Donnerstag, 28. Januar 2010

Dominique de Villepin: vom Berufsdiplomaten zum Volkshelden


28. Januar 2010 Das Urteil ist kaum verkündet, da tritt Dominique de Villepin vor die Fernsehkameras im Pariser Justizpalast. Er steht kerzengerade, das Kinn in die Höhe gereckt, die silbernen Haarwellen gestutzt, Maßanzug und Krawatte sitzen tadellos. Es geht plötzlich nicht mehr um das Schicksal des Citoyen Dominique Galouzeau de Villepin, es geht um Frankreich. Es geht darum, dass das Frankreich der Seilschaften Sarkozys eine Niederlage erlitten hat, am Donnerstag, dem 55. Geburtstag des Präsidenten. Das sagt Villepin zwar nicht, aber jeder hört es.

„Ich bin stolz, der Bürger eines Landes zu sein, Frankreich, in dem der Geist der Unabhängigkeit lebendig bleibt!“, sagt Villepin. Vor den Anwälten in dunkler Robe, den Schaulustigen und den Journalisten steht plötzlich wieder der Wortführer des „Alten Europas“ aus den Vereinten Nationen. Villepin spricht erhaben von seiner Unschuld, die nun endlich erwiesen sei, von der Prüfung, die er bestanden habe und vom „Mut des Gerichtes, das Justiz und Recht über die Politik hat triumphieren lassen“.

„Ich werde reingewaschen“
Die Richter widersetzten sich dem Staatsanwalt, der wegen „Beihilfe zur Verleumdung“ 18 Monate Haftstrafe auf Bewährung und 45.000 Euro Geldbuße für Villepin gefordert hatte. Sie sprachen Villepin frei, genauso wie er es in seiner letzten theatralischen Erklärung zum Ende des Strafgerichtsprozesses Ende Oktober prophezeit hatte: „Ich werde reingewaschen, meine Unschuld wird anerkannt werden.“

Villepin hatte das Verfahren um die gefälschten Bankkontolisten des Luxemburger Geldinstituts Clearstream von Anfang an als politischen Schauprozess empfunden, mit dem sich sein ewiger Rivale Nicolas Sarkozy endgültig seiner entledigen wollte. Sarkozy, der auch als Staatspräsident seine Rolle als Nebenkläger aufrecht erhielt, tat nichts, den Eindruck eines mit den Mitteln der Justiz ausgetragenen Duells zu entkräften. Sein Zorn über die Clearstream-Affäre schien Sarkozy im Gegenteil jegliche politische Vorsicht vergessen zu lassen. Er drohte, der „Dreckskerl“, der die Clearstream-Affäre angezettelt habe, werde „am Fleischerhaken enden“. Während des Prozesses bezeichnete der Präsident in einem Fernsehgespräch die Angeklagten als „Schuldige“ und weigerte sich später, das missglückte Wort zurückzunehmen.

Den Freispruch am Donnerstag kommentierte der Nebenkläger Sarkozy mit einem Kommuniqué des Präsidenten der Republik: „Das Gericht hat befunden, dass Dominique de Villepins Rolle bei der Manipulation nicht nachgewiesen werden konnte. Ich nehme das zur Kenntnis. . . . Unter dieser Voraussetzung werde ich keine Berufung einlegen.“ Sarkozy bekundete des weiteren seine „Zufriedenheit“ über das Urteil, was er damit begründete, dass das Gericht einen „schwerwiegenden Manipulationsversuch“ bestätigt habe. Der frühere EADS-Manager Jean-Louis Gergorin muss wegen Fälschung, Vertrauensmissbrauch sowie Verleumdung eine Haftstrafe von drei Jahren verbüßen, von der 21 Monate auf Bewährung ausgesetzt wurden. Auch der Informatiker Imad Lahoud wurde des Vertrauensmissbrauchs, der Fälschung und der Verleumdung für schuldig befunden und zu drei Jahren Haft verurteilt, davon 18 Monate auf Bewährung.

Dominique de Villepin indes schwor, dass er weder Groll noch Rachsucht hege: „Ich will ein neues Kapitel aufschlagen.“ Sein Leben wolle er fortan wieder „in den Dienst Frankreichs“ stellen und zum „Wiedererstarken“ des Landes beitragen. Das klingt nicht nur staatsmännisch. Villepin hat schon vor seinem Freispruch begonnen, sein politisches Comeback vorzubereiten – die Präsidentenwahl 2012 fest im Visier. Kürzlich ist er ohne Sicherheitseskorte nach Bondy gezogen, das im verrufenen Pariser Vorortdépartement Seine-Saint-Denis liegt. Villepin hat mit den Frauen der Sozialbausiedlung einen arabischen Minztee getrunken, mit den jungen Animateuren des Internetblogs „Bondyblog“ geplaudert und viele Hände geschüttelt. „Ich will eine politische Alternative anbieten“, sagte er.

Sarkozy soll getobt haben
Als Präsident Sarkozy, der sich nur mit einer Hundertschaft von Sicherheitskräften in die Banlieue wagt, von der Exkursion Villepins erfuhr, soll er getobt haben. Die Wochenzeitung „Le Canard Enchaîné“ berichtete jetzt, dass sich der Präsident beim Chefredakteur der konservativen Zeitung „Le Figaro“ beschwerte, weil die Redaktion Villepins Besuch in Bondy einen großen Artikel gewidmet hatte.

Dabei könnte Sarkozy eigentlich Villepins politischen Ambitionen mit Gelassenheit begegnen. Der 56 Jahre alte Berufsdiplomat, der unlängst als Anwalt in Paris zugelassen wurde, verdankt seine politische Erfahrung allein dem Vertrauen seines wichtigsten Mentoren Jacques Chirac. Villepin hat sich noch nie um ein Wahlamt beworben. Als Premierminister (von 2005 bis 2007) wurde ihm das häufig als mangelnde Volksnähe angelastet. Es entbehrt nicht der Ironie, dass sich Villepin im Laufe des Clearstream-Prozesses als unbeirrbarer Held profilieren konnte, der es als einer der wenigen wagt, Sarkozy die Stirn zu bieten. Die Franzosen mögen Gestalten, die gegen die herrschende Macht aufbegehren. Dominique de Villepin wird das zu nutzen wissen. Noch am Abend seines Freispruchs lud er sich in die Hauptabendnachrichten ein – wie dies sonst nur Staatspräsidenten in Frankreich vermögen.


Dienstag, 26. Januar 2010

Oettinger Talking English - Worse than Westerwave

dschörrmänns ar sie onlie piepl huh känn schpiek ewwrie längwitsch wiissaut än äcksent

Gerichtstermin geplatzt: Prozesspleite in spektakulärem Falschgeld-Verfahren

Aus Feldkirch berichtet Jörg Diehl

Mit fast 500 Millionen Dollar Blüten marschierten zwei Deutsche in eine österreichische Volksbank - und flogen auf. In dem rekordverdächtigen Kriminalfall hat sich das Landesgericht Feldkirch nun ziemlich blamiert. Die Ermittler schienen schon vorher überfordert.


"Fromm und bieder, wahr und offen lasst für Recht und Pflicht uns stehn." So hat es ein tüchtiger Handwerker in das imposante Portal des österreichischen Landesgerichts Feldkirch gemeißelt. Doch im ersten Stock des kaiserlichen-königlichen Prachtbaus haben Recht und vor allem Pflicht an diesem Dienstagmorgen einen schweren Stand.


Aufgerufen ist die Sache mit dem Aktenzeichen 929 21 Hv 129/09b, was bedeutet, dass im hellen Saal 56 einer der wahrscheinlich ungewöhnlichsten und schlagzeilenträchtigsten Prozesse in der Geschichte der kleinen Stadt verhandelt werden soll. Doch wer glaubt, dass dieser Umstand die Justiz zu besonderer Sorgfalt oder gar Höchstleistungen verleiten könnte, soll sich irren - und eine ungewöhnliche Blamage des Rechts erleben.


Angeklagt sind - wegen versuchten schweren Betruges und Besitzes von falschen Geldscheinen - zwei Deutsche, die sich vor ziemlich genau einem Jahr mit einer unglaublichen Falschgeldsumme hatten erwischen lassen. Der ehemalige Rechtsanwalt Ralf Hölzen, 46, und der arbeitslose Maschinenschlosser Dietmar B., 52, sollen am 21. Januar 2009 in einer Volksbank im Kleinwalsertal versucht haben, Blüten mit einem Nennwert von 202 Millionen Dollar einzutauschen. Weitere falsche 291 Millionen Dollar fand die Polizei später in einem schwarzen Hartschalenkoffer der beiden.


Nominell war das einer der größten Erfolge, den europäische Polizeiorgane jemals im Kampf gegen das Falschgeld erzielen konnten. Kein Wunder, dass die Beamten zunächst übermäßig engagiert in den Fall starteten. Schon einen Tag nach der Festnahme des Duos informierte die mächtig stolz scheinende Polizei die Presse und warnte damit möglicherweise auch die Hintermänner der Deutschen.


Es regierte die Gier, der Verstand schlief


Später verhedderten sich die vermeintlichen Aufklärer auch noch in dem grenzüberschreitenden Geflecht derer, die das schnelle Geld suchten, die glaubten, mit Schrottpapieren und ein bisschen Schlitzohrigkeit rasch reich werden zu können. Fast ein Dutzend Personen aus Albanien, der Schweiz, Österreich, Deutschland, Spanien und Belgien waren zeitweilig in den Falschgeldfall involviert.


Diese nur äußerlich seriösen Herren pflegten untereinander dubiose Geschäftsbeziehungen mit fragwürdigen Absichten. Man traf sich vorwiegend in Schweizer Cafés und Restaurants, in denen man großspurig über Devisen, Rendite und komplizierte Finanztransaktionen palaverte. Es regierte die Gier, es schlief der Verstand, und Bescheidenheit - so hat es den Anschein - fehlte völlig.


Doch außer Hölzen und B., die sich mit dem Falschgeld in Riezlern hatten erwischen lassen, vermochten die Ermittler keinen der Beteiligten zu überführen. Der Niederländer Hendrik van den B. zum Beispiel, der die Blüten auf ungeklärten Wegen einst beschaffte, kommt wohl ungeschoren davon. Bei der Polizei behauptete er einfach, nicht gewusst zu haben, was die Deutschen mit seinen Dollar trieben.


Zwar hegte selbst der vernehmende Kriminalist deutliche Zweifel an der Aussage des in Belgien lebenden 74-Jährigen, wie der Polizist in einem Vermerk festhielt. Der Beamte regte daher an, van den B. "durch eine mit der Sache vertraute Person" noch einmal "gezielt und gut vorbereitet" in die Mangel zu nehmen. Doch diese Mühe mochten sich die Ermittler offenbar nicht mehr machen: Vielleicht genügten ihnen zwei Angeklagte?


"Bist du vorbestraft? Mach du doch den Schöffen!"


An diesem Dienstagmorgen, es ist kurz vor halb neun, zeigt sich die österreichische Justiz erneut von ihrer schwachen Seite. Sie lässt erst den seit einem Jahr in Untersuchungshaft sitzenden Dietmar B., einen kleinen, dünnen, kahlköpfigen Mann, von zwei martialisch auftretenden Justizwachtmeistern vorführen, doch dann herrscht sehr schnell vollständige Ratlosigkeit.


Aufgeregt huscht Richter Wilfried Marte im Saal umher, nervös schaut sich die Protokollführerin um: Wo bleiben, bitte schön, die beiden Schöffen? Ohne sie kann der Prozess nicht beginnen. Es wird telefoniert, getuschelt, geflachst. Ein Lokaljournalist ruft einem Zuschauer zu: "Bist du vorbestraft? Mach du doch den Schöffen!" Die Männer johlen, die Angeklagten schauen verzweifelt.


Kleinlaut muss Jurist Marte wenige Minuten später einräumen: Die Verwaltung hat es versäumt, die beiden ehrenamtlichen Richter über den Termin zu informieren. Könne man sie nicht schnell herbeirufen, fragt ein Verteidiger, immerhin habe der Angeklagte Hölzen aus dem niederrheinischen Goch über Hunderte Kilometer anreisen müssen?


Marte winkt ab: Das habe keinen Zweck und dauere doch viel zu lange. Lieber solle man sich Anfang März wieder treffen. Die Zuschauer raunen verächtlich ob des verpatzten Prozessauftakts - ausgerechnet in diesem öffentlichkeitswirksamen Fall.


Schließlich hat die Kammer noch einiges an Arbeit vor sich: Ob Hölzen und B. an den Wert der Noten glaubten oder ob sie bewusst Fälschungen in Umlauf bringen wollten, wird die Kernfrage des Verfahrens sein. Und die Belege für einen vorsätzlichen Betrugsversuch scheinen rar.


"Ich war mir sicher, dass die Scheine echt sind"


Selbst die erfahrene Bankangestellte Jutta B., der die Deutschen die Blüten zur Ansicht auf den Schreibtisch schoben, räumte bei der Polizei ein: Ihr sei nicht sofort klar gewesen, ob es sich bei den Scheinen um Fälschungen gehandelt habe. Es gebe da "die verschiedensten Formen". "Ich hatte das Gefühl, dass die beiden glaubten, dass diese Wertpapiere und das Geld absolut echt sind", sagte sie.


Dessen ungeachtet werfen die Ermittler den Angeklagten vor, sie hätten sich "damit abgefunden, dass die Papiere falsch sein könnten". Ihr Kalkül sei gewesen: Die Volksbank werde den Schwindel schon nicht erkennen und "trotz der Wertlosigkeit der Papiere eine Gutschrift tätigen". Ralf Hölzen bestreitet das. Er beteuert, dass er nicht so dumm sei, wissentlich mit einer halben Milliarde Dollar Falschgeld in eine Bank zu gehen: "Ich war mir sicher, dass die Scheine echt sind."


Sein seit einem Jahr in Untersuchungshaft sitzender Bekannter Dietmar B. indes, so lassen die Anwälte am Morgen vernehmen, wolle am nächsten Verhandlungstag ein Geständnis ablegen: Er habe geahnt, dass mit dem Geld etwas nicht gestimmt habe, und es dennoch auf einen Versuch ankommen lassen.


Hölzen hält das für "Quatsch".

Kraftraubendes Versteckspiel

Bislang hat sich kein deutscher Fussballer öffentlich zur Homosexualität bekannt. DFB-Präsident Zwanziger bietet Unterstützung an, glaubt aber nicht an eine große Zahl schwuler Kicker.

VON ANDREAS RÜTTENAUER
Noch immer ein Tabu im deutschen Fussball: Schwule und Lesben, wie hier beim Gay World Cup. 

Er will ihnen helfen. Schwulen Fußballern, die sich outen, versprach Theo Zwanziger alle Unterstützung durch den Deutschen Fußball-Bund. Beifall brandete auf im schicken Foyer der Hauptstadtrepräsentanz der Deutschen Telekom. Schicke Männer freuten sich. Sie waren geladen zum Neujahrsempfang des Völklinger Kreises, des Bundesverbands schwuler Führungskräfte. Als Gastredner hatte der Verband den DFB-Präsidenten geladen. Der sollte über Homophobie im Fußball reden. "Ein schwieriges Thema", wie Bernd Schachtsiek, der Vorsitzende der Völklinger Gruppe, in seiner Begrüßungsansprache feststellte.
"Unwissen und Vorurteile" seien im Fußball in diesem Bereich noch weit verbreitet, so Schachtsiek. Wie schön wäre es doch, wenn sich endlich mal ein Fußballer outen würde! Gerne auch nach Beendigung seiner Karriere. Als Vorbild in dieser Hinsicht bezeichnete Schachtsiek den walisischen Rugby-Heros Gareth Thomas, der sich kurz vor Weihnachten öffentlich zu seiner Homosexualität bekannt hat und zur Kenntnis nehmen konnte, dass seine Mitspieler und Trainer überaus verständnisvoll reagiert haben.
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Wie schwer sich dagegen der organisierte Fußball mit dem Thema Homosexualität tut, zeigt sich dieser Tage in Frankreich. Dort sorgte die Ausstrahlung einer Fernsehdokumentation "Sport und Homosexualität - Was ist das Problem?" für Aufsehen. Der Präsident des französischen Fußballverbands Jean-Pierre Escalettes wird darin auf die französische Charta gegen Homophobie im Fußball angesprochen. Die will er nicht unterzeichnen, "weil damit einer Sache Aufmerksamkeit zuteil wird, die zum Glück nicht weit verbreitet ist".
Zu Protesten hat zudem ein Satz des ehemaligen französischen Nationalspielers David Ginola geführt, der in dem Film sagt, dass er in den 18 Jahren seiner Karriere nie einem Schwulen begegnet sei, was ihm in den Umkleideräumen oder unter der Dusche sicher aufgefallen wäre. In einem offenen Brief zeigten sich der Pariser Fußballklub "Paris Foot Gay" und die Organisation "SOS Homophobie" schockiert. Sie fühlten sich bemüßigt, Ginola zu erklären, dass es kein Widerspruch ist, schwul zu sein und Leistungssport zu betreiben.
Theo Zwanziger muss man Derartiges nicht mehr erklären. Er sieht sich und seinen Verband hier selbst als Aufklärer und in der Pflicht. "In der Demokratie kann Sport nicht Zirkus sein", sagte er am Dienstag in Berlin und betonte, dass es nicht richtig ist, wenn sich Funktionäre auf den Standpunkt stellen, der Fußball sei unpolitisch. Er erinnerte an den englischen Profi Justin Fashanu, der sich als erster prominenter Profi zu seiner Homosexualität bekannt hat, letztlich an den Feindseligkeiten, die ihm deswegen entgegenschlugen zerbrach und Selbstmord beging. 1998 war das.
Einiges hat sich seitdem in der öffentlichen Debatte verändert. Und doch kann sich Zwanziger nicht vorstellen, dass sich in naher Zukunft ein Spieler, der als Profi in Deutschland spielt oder gespielt hat, als schwul outet.
Das liege zum einen an der Kabinenmentalität im Männersport, wo private Dinge "weggedrückt" würden, wo die Angst zu groß ist, dass die Mannschaft nicht mehr funktioniert. Das könne auch deshalb passieren, weil gerade in der Bundesliga viele Spieler aus Ländern unter Vertrag stehen, "in denen das Thema kritischer gesehen wird als bei uns".
Zum anderen glaubt Zwanziger, und da ist er gar nicht so weit weg von seinem französischen Kollegen, dass der Anteil schwuler Kicker im Elitebereich nicht wirklich groß ist. "Ein jahrelanges Versteckspiel" raube den Spielern letztlich die Kraft, die sie brauchen, um sich unter den Besten der Szene zu bewähren. Als "negativen Ausleseprozess" bezeichnete Zwanziger das.
Dass ein mögliches schwules Idol auf jeden Fall grundanständig sein muss, das machte der DFB-Boss am Ende klar. Er erinnerte an Fritz Walter, den Kapitän der 1954er WM-Mannschaft, "diesen untadeligen Mann", und verglich ihn mit einem anderen großen Fußballer, Diego Maradona, "einem Betrüger". Man solle sich deren Lebenswege ansehen. "Es ist eure Entscheidung, an wem ihr euch orientiert", solle man der Jugend sagen.


Dorfbewohner: Viele zivile Opfer bei Luftangriff

Kundus: Unterschiedliche Darstellungen nach schwerem Luftangriff

Nach dem Luftangriff in Nordafghanistan haben Angehörige von Opfern aus dem betroffenen Dorf Hadschi Amanullah der Darstellung der Bundeswehr widersprochen, wonach dabei keine Zivilisten getötet wurden. «Mehr als 150 Menschen wurden getötet oder verletzt», sagte ein Dorfbewohner namens Nadschibullah der Deutschen Presse-Agentur dpa am Telefon. «In der Gegend waren auch Taliban, aber mehr Opfer gibt es unter Zivilisten.» Sein 20-jähriger Cousin sei unter den Toten. Die Dorfältesten planten, nach der Beerdigung der Opfer nach Kundus-Stadt zu reisen und sich dort über den Angriff zu beschweren. Die Bundeswehr hatte den Luftangriff in der Nacht zu Freitag angefordert. Bei dem Bombardement detonierten zwei von den Taliban gekaperte Tanklastwagen. Dutzende Menschen starben. Die Bundeswehr hat nach eigenen Angaben keine Hinweise auf zivile Opfer.

Nadschibullah sagte, die Menschen seien aus ihren Häusern gekommen, als sie den Lärm der Tanklastwagen hörten. «Die Menschen gingen nicht raus, um sich Benzin zu holen. Sie wollten sehen, was passiert, als es zu dem Bombardement kam.»

Ein zweiter Dorfbewohner namens Mohammad Anwer, der seine Neffen am Freitag ins Krankenhaus nach Kundus-Stadt brachte, sagte unter Tränen: «Mein Bruder und seine zwei Söhne gingen in die Gegend, um zu sehen, was passiert. Mein Bruder wurde schwer verbrannt und ist gestorben. Jetzt habe ich seine beiden Söhne mit Verbrennungen ins Krankenhaus gebracht.»


Fischbestände erholen sich wegen Piraterie

Kommerzielle Fischerboote wagen sich nicht mehr in Küstengewässer vor, melden afrikanische Fischer
Laut Angaben des Fischereiverbandes der kenianischen Küstenstadt Malindi waren im vergangenen Jahr die Fänge besser als in den Jahren zuvor. Athan Seif, der Vorsitzende des Verbandes, führt die im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AP darauf zurück, dass sich ausländische Fischkutter wegen der Piratengefahr nicht mehr in küstennahe Gewässer wagen.

Über alle Fischarten hinweg gebe es eine erhebliche Vergrößerung der Bestände, erklärte der Inhaber des Unternehmens Kenya Deep Sea Fishing, Howard Lawrence-Brown. "Wir hatten im vergangenen Jahr die beste Speerfisch-Saison, die es je gab."
Fisch wird billiger
Auf dem Fischmarkt der somalischen Hauptstadt Mogadischu hat das gestiegene Angebot laut AP sogar einen Preisverfall ausgelöst, weswegen sich die Händler über größere Umsatzzahlen freuen können.

Eine 2009 veröffentlichte Studie der singapurischen Rajaratnam School of International Studies geht davon aus, dass vor der Küste Somalias jedes Jahr Fisch für 90 bis 300 Millionen Dollar illegal gefangen wird. Diese Menge entspricht laut FAO mehr Proteinen, als die internationale Gemeinschaft in Form von Hilfslieferungen ins Land bringt. Ein Drittel der zehn Millionen Somalier ist auf Lebensmittelhilfe angewiesen.
700 Schiffe aus aller Welt
Insgesamt sind laut Angaben der UNO-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO 700 Schiffe aus aller Welt beteiligt, die in mehreren Fällen einheimische Fischer mit Hochdruckschläuchen, kochendem Wasser und sogar Schusswaffen abgedrängt haben.

Clive Schofield, der Verfasser der Studie, sieht "eine besondere Ironie" darin, dass sich unter den Ländern, die Kriegsschiffe für die Piratenbekämpfung abstellen, auch Staaten befinden, deren Fischereiflotten an der Plünderung der somalischen Küstengewässer beteiligt sind. Dies rechtfertige keinesfalls Überfälle auf ausländische Schiffe. Die illegale Fischerei sei aber einer der Gründe für den Anstieg der Piraterie in den letzten Jahren.
"Nicht die einzigen Piraten"
Ohne Gewaltakte auf hoher See gutzuheißen, müsse man festhalten, dass die Somalier "nicht die einzigen Piraten, die in diesen Gewässern operieren" seien. Wenn man gegen die illegale Fischerei vorgehe, so Schofield, würde die die Legitimation der Piraten schwächen und zu einer besseren Ernährung der somalischen Bevölkerung beitragen.

Auf ein schnelles Ende der Piratenüberfälle kann man laut Schofield trotzdem nicht hoffen: mit der Seeräuberei verdienen die Kriminellen, die derzeit über zehn Schiffe und 200 Seeleute in ihrer Gewalt haben, mehr, als sie mit geregelter Arbeit verdienen könnten. Solange es nicht gelinge, Frieden, Stabilität und Sicherheit in Somalia zu garantieren, werde es Überfälle geben.

Viehzucht in Afrika – Rinderschutz aus dem Weltall

Weil Versicherungen Satellitenbilder ihrer Weidegründe auswerten, können sich Nomaden künftig gegen das Verhungern ihrer Tiere absichern. Und das ist nicht das einzige High-Tech-Projekt für Bauern in Kenia.
Erstmals setzt eine Versicherung in Afrika auf moderne Satellitentechnik, um Viehzüchter für Verluste in Dürrezeiten zu entschädigen. Am Freitag startete in Nairobi ein Pilotprojekt für Bauern und Nomaden aus der Region Marsabit in Nordkenia.
Künftig können sie Ziegen, Schafe, Kamele und Rinder gegen den Hungertod während einer Dürre versichern. Der Beitrag für eine Herde mit zehn Kühen im Wert von knapp 1100 Euro kostet rund 35 Euro im Jahr.
Im Schadensfall dienen die Satellitenaufnahmen zur Kontrolle der vom Versicherten gemachten Angaben über Zeit und Ort der Dürre. Insbesondere für Nomaden war es bislang schwer, ihre Verluste glaubwürdig nachzuweisen.
Das Gemeinschaftsprojekt des Internationalen Forschungsinstituts für Viehhaltung (ILRI), der Mikrofinanzbank Equity Bank und der kenianischen UAP Insurance setzt nun auf Satellitenbilder der Halbwüste in Nordkenia zur Dokumentation von Dürren und zur Prognose des erwarteten Viehsterbens.

Saatgutberatung per SMS
In den vergangenen zehn Jahren gab es in Nordkenia vier ausgedehnte Dürreperioden. Allein in Marsabit halten die Viehzüchter nach ILRI-Schätzungen etwa zwei Millionen Tiere, die für die Nomadenfamilien der einzige Reichtum sind. Da viele Familien in der Vergangenheit keine Versicherung hatten, bedeutete der oft massive Verlust in Dürreperioden zugleich sozialen und wirtschaftlichen Niedergang.

Kenias Landwirte profitieren ebenfalls vom technischen Fortschritt. Sie können sich ab sofort per SMS beraten lassen. Schicken Bauern eine SMS-Anfrage mit dem Namen ihres Dorfes oder ihrer Region an die Nummer des neuen Dienstes, erhalten sie in der Antwort-Nachricht Informationen über die für den dortigen Boden und die aktuellen Wetterverhältnisse optimale Saat. Außerdem erfahren sie, welches Agrarunternehmen noch geeignete Samen vorrätig hat.
Die Regierung forderte alle Maisbauern auf, den neuen Service zu nutzen. Das Landwirtschaftsministerium verspricht sich davon eine deutlich erhöhte Maisproduktion in dem armen ostafrikanischen Land. Mais ist für die meisten Kenianer das Hauptnahrungsmittel – eine schlechte Ernte bedeutet für Millionen Menschen Gefahr durch Hunger.

ES GESCHAH IN „DIESEM“ ÖSTERREICH – Politjustiz am Weihnachtsabend 2009

„Glaubt an dieses Österreich"
Leopold Figl, Weihnachtsrede 1945

Es ist merkwürdig mit der Justiz in den westlichen Demokratien. Je mehr Jahre seit dem Fall der Berliner Mauer vergehen, desto empfindlicher reagiert sie auf öffentliche Urteile, die sich auf jene Personen beziehen, die in Menschenrechtsfälle verwickelt sind. Schon ertönt der Groll der Justiz wegen – übler Nachrede!
Doch, was ist „üble Nachrede"? Die Interpretation dieses Begriffes, die auch in den Mediengesetzen zu finden ist, scheint ziemlich elastisch zu sein. Es genügt ein Wort, das jemandem nicht passt, um wegen Verletzung der Ehre angeklagt zu werden. Ob die Wertschätzung (noch eine moralische dazu!) aufgrund von belegten Taten oder wegen enger Interpretation entstanden ist, scheint keine Rolle mehr zu spielen. Der Kontext ist irrelevant. Nur das Wort zählt. Hier ein Beispiel.
De mortui nihil nisi bene
Es geschah in Österreich. Am Silvestertag 2006 starb überraschend die ehemalige Innenministerin Liese Prokop. Die verstorbene Innenministerin war bei ihren Regierungskollegen offensichtlich beliebt. Die ehemalige Spitzensportlerin, die 1968 an den olympischen Spielen in Mexiko-City die Silber-Medaille im Fünfkampf erreichte, hat sich kurz danach in der Politik engagiert und zwar im rechten Flügel der konservativen Österreichischen Volkspartei. Als solche wurde sie im Kabinett des früheren Bundeskanzlers Wolfgang Schüssel in einer Koalition mit der rechtsextremen Freiheitlichen Partei Österreichs 2004 willkommen geheißen. Die frischgebackene Innenministerin machte sich sofort an die Arbeit. Sie reformierte die Polizei und zeigte sich den Asylbewerbern gegenüber unnachgiebig und hart. Sie ließ das Asyl- und Fremdenrechtsgesetz novellieren (d.h. verschärfen) nicht zuletzt deshalb, weil sie überzeugt war, dass 45% der Muslime in Österreich integrationsunwillig seien.

Der überraschende Tod der Ministerin wurde von allen Parteien beweint. Wilhelm Molterer, damals Generalsekretär der Volkspartei war „fassungslos". Alfred Gusenbauer, zu dieser Zeit Vorsitzender der Österreichischen Sozialdemokratischen Partei, der kurz danach Bundeskanzler wurde, sprach von einer „großen Frau" und „außerordentlichen Politikerin" während Alexander van der Bellen, der in diesem Jahr noch die Grüne Partei leitete, die Gesprächsbereitschaft der verstorbene Ministerin würdigte. Dann wurde die Ministerin feierlich beigesetzt – in Anwesenheit u. a. der höchsten moralischen Instanz des Staates – des Bundespräsidenten.
Während die Spitze öffentlich trauerte, wagte ein Mann von unten eine andere Meinung zu äußern. Es war der Obmann des Vereins Asyl-in-Not Michael Genner. Kaum 24 Stunden nach dem Tod der Ministerin Prokop veröffentlichte Genner ein Kommuniqué, das mit folgendem Satz anfing: „Die gute Meldung zum Jahresbeginn: Liese Prokop, Bundesministerin für Folter und Deportation ist tot. Mit ihrem Namen wird für immer die Erinnerung an das Leid verzweifelter, vergebens Schutzsuchenden verbunden sein." und mit folgendem Urteil endete: „Frau Prokop war eine Schreibtischtäterin, wie es viele gab in der grausamen Geschichte dieses Landes".
Diese Worte, obwohl nur im Kommuniqué eines Vereins niedergeschrieben, wirkten wie die Explosion einer Bombe. Alle österreichischen konservativen Zeitungen (andere gibt es sowieso nicht), angefangen von „Die Presse" bis zum U-Bahnblatt „Heute" prangerten die Pietätlosigkeit des Autoren an. De mortui nihil nisi bene (über die Verstorbenen darf man nur gut reden) erinnerten die Medien an die alte Sitte die antike Völker noch respektierten. Da Michael Genners Artikel dies missachtete, schaltete sich die Familie der verstorbenen Ministerin ein und erhob aus eigner Initiative (oder doch nicht?) die Klage wegen übler Nachrede.
„Ich berufe mich auf die Pressefreiheit"
Der erste Prozess fand am 25. Mai 2007 statt und dauerte nur eine halbe Stunde. Die Richterin Lucie Kaindl-König bemühte sich sehr sachlich die Tatsache festzustellen. Es war für sie irrelevant, dass sich Genner für seinen inkriminierten Satz am 8. Januar 2007 förmlich und schriftlich entschuldigt hat. Noch weniger wollte sie sich mit der Tragödie der Flüchtlinge und ihrer Familien, die aufgrund von verschärften Maßnahmen, die während der Amtszeit der Ministerin Prokop gegen sie angewendet und dabei Misshandlungen verübt worden waren, beschäftigen. „Dem Gericht ist klar, dass Flüchtlinge in Schubhaft traumatisiert werden" stellte, laut dem Kommuniqué von „Asyl in Not", die Richterin fest und wischte damit Genners Argumente über die psychischen und physischen Folterungen von Flüchtlingen vom Tisch. Sie wollte nur wissen, was Genner mit den Begriffen „Deportationen", „Schreibtischtäter" und dem Adjektiv „rassistisch" meinte. Dabei fragte sie (provokativ?): „Ist Prokop auch rassistisch eingestellt oder nur ihre Beamten?" Als ihr Genner mit der Antwort: „Die Beamten, die Druck machten" parierte, ging die Richterin zum Angriff über: „Wussten Sie, als Sie diesen Artikel schrieben, dass er solche Wellen schlagen würde? Wussten Sie, dass es unehrenhaft war, was Sie schrieben? War Ihnen bewusst, dass es ‚üble Nachrede' war?" Die Antwort Genners war eindeutig: „Ich berufe mich auf die Pressefreiheit".

Das war, allem Anschien nach, der Punkt. Darf man politisch verantwortliche Persönlichkeiten eines Staates für ihre Maßnahmen, die sie gegen eine bestimmte menschliche Gruppe anwenden und die mit krassen Menschenrechtsverletzungen verbunden sind, kritisieren, ohne dafür wegen „übler Nachrede" vor Gericht gezerrt zu werden? Offensichtlich nicht, weil es, wie man aus der Frage der Richterin Kaindl-König entnehmen kann, „solche Wellen" schlagen wird. Davor fürchten sich vor allem die noch übrig gebliebenen totalitären Staaten. Oder nicht nur sie?
„Üble Nachrede" ist eigentlich ein sehr dehnbarer Begriff. Jede direkte öffentlich gemachte Kritik kann als solche angenommen werden. Die Tatsachen oder Beweise für ein Urteil haben weniger Gewicht als Worte, die dabei verwendet wurden. Also, aufpassen und rechtzeitig (Selbst)Zensur üben und, wenn möglich, jede Art von direkter Polemik, ja sogar in der Form von offenen Briefen vermeiden! Inhalt oder Motive einer öffentlich gemachten Kritik an politischen Persönlichkeiten interessieren die Justiz nicht. Vergeblich hat Michael Genner bei seinem ersten Prozess betont, er habe sich bei der Familie der verstorbenen Ministerin Prokop entschuldigt und sogar die Bereitschaft erklärt, den inkriminierten Satz „weg zu lassen". Die Richterin hat aber darauf nur bemerkt, dass es „unterschiedliche Formulierungen" gebe. Vielleicht, weil Michael Genner, außer seiner Entschuldigung betont hat, dass er „vollinhaltlich" zu seinen Argumenten stehe.
Damit wurde, wie gesagt, die Verhandlung beendet und das Verfahren auf „unbestimmte Zeit" vertagt… bis zum 19. September 2007. Dann fiel das Urteil in Erster Instanz: schuldig wegen „übler Nachrede". Michael Genner hat, laut seiner Richterin, „Wertungsexzess" begangen und deshalb hat sie ihn zu einer teilbedingter Strafe von 1.200 Euro verurteilt. Michael Genner hat sich beschwert. Er betrachtete dies „nicht nur als Urteil gegen die Freiheit der Medien (…) sondern auch als Solidarisierung des Gerichts mit dem indirekt mitkritisierten Justizwesen". Nicht aber das oberste Gericht. Kurz vor Weihnachten 2009 bestätigte das Oberste Gericht das Urteil gegen Michael Genner in der ersten Instanz.
„Zu Recht verurteilt"?
Die Medien nahmen dieses Urteil zur Kenntnis. Die sonst angesehene österreichische Tageszeitung „Die Presse" kommentierte: „Asyl in Not Chef Michael Genner wurde zu Recht verurteilt nachdem er die verstorbene Innenministerin diffamiert hatte" Das war in der Ausgabe vom 20. Dezember 2009 zu lesen. Immerhin fand man im selben Text folgende Bemerkung: „Der Oberste Gericht setzt der Meinungsfreiheit auch im politischen Kontext Grenzen". Wie sollte man diese Bemerkung verstehen? Als Zustimmung oder doch als diskreten Hinweis auf eine besorgniserregende Tendenz des Systems?

Auf diese Frage ist nicht leicht zu antworten, weil die Öffentlichkeit schweigt. Auch Anhänger von Michael Genner haben sich nicht zu Wort gemeldet. Das verwundert allerdings, weil einige von ihnen anlässlich des 60. Geburtstags von Michael Genner am 27. Oktober 2008 ihn gelobt haben. So sagte der Vorstand von SOS-Mitmensch Burgenland, Rainer Klien: „Ein Wort zu deinem Prokop Nachruf: es muss möglich sein – unabhängig von der Pietät – diese Meinung zu vertreten. Ich warte auf den Tag, wo jene auf der Anklagebank sitzen, die für das Sterben an der EU-Außengrenze verantwortlich sind". Der Ehrenobmann von Asyl in Not und vormalige liberale Abgeordnete Volker Kier hob hervor, „Michael Genner setzt sich für die Menschenrechte ohne Rücksicht auf sein Risiko, bis zur Gefahr der eigenen Zerstörung ein". Alle diese Lobensworte waren damals vor etwa 150 Anwesenden bei der Feier von Genners runden Geburtstages ausgesprochen worden. Jetzt aber ist es um ihn noch immer still.
Auffallend ist vor allem, dass keine Oppositionsparteien vom linken oder ökologischen Spektrum sich zu Wort gemeldet haben, die letzteren vor allem obwohl Michael Genner am 12. August 2008 als Kandidat der Grünen für den Nationalrat angetreten ist. Die Grüne Abgeordnete Teresija Stojsitz lobte Genner mit den Worten: „Was mit Michael Genner gemacht wird ist Politjustiz. Wenn es kriminell ist zu sagen, dass Flüchtlinge Schutz brauchen und wir ihnen helfen, indem wir sie vor einer Abschiebung schützen, dann bin ich aber gerne kriminell." Diese Aussage war am 17. Mai 2006 in der Wochenzeitung „Falter" zu lesen. Und jetzt?
Das große Schweigen
Na ja! Es waren Feiertage und das Urteil des Obersten Gerichts gegen Genner ist kurz vor Weihnachten gefallen. An diesen Tagen wird man sich üblicherweise mit anderen Angelegenheiten als mit heiklen Fragen aus dem Justizbereich beschäftigen. Auf diese Weise konnte das Oberste Gericht sein Urteil verkünden, den Schuldspruch bestätigen und die relativ milde Strafe der Ersten Instanz billigen ohne irgendwelche unerwünschte Reaktionen herauszufordern. Die Medien dröhnten darüber. Zumindest eine kurze Zeit. Dann wurde es um Michael Genner still. Keine Organisation, keine Persönlichkeit, nicht einmal jene aus dem Kreis der Einwanderer wagte, das Urteil gegen Genner in Frage zu stellen. Man hätte dies von ihnen erwarten können, weil Michael Genner sich jahrelang mit allen Kräften für menschliche Behandlung von Asylsuchenden einsetzt. Sein verbaler Ausrutscher schien aber ein zu großes Hindernis dafür zu sein. Die Verletzung von Gefühlen der nächsten Angehörigen der Ministerin Prokop unmittelbar nach ihrem Tod wiegt in der Öffentlichkeit schwerer als die Abschiebung von Asylanten und behördliche Trennung von Familien, die während ihrer Amtszeit, mit ihrer Billigung und mit dem Wissen allerhöchster Kreise des Establishments geschah. Es scheint jedenfalls, als ob Genner, mit seiner „Freudennachricht" seinen Gegnern an der politischen Spitze ein willkommenes Argument für die Diskreditierung seines Vereins und seiner Persönlichkeit gegeben hätte.

In der Tat. Schon am 24. Mai 2008 nannte der Kolumnist Gerhard Freihofner in seinen „Fußnoten" der offiziellen „Wiener Zeitung" einen „kommunistischen Obmann". Freihofer warf Genner nicht nur seine frühere Angehörigkeit zum linksradikalen Verein „Spartakus" vor, sondern publizierte auf der Webseite der „Kommunistischen Initiative" (KI) unter Hammer und Sichel „Wir treten für den Sturz der Bestehenden Ordnung ein!" Der Kommentar ist so verfasst, als ob Genner diese Forderung persönlich gestellt hätte, obwohl sie von der Redaktion der „Kommunistischen Initiative" stammt! Die Mahnung ist aber klar: Hände weg von Michael Genner.
Meinen auch Migranten- und ähnliche Vereine, dass es besser ist, sich im Fall Genner in Schweigen zu hüllen? Das wäre nicht verwunderlich. Immerhin sind diese Vereine von Subventionen bestimmter, dem Establishment nahe liegenden Stiftungen abhängig. Übrigens dulden die Regierungskreise nicht nur ihre Forderungen gegen Rassen-, religiöse oder ethnische Diskriminierung, sondern auch ihr Verlangen nach Beteiligung in den politischen Institutionen. Sie haben dafür auch ein Zeichen von größter symbolischer Bedeutung gegeben. In Wien wurde ein Denkmal für den nigerianischen Asylsuchenden Marcus Omofuma, der 1999 bei seiner Abschiebung wegen polizeilicher Misshandlung starb, errichtet. Es ist ein sehr modernes Mahnmal, aber dennoch unpersönlich, abstrakt. Vielleicht um nicht mehr Erregung zu erzeugen als die Behörden es dulden können? Da die Behörde doch etwas für die Integration machen, welche Sinn hätte es, sich mit einem sozialkritischen Außenseiter, der für Menschenrechte kämpft, zu solidarisieren, wenn man unter demselben Vorwand mit den Behörden sehr wohl kollaborieren kann? Genner hat sich übrigens geirrt. Unter den Nachfolgern der Ministerin Prokop hat sich die Lage der Asylsuchenden nur verschlechtert. In Anbetracht dieser Tatsache war seine Äußerung doch nicht bloße „üble Nachrede"?
Man hätte dies bestimmt so betrachten können, hätte Michael Genner seine Argumente erfunden. Das war aber nicht der Fall. Jene Beispiele, die er erwähnt hat, reichen dafür, um seine Reaktion zu rechtfertigen. Die systematische Verletzung der Menschenrechte im Namen des Gesetzes ist im Anbetracht der menschlichen Moral eine weit größere Sünde als eine pietätlose Äußerung gegen eine gerade verstorbene Person, die für deren Durchführung verantwortlich war. Für das Leid nicht von einigen sondern von tausenden Menschen, die in Not in Österreich gestrandet sind zeigte nicht nur Genners Richterin, sondern auch das ganze Establishment kein Mitgefühl. Warum sollten sie? Sie führen nur die Beschlüsse der Dublin-Konferenz durch. Die Europäische Union selbst steht hinter solcher Politik. Dabei geht es nicht mehr um die Menschlichkeit, sondern wie Adolf Eichmann, das Vorbild des perfekten Beamten aus der NS-Zeit bei der Vernichtung der Juden sagte – um die Statistik. Wenn Juden vernichtet werden, wird das Herrenvolk mehr zu essen haben. Das war damals die Logik. Und heute? Wenn Asylsuchende und Migranten abgeschoben werden, um in ihren von Krieg und Krisen erschütterten Heimatländern zu Grunde zu gehen, dann wird sich in Österreich, in Europa und in allen reichen Staaten der Welt die Lage auf dem Arbeitsmarkt entspannen. Von Abschiebung bedrohte Migranten in eigenen Wohnungen zu verstecken wird ähnlich betrachtet wie vormals Juden vor Verfolgung zu schützen, nämlich als gesetzeswidrig. Dennoch hat Michael Genner es gewagt, seine Mitbürger 2006 in Innsbruck dazu aufzufordern.
Darf man ihm das vorwerfen? Vielleicht ebenso wie allen jenen, die sich nicht scheuten der NS-Herrschaft Widerstand zu leisten. Zivilcourage ist auch heute notwendig, weil der Holocaust sich leider nicht auf die Nazi-Zeit beschränkt hat. Er betrifft diesmal nicht nur eine bestimmte ethnische oder religiöse Gemeinschaft, sondern die Menschheit. Man übt ihn weiterhin aus, unter einer anderen, perfideren aber nicht weniger effizienten Form und zwar nicht nur in einem Land, sondern dank der Solidarität der Herrscher weltweit. Gibt es wirklich einen Unterschied zwischen Zwangsabschiebung und Deportation? Gibt es einen Unterschied zwischen Diskriminierung der Asylsuchenden durch Aberkennung ihrer Rechte und dem Antisemitismus von anno dazumal? Sogar Mischehen sind verfolgt, zwangsweise getrennt und Familien zerstört. Aber während die Herrscher ihre Solidarität durch rituelle Buße wegen des Holocaust bestätigen und sich damit von allen weiteren sozialen Sünden, die sie ständig begehen, die Hände in Unschuld waschen, bleibt der Zusammenhalt der Betroffenen aus. Deshalb müssen einige wenige Menschen, wie Michael Genner, in ihrem Kampf für die Humanisierung der Gesellschaft ohne Unterstützung bleiben. Wie lange?
Autor: Vladislav Marjanović

Polizisten erschießen 28-Jährigen

Folgenschwerer Einsatz im Hof eines Krankenhauses: In Frankfurt am Main ist ein Mann von Polizisten erschossen worden. Der 28-Jährige soll zuvor die Beamten und eine Frau mit einem Messer bedroht haben.
Frankfurt/Main - Die Polizisten wollten am frühen Dienstagmorgen im Innenhof des Bürgerhospitals einen Streit schlichten, als der Mann sie mit einem Messer bedroht haben soll, wie eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Frankfurt sagte. Daraufhin fiel der Schuss. Der Mann wurde sofort in die Notaufnahme gebracht, konnte aber nicht mehr gerettet werden.

Die Polizei war laut Staatsanwaltschaft gegen 4.30 Uhr alarmiert worden, weil es im Hof des Krankenhauses zu einer lautstarken Auseinandersetzung zwischen dem 28-Jährigen und seiner Freundin gekommen sein soll. Nach bisherigen Erkenntnissen waren sie und ihr Freund keine Patienten der Klinik, wohnten jedoch in der Nachbarschaft. Als die Beamten eintrafen, bedrohte der Mann auch sie mit dem Messer.
Genauere Angaben zu den Hintergründen des Streits und dem Eingreifen der Polizei konnte die Behördensprecherin zunächst nicht machen. Der 28-Jährige wurde in der Notaufnahme der Klinik behandelt, erlag jedoch dort seinen Verletzungen. Die Leiche soll am Mittag obduziert werden. Das Landeskriminalamt ermittelt.


Sonntag, 24. Januar 2010

Der Irrglaube der Demokratie an ewiges Wachstum


Der CDU-Vordenker Kurt Biedenkopf sieht einen zwingenden Zusammenhang zwischen der gigantischen Staatsverschuldung und einem falschen gesellschaftlichen Wachstumsverständnis. Danach müsse Wachstum durch immer höhere Staatsverschuldung erkauft werden. Dieser Weg aber führe in die Katastrophe.
Kurt Biedekopf wird 80

Sachsens ehemaliger Ministerpräsident Kurt Biedenkopf fordert einen Wechsel in der Finanzpolitik
Kurt Biedenkopf plädiert wegen der immer neuen Staatsschulden für einen Wechsel in der Finanzpolitik. „Warum wächst mit dem Wohlstand einer Gesellschaft die Verschuldung des Staates? Diese Frage bewegt mich seit langem“, sagte der CDU-Politiker, der von 1990 bis 2000 Ministerpräsident von Sachsen war.
Diesem Thema wolle er sich künftig in seinen wissenschaftlichen Arbeiten stärker widmen. „Wie sind die Mechanismen, die zu einem an sich widersinnigen Verhalten führen? Dem möchte ich auf den Grund gehen. Man hat geglaubt, Märkte stabilisieren sich von selbst, begrenzen sich von selbst.“ Dies habe sich jedoch als Irrglaube erwiesen.

Bei Gütermärkten, die eine echte Nachfrage zur Voraussetzung haben, gebe es eine natürlich Begrenzung. „Dort sagen die Menschen irgendwann: Ich brauche eigentlich nichts mehr, weil ich schon alles habe. Bei Finanzmärkten gibt es das aber nicht, weil man von Geld nie genug haben kann.“ Da sich Märkte nicht aus eigener Kraft ins Gleichgewicht bringen, müsse der Staat handeln.

Als Ursache wachsender Staatsverschuldung sieht Biedenkopf allerdings ein grundlegendes Problem. Und zwar den ungebrochenen Glauben an ständiges Wachstum. „Wir sind der Meinung, dass die Demokratie letztendlich nur unter Bedingungen des Wachstums funktioniert.“ Auch die schwarz-gelbe Koalition in Berlin habe ihre Regierungszeit mit einem Wachstumsbeschleunigungsgesetz begonnen. „Das ist für mich ein Symbol.“

Dabei führe der im vergangenen Jahr erlittene Rückgang des Bruttoinlandsprodukts von fünf Prozent lediglich auf das Niveau der Jahre zwischen 2005 und 2006 zurück. „Das ist für sich genommen keine Katastrophe. Die Katastrophe ist die Unbeweglichkeit unserer Gesellschaft, solche Rückgänge aufzufangen.“ Gleichgewicht bedeutet nichts anderes, als dass es „Phasen mit mehr und mit weniger“ gebe. Da aber die ganze Gesellschaft auf eine Wachstumsannahme ausgerichtet sei, müsse das Wachstum durch Staatsverschuldung gefördert werden.
„Wir produzieren inzwischen nicht, um Nachfrage zu befriedigen, sondern wir erzeugen Nachfrage, damit wir produzieren können.“ Der Konsum werde zur Schlüsselfrage erklärt. Es gehe gar nicht mehr darum, ob die Leute das, was sie konsumieren, auch wirklich brauchen. „Ich habe nichts gegen Wachstum. Ich habe aber etwas gegen Wachstum, wenn es zu Lasten der Staatsfinanzen geht. Dann leihen wir uns das Wachstum von der kommenden Generation, um unsere gegenwärtigen Probleme zu erleichtern.“
Gleiches gelte für ein Wachstum zu Lasten endlicher Ressourcen. Auch dann werde die Zukunft in Anspruch genommen. „Ein Wachstum ist dann positiv, wenn es aus der Verbesserung unserer Leistungsfähigkeit erwächst, es im Rahmen gegebener Mittel zu erwirtschaften“, sagte der Unionspolitiker. Wachsen müsse dabei vor allem die Intelligenz. Laut Biedenkopf gehe es jetzt darum, mit Staatsgeldern intelligent umzugehen. „Hier gibt es beachtliche Ineffizienzen. Die sind bisher durch Besitzstände festgeschrieben, vor allem durch Besitzstände des Denkens.“

Außerdem müssten Prioritäten innerhalb des gegebenen Volumens neu gesetzt werden. Daran führe kein Weg mehr vorbei. Dass der Staat seine Einnahmen wesentlich steigern werde, sei unwahrscheinlich. Dennoch ist Biedenkopf um die Zukunft nicht bange. „Ich habe ein großes Vertrauen in die Selbstkorrekturfähigkeit der Menschen – vor allem, wenn sie merken, dass sie in einer Sackgasse gelandet sind.“


Ungewisse Zukunft für Guinea

Ethnische Spannungen sollen die Guineaer überwinden und die Demokratie unterstützen. Der Aufruf zum Frieden kommt aus unerwarteter Richtung: Präsident Moussa Dadis Camara hatte sich Ende 2008 an die Macht geputscht.
28. September 2009: Eine Großdemonstration der Opposition, im Stadion von Conakry. 50.000 Menschen protestieren dagegen, dass Moussa Dadis Camara, der Chef der Militärjunta, bei den nächsten Wahlen für die Präsidentschaft kandidieren will. Camara lässt seine Wachhunde los – die so genannten "Roten Barette". Mehr als 150 Menschen sterben, Frauen werden auf offener Straße vergewaltigt. Auch Mariama Diallo Sy war im Stadion, sie hat gesehen, wie die Präsidentengarde das Feuer eröffnet hat. "Das Geräusch der Kugeln, die an meinem Kopf vorbeirauschten, werde ich nie vergessen. Und auch nicht die Bilder der Frauen, die vor meinen Augen missbraucht wurden. Und ich frage mich bis heute, welches Wunder mich gerettet hat – davor, heute in der Moschee von Conakry beweint zu werden", sagt Mariama Diallo Sy.
Schwere Menschenrechtsverletzungen
Die Vereinten Nationen untersuchen die Vorfälle und bezeichnen sie in einem Bericht als Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Auch Jean-Marie Fardeau von der Organisation Human Rights Watch kommt zu einem erschütternden Ergebnis. Guinea habe das Stadium der abscheulichsten Barbarei erreicht, das er je erlebt habe. "Wir können beweisen, dass die Präsidentengarde und Soldaten aus dem Militärlager Camp Alpha Yaya Diallo schwer bewaffnet ins Stadion kamen und eine klare Strategie hatten. Sie haben sofort scharf geschossen und diese friedliche Demonstration mit blutigem Terror beendet", sagt er.

Anschlag auf Camara
Die scharfe Reaktion der Öffentlichkeit macht die Junta nervös. Die Europäische und die Afrikanische Union verschärfen gemeinsam mit der Westafrikanischen Staatengemeinschaft ECOWAS ihre Sanktionen, verhängen Reiseverbote. Camara und seine Gehilfen sollen vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag angeklagt werden. Die Nerven liegen blank – besonders bei Camaras Adjutanten Toumba Diakite. Bei einem nächtlichen Streit Anfang Dezember schießt er seinem Chef in den Kopf. Camara überlebt schwer verletzt – und wird nach Marokko in ein Krankenhaus gebracht, der verhinderte Königsmörder taucht unter. "Ich habe auf ihn geschossen, weil er mich verraten wollte. Er wollte mir die ganze Verantwortung für die Ereignisse des 28. September zuschieben, und da musste ich mich wehren – sonst hätte ich vielleicht eines Tages selbst dran glauben müssen", sagt Toumba Diakite.

Land ohne Führung
Guinea taumelt führungslos ins neue Jahrzehnt. Dann, Anfang Januar, ein Hoffnungsschimmer, ein Jahr nach Camaras Putsch, mehr als drei Monate nach dem Massaker: Während Camara noch im Krankenhaus liegt, öffnet die Nummer Drei der Junta, Sékouba Konaté, seinem Land einen Spalt breit die Tür zum Weg aus der Krise. "Wir müssen alle Kräfte des Landes bündeln, um die politische Lage dieses Landes zu beruhigen. Wir bitten auch unsere internationalen Partner um Hilfe, damit wir einen Übergangsprozess beginnen können, der für alle transparent und gerecht ist. Die Fehler der Vergangenheit dürfen sich nicht wiederholen", sagt Konaté. Konaté will einen Premierminister der Opposition zulassen und verhindern, dass Camara nach Guinea zurückkehrt.

Angst vor Camaras Rückkehr
Doch die Zeit drängt – denn die Nummer Eins bereitet ihr Comeback vor – Moussa Dadis Camara hat die Klinik in Marokko verlassen und hält sich zur weiteren Genesung in Burkina Faso auf. Die Militärs wollten ihn aus Ouagadougou nach Hause holen – allein der Gedanke hat die Menschen in Guinea erschaudern lassen. Auch den Menschenrechtler Mamadi Kabba. Wäre Camara zurück in Guinea, würde sein Land vom Regen in die Traufe geraten. Und schon vom Weg aus der Krise abkommen, bevor es dort überhaupt Tritt gefasst hat. "Wir sind sehr besorgt und befürchten, dass es zu schlimmen Unruhen kommen könnte, wenn Dadis Camara zurückkehrt. Wir alle leben in Guinea gerade mit einem extrem hohen Risiko, ein Bürgerkrieg könnte jederzeit das ganze Land erfassen", sagt Kabba.

Doch möglicherweise zeigen die harten Verhandlungen unter der Führung von Burkina Fasos Präsident Blaise Compaoré in Ouagadougou erste Erfolge: Junta-Vize Konaté hat mit einem Vertrag erreicht, dass Camara in Burkina Faso bleibt – fürs Erste. Ob damit das Ende der militärischen Schreckensherrschaft eingeläutet ist, kann zu diesem Zeitpunkt noch niemand sagen. In sechs Monaten soll in Guinea gewählt werden.
Autor: Alexander Göbel

Weltklimarat gerät erneut in Erklärungsnot


Der Weltklimarat (IPCC) gerät kurz nach dem Eingeständnis von Fehlern bei der Vorhersage zum Abschmelzen der Himalaya-Gletscher erneut in Erklärungsnot. Wie die "Sunday Times" aus London berichtet, will der UN-Klimarat die Beweise für seine Behauptung, dass es einen Zusammenhang zwischen der Erderwärmung und der Verschlimmerung von Naturkatastrophen gibt, noch einmal überprüfen.
Der Weltklimarat wurde 2007 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet, weil er den Klimawandel in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt hatte. Der IPCC-Bericht zum Weltklima aus dem Jahr 2007 ist bis heute Basis vieler politischer und wissenschaftlicher Klima-Diskussionen. In dem Bericht stellt der IPCC die Behauptung auf, dass die steigenden Kosten durch Überschwemmungen und Hurrikane mit dem Klimawandel zusammenhängen.
Laut "Sunday Times" basierte die Aussage in dem Klimabericht auf einer bis dahin unveröffentlichten Studie, die noch nicht einer routinemäßigen wissenschaftlichen Überprüfung unterzogen worden war. Als die Studie schießlich 2008 veröffentlicht worden sei, habe sie die Warnung enthalten, dass es für einen statistischen Zusammenhang zwischen dem weltweiten Temperaturanstieg und den Schäden durch Umweltkatastrophen "nicht genügend Beweise" gebe.
Laut "Sunday Times" nahm der Weltklimarat die Studie mit in den Bericht auf, obwohl damals mindestens zwei wissenschaftliche Gutachter Zweifel äußerten. Zudem habe der IPCC nach der Veröffentlichung der Studie keine Klarstellung veröffentlicht. Der Klimaforscher und stellvertretende Vorsitzende des IPCC, Jean-Pascal van Ypersele von der Katholischen Universität Löwen in Belgien, kündigte an, dass die Beweise nun überprüft würden. Es werde einen neuen Bericht zu Naturkatastrophen und Wetterextremen geben, der auf dem jüngsten Stand der Erkenntnisse sei, sagte van Ypersele der "Sunday Times". Trotz der jüngsten Vorfälle arbeite der IPCC "immer noch sehr streng und wissenschaftlich".
Erst am Samstag hatte der Vorsitzende des Weltklimarats, Rajendra Pachauri, einen "bedauerlichen Fehler" bei der Vorhersage zum Verschwinden der Himalaya-Gletscher im Weltklimabericht 2007 eingeräumt. Die Vorhersage, dass die Gletscher bis 2035 verschwunden sein könnten, habe einige Leute "wirklich alarmiert", erklärte Pachauri.
Nach Informationen der "Sunday Times" hatte ein indischer Wissenschaftler das Jahr 2035 in einem Interview aufgebracht. Dies sei später durch die Umweltschutzorganisation WWF und schließlich vom Weltklimarat für seinen Bericht übernommen worden

Samstag, 23. Januar 2010

Zentralbank verweigert Griechenland die Rettung

EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark lehnt eine Rettung Griechenlands ab. Das hoch verschuldete Land müsse sich selbst helfen. Zur Zinspolitik sagt Stark, die Zentralbank würde zur Not die Zinsen erhöhen, um einer Inflation vorzubeugen. "Wir sind dafür da, den Bürgern in Europa stabile Preise zu garantieren."
Die EZB würde den Leitzins wenn nötig erhöhen, auch wenn dies höhere Zinsen für Staatsschulden bedeutet. „Wir sind nicht dafür da, den Staaten ihre Refinanzierung zu erleichtern, sondern den Bürgern in Europa stabile Preise zu garantieren“, sagt der Chefvolkswirt der EZB, Jürgen Stark, der "Welt am Sonntag". Eine Politik wie in den USA oder England, wo die Notenbanken Staatsanleihen aufkaufen, kann sich Stark nicht vorstellen: „Wir sind hier nicht auf einer Insel und nicht auf einem anderen Kontinent, sondern in Kontinentaleuropa. Und da gibt es für die Zentralbank ein klares und vorrangiges Mandat für Preisstabilität.
Inflation oder Deflationsgefahren sieht Stark nicht: „Bei allen uns heute zur Verfügung stehenden Daten und Analysen sehen wir über die nächsten 18 bis 24 Monaten weder Inflations- noch Deflationsrisiken.“ Allerdings gibt es laut dem Chefvolkswirten zwei Einschränkungen: Sollte das globale Wachstum stärker sein als erwartet, könnten steigende Rohstoffpreise die Inflation anziehen lassen, so Stark. Außerdem hingen die Risiken für die Preisstabilität davon ab, wie erfolgreich die Staaten bei der Sanierung ihrer Haushalte sind.
Stark forderte außerdem, Wirtschaftswachstum stärker an mittelfristigen Zielen auszurichten: „Es geht um die Nachhaltigkeit des wirtschaftlichen Wachstums. Was nutzt es, wenn ein künstlich starkes Wachstum Ungleichgewichte und Übertreibungen erzeugt, die zu heftigen Krisen führen? Diese Lehre sollten wir aus den vergangenen zwei Jahrzehnten ziehen.“
Stark hat auch Nachbesserungen in Griechenlands Statistik gefordert. „Es geht auch um Statistiken, die nicht in Ordnung waren. Folglich war es auch nicht möglich, frühzeitig entsprechend einzugreifen. Griechenland wird auch in diesem Punkt dringend nachbessern müssen“, sagte Stark. Griechenland kämpft derzeit mit einer hohen Staatsverschuldung, einige Experten befürchten einen Staatsbankrott.
„Länder wie Griechenland müssen nicht nur ihr Defizit in den Griff bekommen, sondern brauchen eine grundlegende Umorientierung ihrer Wirtschaftspolitik“, sagte Stark. Wer ständig Defizite produziere, lebe über seine Verhältnisse. „Das lässt sich nur ändern, wenn man den Gürtel enger schnallt und die Volkswirtschaft wieder wettbewerbsfähiger macht. Manche Länder haben das geschafft, indem sie sogar einen Rückgang der Löhne erlaubt haben. Für Volkswirtschaften in einer schwierigen Lage gibt es dazu keine Alternative.“
Harsche Kritik übte er indirekt an dem bisherigen Verhalten des Mittelmeerstaates. „Die Währungsunion ist eine Schicksalsgemeinschaft. Wer sich nicht an die Regeln hält, handelt unsolidarisch, unverantwortlich und schadet dem Euro“, sagte Stark. Allerdings müsse auch eingestanden werden, dass der Überwachungsmechanismus in den vergangenen Jahren nicht immer so funktioniert, wie das wünschenswert gewesen wäre. „Wenn im Nachhinein festgestellt wird, dass es Probleme bei den Daten gab, muss man daraus Konsequenzen ziehen und genauer hinsehen“, sagte Stark.

Eine Rettung des Mittelmeerstaates schließt Stark aus. „Die Währungsunion beruht auf einer klaren Geschäftsgrundlage, an die man die heutige Politikergeneration erinnern muss. Kein Land der Währungsunion haftet für die Schulden eines anderen Landes.“ Eine Hilfe des IWF ist laut Stark abwegig: „Das würde bedeuten, dass Länder außerhalb des Eurogebietes darüber mitbestimmen, welche Politik innerhalb des Eurogebietes gemacht werden muss. Das kann ich mir wirklich nicht vorstellen.“ Er vertraue auf die Kapitalmärkte, den Stabilitätspakt sowie den Gruppendruck in der Währungsunion, der die Länder zu den richtigen Reformen zwingen werde.


Familienvater droht Abschiebung. Das Höchstgericht fordert von Behörden Menschlichkeit:

Nach 13 Jahren soll ein gebürtiger Liberianer Österreich verlassen.Identität: Peter D. bekam im Vorjahr in der neuen Botschaft seinen Pass. Mein Wunsch ist es, hier zu bleiben und ein guter Österreicher zu sein", sagt der 31-jährige Peter D. Eigentlich hätte bei dem gebürtigen Liberianer alles gepasst. Es gelang ihm schnell hier Fuß zu fassen, als er vor dreizehn Jahren aus seiner Heimat flüchtete. Das dortige Regime unter Diktator Taylor, der auch des Kannibalismus verdächtigt wird, hatte D.s Eltern ermorden lassen.Sein Onkel ließ den damals noch nicht 18-Jährigen mit Schleppern nach Österreich bringen. "Die Caritas hat mir damals viel geholfen", erinnert sich D. Er trug das Seinige dazu bei, integrierte sich rasch. 1999 heiratete er eine Österreicherin, 2000 kam eine Tochter zur Welt, zwei Jahre später ein Sohn. Peter D. hatte auch einen gut bezahlten Job in einem Stahlwerk gefunden, arbeitet sich bis zum Vorarbeiter empor. "Ich habe mehr als 2300 Euro netto verdient und konnte meine Familie gut versorgen", erzählt er. 1999, im Jahr seiner Hochzeit, reichte der Liberianer auch einen Antrag zur Erteilung der Aufenthaltsbewilligung ein.Alles paletti und kein Problem, könnte man meinen. – Weit gefehlt. Denn Peter D. hatte nie richtige Dokumente. "Die Geburtsurkunde, die mir mein Großvater nachschickte, war angeblich von einem Beamten ausgestellt worden, der nicht dazu befähigt war", schildert der 31-Jährige. Daraus sollten ihm die Behörden einen Strick drehen. Man erklärte Peter D. zu einem "Illegalen", der nicht willens gewesen sei, seine wahre Identität nachzuweisen.
Ausweisung Außerdem hätte er den Antrag auf Aufenthaltsgenehmigung im Ausland stellen müssen. Mit diesen Begründungen wurde sein Antrag im Vorjahr – acht Jahre nach Einreichung – abgelehnt. Das Innenministerium hielt daran fest, ließ ein humanitäres Bleiberecht nicht zu. Man sprach seine Ausweisung aus. "Das hat mich seelisch zerstört", ringt der Liberianer im KURIER-Gespräch mit den Tränen. Sein Rechtsanwalt Reinhard Langner hat aber jetzt einen großen Erfolg erzielt. Er brachte die Angelegenheit vor den Verfassungsgerichtshof und der hat in einer druckfrischen Entscheidung sowohl Ausweisung als auch Nichterteilung von humanitärem Bleiberecht als verfassungswidrig aufgehoben. Man hätte die lange Aufenthaltsdauer und das Familienleben des Liberianers mehr würdigen müssen, begründeten dies die Höchstrichter.
Jetzt sind wieder die Erstinstanzen am Zug. Übrigens: Seit im Vorjahr die liberianische Botschaft in Österreich aufsperrte, besitzt Peter D. endlich einen gültigen Pass.
20.01.2010 22:10 | Andrea Wasinger


Firma liefert unbrauchbare Sprengstoffdetektoren

Spengstoffdetektor im Einsatz

Geräte im Irak und anderen Ländern im Einsatz

Furchtbarer Verdacht: Möglicherweise haben kaputte Sprengstoffdetektoren im Irak hunderte Menschen das Leben gekostet. Eine britische Firma hat vollkommen unbrauchbare Geräte in den Irak und andere Länder verkauft.

Laut BBC wird befürchtet, dass hunderte Menschen bei Anschlägen ums Leben kamen, die durch funktionierende Sprengstoff-Detektoren vielleicht verhindert worden wären. Das Wirtschaftsministerium in London bestätigte, dass die Geräte, die überall im Irak im Einsatz sind, als Sprengstoffdetektoren nicht funktionierten. Tests hätten ergeben, dass die Geräte nicht zum Aufspüren von Bomben geeignet seien. Das Ministerium untersagte deshalb den Export in den Irak und nach Afghanistan.

An 20 Länder verkauft

Die englische Firma ATSC soll die Detektoren an etwa 20 Länder verkauft haben. Der Chef der Firma wurde am Freitag wegen Betrugverdachts festgenommen, jedoch gegen Kaution wieder freigelassen, teilte die Polizei der Region Avon and Somerset mit. Weitere Ermittlungen liefen. Die britische Botschaft in Bagdad und die irakischen Behörden hatten auf den vermutlichen Missbrauch aufmerksam gemacht. Das Exportverbot ist von Montag an gültig.
Die irakische Regierung habe bereits Detektoren im Wert von 85 Millionen Dollar (60,1 Millionen Euro) angeschafft, so die BBC. An den meisten Kontrollpunkten in Bagdad seine die Handgeräte "ADE-651" im Einsatz.
Die für 40.000 Dollar verkauften kleinen Geräte sollen nach Angaben der Firma ohne Batterie arbeiten. Sie bezögen ihre Energie aus statischer Elektrizität. In die Geräte würden spezielle Elektrokarten gesteckt, die dann Sprengstoff aufspüren sollen. Aber die Recherche der BBC ergab, dass es sich lediglich um gewöhnliche Karten zur Diebstahlsicherung handelt - wie sie von vielen Geschäften benutzt werden.