Donnerstag, 19. August 2010

Neue Vorwürfe gegen Ministerin Grotelüschen

Tierquälerei

Von Nils Klawitter

Niedersachsens Ministerin Grotelüschen gerät bei den Vorwürfen wegen Tierquälerei unter Druck. Denn es gibt eine direkte Verbindung von den TV-Bildern mit verendenden Mastputen zu ihr: Die eidesstattliche Versicherung eines umstrittenen Putenmästers kam vom Privat-Fax der CDU-Frau.

Als Christian Wulff im April Niedersachsens Kabinett umkrempelte und drei neue Frauen holte, gab es viel Lob. Eine Migrantin wurde Sozialministerin, eine Ostdeutsche Bildungsministerin. Die dritte Frau war die Mastputen-Managerin Astrid Grotelüschen. Sie leitet das Agrarressort. Mit ihr, hieß es, sei die Lobby direkt ins Ministerium durchmarschiert. Die CDU dementierte das empört.

Astrid Grotelüschen war bis vor kurzem mitverantwortlich für die familieneigene Mastputenbrüterei in Ahlhorn, in der im Jahr fünf Millionen Küken schlüpfen. Die Tiere werden lebend verpackt und zu Mästern gefahren, mit denen die Grotelüschens oft verbandelt sind. Geschlachtet wird in Betrieben, an denen die Grotelüschens wiederum beteiligt sind. Im Laden werden die Puten dann unter der Marke Wiesenhof verkauft. Hinter diesem idyllisch anmutenden Namen steht jedoch Deutschlands größter Geflügelzüchter, der erst vor kurzem wegen Tierquälerei von Masthühnern in einem Betrieb in Niedersachsen ins Gerede kam.

Bei der Putenmast erreichen die Tiere innerhalb weniger Monate ihr Schlachtgewicht, doch viele bleiben in den beengten Ställen schon vorher auf der Strecke und verenden grausam. Putenzucht sei die Inkaufnahme schwerer Qualen, sagt der Agrarwissenschaftler Edmund Haferbeck, der die Tierschutzorganisation Peta berät. Leute in dieser Branche seien "Systemtierquäler". Zu besichtigen war das Elend der Tiere zuletzt am 9. August. An dem Tag zeigte das ARD-Magazin "Report Mainz" grausame Bilder von verendenden Puten mit teils ausgepickten Augen, die aus Mastanlagen in Mecklenburg-Vorpommern stammen sollen. Die Tierschutzorganisation Peta hatte sie aufgenommen. Damit konfrontiert hatte Grotelüschen gesagt, sie habe mit diesen Betrieben "nichts zu tun". Der Betrieb ihrer Familie sei lediglich eine Brüterei.

Schon das stimmte nicht ganz. Die Mastputenbrüterei Ahlhorn, die Grotelüschen bis vor kurzem noch mitleitete, ist größter Gesellschafter der Putenerzeugergemeinschaft Mecklenburg-Vorpommern, von deren Betrieben die Qual-Aufnahmen stammen sollen.

Dokumente vom Privat-Fax abgeschickt
Der Sprecher der Ministerin witterte eine "Kampagne". Auffällig ist jedoch, dass Grotelüschen gerade in dem Moment Ministerin wird, in dem die Branche nach Expansion strebt: So unterstützt sie ganz geradeheraus den umstrittenen Bau der größten Hähnchenschlachterei Europas in Wietze bei Celle. Die Vorwürfe von Tierschützern, mit Grotelüschen werde das "grauenhafte Markenzeichen" der niedersächsischen Massentierhaltung gestärkt, hält die CDU für "unanständig". Die Kritiker sollten endlich mal Beweise vorlegen.

Das tat jetzt der grüne Abgeordnete Christian Meyer - und brachte die Ministerin in noch größere Schwierigkeiten. Er präsentierte im Landtag Telefaxe mit eidesstattlichen Versicherungen zweier Putenmäster, die auch SPIEGEL ONLINE vorliegen. In ihnen wird bestritten, dass die Bilder mit den gequälten Tieren in den Mecklenburger Mastställen gemacht wurden. Der Schönheitsfehler: Eines der Faxe wurde von Grotelüschens Brüterei in Ahlhorn, das andere sogar von dem Privat-Fax der Familie abgeschickt. Und das schon drei Tage vor Ausstrahlung des "Report"-Beitrags, am 6. August. Die Grotelüschens, die angeblich in keinerlei Verbindung zu den Qual-Mastanlagen stehen, haben sich also schon frühzeitig rührend um juristischen Beistand für ihre fragwürdigen Vertragsmäster gekümmert.

Grotelüschens Sprecher findet dies nicht weiter verwunderlich. Herr und Frau Grotelüschen würden schließlich "gemeinsam die familieneigenen Telekommunikationsmöglichkeiten nutzen". Zudem hätten sich die Mäster selbst an die Grotelüschens gewandt.

Grotelüschens "vorbildliche Art" von McAllister gelobt
Peta-Berater Edmund Haferbeck kann über die eidesstattlichen Versicherungen nur schmunzeln. Seine Organisation hat längere Versionen der Aufnahmen inzwischen ins Internet gestellt. Leugnen, so der Agrarwissenschaftler, helfe nicht mehr. Der Skandal sei doch, "dass die gezeigten Zustände kein Ausnahmefall, sondern Alltag in der deutschen Putenmast sind". Bis zu acht Prozent der Puten sterben während der Mastzeit.

Die enge Verbindung vom Grotelüschen-Betrieb zu den Mästern in Mecklenburg wurde bis vor kurzem sogar stolz auf der eigenen Homepage beschrieben. Dort stand: "Während der ganzen Haltungsperiode erhalten die Landwirte Unterstützung durch die erfahrene Außendienst-Mannschaft der Mastputen-Brüterei sowie firmeneigene Veterinäre." Inzwischen ist die Seite in Überarbeitung. Am Mittwoch stärkte der neue Ministerpräsident David McAllister Grotelüschen demonstrativ den Rücken und lobte ihre "vorbildliche Art". Im Landtag hatte die Ministerin, die auch für den Tierschutz zuständig ist, es zuvor abgelehnt, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Über ihre Kritiker sagte sie bloß sinngemäß, Niedersachsen brauche keine dieser sogenannten Tierschützer.

Bei ihrer Amtseinführung klang Grotelüschen noch etwas anders. "Die Kinder sollten wissen", sagte sie damals, "woher die Lebensmittel stammen". Den genauen Blick in Mastställe hatte sie damit wohl nicht gemeint.

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