Sonntag, 23. März 2008

Obama und der Rassismus

Marcia Pally schreibt

Ein riesiger Knall, hier wackeln immer noch die Wände - im amerikanischen Wahlkampf ist nun doch das Thema Rassismus aufgetaucht. Barack Obamas Popularitätswerte gehen in den Keller und John McCains steht besser da denn je. Und das alles, weil ein alter Freund Obamas, der schwarze Reverend Jeremiah Wright von der Trinity United Church in Chicago, erklärt hat, dass unsere Außenpolitik Schuld an den Terroranschlägen vom 11. September 2001 sei und die Vereinigten Staaten "ein Land sind, dessen Kultur immer noch von den Reichen und Weißen beherrscht wird".

Nun sind diese Einsichten keineswegs neu, sie werden von nicht wenigen Menschen im Rest der Welt geteilt. Doch hier droht Reverend Wright, mit seinen Äußerungen die ganze Nation zu entzweien. Denn eigentlich sind die USA doch ein lauschiges, friedlich vereintes Plätzchen.
Kein Wunder also, dass sich Obama, der demokratische Hoffnungsträger, in einer kämpferischen Rede veranlasst sah, auf den Fall Wright einzugehen und die Dinge richtig zu stellen. Die Reaktionen darauf waren allerdings sehr unterschiedlich."Obama hat sich nicht klar zu Wright geäußert" und "Wrights Ausfälle können Obama nicht schaden" - so lauteten die Überschriften. Die New York Times begrüßte, dass Obama mit seiner Rede "die Diskussion über ethnische Zugehörigkeit und religiösen Glauben auf ein neues Niveau gehoben hat".
Die Washington Post dagegen hielt unbeirrt fest, "dass Äußerungen wie die von Reverend Wright nicht toleriert werden dürfen." Es ist offenbar einiges durcheinander geraten.Obama trat der Kirche von Jeremiah Wright vor 20 Jahren bei, weil er mit seiner schwarz-weißen Herkunft und seinem Harvard-Abschluss an einem Ort wie Chicago als viel zu "weiß" erschien, um in die "schwarze" Politik einzusteigen.
Ohne Wrights Kirche hätte Obama seine Karriere nicht beginnen können. Ironischerweise lässt ihn diese Kirche nun als zu "schwarz" erscheinen.Doch sei's drum. Während sich Amerika wieder mit dem Rassismus beschäftigt, möchte ich ein paar Zahlen zu bedenken geben: Laut eines Berichts aus dem Pentagon hat uns der Krieg in Irak bislang 600 Milliarden Dollar gekostet.
Der Haushaltsausschuss des Kongresses beziffert die langfristigen Kosten auf ein bis zwei Billionen Dollar. Joeseph Stiglitz, ausgezeichnet mit dem Nobelpreis für Ökonomie, spricht von über vier Billionen Dollar. Sollte ich jetzt einfach mal fragen, wie viele unserer Probleme, die mit dem Rassismus zu tun haben, wir mit ein paar Billionen Dollar lösen könnten?
Übersetzung: Christian Schlüter

Freitag, 21. März 2008

Obama von US-Beamten ausgespäht

Passdaten eingesehen: Kandidat Obama empört
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Das Außenministerium bemüht sich um Schadensbegrenzung, doch Fakt ist: Drei seiner Angestellten haben unerlaubt die Reisepassdaten des demokratischen Kandidaten eingesehen. Obamas Sprecher fordert «rückhaltlose Aufklärung».

Angestellte des US-Außenministeriums haben unerlaubt Einblick in die Reisepassdaten des demokratischen Präsidentschaftsbewerbers Barack Obama genommen. Das berichtet die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf US-Quellen.
Die Vorfälle ereigneten sich am 9. Januar, am 21. Februar und am 14. März und wurden den Angaben zufolge rasch an übergeordnete Stellen gemeldet. Ministeriumssprecher Sean McCormack räumte am Donnerstag ein, drei externe Mitarbeiter in verschiedenen Büros hätten sich die Daten angeschaut. Dies sei lediglich unüberlegt und aus reiner Neugier geschehen. Ein politisches Motiv stecke nach ersten Erkenntnissen nicht dahinter. Die Angelegenheit solle aber untersucht werden. Die Führungsetage wurde allerdings erst nach einer E-Mail eines Reporters an McCormack darauf aufmerksam. Zwei der drei Mitarbeiter wurden dem Ministerium zufolge umgehend nach Bekanntwerden der Verstöße entlassen. Der dritte Angestellte habe eine Disziplinarstrafe erhalten, arbeite aber weiter für einen Geschäftspartner des Ministeriums.

Ein Sprecher des Senators aus Illinois nannte die Vorfälle eine empörende Verletzung der Privatsphäre Obamas und verlangte rückhaltlose Aufklärung. Zu einem ähnlichen Datenmissbrauch war es 1992 gekommen, als Beamte des Außenministeriums die Unterlagen des damaligen Präsidentschaftskandidaten Bill Clinton einsahen.

Karfreitagsfürbitte entzweit Juden und Katholiken

Evangelischer Bischof kritisiert Einkaufen in der Nacht auf Karfreitag
Betende Hände. Quelle: dpa

Der Karfreitag ist 2008 Anlass zum Streit zwischen Religionen und zwischen Kirche und Gesellschaft. Die Zentralratsvorsitzende der Juden kritisiert die neue Karfreitagsfürbitte der Katholiken und Bischof Hein greift das Mitternachtseinkaufen an.

Es solle gebetet werden für die Juden, "...damit sie Jesus Christus erkennen, den Heiland aller Menschen", heißt es in der Fürbitte. Dies fassen Rabbiner zwischen New York und Rom als Aufforderung zur längst überwunden geglaubten "Judenmission" auf. Die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, kritisierte die Wiederzulassung einer früheren Karfreitagsbitte scharf, in der Katholiken für die Erleuchtung der Juden beten

Papst wegen Fürbitte kritisiert

"Die Karfreitagsfürbitte impliziert eine subtile Aufforderung zur Judenmission, die ich als brüskierend, überheblich und als deutlichen Rückschritt im christlich-jüdischen Dialog bezeichnen muss", erklärte Knobloch auf Anfrage am Donnerstag in München.

Papst Benedikt XVI. hatte eine Karfreitags-Fürbitte für die alte lateinische Messe wieder erlaubt und damit für eine Abkühlung im ohnehin sensiblen Verhältnis zwischen Juden und katholischer Kirche gesorgt.

Knobloch: Geringschätzung der Juden

"Von Rückschritt spreche ich auch deshalb, weil diese Fürbitte weit hinter die respektvolle Formulierung aus dem Jahre 1970 zurückfällt", erklärte Knobloch. Papst Paul VI. habe damals eine Formulierung gewählt, die eine aufrichtige Wertschätzung des Judentums zum Ausdruck gebracht habe.

"Heute wird stattdessen einer Geringschätzung der jüdischen Religion das Wort geredet, wie sie einer toleranten Theologie nicht angemessen und deshalb gefährlich ist", betonte Knobloch. "In welcher Zeit leben wir eigentlich, wenn die katholische Kirche heute wieder meint, um das Seelenheil des jüdischen Volkes besorgt sein zu müssen?"

Kardinal Kasper verteidigt Fürbitte

Für eine Versachlichung der Debatte um die von Papst Benedikt XVI. neu formulierte lateinische Karfreitagsbitte wirbt der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper. Die Fürbitte für die Juden sagt nach seinen Worten "nichts Neues, sondern spricht nur aus, was schon bisher als selbstverständlich vorausgesetzt, aber offenbar nicht hinreichend thematisiert wurde", schreibt Kasper in einem Beitrag für die Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Der neue Text weise ausdrücklicher als der des "ordentlichen Ritus" von 1970 auf den grundlegenden Unterschied zwischen Juden und Christen hin, so der Kardinal. Dieser Unterschied bestehe im Glauben an Jesus Christus als dem Erlöser aller Menschen.

Kasper ist Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen und der Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum. Die eigentlich kontroverse Frage laute, ob Christen für die Bekehrung der Juden beten sollten und ob es eine Judenmission geben könne, schreibt der Kardinal. Zur Beantwortung dieser Frage erinnerte er daran, dass die katholische Kirche anders als evangelikale Gruppen keine organisierte Judenmission kenne.

Gedenken an Leiden Jesu

  • In der Grabeskirche von Jerusalem haben am Freitagmorgen die Feierlichkeiten zum Karfreitag begonnen. Mehrere tausend christliche Pilger werden dann am Vormittag an der traditionellen Prozession in Gedenken an den Leidensweg des Religionsstifters Christus teilnehmen. In der Altstadt von Jerusalem schreiten sie dann die "Via Dolorosa" ab, die Jesus der Überlieferung zufolge vor rund 2000 Jahren mit der Last des Kreuzes gegangen ist, bevor er gekreuzigt wurde und starb.

    Der traditionelle Kreuzweg am Karfreitag in Rom steht nach dem Willen von Papst Benedikt XVI. unter dem Zeichen der Katholiken in China. Die Gebete zu der Zeremonie verfasste in diesem Jahr der Kardinal von Hongkong, Joseph Zen Ze-Kiun. Zen betont in den vom Vatikan vorab veröffentlichten Kreuzweg-Meditationen die Situation der chinesischen Katholiken und erinnert an die "Märtyrer des 21. Jahrhunderts". Zudem ist eine Chinesin Kreuzträgerin während der Karfreitagszeremonie, die an das Leiden von Jesus Christus erinnert. Zen ist für Chinas Katholiken von besonderer symbolischer Bedeutung, da der Vatikan in China keine Bischöfe einsetzen darf.

Bischof attackiert Mitternachtseinkauf

Der evangelische Bischof Martin Hein (Kassel) hat abermals scharfe Kritik an Ladenöffnungen am späten Gründonnerstagabend geübt. Das "Mitternachtsshopping" pervertiere den Charakter von Gründonnerstag und Karfreitag, sagte der Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck am Donnerstag im Deutschlandfunk: "Es gibt viele Menschen, auch außerhalb der Kirche, die sich darüber empören, dass inzwischen die Geschäftemacherei weit in die Feiertage hineinreicht."

Das Vorhaben der Einkaufszentren in Kassel, Frankfurt, Limburg, Neu-Isenburg oder Wetzlar und anderen Städten im Bundesgebiet habe aber dazu geführt, dass ein neues Nachdenken über die beiden Tage eingesetzt habe. Hein betonte in diesem Zusammenhang, dass es auch eine "Kultur der Entsagung" gebe. "Man muss nicht immer alles zu jeder Zeit haben", sagte er unter Hinweis auf die erfolgreiche Fastenaktion "Sieben Wochen Ohne". Inzwischen gebe es auch eine Gegenbewegung zur "Spaßgesellschaft".

Stichwort: Karfreitag

  • Karfreitag als Kreuzigungstag gilt in der evangelischen Kirche als höchster Feiertag und wird mit strenger Buße verbunden. In der katholischen Kirche ist er ein Fastentag. Nach dem christlichen Glauben überwand der Karfreitag gekreuzigte Jesus am Sonntag den Tod - als Beweis für das ewige Leben - und erfüllte damit seinen göttlichen Erlösungsauftrag auf Erden. Ostern ist für Christen das Fest der Auferstehung.

Anatole Zali aus Abschiebehaft entlassen

Die Proteste gegen die bevorstehende Abschiebung des schwulen Kameruners Anatole Zali aus der Schweiz in sein Heimatland haben Wirkung gezeigt. Das Bundesamt für Migration (BFM) habe sich bereit erklärt, den Asylantrrag erneut zu prüfen teilte Amnesty Inrernational mit. Der 18-Jährige sei bereits aus der Ausschaffungshaft entlassen worden.

Amnesty hatte zuvor eine Protestbriefaktion wegen des Falls ausgelöst. Der junge Kameruner reiste am vergangenen 3. Februar auf dem Flughafen Zürich-Kloten in die Schweiz ein und begründete sein Asylgesuch mit seiner Homosexualität. Ihm drohten in der Heimat wegen seiner sexuellen Orientierung die Verhaftung und Misshandlungen.
Am 14. Februar war Anatole Zalis Gesuch abgewiesen worden, und auch der Einspruch dagegen, den er nach Angaben von Amnesty International ohne Unterstützung eines Anwalts selber habe formulieren müssen, war erfolglos geblieben.

Donnerstag, 20. März 2008

Barack Obama stürzt in Umfragen ab

Der schwarze Kandidat wirbt in einer Rede über Rasse und Rassismus um Verständnis für die Sorgen der Weißen.

Barack Obamas Umfragewerte im US-Präsidentschaftswahlkampf sind dramatisch eingebrochen. Im Rennen um die Kandidatur der Demokraten büßte der Senator aus Illinois seinen komfortablen Vorsprung von 14 Prozentpunkten auf seine innerparteiliche Rivalin Hillary Clinton nahezu komplett ein. Im direkten Vergleich mit dem Kandidaten der Republikaner, John McCain, geriet er in einer Umfrage von Reuters und Zogby erstmals in Rückstand. McCain drehte das Ergebnis zu seinen Gunsten um: 46 Prozent der Befragten gaben an, für den Republikaner aus Arizona stimmen zu wollen. Nur noch 40 Prozent bevorzugten Obama. Gegen Clinton würde McCain ebenfalls gewinnen, und zwar mit 48 zu 40 Prozent.

Nach Einschätzung von Meinungsforscher John Zogby machten Obama die vergangenen zwei Wochen zu schaffen. Clinton verschärfte in dieser Zeit ihre Angriffe gegen Obama. Zugleich geriet er wegen seines Pastors Jeremiah Wright unter Druck. Archivaufnahmen von Wrights Predigten hatten für Aufsehen gesorgt. Darin erklärte der Reverend, dass die Anschläge vom 11. September 2001 eine Strafe für die Außenpolitik der USA gewesen seien. Zudem bezeichnete er die US-Regierung als rassistisch.

Obama versuchte in einer Grundsatzrede in Philadelphia die Wogen zu glätten. Dabei distanzierte sich der Senator aus Illinois von den Aussagen des Pastors. Obama rief die Menschen in den USA dazu auf, die Kluft zwischen Schwarz und Weiß endgültig zu überwinden. Aus seinen Erfahrungen als Sohn einer weißen Amerikanerin aus Kansas und eines Kenianers schöpfe er die feste Zuversicht, dass dies möglich sei.

Obama warb dafür, die Weißen sollten anerkennen, welches Leid die Schwarzen durch Rassismus erfahren hätten. Zugleich forderte er die Schwarzen auf, Verständnis für Weiße zu haben, die sich benachteiligt fühlen. Den Titel für seine Rede „Eine perfektere Union“ entlieh er aus einem Vorwort des früheren US-Präsidenten Abraham Lincoln zur Verfassung, der damit 1861 gegen eine Teilung des Landes in Nord- und Südstaaten eintrat.

Schwuler Kameruner vor Abschiebung

Das Schweizer Bundesamt für Migration will einen schwulen Mann aus Kamerun in seine Heimat abschieben. Dort drohen ihm wegen seiner Homosexualität Haft und Misshandlungen.

Der 18-jährige Anatole Zali reiste am 3. Februar 2008 aus Kamerun in die Schweiz ein und beantragte am Flughafen Zürich Asyl, da man ihn aufgrund seiner sexuellen Orientierung bedroht hatte. In Kamerun soll Zali seinen Angaben zufolge Drohungen von der Polizei erhalten haben, zuerst in der Hauptstadt Yaounde und dann in Douala, wo er sich zu seinem Schutz bei seinem Cousin aufhielt. Sein Cousin wurde später unter dem Verdacht der Homosexualität von der Polizei festgenommen, schließlich wurde auch für Anatole Zali wurde mit derselben Begründung ein Haftbefehl ausgestellt. Um der Festnahme zu entgehen, floh Zali in die Schweiz. Sein Asylantrag wurde jedoch am 14. Februar 2008 abgelehnt.

Das Kameruner Strafgesetz kriminalisiert Homosexualität. In Abschnitt 347 heißt es darin: "Wer sexuelle Beziehung mit einer Person gleichen Geschlechts unterhält, wird mit Haftstrafen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft und muss eine Geldstrafe in Höhe von 20.000 bis 200 000 Francs (etwas 30,50 bis 305 Euro) zahlen."

Amnesty international weiß von mindestens elf Männern, die zwischen dem 19. Juli und 1. September 2007 in Kamerun unter dem Vorwurf der "Ausübung der Homosexualität" festgenommen wurden und betrachtet sie als gewaltlose politische Gefangene. Berichten zufolge werden Personen, die sich in Kamerun aufgrund ihrer angeblichen sexuellen Orientierung in Haft befinden, häufig zum Ziel von Misshandlungen.

Um die Abschiebung Anatole Zalis zu verhindern, ruft amnesty international dazu auf, E-Mails, Telefaxe oder Briefe an das Schweizer Bundesamt für Migration zu schicken:
  • Dr. Eduard Gnesa (korrekte Anrede: Dear Dr Gnesa)
    Direktor des Bundesamts für Migration
    Quellenweg 6
    CH - 3003 Bern-Wabern
    Suisse
    Telefax: (0041) 31 325 86 82
    e-Mail:
    eduard.gnesa@bfm.admin.ch

US-Gericht hebt Todesurteil auf

Wegen Mordes war der Afro-Amerikaner Allen Snyder zum Tode verurteilt worden. Das Oberste Gericht aber verlangte nun eine Neuverhandlung, weil der Staatsanwalt keine schwarzen Geschworenen zugelassen hatte.

Wegen Rassendiskriminierung bei der Auswahl der Geschworenen hat das Oberste Gericht der USA das Todesurteil gegen einen Afro-Amerikaner aufgehoben. Der Staatsanwalt habe 1996 bei dem Prozess alle schwarzen Geschworenen ausgeschlossen und damit gegen Gesetze verstoßen, urteilten die Richter am Mittwoch mit sieben zu zwei Stimmen.

Der Angeklagte Allen Snyder wird nun erneut vor Gericht gestellt und bleibt bis dahin in einem Hochsicherheitsgefängnis im US-Bundesstaat Louisiana inhaftiert. Er soll den Freund seiner Ehefrau, mit der er in Trennung lebte, ermordet haben.

Der Richterspruch bekräftigte ein Grundsatzurteil von 1986 gegen Rassendiskriminierung bei der Geschworenenauswahl. Selbst Snyders Verteidiger hatten eingeräumt, dass ihr Mandant die Tat begangen habe. Allerdings plädierten sie auf eine Verurteilung wegen Totschlags, worauf keine Todesstrafe steht.

Peking und Geldgeber im Zwielicht: Olympia-Sponsoren unter Druck

Millionen Euro haben Adidas, McDonald's, Coca Cola und andere Sponsoren für ihre Werbung bei den Olympischen Sommerspielen in Peking gezahlt. Nun werden die Spiele jedoch zunehmend mit Chinas Politik in Verbindung gebracht, insbesondere wegen der eskalierenden Proteste in und um Tibet.

Schon seit Monaten steht Peking wegen der Unterdrückung der Menschenrechte im eigenen Land und der Unterstützung umstrittener Regime wie dem Sudan und Birma am Pranger; nun ist die Lage in Tibet eskaliert. Peking liess Soldaten aufmarschieren und den Widerstand blutig niederschlagen.

Die Bilder von den dortigen Ereignissen können den Sponsoren nicht gefallen. Die meisten beteuern jedoch mit der Regelhaftigkeit einer tibetischen Gebetsmühle, dass die Unterstützung der Spiele nichts mit Politik zu tun habe.

Boykott-Rufe immer lauter

«Wir müssen alle sehr vorsichtig sein, wie wir darüber sprechen», sagte der China-Präsident der Beratung für Sportmarketing Helios, Chris Renner. Zu seinen Kunden gehören zum Beispiel der Computerhersteller Lenovo oder der deutsche Volkswagen-Konzern.

Die Vorwürfe gegen China sind gravierend: Unterdrückung des eigenen Volkes von 1,3 Milliarden Menschen, Ignorieren des Völkermordes im Sudan und schliesslich auch die Lage in Tibet. Selten waren die Rufe nach einem Boykott der Spiele seit dem Endes des Kalten Krieges so laut.

Bewährungsprobe am Mount Everest

Die Sponsoren, die den Druck von Menschenrechtsorganisationen und Öffentlichkeit zuerst spüren könnten, sind Samsung, Lenovo und Coca Cola. Sie finanzieren den olympischen Fackellauf, der noch in diesem Monat beginnen wird und auch quer durch Tibet führen soll, bis hin zum Mount Everest.

Aktivisten haben eine Absage gefordert, um so gegen das Vorgehen chinesischer Sicherheitskräfte gegen tibetische Demonstranten zu protestieren. Das Veranstaltungskomitee in Peking betonte derweil, dass der geplante Staffellauf mit der olympischen Flamme wie geplant stattfinden werde. Die Passage am höchsten Punkt der Erde im Mai werde ein Höhepunkt der Feierlichkeiten sein.

Cokes Fackellauf

Auch Coca Cola hält an der Planung fest: «Wir haben keine Pläne unsere Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Fackellauf zu ändern», sagt eine Unternehmenssprecherin in Peking.

Der koreanische Konzern Samsung liess erklären, die Olympischen Spiele seien nicht der geeignete Anlass für Demonstrationen. Man hoffe, dass alle Besucher das einsehen werden.

Der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) Jacques Rogge hat angesichts der Lage in Tibet seine «ernste Besorgnis» geäussert, aber jede Politisierung zurückgewiesen.

Hauptsponsoren sollen 100 Millionen Dollar bezahlt haben

Die Sponsorengelder und Marketingeinnahmen sollen die rund 2,1 Milliarden Dollar Betriebskosten wieder einspielen - Kosten für Neubauten und Infrastruktur sind dabei nicht eingerechnet. Die zwölf Hauptsponsoren, darunter Adidas, Omega und Coca Cola, sollen jeweils rund 100 Millionen Dollar bezahlt haben.

Ihnen geht es dabei um die globale Werbewirkung und ihre Positionierung auf dem riesigen chinesischen Markt. Daher vermeiden die meisten jede Geste oder Äusserung, die Pekings sensible Funktionäre verärgern könnte.

«Olympiade des Völkermords»

Doch seit Monaten steht China heftig in der Kritik: Wegen der Unterstützung des Regimes im Sudan und der Weigerung entschlossen auf eine Ende der Gewalt in der Bürgerkriegsprovinz Darfur hinzuwirken.

Hollywood-Regisseur Steven Spielberg kündigte deswegen vor wenigen Wochen seine Mitarbeit an der Eröffnungszeremonie in Peking. Die Schauspielerin und Darfur-Aktivistin Mia Farrow sprach offen von der «Olympiade des Völkermords».

In dem afrikanischen Land, das ein wichtiger Öllieferant Chinas ist, sind in den vergangen Jahren nach UNO-Schätzungen mindestens 200'000 Menschen getötet worden.

Handschellen statt olympischer Ringe

Die US-Organisation Dream for Darfur vergibt Olympia-Sponsoren daher Noten. Die Bestnote erreichte der Elektronikkonzern General Electric (GE), grösstenteils weil das Unternehmen medizinische Ausrüstung und Geld für UNICEF in Darfur spendete. Darüber hinaus heisst es jedoch: «Es ist nicht die Rolle von GE, die Spiele zu nutzen, um politischen Einfluss auszuüben.»

Als Protest gegen die repressive Politik Pekings im eigenen Land verbreiten Menschenrechtsorganisationen längst ganz andere Bilder von Olympia: Anstatt der fünf Olympiaringe sind darauf Handschellen zu sehen.

Vertrauliches Kungeln

Coca Cola, Adidas und Omega erklärten, sie hätten vertraulich mit dem Organisationskomitee in Peking über Darfur und andere Themen gesprochen. Die Lage in Tibet wird jedoch bis zu den Spielen im August weiter in der Öffentlichkeit präsent sein.

Sollte es während der Spiele in China zu Protesten kommen, ist eine harsche Antwort der Sicherheitskräfte zu befürchten. «Die Olympischen Spiele sind immer ein Balanceakt», sagte Michael Payne, ein Unternehmensberater, der zuvor als Marketing-Direktor des IOC arbeitete. «Die PR-Abteilung jedes Sponsors muss sensibel sein, wie sie darauf antwortet.»

Sonntag, 16. März 2008

"Seine Seele wurde im Irak getötet"

Soldatenselbstmorde in den USA

Sie kehren aus dem Krieg zurück und bringen das Grauen mit nach Hause: Tausende US-Soldaten können mit ihren Erlebnissen im Irak nicht umgehen. Viele sehen den einzigen Ausweg im Selbstmord. Hilfe bekommen sie nun von Vietnamveteranen. Die kennen ihre Probleme.

Thomas Berbner, ARD-Korrespondent Washington

Manchmal spielen sich Tragödien an idyllischen Orten ab. Das Haus der Familie Lucey steht in Massachusetts, umgeben von einem Pinienwald. Hier, im Keller seines Elternhauses, starb am 22. Juni 2004 Jeffrey Michael Lucey im Alter von 23 Jahren. Von eigener Hand.

Jeffrey war ein knappes Jahr zuvor aus dem Irak zurückgekehrt. Seine Eltern bemerkten sofort, dass ihr sonst so lebenslustiger Sohn nicht mehr derselbe war. Bis heute machen sich Joyce und Kevin Lucey Vorwürfe, dass sie die Anzeichen für den psychischen Verfall ihres Sohnes nicht früher erkannt haben. "Heute denke ich, mein Sohn ist im Irak gestorben", sagt seine Mutter. "Obwohl er sich erst zu Hause umgebracht hat."

Typische Symptome für eine Lebenskrise

"Seine Seele wurde im Irak getötet, was zu uns zurückkam, war nur noch ein Körper, eine leere Hülle", sagt Joyce weiter. "Der Mensch, der danach bei uns lebte, der mit uns den Schulabschluss seiner Schwester gefeiert hat, war nicht mehr unser Sohn Jeffrey. Das war jemand anders."

Jeffrey konnte nach seiner Rückkehr aus dem Irak kaum noch schlafen, die Gesellschaft von Menschen nicht mehr ertragen. Er verlor seinen Job, seine langjährige Freundin verließ ihn. Das Armeekrankenhaus konnte ihm nicht helfen. Die Ärzte wiesen ihn als gesund zurück, obwohl die Symptome des jungen Soldaten typisch waren für eine Lebenskrise nach einem schrecklichen Ereignis. Jeffrey litt an einem posttraumatischen Stresssyndrom. Erst spät erzählte er seinen Eltern, was er im Irak erlebt hatte.

"Für ihn waren das nicht nur Feinde"

"Er hatte zwei gefangene Iraker, unbewaffnet", berichtet Jeffreys Vater Kevin, "und ein Vorgesetzter schrie von hinten: 'Lucey, verdammt noch mal, drück endlich ab!' Er hat mir gesagt, dass sie nur wenige Meter entfernt standen. Er sah die Angst in ihren Augen. Für ihn waren sie nicht nur irgendwelche Feinde, sondern Menschen. Sein Gewehrlauf zitterte. Dann hat er abgedrückt. Wir glauben, dass ihm das die innere Verletzung zugefügt hat, von der er sich nicht mehr erholte."

Als Kevin Lucey an einem warmen Junitag von der Arbeit nach Hause kommt, übersieht er den Brief auf dem Küchentisch: "Vater, schau nicht nach, ruf nur die Polizei. Ich liebe Euch Jeffrey."

Der Vater erinnert sich: "Plötzlich sah ich, dass die Kellertür offen stand. Unten brannte Licht. Auf der Kellertreppe lagen überall Familienfotos und Bilder von Jeffreys Einheit. Erst habe ich nur auf die Bilder geachtet, doch dann sah ich ihn. Er hatte unseren Gartenschlauch zu einer Schlinge geknotet und sich erhängt. Ich habe geschrieen und rannte zu ihm, aber es war zu spät. Jeffrey war tot. Und dann bemerkte ich es: Nach all den Monaten hatte sich sein Gesichtsausdruck geändert. Er sah friedlich aus."

"Stell dich nicht so an"

Tausende Soldaten haben im Irak Furchtbares erlebt. Posttraumatischer Stress, der zu Depression und in vielen Fällen zum Selbstmord führt, muss dabei nicht zwingend durch Schuldgefühle oder eigenes Versagen ausgelöst werden.

  • TV-Tipp: Weltspiegel Am Sonntag um 19.20 Uhr im Ersten

Wir treffen Terry in San Diego, im Süden Kaliforniens. Terry stand Wache am Flughafen von Bagdad, als eine Granate neben seinem Kopf explodierte. Er blieb äußerlich unverletzt, doch das Trauma ließ ihn danach nicht mehr los. Seine Vorgesetzten glaubten, er simuliere die anschließenden Panikattacken, um aus dem Irak wegzukommen. Sie drohten ihm mit Gefängnis, seine eigenen Kameraden verspotteten und verprügelten ihn.

Beisetzung eines im Irak getöteten US-Soldaten in Arlington, Virginia (Archivbild vom 15.2.2008) (Foto: dpa)
Für seinen vorgesetzten Sergeant war Terry ein Drückeberger. "Warum kannst Du das nicht wegstecken?", fragte er ihn. "Warum bist Du nicht wie die anderen?"

"Ich habe zu ihm gesagt: 'Ich erfinde das nicht, was soll ich denn machen, wenn ich mitten in einem Feuergefecht wieder eine Panikattacke habe?' Er wollte das nicht hören und sagte nur: 'Stell Dich nicht so an.'"

Mit Selbstmordphantasien dem Druck entgehen

"Was danach mit mir passierte, war die Hölle", sagt Terry heute. Er fühlte sich von seinen eigenen Kameraden im Stich gelassen. Er plante, sich dem unmenschlichen Druck durch Selbstmord zu entziehen.

"Nur weil ich an Gott glaube, habe ich es am Ende nicht getan", sagt Terry. "Aber ich hatte Selbstmordphantasien. Alles mögliche ging mir durch den Kopf: Ich gehe raus in ein Gefecht und lasse mich einfach erschießen. Oder ich nehme mein eigenes Gewehr und beende mein Leben selbst, gleich dort. Ich dachte: Niemand hilft mir, ich habe so viel verloren, was bleibt mir noch?"

Vietnamveteranen helfen Irakheimkehrern

Die Armeekrankenhäuser in den USA sind mit den psychischen Problemen der heimkehrenden Soldaten in vielen Fällen überfordert. Die Selbstmordrate von Irakheimkehrern ist erschreckend angestiegen, deshalb setzt das Militär jetzt auf ein ungewöhnliches Mittel.

Wir treffen Terry wieder, in einem Beratungsgespräch. Viele der jungen Soldaten hier haben ähnliches erlebt wie er. Sie erzählen ihre Geschichten alten Soldaten, die sich mit Demütigung und Zurückweisung auskennen. Bill Rider und seine Kameraden haben in Vietnam gekämpft. Jetzt versuchen sie, Heimkehrern aus dem Irak zu helfen. "Sie verstehen Euch nicht", sagt einer der Vietnamveteranen, "weil die einzigen, die Eure Probleme verstehen können, Menschen sind, die selbst gekämpft haben."

"Als würde ein Teil von dir deinen Körper verlassen"

Nach dem Vietnamkrieg haben sich mehr US-Soldaten umgebracht als während der Kampfhandlungen in Südostasien, mehr als 60.000. Auch Bill hat an Selbstmord gedacht. Er verlor bei der Erstürmung eines Hügels in Vietnam einen Großteil seiner Einheit innerhalb weniger Minuten.

Trauerfeier auf dem Nationalfriedhof in Arlington (Archivfoto vom 13.7.2007) (Foto: dpa)
"Wenn im Kampf ein großer Teil deiner Freunde gestorben ist, fragst du dich, warum du noch lebst. Das ist ganz normal. Nicht normal ist es, wenn du den Selbstmord am Ende auch ausführst", sagt Bill. Und er berichtet von seinem eigenen Trauma: "Das Erlebnis, einen Menschen aus nächster Nähe zu töten, das ungläubige Staunen in seinem Gesicht zu sehen, wenn er stirbt - alles das lässt mich bis heute nicht los. Ich habe mich gefühlt, als hätte ich meine Seele verloren, als ich meine beiden ersten Feinde getötet hatte. Es ist, als würde ein Teil von dir deinen Körper verlassen. Ich glaube, das geht den meisten Veteranen so, die an der Front gekämpft haben."

Wer zu schwach ist, dem Grauen im eigenen Innern zu entfliehen, sieht am Ende häufig nur noch eine Wahl: sich selbst zu töten. Die Selbstmordrate unter Kriegsheimkehrern in den USA ist heute so hoch wie seit 25 Jahren nicht mehr.

"Ich bin schwach und kann mit dem Schmerz nicht umgehen"

Was zurückbleibt, ist die Trauer der Familien. Wir sind zurück in Massachusetts. Kevin Lucey führt uns in das Zimmer seines toten Sohnes. "Wir haben nahezu nichts verändert, seit dem Tag, an dem Jeff sich im Keller erhängt hat. Das hier ist die Verbindung meiner Frau zu ihrem toten Sohn, zu seiner Kindheit. Aber für mich ist es anders. Für mich ist dieses Haus hier sein Grab."

"Ich bitte um Verzeihung für das Leid, das ich euch zugefügt habe", schreibt Jeff Lucey im Abschiedsbrief an seine Eltern. "Es ist ein Unglück, ich bin schwach und kann mit dem Schmerz nicht umgehen. Aber für mich ist es, als sei der wichtigste Teil meines Lebens verlorengegangen.“

"Das muss ein Ende haben"

Jeden Tag kommen die Luceys zu dem kleinen Friedhof, auf dem ihr Sohn begraben liegt. "Kinder sollten ihre Eltern begraben, aber nicht Eltern ihre Kinder", sagt Kevin Lucey. "Ich bin unendlich traurig, aber auch wütend, weil sie meinem Sohn nicht die Hilfe gegeben haben, die er gebraucht hätte."

Und er gibt zu: "Ich werde wahrscheinlich niemals ganz verstehen, was Jeff gesehen oder getan hat. Aber ich weiß eines: Dieses Land war nicht auf diesen Krieg vorbereitet. Sie haben eine Armee in die Schlacht geschickt, die nicht bereit war, und nicht einen Gedanken daran verschwendet, wie es danach sein würde. Das muss ein Ende haben. Ich bete zu Gott, dass dieses Land sich endlich der Soldaten annimmt, die es in einen Krieg geschickt hat, den es niemals hätte beginnen dürfen."

Den Beitrag von Thomas Berbner und andere Reportagen der ARD-Auslandskorrespondenten sehen Sie am Sonntagabend um 19.20 Uhr im Weltspiegel im Ersten.

Samstag, 15. März 2008

Blinder Schwarzer wird Gouverneur in New York

Der blinde Paterson kennt Schwierigkeiten im Leben
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Er wird der erste schwarze Gouverneur in New York. Und er wird der erste blinde Gouverneur in Amerika überhaupt. Was sonst noch besonders ist an David A. Paterson, hat Anne Grüneberg herausgefunden.

Man sieht David Paterson nicht auf den ersten Blick an, dass er blind ist. Aber seine braunen Augen schielen leicht und das linke Lied hängt nach unten. Sein Blick ist trüb und doch wirkt er hellwach. Mit seinem grauen Stoppelbart sieht der baldige Gouverneur aus, als käme er gerade von einem zweiwöchigen Campingurlaub mit seiner Familie. Und das passt nicht ganz zu dem korrekten schwarzen Anzug eines Mannes von Welt.

David A. Paterson wird am Montag als neuer Gouverneur des Staates New York vereidigt. Sein Vorgänger Eliot Spitzer musste wegen einem schmierigen Prostitutionsskandal zurücktreten. Keine leichten Zeiten für die New Yorker Demokraten, aber der 53-Jährige Patterson lächelt, als könne ihn nichts aus der Ruhe bringen.

Er ist Schwierigkeiten im Leben gewöhnt. Als Kind erkrankte er an einer Augeninfektion. Sein rechtes Auge war von da an blind, das Linke sieht nur sehr eingeschränkt. Und er ist farbig. Das alles hinderte ihn nicht, seinen Weg bis an die politische Spitze New Yorks zu gehen. Zu seinem Freund, dem Menschenrechtler Al Sharpton sagte er laut der Nachrichtenagentur AP über seine Behinderung: «Ich gehöre zu einer Minderheit in einer Minderheit. Und ich werde es trotzdem schaffen, Ausreden zählen nicht.»

Paterson mit seinem Vorgänger Eliot Spitzer
Und jetzt hat er es geschafft. Der Skandal eines Vertrauten wird zum Sprungbrett für die eigene Karriere. Schon 2006, als Ex-Gouverneur Spitzer ihn zu seinem Vize machte, wurde Großes von dem Demokraten erwartet. Aber die Erwartungen wurden enttäuscht - um Paterson blieb es still. Eingeklemmt zwischen dem Gouverneur, dem Parlamentarischen Sprecher und dem Senatsvorsitzenden verstummte der Politiker. Der «New York Times» sagte er: «Ich sage Ihnen, was der Job des Vize-Gouverneurs ist. Du stehst morgens um 6.30 Uhr auf und rufst den Gouverneur an. Wenn er rangeht, kannst du wieder schlafen gehen.»

Liberaler als sein Vorgänger

Ab Montag geht Paterson selbst ans Telefon. Aber was wird sich sonst noch ändern? Der Afro-Amerikaner gilt als liberaler als sein Vorgänger. Und das könnte in der Zusammenarbeit mit dem republikanisch dominierten Senat zu Auseinandersetzungen führen. Vor ein paar Jahren schlug Paterson zum Beispiel vor, New Yorker ohne amerikanische Staatsbürgerschaft wählen zu lassen. Laut New York Times ist er außerdem gegen die Todesstrafe und für eine Überarbeitung der strengen Drogenrichtlinien. Seine Meinung zu Abtreibung und Stammzellenforschung ist, genau wie die seines Vorgängers, liberal.

Von Medien umringt: Paterson ist besonders
Vielleicht hat es sich gelohnt, bisher zu schweigen. «Ich habe mich zu den Vorwürfen gegenüber Spitzer nicht geäußert», sagte er am Dienstag der «New York Times», «weil ich fand, das war der respektvollste Weg». Genau wegen dieses anständigen Verhaltens und seiner ruhigen seriösen Art hat Paterson schon jetzt viele Freunde. Auch der republikanische Senatsvorsitzende Joseph L. Bruno, mit dem Paterson in nächster Zeit viel zusammenarbeiten muss, beschreibt das Verhältnis als warm und freundschaftlich.

Blind den New York City Marathon gelaufen

Für die Sehbehinderten Amerikas ist Paterson schon jetzt ein Vorbild, denn er hat sich immer ohne viel Hilfe durch die Welt geschlagen. 1999 lief der den New York City Marathon mit und heute läuft er trotz seiner Behinderung seiner politischen Konkurrenz davon. Weil er nicht selbst lesen kann, hat er Gehilfen engagiert. Seine Reden merkt er sich, denn wie viele Blinde hat Paterson ein perfektes Gedächtnis entwickelt.

Der außergewöhnliche Gouverneur ist zweifacher Familienvater und lebt mit seiner Frau Michelle Paige Paterson in Harlem. Wahrscheinlich wird er in nächster Zeit seltener dazu kommen, mit seinen jugendlichen Kindern Basketball zu spielen. Aber dafür kann er in der Politik jetzt richtig punkten.

Mittwoch, 12. März 2008

Tod eines Türken auf einer Polizeiwache

Nach dem Tod eines auf einer Polizeiwache in Hagen kollabierten Türken hat die Menschenrechtskommissarin des Bundestags, Herta Däubler-Gmelin, eine rückhaltlose Aufklärung gefordert.

In dem Fall hätten sich viele Widersprüche ergeben, sagte die SPD-Politikerin der Frankfurter Rundschau: "Ich ärgere mich darüber, dass mir immer noch kein Abschlussbericht der Staatsanwaltschaft vorliegt."

Der 26-Jährige war am 17. Februar auf einer Hagener Polizeiwache ins Koma gefallen und später verstorben. Ungeklärt ist, ob der junge Türke an den Folgen von Polizeigewalt starb. Nach einem vorläufigen Obduktionsbericht geht die Hagener Staatsanwaltschaft allerdings nicht davon aus. Endgültige Klarheit solle das abschließende gerichtsmedizinische Gutachten in frühestens zwei Wochen bringen, sagte der Sprecher der Anklagebehörde Reinhard Rolfes. Dann sei auch erst ein Abschlussbericht in dem Fall möglich.

Auf Polizeiwache fixiert

Der junge Türke hatte am 17. Februar die Polizei gerufen, da er sich von „einem schwarzen Mann“ verfolgt fühlte. Weil er auf der Wache randaliert haben soll, fixierten ihn Beamte und Rettungskräfte nach Angaben der Staatsanwaltschaft auf einer Trage. Bis zum Eintreffen der Notärztin sei er plötzlich kollabiert. "Bei der Fixierung ist es höchstens zu Schürfwunden und Hämatomen gekommen, diese haben nach den vorläufigen Erkenntnissen aber nichts mit seinem Tod zu tun," sagte Rolfes.

Den Ermittlungen zufolge war der Zusammenbruch des Mannes offenbar auf seinen Drogenkonsum zurückzuführen. Die bisherigen Untersuchungen haben laut Staatsanwaltschaft eine hohe Drogenkonzentration in seinem Blut gezeigt. Dies könne das Herz-Kreislauf-System stark belasten. Die lange Reanimationsdauer habe dann offenbar zu dem Hirnödem geführt, an dem der 26-Jährige gestorben sei.

Gallien im Westjordanland

Ein Dorf kämpft gegen den Grenzzaun Von Indra Kley

Bil'in/Tel Aviv - Abdullah Abu Rahme schaut hinauf in den blauen Himmel. «Heute ist ein schöner Frühlingstag, eigentlich würde ich mit meinen Töchtern ein Picknick draußen im Olivenhain machen», sagt der 37-jährige Palästinenser. Stattdessen demonstriert er, wie jede Woche. Gegen die israelische Sperranlage, die die Bewohner des palästinensischen Dorfes Bil'in von ihren Ländereien und Abu Rahme von seinen Olivenhainen trennt.

«60 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche Bil'ins liegen jenseits des israelischen Grenzzauns», sagt Abu Rahme. Seit drei Jahren kämpft die bäuerlich geprägte 1800-Seelen-Gemeinde nordwestlich von Ramallah im Westjordanland gegen diesen «Landraub» vor den Gerichten Israels und auf den Straßen Bil'ins. Jeden Freitag marschieren mehrere hundert Palästinenser gemeinsam mit israelischen und internationalen Friedensaktivisten durch das Dorf bis zum umstrittenen Zaun.

Israel hatte 2003 mit dem Bau der rund 730 Kilometer langen Sperranlage zwischen Israel und dem Westjordanland begonnen, um seine Bürger vor palästinensischen Terroranschlägen zu schützen. Im Jahr davor waren nach einer Zählung des Außenministeriums 238 Israelis bei Anschlägen ums Leben gekommen. Obwohl erst etwa 57 Prozent des «Sicherheitszauns» fertiggestellt sind, zeigt er bereits Wirkung: Laut Inlandsgeheimdienst Schin Bet ist die Anzahl der Attentate «drastisch zurückgegangen». Der Anschlag auf eine jüdische Religionsschule am vergangenen Donnerstag in Jerusalem war der erste größere Anschlag militanter Palästinenser seit April 2006.

«Die Mauer zerstört unser Leben», sagt hingegen Abdullah Abu Rahme, der die Demonstrationen in Bil'in koordiniert. «80 Prozent der Dorfbewohner sind wirtschaftlich ruiniert.» Im September hatte der Oberste Gerichtshof entschieden, dass Israel einen Abschnitt seiner Sperranlage um Bil'in verlegen muss, wodurch das Dorf zumindest einen Teil seines Agrarlandes zurückbekommen würde. «Aber bis heute hat sich der Zaun nicht bewegt», sagt Einwohner Nasir Samarra. «Wir werden gewaltfrei und kontinuierlich demonstrieren, bis die Mauer weg ist.»

Doch ohne Gewalt läuft der Protest auch an diesem Tag nicht ab: Als einige Dorfbewohner ein Stück des Grenzzaunes herausreißen, reagieren die israelischen Soldaten auf der anderen Seite mit Schüssen und Tränengas. Einige Demonstranten ziehen sich hinter die Olivenbäume zurück, andere bleiben vorne am Zaun, werfen mit Steinen. «Die Mauer wird fallen», ruft ein junger Palästinenser und schleudert wie zur Bekräftigung seiner Aussage einen Steinbrocken in Richtung der Soldaten.

Lymor Goldstein beobachtet das Treiben aus einiger Entfernung. Im August 2006 wurde der 29-jährige Deutsch-Israeli in Bil'in von einem Gummigeschoss der israelischen Armee im Kopf getroffen - einer von mehr als 900 Verletzten, die es in den drei Jahren des Protests nach Auskunft des Bil'iner Dorfkomitees bereits gegeben hat. «Die Folgen spüre ich heute noch», sagt der in Tel Aviv lebende Goldstein, der als Rechtsanwalt die Bewohner Bil'ins vertritt. Besonders Konzentrations- und Sprachstörungen machen ihm zu schaffen. Zur Demonstration gegen die Sperranlage fährt Goldstein jedoch immer noch regelmäßig. «Ich will einfach nicht in einer Militärdiktatur, in Apartheid leben», sagt er. Gemeinsam mit den Palästinensern will er die Trennung im Land überwinden.

Davon träumt auch Abdullah Abu Rahme: «Meine Töchter sollen eines Tages in Frieden, ohne Probleme, ohne Kontrollpunkte, ohne Schranken ein schönes Leben führen.» Ein Leben, in dem an einem schönen Frühlingstag auch ein einfaches Picknick im Olivenhain möglich ist.

Islamische Zeitung

Jagd auf «Steuer-Verräter» eröffnet

Liechtenstein schreibt Verdächtigen zur Fahndung aus

Das Fürstentum Liechtenstein hat den mutmasslichen Auslöser der Steueraffäre mit Deutschland öffentlich zur Fahndung ausgeschrieben. Der 42-jährige Liechtensteiner wird auch mit einem internationalen Haftbefehl gesucht.

Rechtlich ist die mit einem Foto des Gesuchten versehene Fahndung auf einen Haftbefehl des Fürstlichen Landgerichts von Ende Februar abgestützt, wie die Landespolizei in Vaduz mitteilte.

Verschiedenes auf dem Kerbholz

Bei einer Verhaftung soll sofort die Auslieferung des in Liechtenstein früher bereits wegen mehrerer Delikte verurteilten Verdächtigen beantragt werden.

Der Mann, laut Polizeibeschreibung ein «kaukasischer Typ», soll dem deutschen Bundesnachrichtendienst (BND) gestohlene Kundendaten der LGT Treuhand, einer Schwesterfirma der fürstlichen LGT Bank, verkauft und dafür 4,2 Millionen Euro kassiert haben.

Bei der Treuhandfirma war er von April 2001 bis November 2002 beschäftigt.

Schweizer Fernsehen

Spitzers unfreiwillige Wahlkampfhilfe für Obama

Der Skandal um den New Yorker Gouverneur Spitzer ruft Erinnerungen an andere Sex-Affären wach. Hillary Clinton kommt das im Kampf um das Weiße Haus denkbar ungelegen, meint Michaela Duhr.

Der Skandal um den New Yorker Gouverneur Eliot Spitzer wird auch im US-amerikanischen Wahlkampf Spuren hinterlassen. Dass der selbsternannte Saubermann Kunde von Prostituierten war, schadet vor allem Hillary Clinton im Rennen um das Präsidentenamt. Warum? Der Demokrat Spitzer zählt nicht nur zu ihren wichtigsten Unterstützern. Die Affäre ruft vor allem Erinnerungen an die Lewinsky-Affäre wach, an Blow Jobs im Weißen Haus und einen zerknirschten Präsidenten, der unter Eid falsch aussagte und später ein halbherziges Geständnis ablegte.

Auch die Bilder, die jetzt von dem als Reformer der Wall Street bekannt gewordenen Spitzer und seiner Frau durch die Presse gehen, erinnern an das Ehepaar Clinton. Silda Wall Spitzer verzog am Montag keine Miene, als ihr Mann einräumte, er habe seine Verpflichtungen gegenüber seiner Familie verletzt. Vor zehn Jahren stand die damalige First Lady ungeachtet aller Vorwürfe ebenfalls fest an der Seite ihres Mannes. Allen feministischen Überzeugungen zum Trotz attackierte sie stattdessen die junge Frau, die als Praktikantin im Weißen Haus von ihrem Gatten Bill gedankenlos und leichtfertig benutzt worden war.

Comeback in Gefahr

Bill Clintons Sex-Affäre im Oval Office, die das Land über ein Jahr lang in Atem hielt, führte nach einem Untersuchungsbericht des Sonderermittlers Kenneth Starr, der bereits in der Whitewater-Affäre ermittelte, 1998 zur Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens. Clinton musste sich wegen Meineids und Strafvereitelung vor Gericht verantworten.
Der Skandal um den früheren New Yorker Generalstaatsanwalt, der die Karrieren so mancher bekannter Manager beendet hat, wird in den nächsten Tagen die Schlagzeilen bestimmen. Sehr zum Ärger von Hillary Clinton, denn erst in der vergangenen Woche war ihr das langersehnte Comeback gelungen. Sie triumphierte bei den wichtigen Vorwahlen in Ohio und Texas und stoppte damit den Siegeszug ihres Rivalen Obama. Doch Spitzers angebliche Kontakte zu einem Prosituiertenring könnten nun alles wieder zunichte machen.

Bislang spielte die Lewinsky-Affäre im US-Vorwahlkampf keine Rolle. Doch das könnte sich jetzt ändern - zu Gunsten Obamas. Denn die Einzelheiten dieser unappetitlichen Affäre inklusive der Suche nach Spermaspuren des damaligen Präsidenten auf Lewinskys Kleid dürfte vielen Amerikanern noch in äußerst unangenehmer Erinnerung sein.

Mohammed lachte oft und gern

Dennoch sind Witz und Ironie in der muslimischen Welt als "jüdische Spottlust" verschrien. Ein Selbsterfahrungsbericht

Von Peter Schütt

Bei Buchari, einem der frühen und zuverlässigsten Sammler von Aussprüchen des Propheten Mohammed, findet sich diese Begebenheit: Ein Mann kam zum Propheten und klagte ihm sein Leid. Gesandter Gottes, ich bin verloren! Mohammed antwortete: Was ist mit mir? Der Mann gestand unter Tränen, dass er trotz des Ramadans bei Tageslicht mit seiner Frau geschlafen habe. Darauf der Prophet: Hast Du einen Sklaven, den Du zur Buße freilassen kannst? Der Mann verneinte. Hast Du die Möglichkeit, sechzig Arme zu speisen? Nein, sagte der Mann. Während der Prophet des Islam über den Fall nachdachte, reichte ihm ein Besucher einen Korb mit frischen Datteln. Mohammed hatte einen Einfall. Komm, sagte er zu dem Ratsuchenden, nimm diesen Korb und verteil, was darin ist, als Almosen an die Bedürftigen. Der Mann antwortete: Ich soll Datteln verteilen an Leute, die bedürftiger sind als ich? Bei Gott, es gibt niemand Ärmeren als meine Familie. Daraufhin, so Bucharis Hadith, "lachte der Prophet, bis ihm seine Zähne schmerzten, und sagte dann: Nimm die Datteln und gib sie deiner Frau und den Kindern, damit sie ihre Freude daran haben."

Dieses Hadith ist nur eines unter Dutzenden, die das Lachen des Propheten bezeugen. Auch wenn längst nicht alle der weit über tausend Prophetenüberlieferungen als authentisch gelten können, so lassen die vielfältigen Zeugnisse der Hadith-Sammler doch keine Zweifel daran, dass Mohammed ein fröhlicher Mensch war.

Isaf-Soldaten töten Frauen und Kinder

Im Süden Afghanistans haben sich Soldaten der internationalen Schutztruppe ein Feuergefecht mit Rebellen geliefert. Dabei gerieten auch Zivilisten in die Schusslinie. Am gleichen Tag bestätigte ein neuer UN-Bericht die gefährliche Lage in dem Land.

Soldaten der Internationalen Schutztruppe Isaf haben im Süden Afghanistans nach Isaf-Angaben versehentlich zwei Kinder und zwei Frauen getötet. Die Schutztruppe teilte in der Nacht zu Mittwoch mit, radikalislamische Aufständische hätten auf Isaf-Soldaten geschossen. Diese hätten das Feuer erwidert. «Tragischerweise» sei dabei eine Gruppe von Zivilisten unter Beschuss gekommen. Auch mehrere Rebellen seien bei dem Gefecht getötet worden. Isaf-Soldaten seien nicht zu Schaden gekommen.

Die Isaf teilte weiter mit, die zivilen Opfer bei dem Gefecht am Montag seien eine Folge des Angriffs gegen Soldaten der Schutztruppe gewesen. Der Vorfall werde untersucht. Angaben über die Nationalität der Soldaten oder den genauen Ort des Vorfalls machte die Isaf nicht. Im Süden Afghanistan sind vor allem britische, kanadische und niederländische Isaf-Soldaten eingesetzt.

UN-Bericht: Gewalt erheblich gestiegen

Es mutet fast schon tragisch an, dass die Vereinten Nationen ebenfalls am Montag einen neuen Bericht zur Lage in Afghanistan veröffentlicht haben, in dem es heißt, dass die Gewalt in Afghanistan im vergangenen Jahr drastisch gestiegen sei und den höchsten Stand seit dem Sturz der Taliban 2001 erreicht habe. Bei Anschlägen und Angriffen wurden demnach mehr als 8000 Menschen getötet, darunter 1500 Zivilpersonen.

In einem Zehntel des Landes sei es so gefährlich, dass diese Regionen für Hilfskräfte und Behördenvertreter regelrecht unzugänglich seien. Regierungsfeindliche Kräfte in Afghanistan seien noch lange nicht geschlagen, heißt es weiter. 2007 gab es demnach jeden Monat durchschnittlich 566 gewaltsame Zwischenfälle, nach 425 pro Monat im Jahr 2006.

36 Bezirke zu gefährlich für Hilfsorganisationen

Die Zahl der Selbstmordanschläge sei von 123 im Jahr 2006 auf 160 gestiegen. Insgesamt 36 Bezirke, darunter die meisten Bezirke im Osten, Südosten und Süden des Landes, könnten von afghanischen Behördenvertretern und Hilfskräften so gut wie nicht betreten werden. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon erklärte, die Aufständischen könnten neben der Unterstützung in Afghanistan selbst auch auf im Ausland beheimatete Netzwerke zählen. Die Gewalt habe sich vor allem auf den Süden und den Osten des Landes konzentriert, wobei immer öfter Taktiken aus dem Irak angewendet würden wie am Straßenrand versteckte Bomben, Selbstmordanschläge und Entführung von Ausländern.

Ban verwies darauf, dass sich die Gewalt auch im Süden des Landes auf ein relativ kleines Gebiet konzentriere. 70 Prozent der Gewalt habe sich in zehn Prozent der Bezirke Afghanistans ereignet, in denen sechs Prozent der Bevölkerung lebten.

Netzzeitung


Mehdi Kazemi wird abgeschoben

Die Behörden in den Niederlanden haben die Rückführung Mehdi Kazemis nach Großbritannien beschlossen.

Damit kommt der 19-jährige Homosexuelle seiner Abschiebung in den Iran ein Stück näher, da Großbritannien einen Asylantrag bereits abgelehnt hatte. Begründet wurde dies von den Briten damit, dass Kazemi in seiner Heimat nicht zwingend Gefahr drohen würde.
Dies sehen Beobachter anders: Mehdi hat nur deshalb um Asyl gebeten, weil sein Freund im Iran hingerichtet worden sei und die Polizei mit einem Haftbefehl gegen ihn bei dessen Familie vorstellig wurde.

Omar Kuddus von "GayAsylum UK" sagte gegenüber "pinknews", dass der Kampf mit der Entscheidung der niederländischen Behörden nicht vorbei sei. Aktivisten erwägen den Fall vor den europäischen Gerichtshof zu bringen.

(blu.fm)

Stephen Green: Homos wie Serienmörder

Cardiff - Der Anführer der britischen "Christian Voice" hat im walisischen BBC-Fernsehen Homosexuelle mit Serienmördern verglichen. Homo-Sex und Mord "sind beide gegen das Gesetz. Sünde ist Sünde, und Sünde hält jemanden fern von Gott".

In dem Interview für die Doku-Serie "Week In Week Out" verglich er den amerikanischen Serienmörder Jeffrey Dahmer, der 17 Männer und Jugendliche brutal ermordet hatte, mit dem schwulen Sänger Ian Watkins, der früher in der Boy-Group "Steps" aktiv war. Beide seien glücklich gewesen mit ihren Taten, erklärte er in Anwesenheit von Watkins: "Jeffrey Dahmer hat es Spaß gemacht, Menschen zu ermorden. Ist es deswegen richtig?", fragte Green.

Der Evangelikalen-Führer erklärte weiter, dass es derzeit zwei Gefahren gebe, die Großbritannien bedrohten: Homosexualität und den Islam. Angehörige beider Gruppen könnten aber umkehren, so Green.

Der überzeugte Fundamentalchrist hat wiederholt auf CSDs gegen Homosexualität demonstriert. 2006 wurde er deswegen in Cardiff verhaftet. Ein Amtsgericht sprach ihn später wegen des Rechts auf freie Meinungsäußerung frei. Letztes Jahr sorgte er mit der Theorie für Aufsehen, dass die NSDAP in einer Schwulenbar gegründet worden war.

(BBC World / queer.de)

Dienstag, 11. März 2008

Niedersachsen stellt gleich

ImageIn Niedersachsen haben CDU und FDP in ihrer gestern bekannt gegebenen Koalitionsvereinbarung festgeschrieben, dass sie den Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Landesrechts an das Lebenspartnerschaftsgesetz vorlegen werden.

"Nachdem der Landtag im Oktober letzten Jahres einstimmig beschlossen hat, Lebenspartner im gesamten Niedersächsischen Recht mit Ehegatten gleichzustellen, erwarten die Lesben und Schwulen in der Union eine zeitnahe Umsetzung durch Parlament und Regierung", erklärte Ulf Teuber, Regionalvorsitzender Nord der LSU.

Bislang hat nur Bremen gleichgestellt

Wenn dieser Beschluss bald umgesetzt wird, wäre Niedersachsen nach Bremen das zweite Bundesland, dass Lebenspartner im Landesrecht vollständig mit Ehegatten gleichstellt einschließlich des Beamtenrechts. In Berlin, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein sind zwar Lebenspartner grundsätzlich gleichgestellt, dort fehlt aber noch die Gleichstellung verpartnerter Beamter und Richter beim Familienzuschlag und der Hinterbliebenenpension.

Außerdem bekannte sich Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) zu einer aktiven Aids-Präventions-Politik. Nach Ansicht der LSU sollten sich "andere Länder diese zum Vorbild nehmen."

Montag, 10. März 2008

Ypsilanti setzt Metzger weiter unter Druck

Von Ralf Euler und Werner Breunig

Die hessische SPD-Vorsitzende Andrea Ypsilanti liebäugelt weiter mit der Macht. Sie bekräftigte am Wochenende nach einer Sitzung des Landesparteirates, der einem kleinen Parteitag vergleichbar ist, dass sie Ministerpräsidentin werden wolle. Das Projekt einer rot-grünen Minderheitsregierung, toleriert von der Partei "Die Linke", sei lediglich "auf Eis gelegt", sagte Ypsilanti. "Warum sollten wir das aufgeben?" Der Wille der Partei sei ungebrochen, Hessen in "eine soziale Moderne" zu führen.

Der Marburger SPD-Abgeordnete Thomas Spies äußerte: "Wir sind fest entschlossen zu regieren." Die Parlamentarierin Petra Fuhrmann schloss nicht aus, dass Ypsilanti sich beispielsweise im Mai zur Wahl stellen könnte. Bis ein neuer Regierungschef gewählt ist, bleibt Ministerpräsident Roland Koch (CDU) geschäftsführend im Amt.

Druck auf Metzger

Unterdessen nimmt der Druck auf die Darmstädter Abgeordnete Dagmar Metzger zu, die einem rot-grün-roten Projekt ihre Zustimmung verweigern will. Schon am Samstag war sie nach Ypsilantis Worten "sehr, sehr eindringlich" gedrängt worden, ihre Haltung noch einmal zu überdenken oder möglicherweise ihr Landtagsmandat abzugeben. Dafür wurde ihr eine Frist bis zur morgigen Sitzung der Landtagsfraktion gesetzt. Metzger ist offenbar grundsätzlich dazu bereit. Am Samstag sagte sie im ZDF: "Ich werde meinen Entschluss überdenken." Wenn ein Landesparteitag, der für den 29. März vorgesehen ist, Ypsilantis Plan unterstütze, "kann ich mir vorstellen, mein Mandat niederzulegen".

"Wer die Mehrheitsmeinung der Partei nicht mit vertreten kann, muss die Konsequenzen ziehen und sein Mandat zurückgeben", sagte Ypsilanti der "Frankfurter Rundschau". "Sonst wird die Fraktion handlungsunfähig und unzuverlässig. Dann wäre eine stabile Regierung nicht machbar."

Zugleich bezweifelte die SPD-Landeschefin Metzgers Aussage, wonach es bei deren Ablehnung einer von der Linkspartei tolerierten Minderheitsregierung um eine Gewissensentscheidung gehe. "In der SPD wird niemand gezwungen, gegen sein Gewissen zu handeln. Aus meiner Sicht ist das aber keine Gewissensentscheidung, sondern eine politische Entscheidung."

Ersatzkandidat mit „Bauchschmerzen“

Ypsilanti hätte allerdings auch bei einem Mandatsverzicht ihrer Kritikerin eine Mehrheit im Landtag nicht sicher. Metzgers Ersatzkandidat im Darmstädter Wahlkreis, Aron Krist, meldete gestern ernste Zweifel an einer Tolerierung durch die Partei "Die Linke" an. In einem solchen Fall hätte er wie Metzger erhebliche Bauchschmerzen, Ypsilanti zur Ministerpräsidentin zu wählen: "Die sind aber nicht so grundsätzlicher Art, dass ich sagen würde: Niemals nie."

Der Kreisvorsitzende der Jungsozialisten Darmstadt-Dieburg, Martin Griga, zollte Metzger "großen Respekt", wie es in einer Mitteilung hieß. "Ich finde es mutig und richtig, dass Dagmar Metzger glaubwürdig nach ihrem Gewissen handelt, auch wenn eine Erklärung zu einem früheren Zeitpunkt sicher einige Probleme verhindert hätte." Unterstützung für Ypsilanti kam hingegen von Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul. Die Wiesbadener Bundestagsabgeordnete sagte, sie sei überzeugt, dass es die Landes-SPD noch schaffen werde, Ypsilanti zur Ministerpräsidentin zu machen.

Grüne verlangen Klarheit

Der Ober-Ramstädter Krist, 31 Jahre alt und Assistenzarzt am Kardiocentrum Frankfurt, war innerhalb der SPD bei der Nominierung im Wahlkreis Darmstadt II vor einem Jahr nur knapp der Darmstädterin Metzger unterlegen. Im zweiten Wahlgang erst setzte sie sich mit 34 gegen 33 Stimmen durch. Schließlich wurde Krist zum Stellvertreter benannt. Metzger wiederum gewann den Wahlkreis und nahm damit Kultusministerin Karin Wolff (CDU) das Mandat ab.

Der in Indien geborene Krist studierte in Frankfurt Medizin. Von 2004 bis 2007 war er stellvertretender Landesvorsitzender der Jungsozialisten. Dem Kreistag von Darmstadt-Dieburg gehört er seit 2001 an, seit 2002 ist er Fraktionsvorsitzender in seiner Heimatstadt Ober-Ramstadt.

Der Grünen-Landesvorsitzende Tarek Al-Wazir verlangte von der SPD am Wochenende Klarheit, ob alle ihre 42 Abgeordneten Ypsilantis Modell unterstützten. Auch die "Linke" müsse klären, ob sie zur Wahl Ypsilantis, der Bestätigung ihres Kabinetts und der Verabschiedung von Haushalten bereit sei.

SPD verliert Unterstützung

FDP-Landeschef Jörg-Uwe Hahn lehnte eine Ampelkoalition abermals kategorisch ab. Ein solches, vom FDP-Bundesvorsitzenden Guido Westerwelle am Samstag ins Gespräch gebrachtes Bündnis von SPD, FDP und Grünen sei allenfalls eine Option für die Bundestagswahl, aber keineswegs für Hessen. Die SPD hatte ursprünglich eine Ampelkoalition mit Grünen und FDP angestrebt. Westerwelle hatte bisher strikt von einer "Ampel" in Hessen abgeraten.

In Hessen verliert die SPD laut Umfragen wegen des Streits um eine Zusammenarbeit mit der "Linken" an Unterstützung. Nach einer Emnid-Umfrage für "Focus" hat die SPD im Vergleich zur Landtagswahl zwei Prozentpunkte eingebüßt. Derzeit erhielte sie 35 Prozent. Die Partei "Die Linke" würde zwei Punkte zulegen und sieben Prozent erreichen. Die übrigen Parteien blieben stabil: die CDU bei 37, die FDP bei neun und die Grünen bei sieben Prozent.

Text: F.A.Z., 10.03.2008, Nr. 59 / Seite 41

Homo-Lesben-Debatte

Im israelischen Parlament wurde ein Gesetzesvorschlag beraten, der vorsieht, dass in Israels Hauptstadt Jerusalem Gay- Paraden strikt verboten werden sollen. In einer turbulenten Sitzung im zuständigen Knessetausschuss stritten orthodoxe und liberale Politiker und Vertreter des Homo-Lesben-Vereins über die jährlichen Märsche in Jerusalem.

Jegliche Demos oder Märsche, die religiöse Werte und Gefühle verletzen, sollen in Zukunft in Jerusalem nicht mehr erlaubt sein. Der orthodoxe Schass-Abgeordnete Elijahu Gabai konnte 40 Knessetabgeordnete für seine Petition gewinnen und hat somit die erste Abstimmung für seinen Vorschlag erfolgreich überstanden.

„Jerusalem ist eine heilige Stadt, die Stadt des jüdischen Tempels“, sagte Gabai zu Israel Heute. „So wie die Katholiken den Vatikan vor Gräueln bewahren und die Moslems Mekka, so bestehen wir darauf, dass in Jerusalem Homos und Lesben nicht für ihre Sünden werben.“



Sonntag, 9. März 2008

Zapatero bleibt Ministerpräsident

In Spanien haben die regierenden Sozialisten die Parlamentswahl Prognosen zufolge gewonnen. Die Partei von Ministerpräsident Jose Luis Rodriguez Zapatero erreichte möglicherweise sogar eine absolute Mehrheit. In der Reihen der Sozialisten sprach man von einem „wunderbaren Ergebnis“.

Demnach eroberten die Sozialisten im Abgeordnetenhaus bis zu 176 Sitze, was in der 350-köpfigen Kammer eine Alleinregierung möglich machen würde. Dies berichtet das öffentlich-rechtliche Fernsehen Television Espanola unter Berufung auf Nachwahlbefragungen.

Die Fraktionsstärke der Linken liege zumindest bei 172 Abgeordneten nach bislang 164, berichtete der Sender. Die konservative Volkspartei habe 148 bis 152 Sitze erreicht. Damit dürfte die PP unter Herausforderer Mariano Rajoy zumindest ihren bisherigen Anteil halten. Drei weitere Prognosen privater Medien sahen die Sozialisten zwischen 163 und 178 Sitzen, die PP bei 142 bis 152.

Die Sozialisten erklärten sich umgehend zum Wahlsieger. Alle Prognosen bestätigten diesen Erfolg, betonte Generalsekretär Jose Blanco. Der Wahlkampf-Koordinator der Konservativen, Pio Garcia Escudero sprach seinerseits von einem „wunderbaren Ergebnis“.

Zapatero hat seinen Wählern die Schaffung von einer Million neuen Arbeitsplätzen und eine steuerliche Entlastung unterer Einkommensschichten versprochen. Nach starken Wachstumsjahren erlebt Spanien derzeit einen Abschwung, den besonders die Baubranche zu spüren bekommt. Spaniens Immobilienblase droht zu platzen, nicht zuletzt wegen der internationalen Krise am Häusermarkt und im Kreditgeschäft. Baufirmen haben bereits scharenweise Mitarbeiter entlassen.

Zur Abstimmung aufgerufen waren etwa 35 Millionen Menschen. außer über den neuen Kongress auch über 208 Vertreter im Senat zu entscheiden hatten. Auf den Kanarischen Inseln schlossen die Wahllokale erst eine Stunde nach dem Festland. Mit dem vorläufigen amtlichen Endergebnis wurde noch in der Nacht gerechnet.

Die sozialistische PSOE hatte die langjährige konservative Vorherrschaft vor vier Jahren überraschend gebrochen. Sie profitierte dabei wenige Tage nach Attentaten auf Nahverkehrszüge in Madrid vor allem davon, dass viele Spanier verärgert über die Reaktion der konservativen Regierung waren. Trotz deutlicher Hinweise auf eine Verbindung der Täter zur radikal-islamischen Al-Kaida lastete die Volkspartei die Attentate der baskischen Separatistenorganisation ETA an und versuchte daraus Kapital zu schlagen. Die sozialistische Regierung kündigte wie versprochen das Bündnis mit den USA im Irak auf und bot der ETA Friedensgespräche an. Die Annäherung mit den Separatisten scheiterte.

SPD - Die Brutalstmöglichen

Es fällt inzwischen schwer zu sagen, was einem bei Andrea Ypsilantis hessischem Roulette eigentlich mehr den Magen umdreht: die blanke Inkompetenz oder die unverhüllte Skrupellosigkeit der Hauptakteurin und ihrer Mitmacher und Rückendecker in der SPD.

Selbst wenn Andrea Diletanti mit ihrem Brachialgriff nach der Macht doch noch Erfolg haben sollte - wonach es aktuell, Stand Sonntagabend, eher nicht aussieht -, dann ist der Flurschaden riesig. Und zwar nicht nur in Hessen, sondern auch für die SPD im Bund, wo der vom Krankenbett zurückgekehrte Parteichef Kurt Beck heute vor der Aufgabe steht, der Öffentlichkeit ein politisches Trümmerfeld als wohlüberlegt gestalteten Landschaftsgarten zu verkaufen.

Der große Irrtum des Ypsilanti-Lagers in diesen Tagen besteht darin, dass man meint, das Problem trage einfach nur den Namen Dagmar Metzger. Eine eigensinnige Frau, die irgendwie nicht mitziehen will und die man deshalb einfach so lange durch die Mobbingmangel dreht, bis sie nachgibt oder ihren Sitz im Parlament frei macht.

In Wahrheit steht die Figur Metzger aber für einen ganzen Flügel ihrer Partei und einen beträchtlichen Teil der SPD-Wählerschaft. Was sich schon daran zeigt, dass nun auch ihr designierter Nachrücker im Landtag erklärt, er lehne die Zusammenarbeit mit der Linken ab.

Die Personalisierung des Streits in der hessischen SPD lenkt vom eigentlichen Konflikt nur ab: Die Partei steht in Wiesbaden vor einer Richtungsentscheidung, einem scharfen Schwenk nach links, der ihre Identität auf Jahre hinaus bestimmen wird. Der Ypsilanti-Vize Jürgen Walter hat das scharf auf den Punkt gebracht: Sollte SPD-Chef Kurt Beck vor der Bundestagswahl im nächsten Jahr erklären, er werde sich niemals mit den Stimmen der Linken zum Kanzler wählen lassen, sei das nur noch "Kabarett".

Eine solche Annäherung an die Linke galt noch vor wenigen Wochen als politisches Langzeitprojekt, vorsichtig anzubahnen vielleicht bis zur übernächsten Bundestagswahl im Jahr 2013.

Jetzt stürmt Ypsilanti mit der Billigung Becks in ein Abenteuer, das die Partei auf jeden Fall viel politisches Kapital kosten wird und dessen Nutzen kaum erkennbar ist. Abgesehen davon, dass ein paar hessische Sozialdemokraten von Ministerämtern träumen dürfen.

Ypsilanti blamiert sich, weil sie im Rausch der eigenen Siegesrhetorik nicht einmal die Kräfte in der eigenen Fraktion richtig analysiert hat. Ihre Parteifreunde inszenieren ein abstoßendes Schauspiel, indem sie die sperrige Genossin Metzger brutalstmöglich rundzumachen versuchen und einer ihr sogar mit dem Parteiausschluss droht.

Dabei hat Metzger ihr Landtagsmandat nicht einmal über die Liste - sozusagen von Gnaden der Partei - erhalten, sondern als Direktkandidatin ihres Wahlkreises. Und sie vertritt nur eine Meinung, die im Wahlkampf die offizielle Parteilinie war. Sollte Metzger demnächst zurücktreten, müssen sich ihre Wähler ziemlich verschaukelt vorkommen.

Die Machtstrategin Ypsilanti und ihre Unterstützer in der Bundes-SPD mögen darauf setzen, dass über solche hässlichen Geschichten schnell wieder Gras wächst, wenn der strategische Schwenk erst einmal durchgesetzt ist. Wahrscheinlich haben sie damit auch recht.

Der parteipolitische Lohn dieses Manövers wird aber trotzdem ganz erheblich dadurch geschmälert werden, dass es so chaotisch betrieben wurde. Kurt Beck kommt als SPD-Kanzlerkandidat allenfalls noch infrage, wenn er die Republik davon überzeugen kann, dass er in jüngster Zeit sozusagen wegen eines grippalen "Blackouts" nicht zurechnungsfähig war. Seine Autorität und Glaubwürdigkeit als Parteivorsitzender ist in jedem Fall massiv beschädigt.

Zugleich läuft die SPD Gefahr, einige der Wähler dauerhaft zu verlieren, die sich in Hessen jetzt noch durch die Figur Metzger vertreten sehen. Seit die Bundestagswahl 2005 eine "linke Mehrheit" aus SPD, Grünen und Linkspartei ergeben hat, ist zu Recht immer wieder darauf hingewiesen worden, dass diese rechnerische Mehrheit nicht automatisch eine politische darstellt. Die Addition klappt eben nur dann, wenn auch der bürgerlichere Teil der Sozialdemokraten und der Grünen zum historischen Bündnis mit der Lafontaine-Linken bereit ist.

Diese Bereitschaft gab es bisher aus guten Gründen nicht, und ob sie sich in den Parlamentsfraktionen überfallartig erzwingen lässt, darf auch nach diesem hessischen Wochenende bezweifelt werden. Ihre verbliebenen Wähler kann die SPD schon zu gar nichts zwingen.

Bin Laden verliert

von Peter Wehner

Al-Kaida hat im Irak massive Rückschläge erlitten. Die Dschihadisten sind militärisch und ideologisch im Niedergang, und ihr Rückhalt bei den Muslimen in aller Welt schwindet deutlich.

Die Aufstockung der US-Truppen im Irak war so offenkundig erfolgreich, dass niemand das ernsthaft bestreiten kann. Selbst Hillary Clinton und Barack Obama haben (murrend) eingeräumt, dass Fortschritte erzielt wurden. Doch sie schieben schnell hinterher, dass diese Fortschritte ausschließlich auf militärischer Seite verzeichnet wurden und damit kurzlebig sind.

So sagte Obama jüngst, al-Kaida sei "seit 2001 stärker denn je"; für Clinton hat die Irakpolitik von Präsident George W. Bush "unsere Feinde mutiger gemacht". Die USA sollten den Irak verlassen, um sich besser auf die Bedrohung durch al-Kaida konzentrieren zu können.

Tatsache ist, dass sich aufgrund der Ereignisse im Irak die Stimmung in der islamischen Welt stark gegen al-Kaida wendet. Und das wiederum könnte die mit Abstand wichtigste ideologische Entwicklung der vergangenen Jahre sein.

Im November 2007 veröffentlichte Sajid Imam al-Scharif ("Dr. Fadl") sein Buch "Rationalizations on Jihad in Egypt and the World". Al-Scharif, ein Ägypter, argumentiert, dass die Anwendung von Gewalt zum Sturz islamischer Regierungen gegen die religiösen Gesetze verstoße und Schaden anrichte. Er empfiehlt, ein besonderes islamisches Gericht einzusetzen, vor dem Osama Bin Laden und Aiman al-Sawahiri, die Nummer zwei und der ideologische Führer al-Kaidas, der Prozess gemacht werden soll. Die Anschläge vom 11. September 2001 bezeichnet al-Scharif als "Katastrophe für alle Muslime".

Al-Scharif war einst Mentor al-Sawahiris. Sein Buch schrieb er in einem Kairoer Gefängnis, der Terrorexperte Jarret Brachman hält ihn für "eine lebende Legende der weltweiten Dschihad-Bewegung".

In Saudi-Arabien hat Scheich Abdelasis Bin Abdallah Al al-Scheich, die höchste religiöse Autorität des Landes, im Oktober 2007 eine Fatwa publiziert, die es saudischen Jugendlichen verbietet, sich am Dschihad im Ausland zu beteiligen. Darin heißt es: "Ich fordere meine Brüder, die Ulema (die Obersten der muslimischen Geistlichkeit) auf, der Öffentlichkeit die Wahrheit zu erklären, (...) die Jugend vor den Folgen zu warnen, die es hat, wenn man sich beliebigen Meinungen und religiösem Eifer hingibt, die nicht auf religiösem Wissen gründen." Das Ziel der Fatwa ist offensichtlich: Bin Laden.

Einen Monat zuvor schrieb Scheich Salman al-Auda, ein einflussreicher saudischer Geistlicher, den Bin Laden einst verherrlichte, einen offenen Brief, in dem er Bin Laden verurteilte: "Bruder Osama, wie viel Blut wurde vergossen? Wie viel unschuldige Kinder, Alte, Schwache und Frauen wurden im Namen von al-Kaida getötet und haben ihre Heimat verloren?", so al-Awdah. "Der Ruin ganzer Völker, wie er sich in Afghanistan und im Irak ereignet, kann Muslime nicht glücklich machen."

Der saudische Terroristenführer Osama bin Laden will sich in einer neuen Botschaft zur Lage im Irak äußern. (Archivbild)
Diese Kritik durch prominente Figuren der Dschihad-Bewegung ist im Kontext einer noch bedeutenderen Entwicklung zu sehen: dem "Erwachen Anbars", einer Bewegung, die sich jetzt über den gesamten Irak ausbreitet. Noch vor anderthalb Jahren war die Provinz Anbar die Hochburg al-Kaidas im Irak. Heute ist sie bekannt als Wiege eines irakischen und islamischen Volksaufstands gegen al-Kaida als Organisation und gegen den Bin-Ladenismus als Ideologie. Es ist ein außergewöhnlicher Wandel. Iraker schlagen sich en masse auf die Seite Amerikas, des "Ungläubigen" und der westlichen "Besatzungsmacht", um gegen militante Islamisten zu kämpfen.

Es überrascht nicht, dass al-Kaidas Ansehen schwindet. Eine Umfrage vom Januar zeigt, dass weniger als ein Viertel der Pakistaner Bin Ladens Vorgehen gutheißen, im August betrug der Anteil noch 46 Prozent. Die Unterstützung für al-Kaida sank von 33 auf 18 Prozent.

Nach einem Bericht des Pew Global Attitudes Project vom Juli 2007 "lehnt eine große und wachsende Anzahl Muslime im Nahen Osten und anderswo den islamischen Extremismus ab". Der Prozentsatz der Muslime, die sagen, Selbstmordanschläge seien zur Verteidigung des Islam gerechtfertigt, ist in sieben der acht arabischen Länder, zu denen Trenddaten verfügbar sind, gefallen. So sagen etwa im Libanon 34 Prozent der Muslime, dass solche Anschläge oft oder zuweilen gerechtfertigt sind; 2002 waren es noch 74 Prozent. Auch die Unterstützung für Bin Laden fällt stark. Und zwar nach Beginn des Irakkriegs.

Seit General David Petraeus seine Strategie gegen die Aufständischen umsetzt, hat al-Kaida schwere militärische Schläge erlitten. Immer mehr Iraker wenden sich gegen al-Kaida, der Trend setzt sich in der arabischen und muslimischen Welt fort. Es hat sich eine wichtige neue Front gebildet, an deren Spitze prominente islamische Geistliche stehen. Militärisch, ideologisch und mit Blick auf die Unterstützung des Volkes sind für Bin Laden und seine Schergen schlechte Zeiten angebrochen.

Bauen wir darauf auf, könnte sich der Irakkrieg, der erst als kolossaler Misserfolg galt, als ein positives, ja ein Schlüsselereignis im Kampf gegen militanten Islamismus erweisen. Wir haben viel Blut und Geld verloren und viel zu lang die falsche Strategie verfolgt. Aber wir haben weitergekämpft und bewiesen, dass Amerika keineswegs ein "schwaches Pferd"(Bin Laden) ist. Nun könnten wir den Kampf auch gewinnen. Der Reiz des Bin-Ladenismus ist am besten zu zerstören, indem man die besiegt, die für ihn zu den Waffen greifen.

Ein Sieg im Irak liegt noch in weiter Ferne. Das Land bleibt traumatisiert, und die Fortschritte können sich wieder in Luft auflösen. Doch die Entwicklung läuft zu unseren Gunsten, ein guter Ausgang ist in Reichweite. Bei einem Erfolg werden die positiven Auswirkungen über den Irak hinaus spürbar sein.

Peter Wehner ist Mitglied des Ethics and Public Policy Center.