Dienstag, 10. März 2009

Geplante Visa-Warndatei vom Tisch

Neuer Streit in der Großen Koalition

Das Vorhaben einer Visa-Warndatei zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität ist vorerst geplatzt. Das Bundesjustizministerium habe den erzielten Konsens überraschend aufgekündigt, sagte der Sprecher von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU), Stefan Paris, der
Nachrichtenagentur AFP.

Ursprünglich sollte der Gesetzentwurf am Mittwoch im Kabinett beraten werden. Paris sagte, der Kompromiss sei "intensiv abgestimmt" gewesen. Nun betreibe das Justizministerium eine "Blockade ohne Argumente". Die Minister für Äußeres und Justiz, Frank-Walter Steinmeier und Brigitte Zypries (beide SPD), müssten die Angelegenheit nun klären.

In der Union wird nun erwartet, dass das Vorhaben vor der Bundestagswahl im September möglicherweise nicht mehr zustande kommt. "Ich befürchte, dass uns in dieser Legislaturperiode die Zeit davonläuft und dass die Ministerien für Justiz und wirtschaftliche Zusammenarbeit genau darauf spekulieren", sagte Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU).

Scharfe Kritik von den Grünen
Zuvor hatten die Grünen im Bundestag die Pläne der Bundesregierung scharf kritisiert. Der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte Fraktionschefin Renate Künast, damit würden Bürger wie bei der Vorratsdatenspeicherung ein weiteres Mal unter Generalverdacht gestellt. Künast kritisierte insbesondere, dass sehr viele Gruppen von Personen auf die "Vieleinladerdatei" zugreifen dürften - neben Polizei und Staatsanwaltschaft etwa auch die Arbeitsagenturen und der Verfassungsschutz. Betroffen seien von der Regelung zum Beispiel Unternehmen oder Hochschulen mit internationalen Kontakten, die Tourismusbranche, Vereine und Sportclubs.
Visa-Warnsystem vorhanden

Künast verwies auf ein europäisches Visa-Warnsystem, das im Sommer 2008 beschlossen wurde. Auch dieses sehe zwar eine Vieleinladerdatei vor, auf die allerdings nur ein kleiner Kreis von Personen Zugriff habe, und in der nicht ohne Anlass recherchiert werden dürfe. Die Bundesregierung habe aber nicht den Aufbau dieser Datei abgewartet, sondern sei vorgeprescht und dabei "weit über das Ziel hinaus geschossen".

Die Einrichtung der Visa-Warndatei ist Folge des Visa-Missbrauchs vor allem in Osteuropa zu Zeiten der rot-grünen Koalition. Die neue Datei soll "aufenthaltsrechtliche Gesetzesverstöße" sowie Delikte wie Einschleusung, Schwarzarbeit, Bildung terroristischer Vereinigungen oder Formen des Menschenhandels umfassen.

Den Plänen zufolge wird darin derjenige registriert, der innerhalb von zwei Jahren fünf oder mehr Einladungen an visumpflichtige Ausländer ausgesprochen hat. Außerdem sollen in einer "Warndatei" aufenthaltsrechtliche Gesetzesverstöße sowie Delikte wie Einschleusung, Schwarzarbeit oder Menschenhandel erfasst werden. Das Gesetz soll morgen im Bundeskabinett beraten werden.

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