kalkül. Denn vielleicht wollte sie im jetzt beginnenden Wahlkampf einfach nicht mehr die Frage hören, wann sie endlich den Mann fürs Leben findet; oder wer denn die komische Frau ist, die ständig an ihrer Seite weilt.



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