Mittwoch, 7. Oktober 2009

Schweizer Juso greift Kirchenprivilegien an

Jungsozialisten wollen die "absolute Trennung von Kirche und Staat" - Martin Grichting: Finanzielle Ausstattung der Landeskirchen verhalte sich gegenüber der "gelebten Religiosität" mittlerweile wie "eine Rolls-Royce-Karosserie zu einem Töffmotor
Schweiz (kath.net/RNA)

Die Geschäftsleitung der Jungsozialisten der Schweiz hat ein Positionspapier verabschiedet, welches die radikale Trennung von Kirchen und Staat fordert, inklusive Abschaffung der Kirchensteuer und Schliessung der theologischen Fakultäten an staatlichen Universitäten.

Die Delegierten der Jungsozialisten werden am 24. Oktober über das Positionspapier befinden. Die Forderungen wollen sie im Parteiprogramm der SP verankert sehen.

Die Privilegien der christlichen Landeskirchen seien ein Affront für Nichtgläubige, sagt Cédric Wermuth, Juso-Präsident und Vizepräsident der SP Schweiz. Andere Religionsgemeinschaften wie Muslime oder Juden würden diskriminiert.

Das traditionelle Argument linker Politiker, wonach den Kirchen eine wichtige gemeinnützige Funktion zukomme, lässt Cédric Wermuth nicht gelten: «Staatliche Aufgaben wie die Armutsbekämpfung gehören in die Hand des Staates.» Beifall erntet der Vorstoss der Juso bei der Schweizer Freidenker-Vereinigung, deren Plakatkampagne («Da ist wahrscheinlich kein Gott - also sorg dich nicht, geniess das Leben») vergangene Woche von der Zuger Stadtregierung gestoppt wurde.

Thomas Wipf, Präsident des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbunds, sagt gegenüber der «Sonntagszeitung»: «Religion ist eine gesellschaftliche Realität. Deshalb ist es sinnvoll, dass der Staat sein Verhältnis zur Religion in positiver Weise regelt.»

Für Martin Grichting, Mitglied der Deutschschweizerischen Ordinarienkonferenz der katholischen Kirche und der Churer Bistumsleitung, legen die Jusos den Finger auf einen wunden Punkt: Die finanzielle Ausstattung der Landeskirchen verhalte sich gegenüber der «gelebten Religiosität» mittlerweile wie «eine Rolls-Royce-Karosserie zu einem Töffmotor».

In Basel renne Wermuths Vorschlag «zu 90 Prozent» offene Türen ein, sagt Bernhard Christ, Vizepräsident des Kirchenrats der evangelisch-reformierten Kirche Basel-Stadt. Denn in Basel-Stadt ist die Trennung von Kirche und Staat seit 1910 weitgehend Wirklichkeit.

Der Staat stelle den Kirchen in Basel-Stadt zwar die Steuerdaten ihrer Mitglieder oder die Räumlichkeiten der staatlichen Schulen für den Religionsunterricht zur Verfügung. Doch den öffentlich-rechtlich anerkannten Kirchen fliesse nicht mehr Geld zu «als anderen sozialen Institutionen». Die öffentliche Hand zahle weder etwas an die Kirchengebäude noch an die Löhne der Seelsorgenden. Die Kantone Genf und Neuenburg kennen ebenfalls die Trennung von Kirche und Staat. Den Kirchenmitgliedern steht es frei, ihre Kirchenbeiträge zu entrichten.


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