Dienstag, 12. Februar 2008

Siegt Obama auch in Washington?

Die Vorwahlen am Dienstag in den Staaten um Washington könnten den Senator aus Chicago bei den Demokraten zu einem deutlichen Vorsprung verhelfen - und Republikaner John McCain einen weiteren Rückschlag versetzen.

Oskar Piegsa

Am schönsten sieht der Potomac aus der Ferne aus, wenn der Blick von Mount Vernon aus den Schlingen des Flusses folgt, von dort, wo einst George Washington seinen Wohnsitz hatte. Am schlechtesten macht sich der Potomac dagegen ganz aus der Nähe. Auch 40 Jahre nachdem Lyndon B. Johnson in den sechziger Jahren die ersten umfassenden Wasserschutzgesetze seines Landes verabschiedete, bleibt die Verschmutzung des Stroms eine Herausforderung.

Dass in den vergangenen Tagen häufig von diesem Fluss die Rede war, hat aber weder mit Nostalgie noch mit Umweltschutz zu tun, nicht einmal mit verstorbenen Präsidenten. Es geht vielmehr um den zukünftigen Präsidenten Amerikas, wenn am heutigen Dienstag die Vorwahlen beginnen, die im öffentlichen Sprachgebrauch als "Potomac-Primary" bekannt wurden. Die beiden Staaten Maryland und Virgina sowie die Hauptstadt Washington DC stimmen über die Kandidaten der Demokratischen und Republikanischen Partei ab. Verbunden sind alle drei durch das blaue Band des Potomac.

Zum ersten Mal kommt es zu dieser regionalen Wahlbündelung. Während viele Staaten ihre Vorwahlen auf den frühesten von den nationalen Parteiführungen erlaubten Termin, den Super Tuesday am fünften Februar, vorlegten, entschieden sich die Verantwortlichen am Potomac, gemeinsam genau eine Woche später anzutreten, um so den Einfluss der örtlichen Wählerschaft auf den Ausgang der Vorwahlen zu erhöhen.

In vergangenen Jahren hatten alle drei Vorwahlen keine sonderliche Bedeutung für die Präsidentschaftsnominierung gehabt. 2008 scheint die Rechnung dagegen aufzugehen. "Bisher wurden unsere Wahlen abgeschrieben, weil es hieß, zu diesem Zeitpunkt werde bereits alles entschieden sein", sagt Alan Brian, Parteiaktivist bei den Demokraten und einer der Leiter des örtlichen Obama-Wahlkampfteams. "Jetzt liegt es an uns, das Rennen zu Gunsten eines der beiden Kandidaten zu kippen."

Tatsächlich ist der Wettbewerb zwischen Hillary Clinton und Barack Obama nach dem Super Tuesday so eng wie nie. Nach einem Wochenende, das Obama vier deutliche Siege in Nebraska, Louisiana, dem Staat Washington und Maine einbrachte, könnte der Senator aus Chicago mit weiteren Siegen am Dienstag in Führung gehen und einen Schwung entwickeln, der für Clinton schwer zu bremsen ist. Die hatte nach den jüngsten Niederlagen die Spitze ihres Wahlkampfteams ausgewechselt. Eine Mason-Dixon-Wählerbefragung vom Sonntag hatte ergeben, dass Clinton dennoch weitere Niederlagen bevorstehen. Demnach führt Obama in Virginia mit 53 zu 37 Prozent, in Maryland mit 53 zu 35 Prozent.

Auch in der amerikanischen Hauptstadt wird mit einer Niederlage Clintons gerechnet. "DC ist Obama-Land", sagt Wahlkämpfer Brian. Er könnte recht behalten. Schon Ende Januar war der Kandidat auf Wahlkampfveranstaltungen und einer Spendengala in der Stadt gewesen, seitdem folgt auch in seiner Abwesenheit ein werbendes Ereignis dem anderen. Hillary Clintons Kalender sieht dagegen mager aus. Vor dem fünften Februar organisierten sich hier Obama-Fahrgemeinschaften, um in benachbarten Staaten beim Wahlkampf zu helfen. Eine Woche später begannen Obama-Telefonkomitees, ihre Freundeskreise anzurufen und in der Nachbarschaft an Türen zu klopfen. Immer wieder gibt es Spendenveranstaltungen. Die Unterstützerliste Obamas reicht von der schwarzen Homosexuellen-Community in der Hauptstadt bis zu deren Bürgermeister.

Dem Moment, dass Obama mit seinem Wahlkampf gegen das politische Establishment in Washington ausgerechnet in dieser Stadt so gut ankommt, mag eine eigene Ironie innewohnen - überraschend ist es nicht. Die Mehrheit der Hauptstadt-Bewohner sind Afro-Amerikaner, auch wenn man davon nicht viel mitbekommt in der Gegend um die National Mall, den Grünstreifen, der vom Weißen Haus bis zum Capitol reicht und mit Denkmälern und Museen gesäumt ist.

Für diejenigen, die nicht aus den reichen Vororten zum Bürojob in die Hauptstadt pendeln, gibt es genug Gründe, sich nach dem Wandel zu sehnen, den Obama verspricht. Washington hat eine der höchsten Aidsraten der Vereinigten Staaten, einige Schätzungen gehen davon aus, dass hier jeder 20. Erwachsene infiziert ist. Kriminalität ist in einigen Teilen der Stadt ein großes Problem. Nicht zuletzt haben die knapp 590.000 Einwohner Washingtons keine politische Vertretung in Senat und Repräsentantenhaus. Ursprünglich sollte so verhindert werden, dass die Stadt politisch bevorzugt wird. Heute fühlen sich hier viele benachteiligt. Ein Vorstoß der Demokraten, Washington durch einen vollwertigen Repräsentanten vertreten zu lassen, scheiterte im vergangenen Herbst an der Opposition der Republikaner.

Alan Brian ist sich nun sicher, dass bei den Demokraten in der gesamten Region Barack Obama das Rennen machen wird: "Wir sind sehr optimistisch. Er sagt, was die Leute hören wollen." Das tat Obama auch am Montagmittag, als er unweit der Hauptstadt in der University of Maryland auftrat. Seine Wahlkampfrede ergänzte er durch einiges Lokalkolorit. So erwähnte er etwa die Chicken-Dinner, die er seit seinem Kandidatur-Antritt vor ziemlich genau einem Jahr gegessen hat (die Staaten Maryland und Virginia sind unter den führenden Standorten in der amerikanischen Hühnchen-Produktion) und kündigte an, sich um den Schutz der Atlantikbucht Chesapeake zu kümmern, die neben ihrem Zubringerfluss, dem Potomac, eine der ökologischen Herausforderungen in der Region ist. Für Hillary Clinton sprang derweil Ehemann und Ex-Präsident Bill in die Bresche, um in der Region um Wähler zu werben.

Auf Seiten der Republikaner könnten diese Wahlen einen weiteren Rückschlag für Spitzenkandidat John McCain bringen. Der hatte am Wochenende zwei von drei Abstimmungen an seinen Konkurrenten Mike Huckabee verloren. Das Ergebnis der Wahl im Staat Washington, wo John McCain noch vor Auszählung aller Wahlzettel mit wenigen hundert Stimmen Vorsprung zum Sieger erklärt wurde, wird von Huckabee angefochten. Seit den überraschenden Wahlsiegen des Rechtsaußen ist der Vorsprung John McCains innerhalb weniger Tage im Staat Virginia nach einer Umfrage von SurveyUSA von knapp 30 Prozent auf knapp zehn Prozent eingebrochen.

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