Der Mann, der im Frühsommer 2009 das Kölner Einwohnermeldeamt betrat,  hatte es eilig. Er stellte sich als Michael Bodenheimer vor und  beantragte einen Personalausweis und einen Reisepass. 
Der Mann gab sich als Israeli aus, der Mitte Juni nach Deutschland  gezogen sei. Zum Beweis legte er einen israelischen Reisepass vor, der  im November 2008 in Tel Aviv ausgestellt worden war. Seinen Anspruch auf  einen deutschen Pass begründete er mit der Heiratsurkunde seiner  Eltern, die vor den Nazis aus Deutschland geflüchtet seien. Laut Artikel  116 des Grundgesetzes sind "frühere deutsche Staatsangehörige und ihre  Abkömmlinge auf Antrag wieder einzubürgern".
Am 18. Juni 2009 holte der Mann Pass und Personalausweis ab. Acht  Monate später, am Montag vergangener Woche, identifizierte die Polizei  des Emirats Dubai Michael Bodenheimer als einen der mutmaßlichen  Killer des  Hamas-Waffenhändlers Machmud al-Mabhuh. Zur Einreise in die  Vereinigten Arabischen Emirate benutzte er jenen deutschen Pass aus  Köln.
Die Kölner Staatsanwaltschaft leitete ein Verfahren wegen  "mittelbarer Falschbeurkundung" ein, die  Bundesanwaltschaft prüft  derzeit noch, ob sie das Verfahren wegen geheimdienstlicher  Agententätigkeit übernimmt. Weil sämtliche Ermittlungen  darauf hinweisen, dass der israelische Auslandsgeheimdienst  Mossadwurde der  israelische Gesandte in Berlin, Emmanuel Nachshon, am vergangenen  Donnerstag ins Auswärtige Amt geladen. Nachshon wurde vom  Nahost-Direktor des Außenministeriums, Andreas Michaelis, um Aufklärung  gebeten, doch bislang sind die Israelis eine überzeugende Antwort  schuldig geblieben. hinter der Kommandoaktion steht,  
Der SPIEGEL überprüfte die Angaben von Michael Bodenheimer - und  erlebte eine Überraschung.
Als er seinen Pass im Juni vergangenen Jahres beantragte, gab  Bodenheimer eine Wohnung in  Köln in der Straße Eigelstein  als neue Adresse an. Es ist eines der schlechteren Viertel der Domstadt  mit ständig wechselnden Mieter, perfekt, wenn man nicht auffallen will.  Doch an den Briefkästen des schlichten sandfarbenen Mietshauses steht  sein Name nicht, der Pizzabäcker unten im Haus zuckt nur die Schultern,  der Name sagt ihm nichts. Wahrscheinlich hat ein Michael Bodenheimer  hier nie gewohnt.
 In seinem angeblichen Geburtsort kennt Bodenheimer niemand
Als Geburtsdatum nannte Bodenheimer in Köln den 15.7.1967, als  Geburtsort das israelische Dorf Liman. Es liegt im Norden des Landes,  nur wenige Kilometer von der Grenze zum Libanon entfernt. Liman ist die  englische Aussprache des deutschen Familiennamens Lehman - das Dorf  wurde 1949 von ehemaligen israelischen Soldaten gegründet und nach dem  amerikanischen Senator Herbert H. Lehman benannt (einem Verwandten jener  Brüder, die der späteren Pleite-Bank ihren Namen gaben).
Rund 60 Familien leben hier. Es ist Donnerstagabend, der Rentner  Baruch van Tijn kommt gerade aus einer Versammlung im Dorfsekretariat.  "Ich bin hier geboren", sagt van Tijn, "aber den Namen Bodenheimer habe  ich noch nie gehört". Nein, auch keinen, der heute um die 40 Jahre alt  ist und das Dorf in Richtung Deutschland verlassen habe. Auf seinem  Handy ruft van Tijn seinen Bruder und einen Nachbarn an, aber auch die  dementieren entschieden.
Am nächsten Tag in Herzliya, der Stadt der Reichen und Diplomaten am  Mittelmeer, wenige Kilometer nördlich von Tel Aviv. Die Adresse, die  Bodenheimer als letzten Wohnort vor seinem Umzug nach Deutschland angab,  liegt in der Yad-Harutzim-Straße Nummer 7 im Geschäftszentrum von  Herzliya. Es ist ein vierstöckiger Neubau, im Erdgeschoss befindet sich  ein Geschäft mit Nobelküchen.
Der Sabbat hat schon begonnen, trotzdem brennt in einigen Stockwerken  Licht, neben der Rezeption hängt eine blaue Tafel. Für den 4. Stock  werden 19 Firmen angezeigt, darunter auch ein "Michael Budenheimer" (die  Buchstaben "u" und "o"werden im Hebräischen identisch verwendet). Der  Wachmann sagt, er kenne keinen Mann mit dem Namen, die Firmen des 4.  Stocks seien vor rund einem halben Jahr ausgezogen. "Die wechseln hier  ständig." Ganz oben auf der blauen Tafel steht der Name "Top Office".
Im Internet bietet "Top Office" alle erdenklichen Büroleistungen an,  unter anderem "Virtual Offices": "Lassen Sie Ihren Firmennamen auf dem  Türschild anbringen!" wirbt die Homepage. Innerhalb von 24 Stunden könne  eine Firma registriert sein, ein Sekretariat beantworte eingehende  Anrufe, eine Rezeption nehme Besucher und Sendungen entgegen.
 In Herzliya sieht alles nach einer Tarnadresse aus 
Als der SPIEGEL bei "Top Office" anruft, wird er zu einer Dame weitergeleitet, die sich als "Iris" ausgibt."Nachname?""Das tut nichts zur Sache.""Kennen Sie einen Mann oder eine Firma namens Michael Budenheimer?.""Kann sein, dass er unser Klient war.""Wollen Sie das nicht genau wissen?""Warum sollte ich?""Weil sein Name in Zusammenhang mit den Ereignissen in Dubai aufgetaucht ist und ein Mann mit gleichem Namen Ihre Anschrift in Herzliya als letzten Wohnort angegeben hat.""Wir sind vor über einem halben Jahr umgezogen.""Werden Sie interne Nachforschungen anstellen?""Ich danke Ihnen für den Anruf und wünsche Ihnen viel Erfolg. Auf Wiederhören."
Zwei Tage später sind die Namen "Michael Budenheimer" und "Top  Office" auf der Tafel im Foyer des Bürogebäudes von Herzliya  weggeschrubbt. Wer das getan hat und auf wessen Weisung, will der  Wachmann nicht sagen.
 Der Mossad gerät immer stärker unter Druck 
Vieles spricht dafür, dass der  Mossad in der Yad-Harutzim-Straße Nummer 7,  nur einen guten Kilometer vom Hauptquartier des Geheimdienstes entfernt,  eine Tarnadresse eingerichtet hatte. Die Agenten mussten damit rechnen,  dass das Einwohnermeldeamt Köln einen Konsularbeamten der Deutschen  Botschaft nach Herzliya schickt, um Bodenheimers Biografie zu  überprüfen. Ein Namensschild bei einer Firma, die Büroräume auf Zeit  vermietet, wäre dafür eine perfekte Legende. Wer auch immer Bodenheimers  Name dort anbrachte, hat wahrscheinlich einfach vergessen, ihn zu  entfernen. Dass dies nun wie von Geisterhand über Nacht geschah, macht  den Mossad nicht unverdächtiger. Manchmal sind es solch kleine Zufälle,  die eine scheinbar perfekte Legende löchrig machen.
Und die womöglich weitreichende Folgen haben. Welche  Staatsanwaltschaft auch immer den Fall in Deutschland übernimmt, sie  wird wohl alsbald ein Rechtshilfeersuchen nach Tel Aviv schicken. Zu den  Fragen wird gehören, wer eigentlich dieser Michael Bodenheimer ist,  dessen Spur von Köln in den Nahen Osten führt.
Auch auf der diplomatischen Bühne verschärft sich der Ton. Der  israelische Außenminister Avigdor Lieberman wird heute in Brüssel  erwartet. Vergangene Woche sagte er lapidar: "Wir bestätigen nichts, wir  dementieren nichts." 
Nach den jüngsten Enthüllungen werden sich seine EU-Kollegen damit  nicht mehr zufrieden geben. 
 
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