Mittwoch, 20. Februar 2008

Neue Spur aus dem Tresor?

War der angebliche Kennedy-Mörder Oswald wirklich nur ein verblendeter Kommunist ohne Hintermänner? Ein Dokument, das jahrzehntelang in einem Tresor in Dallas schlummerte, könnte nun das Gegenteil beweisen. Die Verschwörungstheorien blühen neu auf.
Von Katja Iken


"Alles, was ich brauche, ist ein Gewehr und ein hohes Gebäude." Mit diesem Satz soll der mutmaßliche Kennedy-Attentäter Lee Harvey Oswald gegenüber dem Barbesitzer Jack Ruby bei einem Treffen in einem von Rubys Nachtclubs seine Mordabsichten erläutert haben - sechs Wochen vor dem Attentat auf den US-Präsidenten. Diese jetzt erst öffentlich bekannt gewordene Unterhaltung feuert die Verschwörungstheorien um die Ermordung von JFK neu an.

Bezirksstaatsanwalt Craig Watkins hat das Gesprächsprotokoll zwischen Ruby und Oswald im zehnten Stock des Gerichtsgebäudes von Dallas in einem alten Safe gefunden. Ursprünglich auf der Suche nach der Pistole, mit der Ruby drei Tage nach dem Präsidentenmord vom 22. November 1963 den angeblichen Kennedy-Attentäter umbrachte, stieß Watkins vor etwa einem Jahr auf den Tresor, dessen zwölf Kisten starken Inhalt er am Montag vor Journalisten präsentierte. Brisantestes Fundstück: die angebliche Abschrift des Nachtclub-Gesprächs zwischen Ruby und Oswald, geführt am 4. Oktober des Kennedy-Todesjahres.

Sollte sich das Gesprächsprotokoll als echt herausstellen, müsste der spektakuläre Fall zum wiederholten Mal neu aufgerollt werden. Denn laut offizieller Darstellung gilt der zur Tatzeit 25-jährige Oswald als Einzeltäter. Der Dialog zwischen Ruby, dem jüdischen Nachtclub-Besitzer mit Mafia-Kontakten, und dem überzeugten Marxisten Oswald hingegen liest sich so, als hätten beide das Attentat gemeinsam geplant. Ihr Motiv: Kennedys Bruder, den damaligen Justizminister Robert Kennedy, unschädlich zu machen, weil der die Mafia ins Visier genommen hatte.

"Ich kann seinen Bruder erschießen"

"Es gibt eine Möglichkeit, ihn (den Justizminister Robert Kennedy, d. Red.) zu erledigen, ohne ihn zu töten", sagte Oswald laut Protokoll. "Und welche?", fragte Ruby. "Ich kann seinen Bruder erschießen", entgegnete Oswald. "Den Präsidenten? Das wäre nicht besonders patriotisch", warf Ruby demnach ein. Oswald entgegnete, er könne es dennoch tun - eine Waffe sowie ein hohes Gebäude würden ihm genügen. Später warnte Ruby Oswald laut Gesprächsprotokoll noch vor den Folgen der Tat: Die Mafia würde Ruby drängen, Oswald zu töten, falls er festgenommen würde.

Die US-Justiz hält das Fundstück für eine Fälschung. Die Mitarbeiterin von Staatsanwalt Watkins, Terri Moore, sagte der Zeitung "Dallas Morning News", es handele sich wahrscheinlich um eine erfundene Szene für einen Film, den der damalige Staatsanwalt Henry Wade mitbetreute. Wade leitete die Ermittlungen gegen Ruby. Und Gary Mack, Kurator des Sixth Floor Museum in Dallas, das die Ermordung Kennedys rekonstruiert hat, soll laut "Dallas Morning News" laut gelacht haben, als er das Dokument in den Händen hielt.

Es gelte als klar erwiesen, dass Oswald an jenem Abend bei seiner Ehefrau in Irving gewesen sei, sagte Mack der Zeitung. Vermutlich habe Staatsanwalt Wade das Dokument deshalb aufgehoben, weil es ihn amüsiert habe. "Es ist urkomisch. Wie ein schlechter B-Movie", so Mack.

Lederhalfter und Messing-Schlagring

Die Warren-Kommission, die 1963 für die Aufklärung des Attentats eingesetzt worden war, ging stets davon aus, dass Oswald und Ruby sich nicht kannten - eine Frage, die aber nie abschließend geklärt werden konnte, da Ruby den mutmaßlichen Kennedy-Attentäter zwei Tage nach der Tat vor laufenden Kameras mit den Worten niederschoss: "Du hast meinen Präsidenten erschossen, du Ratte." Oswald starb im Parkland Memorial Hospital, genau wie zwei Tage vor ihm sein Opfer Kennedy - und drei Jahre später sein Mörder Ruby, der 1967 einer Lungenembolie erlag.

Zwar lag der Warren-Kommission schon während ihrer Untersuchungen ein ähnliches Dokument vor wie die nun aufgetauchte Abschrift. Doch erklärte das FBI jenen Dialog zwischen Ruby und Oswald damals für eine klare Fälschung.

Außer dem umstrittenen Gesprächsprotokoll enthält der Tresor aus Dallas nach US-Medienberichten unter anderem noch einen Lederhalfter und einen Messing-Schlagring Rubys sowie diverse Kleidungsstücke Oswalds. Nur das Objekt, mit dessen Suche Staatsanwalt Watkins die ganze Aufregung ins Rollen gebracht hat, fehlt noch immer: die Waffe, mit der Ruby Oswald ermordete. Sie scheint ebenso unauffindbar wie die ganze Wahrheit um den nach wie vor mysteriösen Fall JFK.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen