Samstag, 16. Februar 2008

Deutschlands "neuen Asozialen"

von Kai Beller (Berlin)

Klaus Zumwinkel ist für die SPD der Prototyp des raffgierigen Managers. Die Partei nimmt die Vorwürfe wegen Steuerhinterziehung zum Anlass, die Debatte um überzogene Managergehälter neu anzuheizen.

"Offensichtlich ist in den letzten Jahren von selbst ernannten Teilen der Wirtschaftselite eine Praxis eingerissen, die man nur unanständig nennen kann", sagte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil zum Fall des zurückgetretenen Post-Chefs Klaus Zumwinkel. Heil vermutet, dass Zumwinkel nur die "Spitze des Eisberges" ist. Es sei damit zu rechnen, dass im Zusammenhang mit Konten in Liechtenstein noch mehr Fälle aufgedeckt würden. Von "neuen Asozialen", die sich selbst über "Staat und Gesetz" erhoben hätten, sprach der SPD-Generalsekretär.

Gegen den Post-Chef wird wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung ermittelt. Er soll am deutschen Fiskus vorbei Geld in Stiftungen in Liechtenstein angelegt haben. Am Freitagmorgen erklärte Zumwinkel den Rücktritt von seinem Amt als Vorstandschef der Deutschen Post. Offenbar zieht der Fall weite Kreise: Die Ermittlungsbehörden sollen noch etliche andere Verdächtige im Visier haben.

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil: Für Zumwinkel die volle Härte des Gesetzes
SPD-Generalsekretär Hubertus Heil:
Für Zumwinkel die volle Härte des Gesetzes

Der SPD liefert der Fall den Anlass an eine Gerechtigkeitsdebatte anzuknüpfen, um die es in jüngster Zeit wieder etwas ruhiger geworden. Im Herbst vergangenen Jahres hatte die Politik eine Diskussion über überzogene Managergehälter und -abfindungen losgetreten. Arbeitsgruppen wurden eingesetzt, die untersuchen sollten, wie man die exorbitanten Gehälter der Wirtschaftselite deckeln könnte. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Union riefen die Manager zur Mäßigung auf, damit das Vertrauen in die soziale Marktwirtschaft nicht beschädigt werde.

Zumwinkel könnte das Paradebeispiel des raffgierigen Managertypus für die Sozialdemokraten werden. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) erinnerte die Manager an ihre Vorbildfunktion. Steuerhinterziehung sei kein Kavaliersdelikt, "nein, das ist strafrechtlich relevant. Das ist kriminell. Und das muss man beim Namen nennen", sagte Steinbrück. "Und diese freundlichen Damen und Herren, die auch überall Beratungsdienstleistungen zur Verfügung stellen, um anderen zu zeigen, wie es geht, die dürfen auch zum Gegenstand der öffentlichen Kritik gemacht werden", fügte er hinzu. Der Post-Chef galt als besonders gut verdrahtet in der Berliner Politik.

Auch der SPD-Vorsitzende Kurt Beck schlug scharfe Töne an. "Von der Justiz erwarte ich, dass kein Deal gemacht wird“, sagte er. „Das würde dem Gerechtigkeitsempfinden der Menschen - aus meiner Sicht völlig zu Recht - tief widersprechen." Es müsse geprüft werden, ob das Strafmaß insgesamt ausreichend sei "für solche Steuervergehen schwerster Art".

Auch Heil verlangte, die Möglichkeiten der Strafbemessung voll auszuschöpfen. Und er machte deutlich, wie Zumwinkel bestraft werden soll: Eine Geldstrafe sei nicht ausreichend.

Infobox: Steuerhinterziehung

Steuerhinterziehung ist in Deutschland ein Vergehen, das in besonders schweren Fällen mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren geahndet werden kann. Steuersündern, die jetzt vielleicht durch den Zumwinkel-Skandal Reue verspüren, bleibt die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige. Voraussetzung dafür: Falsche bzw. unvollständige Angaben in der Steuererklärung müssen umgehend korrigiert bzw. ergänzt werden. Hinterzogene Steuern müssen dann innerhalb der vom Finanzamt vorgegebenen Zeit bezahlt werden.

Wenn dem Steuersünder die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens mitgeteilt wurde, ist es allerdings zu spät für eine strafbefreiende Selbstanzeige. Gleiches gilt natürlich auch, wenn die Steuerhinterziehung von den Fahndern bereits ganz oder teilweise entdeckt wurde.

Autor: Dr. Bernd-Ulrich Haagen, ZDF

Nach Ansicht der Parteiführung gefährdet die "Jagd nach maßlosen Spitzenrenditen" die Existenz von immer mehr gesunden Betrieben und qualifizierten Arbeitsplätzen. Das Prinzip, wonach die Wirtschaft für die Menschen da sein müsse, sei in weiten Teil außer Kraft gesetzt. Was "ein zügelloser Wettlauf nach Profit" anrichten könne, erlebten gerade viele Menschen in den USA. Dort müssten die "kleinen Leute" um ihre Häuser bangen. Unverzichtbar sei deshalb mehr Transparenz auf den Finanzmärkten, so die SPD-Führung. In Deutschland müssten das bankeninterne Risikomanagement und das Bilanzrecht verbessert und "zweifelhafte Praktiken" von Rating-Agenturen bekämpft werden.

Beck: Keinen Deal machen

Bereits am Freitag hatte der SPD-Vorsitzende Kurt Beck von der Justiz ein scharfes Vorgehen im Fall Zumwinkel und in weiteren Fällen von Steuerhinterziehung verlangt: "Von der Justiz erwarte ich, dass kein Deal gemacht wird. Das würde dem Gerechtigkeitsempfinden der Menschen - aus meiner Sicht völlig zurecht - tief widersprechen."

Infobox: Kritik am Post-Aufsichtsrat

In der Affäre um den zurückgetretenen Postchef Klaus Zumwinkel ist Kritik am Aufsichtsrat des DAX-Konzerns laut geworden. Dort säßen durchaus auch "die Politiker, die ihn jetzt schelten", sagte der Hamburger Wirtschafts- und Rechtsexperte Michael Adams im Deutschlandradio Kultur. Diese hätten die Möglichkeit vertan, Zumwinkels Tätigkeit rechtzeitig zu beenden. Der Wirtschafts- und Rechtsprofessor der Universität Hamburg forderte, alle wichtigen Posten nur zeitlich befristet zu vergeben.

Stattdessen habe sich Zumwinkel immer besser vernetzen können. Auch die Gewerkschaften hätten ihn gestützt. Sein Eintreten für den Post-Mindestlohn habe ihm "die Langfristigkeit seines Posten gesichert", erklärte Adams. Aufgrund dieser langen Dominanz habe sich bei Zumwinkel die Illusion entwickeln können, er stehe über den Gesetzen. Adams nannte Zumwinkels Bilanz "nicht so extrem erfolgreich": In den USA habe er fünf Milliarden Euro versenkt. Mit der Mindestlohngesetzgebung habe er Konkurrenten ausgeschaltet und das überteuerte Porto der Post gesichert.

"Wer sich trotz eines Millionengehalts vor der Steuer drückt, versündigt sich gegenüber unserem Land", erklärte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla. Jetzt müsse geprüft werden, ob der Strafrahmen bei Wirtschafts- und Steuerdelikten härter gefasst werde: "Es darf keinen Freibrief geben." Auch CSU-Chef Erwin Huber forderte harte Konsequenzen. Es müsse schleunigst ein Selbstheilungsprozess in der Wirtschaft einsetzen: "Deshalb sollten wir härtere Gesetze für hochgradige Steuersünder beschließen." SPD-Chef Kurt Beck sagte der Münchner "Abendzeitung": "Ich erwarte von der Justiz, dass kein Deal gemacht wird". Das widerspräche dem Gerechtigkeitsempfinden.

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