WORTLAUT: URTEILSBEGRÜNDUNG ZUM KITA-BEGEHREN
„Ausgabenwirksame Volksbegehren sind nach der Verfassung von Berlin nur noch dann unzulässig, wenn sie das Haushaltsgesetz und den in ihm festgestellten Haushaltsplan für das laufende Haushaltsjahr unmittelbar zum Gegenstand haben. Dazu gehören Volksbegehren, die in einen im Zeitpunkt des Zustandekommens des Volksgesetzes geltenden Haushaltsplan eingreifen. Dagegen erstreckt sich der Haushaltsvorbehalt nicht auf finanzwirksame Gesetze, die sich lediglich auf künftige Haushaltsgesetze und künftige Haushaltsperioden auswirken. Diesen Anforderungen genügt das Kita-Volksbegehren.Dem Volksgesetzgeber ist zwar jeder Eingriff in einen aktuellen Haushaltsplan und damit in den Kernbereich der Budgethoheit des Abgeordnetenhauses prinzipiell untersagt. Das Kita-Volksbegehren kann aber so ausgelegt werden, dass es diese Grenze wahrt. Die vorgesehenen Vorschriften, die zu Mehrausgaben führen, könnten im Falle eines erfolgreichen Volksentscheides frühestens mit dem nächsten auf die Verkündung des Gesetzes folgenden Haushaltsjahr in Kraft treten.
Entgegen der Auffassung des Senats gelten für die Zulässigkeit von Volksbegehren ... nicht die ... Einschränkungen, die der Verfassungsgerichtshof für die frühere Fassung des Haushaltsvorbehalts angenommen hat. Seit der Verfassungsänderung von 2006 unterliegen Volksbegehren und Volksentscheide über ausgabenwirksame Gesetze keiner höhenmäßigen ,Erheblichkeitsschwelle‘ mehr, ab der sie in das Haushaltsrecht des Parlaments unzulässig eingreifen.
Diesem Verständnis steht auch Bundesrecht nicht entgegen. Die landesverfassungsrechtliche Zulassung finanzwirksamer Volksbegehren und Volksentscheide, die im Erfolgsfall vom Parlament bei der Aufstellung künftiger Haushalte zu berücksichtigen sind, stellt weder das Demokratie- und das Rechtsstaatsprinzip noch die Funktions- und Handlungsfähigkeit des Abgeordnetenhauses in Frage.“
(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 07.10.2009)
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