Freitag, 6. März 2009

Staatsanwaltschaft widerspricht Tauss' Rechtfertigung

Der SPD-Politiker Jörg Tauss rechtfertigt bei ihm gefundenes Kinderporno-Material mit seiner Arbeit als Abgeordneter - jetzt stellt die Staatsanwaltschaft seine Verteidigungslinie in Frage. Bei ihm gefundenes Material spreche "eindeutig gegen einen Zusammenhang" mit seiner Tätigkeit.

Berlin - Der Kinderporno-Verdacht gegen den zurückgetretenen SPD-Politiker Jörg Tauss hat sich erhärtet. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Karlsruhe sagte der "Stuttgarter Zeitung", das in der Berliner Wohnung von Tauss sichergestellte Material spreche "eindeutig gegen einen Zusammenhang mit seiner Abgeordnetentätigkeit". Um was es sich genau handelt, wurde nicht bekannt.

Er selbst hatte die Funde mit seiner Tätigkeit als medienpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion erklärt. Schon zuvor hatte die Staatsanwaltschaft mitgeteilt, in der Wohnung sei "einschlägiges" Material außerhalb von Computern gefunden worden, das Tauss erklären müsse: "Das können wir so nicht nachvollziehen."

Tauss' Anwalt Jan Mönikes erhob dagegen schwere Vorwürfe gegen die Ermittler: "Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe hat am Donnerstag in einer Weise kommuniziert, die dem Grundsatz der Unschuldsvermutung widerspricht." Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft habe "bereits Stellung genommen, als die Durchsuchungen noch gar nicht abgeschlossen waren. Das ganze Vorgehen war vollkommen unmöglich. Ich kritisiere das scharf", sagte Mönikes der Zeitung.

Tauss war am Freitag von allen seinen Ämtern zurückgetreten, nachdem bei Durchsuchungen in seiner Berliner Wohnung Kinderporno-Bildmaterial gefunden worden war. Dennoch beteuerte er seine Unschuld: Er habe sich in seiner Tätigkeit als Medienpolitiker mit dem Thema Kinderpornografie beschäftigt, sagte der 55-Jährige. Er werde die Ermittlungsbehörden bei der Aufklärung des Sachverhaltes "nach allen Kräften" unterstützen. "Ich bin mir absolut sicher, dass der gegen mich erhobene Vorwurf schnell ausgeräumt werden kann", erklärte er.

Baden-Württembergs SPD-Vorsitzende Ute Vogt akzeptierte den Rücktritt als Generalsekretär der Landespartei. "Dieser Schritt verdient abseits der gegen ihn erhobenen Vorwürfe unseren Respekt", teilte Vogt am Freitag mit. Im Interesse aller Beteiligten müssten die Vorwürfe nun so schnell wie möglich aufgeklärt werden. Das SPD-Landespräsidium werde sich am Sonntag mit "allen damit zusammenhängenden Fragen" beschäftigen. Man werde die Staatsanwaltschaft nun drängen, schnell eine Bewertung abzugeben, ob sich der Verdacht erhärtet hat. "Die Öffentlichkeit und Tauss haben Anspruch auf eine rasche Auskunft", sagte SPD-Landtagsfraktionschef Claus Schmiedel.

Nachfolger von Jörg Tauss im Amt des bildungspolitischen Sprechers soll nach Informationen von SPIEGEL ONLINE sein bisheriger Stellvertreter Ernst Dieter Rossmann werden. Der 58-Jährige ist seit 1998 Mitglied des Bundestages und derzeit Mitglied im Fraktionsvorstand. Zudem ist Rossmann Sprecher der Parlamentarischen Linken. Er soll bereits in der nächsten Sitzungswoche von der zuständigen Arbeitsgemeinschaft Bildung gewählt und anschließend von der Fraktion bestätigt werden.

Am Donnerstag hatte der Bundestag die Immunität des Abgeordneten aufgehoben. Die Ermittlungen gegen ihn hatten nach SPIEGEL-Erkenntnissen mit einem Hinweis der Staatsanwaltschaft Bremerhaven begonnen. Bei einem Mann, der wegen der Verbreitung von Kinderpornografie beschuldigt wird, fand man zwei Handynummern, die Tauss zugeordnet werden konnten, außerdem seine Berliner Wohnadresse. Insgesamt sollen 23 Kontakte vermerkt sein, unter anderem per SMS und MMS, wobei auch eine Video-Sequenz mit kinderpornografischem Inhalt von Tauss' Handy an den Bremerhavener verschickt worden sein soll. In mindestens einem Fall soll Tauss auch eine DVD von dem Norddeutschen erhalten haben.

Der 55-Jährige hatte sich in den vergangenen Jahren als Experte für Neue Medien einen Namen gemacht. Zuletzt trat er in der Debatte um die mögliche Sperre von Internet-Seiten mit kinderpornografischem Inhalt als entschiedener Kritiker von Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) auf. Deren Forderung nach einem entsprechenden Gesetzentwurf bezeichnete er als "Wahlkampfmätzchen".

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