Standesamtpreise im Ländle
Von Dominik Peters
Es ist der schönste Tag im Leben: zwei Liebende sagen Ja. Der ewige Treueschwur findet in einem festlichen Rahmen im Standesamt statt. Kostenpunkt: 40 Euro, egal ob Hetero- oder Homo-Ehe. Bundesweit gilt der gleiche Betrag.
Außer in Baden-Württemberg.
Im Südwesten der Republik müssen gleichgeschlechtliche Paare für ihr Jawort je nach Stadt oder Kreis unterschiedlich viel zahlen - mancherorts deutlich mehr als Heterosexuelle, die stets die gesetzlich festgelegte Gebühr auf den Behördentisch blättern. Aber nicht nur das: auch die Türen der Trauräume der Standesämter bleiben vereinzelt für Schwule und Lesben fest verschlossen.
Der baden-württembergische Grünen-Vorsitzende Chris Kühn kritisiert das scharf: "Die Landesregierung darf homosexuelle Paare nicht länger in schmucklose Landratsamtshinterzimmer oder gar Kfz-Zulassungsstellen verbannen, um die Homo-Ehe zu schließen." Es sei zwingend notwendig, "dass das Jawort in Zukunft die gesetzlich festgelegte Gebühr von 40 Euro für Eheschließungen kostet. Unabhängig davon, ob es sich um eine Hetero-Ehe oder eine Homo-Ehe handelt".
Das "Innovationsland" hinkt hinterher
Dass das bisher nicht so ist, macht eine Sonderregelung möglich, die im vergangenen Jahr im Bundesrat beschlossen wurde - die sogenannte Länderöffnungsklausel. Die damalige Große Koalition hatte zuvor eine Gesetzesänderung am Personenstandsrecht vorgenommen. Vorgesehen war, dass die eingetragenen Lebenspartnerschaften künftig in ganz Deutschland von den Standesämtern bearbeitet und auch dort geschlossen werden sollten. Doch das Vorhaben scheiterte am Widerstand des Bundesrats, der die besagte Klausel durchsetzte.
Lediglich die CDU-regierten Bundesländer Thüringen und Baden-Württemberg machten davon Gebrauch. Als im November 2009 Christine Lieberknecht (CDU) Ministerpräsidentin wurde, beschloss die neue Regierung, dass künftig auch in Thüringen die Standesämter für die Homo-Ehe zuständig sein sollen; ein Gesetzentwurf liegt bereits vor.
Einzig Baden-Württemberg hält bis heute stur an seiner Ausnahmeregelung fest. Ausgerechnet das "Innovationsland", das "immer einen Schritt voraus" ist - wie die Werbekampagnen aus dem Ländle immer wieder betonen - hinkt allen anderen hinterher.
Der vermeintlich schönste Tag im Leben
Gemäß einem Landeserlass werden heiratswilligen Homosexuellen je nach Stadt oder Kreis unterschiedliche Kosten für den Trauschein berechnet. Denn nach einem Gesetz aus dem Jahr 2002 sind die unteren Verwaltungsbehörden in Baden-Württemberg für die eingetragenen Lebenspartnerschaften verantwortlich, ergo: die Landratsämter in den Landkreisen und die Gemeinden in den Stadtkreisen.
Ihnen steht es frei, wo die schwulen und lesbischen Paare getraut werden und wie viel das kostet. Die Folge: Die Gebührensätze variieren stark. In Freiburg, Heidelberg und Mannheim sowie in Ulm und Stuttgart können Homosexuelle wie Heterosexuelle heiraten. Die Trauung findet im Standesamt statt, die Kosten belaufen sich auf 40 Euro. Zwar haben die Standesbeamten dann nur eine Funktion als "Urkundenbeamten", aber über diese semantische Feinheit blicken homosexuelle Paare wohl hinweg.
Anders in Ludwigsburg. Dort müssen Schwule und Lesben besonders tief in die Tasche greifen: 150 Euro kostet sie die eingetragene Partnerschaft beim zuständigen Landratsamt an ihrem vermeintlich schönsten Tag im Leben.
Diskriminierend sei das nicht, findet das Landratsamt. Auf Nachfrage von SPIEGEL ONLINE erklärt man, die Gebühren würden nach dem Arbeitsaufwand und den Personalkosten berechnet. Alles habe seine Ordnung. Das Verfahren gleiche dem anderer Zuständigkeitsbereiche wie dem Bau- und Abfallrecht. Außerdem müssten die Kommunen bei den vom Land vorgegebenen 40 Euro für die Eheschließungen in Standesämtern draufzahlen. Die Gebühr für die eingetragene Lebenspartnerschaft hingegen sei kostendeckend.
Ludwigsburg ist kein Einzelfall. In Karlsruhe belaufen sich die Gebühren beispielsweise auf 75 Euro, in Heidenheim sogar auf 166 Euro.
"Texanische Verhältnisse" im Ländle
Dass sorgt nicht nur bei den Grünen in Baden-Württemberg für Unmut und Kritik. Roland Zipfel, Landesvorsitzender der Schwusos, der Arbeitsgemeinschaft der Lesben und Schwulen in der SPD, spricht von "texanischen Verhältnissen", und auch in den eigenen Reihen von Ministerpräsident Mappus (CDU) regt sich Widerstand.
Der Filderstädter CDU-Stadtrat Ralf Berti gab erst vor wenigen Tagen sein Parteibuch aus Protest ab. Er könne kein Mitglied einer Partei sein, "die Probleme mit Schwulen und Lesben hat", sagte er nach Angaben der "Stuttgarter Zeitung". Reinhard Thole, Bundesvorsitzender der Lesben und Schwulen in der Union, sagte SPIEGEL ONLINE, die derzeitige Diskriminierung von Homosexuellen sei "nicht länger hinnehmbar". Homosexuellen müsse das Recht eingeräumt werden, sich das Jawort zu geben - zum gleichen Preis verstehe sich. "Die juristischen und finanziellen Begründungen der Damen und Herren in Baden-Württemberg sind absurd", so Thole.
Mappus' Koalitionspartner hingegen trägt die harte Linie mit. Hans-Ulrich Rülke, Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion, sagte, es sei der landespolitische Wille, deutlich zu machen, dass ein Unterschied zwischen heterosexuellen Ehen und homosexuellen eingetragenen Partnerschaften bestehe. Wenn man dies nicht unterstützen würde, wäre man nicht Teil der Regierung, so Rülke zu SPIEGEL ONLINE.
Als Privatperson äußert sich der Liberale indes anders. In einem offenen Grußwort an die Teilnehmer der diesjährigen CSD-Parade in Stuttgart schreibt er, dass es nicht mehr zeitgemäß sei, "dass nach wie vor Menschen für die Wahl ihres individuellen Lebensentwurfs kämpfen und Einschränkungen in Kauf nehmen müssen".
Alles bleibt beim Alten
Einen ähnlichen Brief zu schreiben hat Ministerpräsident Mappus hingegen abgelehnt. Er hatte sich bereits 2005 als Fraktionschef in einem Interview mit der "Stuttgarter Zeitung" gegen den Christopher Street Day ausgesprochen. Damals polterte Mappus, er habe ein Problem mit dem "frivolen, karnevalesken Zurschaustellen von sexuellen Neigungen, wie es bei dieser Veranstaltung geschieht".
Nun als Ministerpräsident im Amt, verwies der CDU-Politiker die Organisatoren der Schwulen- und Lesbenparade an das Sozialministerium. Aber auch von dort gab es dieses Jahr keine "warmen Worte", wie die Grußbotschaft offiziell heißt.
Und auch am Sonderweg bei der Homo-Ehe wird sich so schnell nichts ändern. Beim zuständigen Innenministerium weist man alle Kritik zurück. Alles bleibe beim Alten, heißt es. Derzeit bestehe kein Bedarf, Änderungen vorzunehmen und sich den anderen Bundesländern anzuschließen.
Für den vermeintlich schönsten Tag im Leben müssen Schwule und Lesben also mancherorts in Baden-Württemberg weiterhin draufzahlen.
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