Dienstag, 26. Februar 2008

Der Informant, der lichterloh verbrennt

von Peter Carstens, Berlin

Gibt es neben Heinrich K. weitere Quellen in der Liechtensteiner Steueraffäre?

26. Februar 2008 Der Informant „Henry“ ist eine ergiebige Quelle: Der Mann aus Liechtenstein hat angeblich dem BND, der britischen und amerikanischen Steuerfahndung und vielen weiteren Behörden Millionen Daten über Millionäre verkauft, von denen etliche nun in ihren Heimatländern der Steuerhinterziehung beschuldigt werden.

Während in Deutschland am Wochenende „Spiegel“ und „Focus“ mit detaillierten, ziemlich gleichlautenden Details zur Lebensgeschichte des Heinrich Kieber und zur Abwicklung des Datenverkaufs aufwarteten, berichtete zur gleichen Zeit die britische Zeitung „Sunday Times“, dass britische Behörden umgerechnet 135.000 Euro an Kieber für Liechtensteiner Kontodetails von bis zu 100 Staatsbürgern des Vereinigten Königreichs gezahlt hätten. Schon an den ersten Tagen der Affäre hatten sich Geheimdienstexperten darüber gewundert, wie schnell Einzelheiten des Datenkaufs, insbesondere zum Informanten, publik geworden sind. So eine Person müsse sich unbedingt auf die Diskretion des Dienstes verlassen können, mit dem er arbeitet.

In dunkle Geschäfte verstrickt

Das Leben des Informanten Kieber gilt jedenfalls nach Andeutungen des Bundesnachrichtendienstes als gefährdet. Gefahr droht dem Mann mit unbekanntem Aufenthaltsort weniger von mutmaßlichen deutschen Steuersündern als von Besitzern Dutzender anderer Liechtenstein-Stiftungen, die in dunkle Geschäfte ganz anderen Kalibers verstrickt sind.
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So gesehen, ist ein öffentlich bekannter Informant im Dienstjargon „verbrannt“ – und eventuell ein verfolgter Mann. Das kann mit Blick auf die fachliche Reputation schwerlich im Interesse des BND liegen.

Zumindest unangenehme Begleiterscheinung der Affäre ist, das im Zuge der Steuerermittlungen auch der Name des bayerischen Datenschützers Karl Michael Betzl öffentlich wurde. Betzl ist verheiratet mit einer Referatsleiterin vom BND, einer Frau Dr. R., die das Untersuchungsreferat des Nachrichtendienstes leitet, jenes Referat, dem im Zuge der Affäre um rechtswidrige Journalistenbeobachtung 2005 schwere Verfehlungen zur Last gelegt wurden. Mehrere der damals observierten Reporter gehören heute zu den schreibenden Experten in der Steueraffäre.
Die Daten von Konten der LGT-Bank sollen nur bis 2003 reichen: Woher stammen ...

Die Daten von Konten der LGT-Bank sollen nur bis 2003 reichen: Woher stammen die weiteren Steuerdaten?

Wer lanciert geheime Informationen?

Vom BND kamen, so beteuert man in Kreisen des Nachrichtendienstes, die Informationen über Kieber nicht. Wer aus dem weiten Kreis der Mitwisser kommt also sonst noch in Frage? Der Grünen-Abgeordnete Ströbele und sein FDP-Kollege Stadler, die beide im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG) des Bundestages vergangene Woche aus dem Munde des BND-Präsidenten Uhrlau weniger erfahren haben wollen als später aus der Presse, sind zu Mutmaßungen aufgelegt.

Ströbele sagte: „Offenbar gibt es ein Interesse beim BND oder bei der Bundesregierung oder auch bei beiden, bestimmte Informationen an die Öffentlichkeit zu lancieren.“ Für ihn und seine PKG-Kollegen seien jedenfalls ein großer Teil der jetzt veröffentlichten Informationen völlig neu gewesen. Stadler sagte: „Ich frage mich dabei schon, wer ein Interesse daran hat, dies nach außen gelangen zu lassen.“

Ein Ablenkungsmanöver?

Immerhin haben auch Bundeskanzleramt, diverse Finanzbehörden und auch das Bundeskriminalamt von Kieber gewusst, teilweise sehr genau. Das Bundeskriminalamt (BKA) besitzt die Steuerdateien und hatte es zudem abgelehnt, Kieber in sein Zeugenschutzprogramm aufzunehmen. Deshalb muss der BND seinen Informanten selbst schützen – soweit er kann.

Vielleicht aber lenkt der lichterloh verbrennende Informant Kieber auch einfach ab von anderen, ekligeren Details der Angelegenheit. So vermutete der Geheimdienstexperte der „Berliner Zeitung“ schon Anfang letzter Woche, es könne sich bei Kieber um eine Art Strohmann handeln, mit dessen Hilfe die wahren oder weiteren Quellen des BND – beispielsweise technische Aufklärung und andere Auskunftspersonen – verschleiert würden.

Dafür sprach beispielsweise, dass die Kieber-Daten eigentlich nur bis Anfang 2003 reichen können, dem Zeitpunkt seiner Kündigung oder Entlassung bei der LGT-Bank. Kieber hatte dort Papiere digitalisiert und dabei die Unterlagen von Hunderten von „Stiftern“ gestohlen. Doch unter den Steuerdaten, die schließlich zur Bochumer Staatsanwaltschaft gelangt sind, soll es auch solche geben, die bis Ende 2005 reichen. Woher kommen sie?

Erpresst wegen pädophiler Neigungen?

Nach Auskunft mehrerer Quellen sind an den BND und die Steuerfahnder auch Daten der Landesbank Liechtenstein gekommen. Möglicherweise stammen sie von weiteren Informanten. Auffällig war in diesem Zusammenhang, wie schnell die LGT selbst schon am 15. Februar mit einer Pressemitteilung ohne Namensnennung auf Kieber hinwies und versicherte, Daten von Konten, die ab 2003 eröffnet wurden, seien „von diesem Datendiebstahl nicht betroffen“. Es gebe „keine Hinweise, dass seit 2002 Kundendaten entwendet wurden“. So sollte wohl die erschrockene Kundschaft beruhigt werden, dass es keine weiteren Sicherheitslücken und „Informanten“ gebe.

Die schweizerische Boulevard-Zeitung „Sonntags-Blick“ hatte am Wochenende noch eine Variante präsentiert, die der BND umgehend als frei von Tatsachen zurückgewiesen hat. Demzufolge soll der deutsche Nachrichtendienst weitere Mitarbeiter Liechtensteiner Geldinstitute zur Kooperation ermuntert haben.

In einem Fall sei dies durch blanke Erpressung geschehen. Der Betreffende habe pädophile Neigungen und sei in eine vom BND mit Kamera und Mikrofon gespickte Falle gelaufen. Dann habe der Dienst ihn mit den Aufnahmen erpresst. Weder sei die Meldung inhaltlich zutreffend noch bediene sich der Nachrichtendienst solcher Methoden, teilte der BND dazu mit. Die Daten stammten von einem „Selbstanbieter“ – gemeint ist Kieber –, alles andere sei „hanebüchener Unsinn“.

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