Ein Kompromiss mit der Hessen-SPD stand kurz bevor, dann ließ ihn der Ypsilanti-Rivale platzen: Jürgen Walter bleibt im Streit über sein angeblich parteischädigendes Verhalten hart. Lieber zieht er bis vors Verfassungsgericht - und nimmt in Kauf, den Bundestagswahlkampf zu beschädigen.
Nidda - Es geht um Stolz, um Macht und um den Platz in den Geschichtsbüchern. Dies muss vorausgeschickt werden, wenn es um die aktuelle Posse in der hessischen SPD geht.
Jürgen Walter vor Beginn des Parteiverfahrens in Nidda: "Das wäre ein Schuldeingeständnis"Im Mittelpunkt steht Jürgen Walter, Ex-Fraktionschef und Hassfigur eines Großteils der hessischen Sozialdemokraten. Gemeinsam mit drei weiteren Abgeordneten hatte er sich im November geweigert, Andrea Ypsilanti zur Ministerpräsidentin zu wählen. Es folgten Neuwahlen und eine historische Niederlage der SPD.
Nidda - Es geht um Stolz, um Macht und um den Platz in den Geschichtsbüchern. Dies muss vorausgeschickt werden, wenn es um die aktuelle Posse in der hessischen SPD geht.
Jürgen Walter vor Beginn des Parteiverfahrens in Nidda: "Das wäre ein Schuldeingeständnis"Im Mittelpunkt steht Jürgen Walter, Ex-Fraktionschef und Hassfigur eines Großteils der hessischen Sozialdemokraten. Gemeinsam mit drei weiteren Abgeordneten hatte er sich im November geweigert, Andrea Ypsilanti zur Ministerpräsidentin zu wählen. Es folgten Neuwahlen und eine historische Niederlage der SPD.
Die Frage ist jetzt, ob sich Walter parteischädigend verhalten hat. An diesem Freitag tagten im Bürgerhaus im mittelhessischen Nidda folgende Konfliktparteien: auf der einen Seite Walter und sein Anwalt, auf der anderen die Kläger - 19 Ortsvereine und der Bezirk Hessen-Süd. Am späten Nachmittag, kurz nach fünf, strömten die meist älteren Genossen aus dem Sitzungssaal. Enttäuschung stand ihnen ins Gesicht geschrieben, sie bestätigten, was schon Minuten vorher durchgesickert war: keine Einigung, die Angelegenheit ist vertagt.
Eine Entscheidung der Schiedskommission wird nun binnen zwei Wochen schriftlich mitgeteilt. Zu erwarten ist dann bei entsprechendem Ergebnis wiederum ein Einspruch von Walter - und der Wechsel auf die nächsthöhere Instanz: von der Unterbezirksebene vermutlich auf Bezirksebene und dann womöglich vor das Bundesschiedsgericht.
Die Hessen-SPD kommt also auch zwei Monate nach ihrem Wahldebakel gegen CDU-Ministerpräsident Roland Koch nicht zur Ruhe. Mehr noch: Der Streit droht sogar den Wahlkampf von Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier zu torpedieren. Denn je länger er sich hinzieht, umso mehr Negativschlagzeilen drohen der SPD, zumal auch Verfahren gegen die Co-Parteirebellen Carmen Everts und Silke Tesch angestrebt wurden.
Walter hat schon angekündigt, notfalls bis vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Ihm geht es um den korrekten Platz in der Parteigeschichte. In seiner Verteidigungsschrift heißt es, er und die drei Mitstreiter hätten sich "für ein öffentliches Bekenntnis" gegen Ypsilantis Linksregierungs-Pläne entschieden, statt ihr heimlich die Stimme zu verweigern. Das sei "ein bemerkenswertes Beispiel von Zivilcourage". Es habe den Bürgern "wieder etwas Vertrauen in die Politik zurückgegeben".
Kungelrunde im Gasthaus gescheitert
Die Partei hatten an diesem Freitag durchaus versucht, Walter einzufangen. Er, sein Anwalt und auch die Klägerseite zeigten sich optimistisch, man werde sich gütlich einigen. In einer Kungelrunde im angrenzenden rustikalen Gasthaus "Zur Gänsweid" diskutierten beide Seiten über ein Kompromissangebot der Partei. Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE umfasste es drei Punkte: Erstens sollte Walter sich zur innerparteilichen Solidarität bekennen, zweitens keine parteischädigenden Äußerungen mehr tätigen und drittens für ein Jahr keine Ämter und Funktionen in der SPD anstreben.
"Die erste und zweite Bedingung sind kein Problem, das ist völlig unproblematisch", sagte Walter nach SPIEGEL-ONLINE-Informationen dazu. Doch dem Funktionsverbot könne er nicht zustimmen: "Das wäre ein manifestiertes Schuldeingeständnis - das kann ich nicht machen."
Die Gegenseite um Margaretha Sudhof versuchte es noch einmal: Die Kläger seien ihm "sehr weit entgegen gekommen". Statt wie ursprünglich gefordert drei Jahre gehe es nur um ein Jahr Amtsverzicht. Walter müsse wissen: Wenn im September nicht Bundestagswahlen wären, "würde es dieses Angebot nicht geben". Ein klarer Beleg, dass sich die Parteiführung bis hinauf zur Bundesspitze der Brisanz der Angelegenheit bewusst ist und eine geräuschlose Lösung sucht.
Walters Anwalt Mathias Metzger reagierte kühl: "Ob ihr wirklich auf Schritte auf uns zugekommen seid, ist Ansichtssache." Der Ehemann von Walters Mitstreiterin Dagmar Metzger sagte später, "ein Funktionsverbot wäre eine zu umfangreiche Beschneidung des politischen Engagements" - ja, ein "Parteiausschluss auf Zeit".
Die ganze Angelegenheit ist auch für Thorsten Schäfer-Gümbel heikel. Der hessische SPD-Chef hat in den vergangenen Wochen erfahren müssen, wie schnell man vom gefeierten Blitzaufsteiger zum wenig beachteten Repräsentanten einer kriselnden Partei werden kann. Verzweifelt bemüht er sich um bundespolitische Beachtung.
Die winkt ihm nun allenfalls als Sündenbock einer ebenso furchtsam wie wütend nach Hessen blickenden Parteispitze.
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