Dienstag, 12. Februar 2008

«Psychodrama» um Sarkozys Sprecher

Frankreichs Präsident Sarkozy muss weiter gegen einen Autoritätsverlust kämpfen. Nun hat sein Sohn dazu beigetragen, seinen Sprecher Martinon abzusägen.

Kurz vor seinem Abflug nach Französisch-Guayana schob Nicolas Sarkozy am Sonntagabend noch schnell eine TV-Ansprache zum EU-Reformvertrag ein. Doch die gewohnte Übung, bei schlechten Nachrichten sofort ein neues Thema zu setzen, misslang: Die Franzosen interessierten sich am Montag nur für das molièresche Intrigentheater in Sarkozys Hofstaat.
«Rififi in Sarkozys Hochburg» titelt der «Parisien». Die «Libération» konstatiert «Kopflosigkeit» im «Herzen des Königreiches». Und selbst der regierungsnahe «Figaro» spricht von einer «Operation rette sich wer kann».


Was war geschehen?
Vier Wochen vor der Kommunalwahl hatte Sarkozys eigener Sohn Jean den Präsidentensprecher David Martinon «politisch erdolcht». Der Staatschef hatte Martinon (36) als Spitzenkandidat in den Pariser Vorort Neuilly geschickt. Die reichste Gemeinde Frankreichs ist Sarkozys Hochburg: Hier war der Staatschef von 1983 bis 2002 Bürgermeister, mit zuletzt 76 Prozent der Stimmen. Für Sarkozys «politischen Ziehsohn» Martinon war Neuilly das «sichere Ticket» für die eigene politische Karriere. Als Geleitschutz gab der Präsident seinem Sprecher zudem seinen eigenen Sohn zur Seite.


«Der Präsident hat dabei keine Rolle gespielt«

Doch «das verpflanzte Organ wurde abgestoßen», sagt Élysée-Generalsekretär Claude Guéant: Martinon kam in Neuilly nicht an. Sein zweites Handicap: Martinon war ein Schützling Cécilia Sarkozys. Nach Sarkozys Scheidung von Cécilia wurde Martinon prompt von Gegnern aus den eigenen Reihen in zermürbende Grabenkämpfe gezerrt.
Am Ende drohte Martinon Neuilly gegen Parteidissidenten zu verlieren. Am Sonntag trat Jean Sarkozy (21) von Martinons Liste zurück und gründete mit anderen eine Gegenliste.
«Der Präsident hat dabei keine Rolle gespielt», versichert Patrick Devedjian, Chef von Sarkozys Partei UMP. «Jean Sarkozy hat das Erbvirus.» Auch Nicolas Sarkozy hatte Neuilly einst mit einem «politischen Dolchstoß» erobert: Er hatte mit 28 Jahren dort den legendären Charles Pasqua gestürzt.
Der «Figaro» widerspricht Devedjian aber. Das Blatt, das Martinons Sturz schon vorab ankündigte, versichert, Vater Sarkozy habe seinen Sohn zur Tat getrieben. Das sei «der Stil der Monarchie mit Gnade und Ungnade», empört sich der Zentrumspolitiker François Bayrou. «In der Demokratie gibt man die Macht nicht seinem Erstgeborenen weiter.»


Wirtschaftsministerin drohte mit Rücktritt

Das «Psychodrama» ist der mediale Höhepunkt des rasanten Autoritätszerfalls des französischen Präsidenten. In der einst lammfrommen Fraktion rumort es gegen die «Expertenrepublik», in der die Volksvertreter nur abnicken, was Sarkozys Berater planen. Parteigrößen wie Altpremier Alain Juppé in Bordeaux verzichten im Wahlkampf auf die UMP-Insignien und bedeuten Sarkozy, er möge sie bloß nicht im Wahlkampf unterstützen. Minister granteln, weil Sarkozy sie wie Schulbuben benoten will und dafür Ziele wie die Zahl der Abschiebungen vorgibt.
Wirtschaftsministerin Christine Lagarde soll sogar mit Rücktritt gedroht haben, weil Sarkozy trotz leerer Kassen den Wählern wieder Wohltaten verspricht. Vergangene Woche haute Sarkozy im Kabinett auf den Tisch: «Nach den Kommunalwahlen werde ich kaltblütig die sich aufdrängenden Entscheidungen fällen.»
Auch die Medien verlieren ihre Scheu vor der Macht. Alle drei Nachrichtenmagazine titeln aktuell mit Sarkozy, und keines positiv. Doch die Zornesröte trieb dem Präsidenten «nouvelobs.com» ins Gesicht. Das Internet-Magazin veröffentlichte eine SMS, die angeblich Sarkozy eine Woche vor seiner Hochzeit mit der Sängerin Carla Bruni an seine «Ex» Cécilia geschickt haben soll. «Wenn Du zurückkommst, annulliere ich alles.» Sarkozy klagt gegen die «Fälschung», doch der verantwortliche Journalist beharrt auf seiner Information. «Es ist Zeit für einen Waffenstillstand», fleht UMP-Fraktionschef Jean- François Copé.
(Hans-Hermann Nikolei)

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