Interkulturelle Nachrichten
Hier werden Informationen ausgebracht welche die Welt im kleinen bewegt.
Generell soll hier hintergründig informiert werden über Themen und Ereignisse, die wir, die lokale, nationale und internationale Gesellschaft (nicht immer) erfahren (wollen).
Samstag, 27. November 2010
Stuttgart 21 - nichts als Chaos
Freitag, 26. November 2010
Skandal: Wasserballer mit erigiertem Halbmond - Queer.de
Von Christian Scheuß
Dass im chinesischen Guangzhou derzeit die Asienspiele stattfinden, interessiert hier in etwa so sehr wie der berühmte Sack Reis, der in derselben Region ständig umzufallen pflegt. Doch jetzt haben die Wasserballer aus Singapur, die an der asiatischen Mini-Olympiade teilnehmen, unsere volle Aufmerksamkeit erlangt. Tragen sie doch knallrote Badehöschen mit weißen Symbolen, die den Sittenwächtern des Löwenstaates ein erigierter Dorn im Auge sind.
Es geht weniger um die Farben. Die entsprechen ganz denen der Nationalflagge. Auch die fünf Sterne und der Halbmond sind staatstragend der Fahne entliehen. Alles hochsymbolisch: Die Farbe Rot symbolisiert die universelle Brüderlichkeit und Gleichheit der Menschen, Weiß Reinheit und Tugend. Die fünf Sterne stehen für Singapurs Ideale: Demokratie, Frieden, Fortschritt, Gerechtigkeit und Gleichheit. Der Halbmond für eine junge, aufsteigende Nation.
Na ja, und aufsteigend zeigt sich eben auch der Mond bei den Badehosen, direkt über dem Genital. Das Ministerium für Information, Kommunikation und Kunst bedauert, dass man dort die Entwürfe der Schwimmkleidung vorab nicht gesehen habe: "Wir hätten gesagt, dass das Design unangemessen ist, da wir die Symbole der Flagge mit Würde behandelt sehen wollen."
Angeblich, so heißt es in der Singapurer Tageszeitung "Strait Times", sei dem Wasserballteam das Design ebenfalls peinlich gewesen, wechseln dürfen sie es laut dem Regularium der Wettkämpfe aber nicht mehr. Einen Vorteil haben die Badehosen: Sie verdecken perfekt, dass es in kaltem Wasser zwangsläufig zu genitalen Schrumpfungsprozessen kommt.
Wir empfehlen dem australischen Unterhosen-Produzenten Aussiebum, das Design aus Singapur zu adaptieren. Es wird garantiert ein Renner in der schwulen Zielgruppe.
Brasilien: Schwuler Telenovela-Autor misshandelt
Er musste Benzin trinken und Dreck essen: Der Autor und Regisseur der schwulen brasilianischen Serie "Apenas Heróis" (Nur Helden) ist von Unbekannten überfallen und vergewaltigt worden - offenbar aus Schwulenhass.
Wie die Zeitung "Correio" berichtet, ist der 24-jährige Daniel Sena am vergangenen Sonntagabend überfallen worden, als er gerade sein Haus in Salvador (Bundesstaat Bahia) verlassen hat. Er wurde von einem jungen Mann niedergeschlagen und gemeinsam mit zwei anderen in eine Seitenstraße gezerrt. Zunächst sagten die Täter: "Wenn du leise bist, passiert dir nichts". Sie zwangen ihr Opfer dann, Benzin zu trinken und auf dem Boden liegenden Schmutz zu essen. Danach versuchten sie, Sena mit einer Eisenstange zu penetrieren. Dabei erklärte einer der drei Männer: "Ein echter Schwuler erträgt den Schmerz. Lass uns sehen, ob du ein echter Schwuler bist". Die Täter ließen erst nach rund zehn Minuten von Sena ab, als ein Lkw-Fahrer die Tat beobachtete und eingriff.
Sena ist sich sicher, dass es die Täter aus Schwulenhass auf ihn abgesehen haben. Seine schwule Serie, die im Web veröffentlicht wird, ist in den Lokalmedien ausführlich besprochen worden. So wurden mehrere Interviews mit Sena von Zeitungen, Radio- und Fernsehstationen veröffentlicht.
Homohass im Land weit verbreitet
Die Serie "Apenas Heróis" berichtet von den Hoffnungen und Sorgen junger Schwuler.
Brasilien ist das gefährlichste Land für Schwule und Lesben auf dem amerikanischen Kontinent. In den letzten Jahren wurden hunderte Morde verübt, die auf Homohass zurückzuführen sind. Aktivisten warnen deshalb vor einem "Homocaust". Erst vor einer Woche kam es wieder zu Gewalttaten am Rande des CSDs von Rio de Janeiro. Die USA erkannten zuletzt sogar einen schwulen Asylbewerber aus Brasilien an, weil er sich in seiner Heimat nicht mehr sicher fühlen könne.
Dienstag, 23. November 2010
«Sie sind ein Pädophiler»
Der französische Präsident Nicolas Sarkozy verlor am Freitag bei einer Pressekonferenz die Nerven, als ein Journalist ihm eine unbequeme Frage zur Affäre Karachi stellte.
«Karachigate» bedroht Sarkozys Wiederwahl
Der Fall um die angeblichen Schmiergelder aus Pakistan wurde Ende letzter Woche wieder aktuell, nachdem die Familien der französischen Opfer eines Attentats Anzeige gegen Frankreichs früheren Präsidenten Jacques Chirac und Ex-Premierminister Dominique de Villepin erstattet hatten. Der Vorwurf laute auf fahrlässige Tötung und Gefährdung von Dritten.
Die Opferfamilien vermuten, dass Schmiergeldzahlungen eingestellt wurden und so der Anschlag im Jahr 2002 provoziert wurde, obwohl es Warnungen vor einem Terror-Risiko gegeben habe. Die französische Justiz untersucht, ob aus Frankreich Schmiergelder in Millionenhöhe für Waffengeschäfte nach Pakistan gezahlt und teils als verdeckte Kommissionen zurückgeflossen sind. Mit den illegalen Geldern soll der Wahlkampf von Präsidentschaftskandidat Edouard Balladur mitfinanziert worden sein, der 1995 gegen Chirac verlor.
Racheakt des Geheimdienstes?
Nach seinem Wahlsieg soll Chirac angeordnet haben, die Zahlungen nach Pakistan zu überprüfen und einzustellen. Villepin war zu dem Zeitpunkt Generalsekretär im Elysée-Palast. Eine Vermutung ist, dass der spätere Anschlag auf die Franzosen im Jahr 2002 vom pakistanischen Geheimdienst wegen der ausbleibenden Gelder verübt wurde.
Die Hinterbliebenen hatten auch eine Vernehmung des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy verlangt, der derzeit aber durch seine Immunität als Staatschef geschützt ist. Sarkozy war damals Haushaltsminister und zugleich Sprecher das Wahlkampfes von Balladur. Es bestehe der Verdacht, dass er die Verwaltung der illegalen Geldströme aus Pakistan mitorganisierte.
Bei dem Anschlag im Mai 2002 hatte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Auto vor dem Sheraton-Hotel in Karachi in einen Bus gelenkt. 14 Menschen kamen ums Leben, unter ihnen elf Franzosen. Sie gehörten zu einer Gruppe von rund vierzig Technikern und Ingenieuren der staatlichen französischen Rüstungswerft DCN, die in Pakistan am Bau eines U-Boots beteiligt waren.
Sonntag, 21. November 2010
Papst erlaubt Kondome
"Keine wirkliche und moralische Lösung"
Benedikts Aussage enthält allerdings noch weit Explosiveres: Der Papst führte nämlich als Beispiel männliche Prostituierte an, die so die Ausbreitung von Aids verhindern könnten - ein weiteres Tabuthema, da dies erstens auf käuflichen Homosexuellen-Sex hindeutet und da es zweitens diese Form der Sexualität nach Ansicht der katholischen Kirche gar nicht geben dürfte. Die Vatikanzeitung hat die Passage übrigens falsch mit der weiblichen Bezeichnung für Prostituierte übersetzt - der Papst hat jedoch tatsächlich die männliche Formulierung gewählt.
Rückblick: Afrika-Reise 2009
Lob vom Zentralrat der Juden
Chef sagt, wo es lang geht...
Audio: Papst lockert striktes Kondomverbot
Stefan Troendle, ARD-Hörfunkstudio Rom 21.11.2010 03:44 | 3'34
- Download des Audios: mp3-Format, Ogg Vorbis-Format
... und gibt Versäumnisse des Vatikan zu
Doppelmoral: Pfarrer verbietet Gemeinde Facebook - und beichtet Orgien
Anfang der Woche zeichnete Cedric Miller die Welt schön schwarz-weiß. Der Pfarrer einer evangelikalen Gemeinde in New Jersey erklärte der Presse, er werde seinen 1100 Gemeindemitgliedern zum Facebook-Verzicht raten, für die Amtsträger der Gemeinde sei er verpflichtend.
Miller begründete das Facebook-Verbot so: "In den vergangenen anderthalb Jahren habe ich Paare intensiv wegen ihrer Eheprobleme beraten, die mit Facebook zu tun hatten." Die Ursachen für den Ehezwist seien oft sehr ähnlich: Jemand von gestern, ein Ex-Partner, tauche wieder auf, das führe zum Austausch von Nachrichten. Schon oft habe es dann körperliche Begegnungen gegeben. "Die Versuchung ist einfach zu groß", sagte der Pfarrer.
Mit dieser Botschaft machte Miller weltweit Schlagzeilen, dann recherchierte eine Reporterin der Lokalzeitung " Asbury Park Press" und entdeckte eine Zeugenaussage Millers, in der er 2003 vor einem Gericht von seinen Sexualpraktiken berichtete. Die sind nun überhaupt nicht anrüchig, lassen Millers Facebook-Warnungen aber in einem anderen Licht erscheinen.
Der Priester hatte mit seiner Frau, einem Gemeindeangestellten und manchmal auch dessen Frau Gruppensex - bei den Bibelabenden am Donnerstag, ab und an auch sonntags nach dem Gottesdienst. Die Treffen endeten, als sich herausstellte, dass der Angestellte auch Affären mit mehreren Frauen aus der Gemeinde hatte.
Auf diese Vorkommnisse angesprochen, schrieb Priester Miller der "Asbury Park Press", es gebe einen Grund, dass die "Vergangenheit eines Menschen seine Vergangenheit" ist. Miller erklärte, der alte Fall sei vor Jahren geklärt worden, die Gemeinde wisse das seit langem, man werde sich davon nicht abhalten lassen, "so viele Ehen wie möglich zu retten". Im Hinblick auf seine viel zitierten Äußerungen über Facebook gesteht Miller einen Fehler ein: "Zu der Facebook-Sache: Kontext ist immer wichtig. Ich werde an diesem Sonntagmorgen diesen Kontext liefern." Da spielt der Pfarrer wohl auf seine Predigt an.
Die Anwürfe gegen seine Person kommentiert er so: "Ich habe auch ein süßes Brötchen gestohlen, als ich sieben oder acht Jahre alt war, daran wurde ich nun auch erinnert."
Natürlich, warum sollte ein Mensch nicht aus Fehlern lernen und darüber sprechen dürfen. Eine fast zehn Jahre alte Affäre verbietet den Priester ja nicht kritische Anmerkungen über Gegenwartsphänomene. Sie lässt nur an Millers Facebook-Kurzschluss zweifeln - die von ihm erwähnten "Fehler der Vergangenheit" haben mit Facebook gar nichts zu tun, das Netzwerk wurde erst 2004 gegründet.
„Ich möchte unter freiem Himmel sterben“
Herr de Ridder, es war Allerheiligen und Volkstrauertag, dieses Wochenende ist Totensonntag. Bedeuten Ihnen solche Gedenktage etwas?
Nein. Ich bin zwar streng katholisch erzogen worden: Messdiener, Weihrauch schwenken bei Hochämtern, Jesuitenschule... Davon ist gar nichts übrig geblieben. Also geben mir auch diese Tage nichts.
Sie meiden die Grabstätten Ihrer Angehörigen?
Ich gehe gerne auf Friedhöfe, ich pflege auch das Grab meiner Mutter in Kreuzberg, ich pflanze Blumen an. Nur nicht an speziellen Tagen, sondern wenn ich Lust dazu verspüre. Ich vergegenwärtige mir dann meine Mutter, ich weiß, dass Fäulnisprozesse sie da unten längst mit dem Erdreich haben eins werden lassen, ich denke an meine eigene Endlichkeit und spüre, dass ich mit großer Unsicherheit vor den Ereignissen Sterben und Tod stehe.
Macht Sie das melancholisch?
Ich lebe gerne, bin noch weitgehend gesund und genussfähig, und in diesem Zustand vom Leben scheiden zu müssen, dieser Gedanke macht mich wehmütig. Wie das wäre im Zustand von Krankheit und schwerstem Leid? Hoffentlich fällt mir da der Abschied leicht.
Sie haben als Rettungsarzt und Intensivmediziner hunderte Male Menschen sterben oder tot gesehen...
...vielleicht sind es tausend gewesen...
...und wissen: Hilft da der Glaube an einen Himmel, an Wiedergeburt?
Es kommt mir manchmal so vor, als hätten tief religiöse Menschen einen Vorteil. Auch mein Vater, er hatte eine schwere Tumorerkrankung, schien mir gut aufgehoben in dem Rückgriff auf seine Religiosität. Es steht ja das Versprechen auf etwas Jenseitiges im Raum, ewiger Friede, das Paradies.
Andererseits drohen Fegefeuer und Höllenqualen.
Dafür gibt es Rituale der Entlastung, das Sakrament der letzten Ölung, die Beichte, um Sünde und Schuldhaftigkeit zu überwinden.
Wenn das Konzept Religion so gut hilft: Glauben Sie doch einfach wieder!
Auch wenn es arrogant klingen mag: Ich habe das nicht nötig. Ich fühle mich in der Natur gut aufgehoben, als Teil eines Prozesses vom ewigen Werden und Vergehen. Auch das kann Ruhe und Gelassenheit vermitteln.
Erinnern Sie sich, wann Sie das erste Mal eine Leiche gesehen haben?
Das war meine Großmutter, ich war fünf Jahre alt. Ich muss da gestanden haben mit offenem Mund, völlig konsterniert. Denn ich habe die Großmutter sehr geliebt. Als der Arzt kam, um den Tod festzustellen, hat er das gut mit mir gemacht und gesagt, komm, fühl mal den Fuß. Und der war eiskalt. Großmutter war für mich die Wärme in Person, morgens durfte ich zu ihr ins Bett schlüpfen, ein wahres Heizkraftwerk, diese Geborgenheit war ein großes Glück. Und dieser kalte Fuß signalisierte mir: Jetzt ist etwas Schreckliches passiert.
Sie starb daheim.
Ja, es wurden Kerzen aufgestellt, Heiligenbilder, der Rosenkranz um die gefalteten Hände geschlungen. Es war still im Zimmer, aber auch Leben, es wurde gegessen. Ich habe das als angenehme Situation in Erinnerung.
Haben Sie mal jemanden sterben sehen und gedacht: So möchte ich das auch hinbekommen?
Ein Freund von mir war schwer krank, konnte aber bis kurze Zeit vor seinem Tod gehen und differenziert sprechen. Er hat eine sehr bewusste Entscheidung getroffen und das Essen und Trinken eingestellt. Er wollte die Hoheit über sein eigenes Sterben nicht aus der Hand geben. Er erschien mir völlig angstfrei, er konnte glaubwürdig vermitteln, er erlebe das Sterben als Befreiung, fast hätte ich gesagt: mit Freude. Das hat mich tief beeindruckt.
Wenn Sie beruflich mit dem Tod zu tun haben, können Sie sich Gefühle nicht leisten.
Oh doch, ich erlaube mir zu weinen, nicht in jeder Situation, sondern wenn der Tod mich ergriffen hat. Selbst im Krankenhaus habe ich Menschen begleitet, die mir dann als Tote begegnet sind, das konnte mir schon die Tränen in die Augen treiben.
Das klingt nicht gerade professionell.
Es ist auch nicht unproblematisch. Doch das passiert mir ja nicht, solange ich jemanden ärztlich versorgen muss. Da habe ich mich im Griff. Es tritt nur irgendwann der Moment ein, da sehe ich, das Sterben steht unmittelbar bevor. Und das ist die Situation, in der jede Hektik des Tuns und Machens unterbrochen werden muss. Nichts macht mich ärgerlicher, als wenn ich sehe, dass der Sterbeprozess eines Menschen durch völlig sinnlose medizinische Interventionen gestört wird. Da noch eine Braunüle legen, eine Infusion anlegen, ein Medikament spritzen! Obwohl offensichtlich ist, dass da jemand in den nächsten Minuten das Leben verlässt und man nur noch Respekt davor walten lassen sollte.
Der betreffende Arzt wollte vielleicht einfach keinen Fehler machen und...
...das ist wahnwitzig! Wann darf der Mensch denn sterben? Es gibt für mich keinen größeren Kunstfehler, als den Sterbeprozess zu verkennen. Medizin ist doch nicht dazu da, das Sterben grundsätzlich zu verhindern. Medizin ist dazu da, vorzeitiges und qualvolles Sterben zu verhindern. Der für mich zentrale Begriff ist das Patientenwohl. Nur daran muss ich mich als Arzt orientieren. Wenn ich nicht mehr kurieren kann, muss ich palliativ behandeln und begleiten. Letzteres ist ein dem kurativen Auftrag gleichwertiger Teil des ärztlichen Auftrags.
Können Sie das erklären?
Palliativ bedeutet, nicht die Heilung steht im Vordergrund, sondern allein das Wohlbefinden, unabhängig von der zu erwartenden Lebensdauer.
Die Linderung von Leiden und Schmerz?
Schmerz ist am Lebensende ein untergeordnetes Symptom. Viel häufiger sind Angst und Unruhe. Und das kann und muss der Arzt lindern.
Was denken Sie: Spüren wir unser Ende kommen?
Ich glaube, ja.
Immer wieder berichten Menschen vom Nahtod, von hellem Licht oder einer Vogelperspektive auf die Welt. Harald Juhnke meinte: „Ich sah alles rosarot.“
Die Herzaktion setzt aus, das Bewusstsein schwindet, Sie werden mit einem elektrischen Schock reanimiert, innerhalb von Sekunden schlägt das Herz wieder, Sie öffnen die Augen und wissen nicht, was geschah – das ist die einfachste Form, die Nähe von Tod und Leben zu erfahren. Was in diesem Moment erinnert wird, gilt als Nahtoderlebnis.
Haben Sie ein Beispiel?
Ein Bekannter von mir erzählte das so: Er fühlte sich in eine immer enger werdende Spirale gleiten, einem Strudel ähnlich, und als seine Sinne nach dem elektrischen Herzschock zurückkehrten, wurde er durch die Röhre zurückkatapultiert.
Den friedlichen Tod haben Sie beschrieben, wie sieht der grässliche aus?
Wenn er auf grausame Weise kommt und bei Bewusstsein erlebt wird. Ich habe das als Notarzt bei einer türkischen Hochzeit in der Hasenheide erlebt. Die Braut hatte ein zu großes Stück Hühnerfleisch in die Luftröhre bekommen, es hing dort fest. Trotz aller Versuche sie wiederzubeleben, die Braut ist an ihrem Hochzeitstag erstickt.
Werden Sie solche Eindrücke wieder los?
Ich habe Bilder im Kopf, die bleiben. Das Bild eines Erhängten im Dachstuhl. Wir wurden nachts um vier nach Schöneberg gerufen, gingen die Treppen hoch, und im fahlen Licht der Taschenlampen hing einer am Balken. Oder „Person unter Zug“, so der Alarmierungsbegriff der Feuerwehr, die sehen in der Regel grauenhaft aus. Ich war mehrfach in U-Bahnhöfen und habe nur noch ölverschmierte Bündel gefunden mit amputierten Gliedmaßen.
Träumen Sie davon?
Das quält mich nicht im Schlaf. Ich beschäftige mich mehr mit dem Sterben, wenn ich wach bin.
Und dann denken Sie nie: Verdammt, warum arbeite ich nicht auf der Geburtsstation, da sieht man meist glückliche Gesichter!
Nein, ich habe mich mit der Montaigneschen Idee angefreundet, die Herausforderung des Lebens bestehe darin, das eigene Sterben zu gestalten.
Sie lasen als Medizinstudent die Schriften von Montaigne, einem Philosophen der Renaissance, und...
...nein, nein, da war ich älter. Es hat gedauert, meinen Weg als Arzt zu finden. Ich bin sehr froh, dass ich Vorbilder und Lehrer hatte wie Professor Dißmann. Ich empfand es immer als Privileg, viel lernen zu dürfen. Das Wichtigste daran ist vielleicht, dass ich mit dem Gedanken an das Sterben vertraut werden konnte. Ich habe berufliche Erfahrung mit allen Facetten des Todes, mit seiner Banalität, seiner Zufälligkeit und seiner Grausamkeit. Wie Millionen andere habe ich die Sehnsucht, friedlich zu sterben. Manche sprechen vom würdigen Sterben. Für mich ist würdiges Sterben friedliches Sterben, das wünsche ich jedem Menschen.
Wie vielen ist das vergönnt?
Man weiß nie, wie sich das von innen anfühlt, diese Erlebnisdimension hat kein Lebender. Doch wenn ich bedenke, dass fast drei Viertel der Menschen im Krankenhaus sterben, dazu kommen gewaltsame Tode... Friedlich zu sterben ist nicht die Regel.
In Skandinavien werden 60 Prozent durch Palliativmedizin versorgt, in Deutschland 2,5 Prozent. Bei der Vergabe von Morphium an Schwerkranke liegt Deutschland unter allen EU-Ländern an letzter Stelle. Wird so friedliches Sterben verhindert?
Ja, und das ist ein Fiasko. Wer Schmerzen hat, auch Angstzustände, für den ist Morphium ein wichtiges Mittel. Man muss dazu um seine Wirkung wissen. Morphium wirkt nicht am Ort, wo der Schmerz entsteht, es verändert das Schmerzerleben. Sie spüren den Schmerz, doch er interessiert Sie nicht. Zudem erleben Sie eine Euphorisierung. Diese und die damit einhergehende Gleichmut ist eine wunderbare Möglichkeit, den Sterbeprozess zum Wohl des Kranken zu steuern. Ich werde nie den Satz von Professor Dißmann vergessen: „Knausern Sie nicht mit der Dosis! Ich will den Patienten bei der nächsten Visite lächeln sehen.“
Was also läuft falsch?
Opiate werden immer noch stigmatisiert. Die bürokratischen Hürden ihrer Verordnung sind hoch, der Arzt muss die Mittel im Tresor verwahren, die Rezepte wieder woanders, es gilt besondere Vorschriften zu beachten und so weiter. Und dann ist da die vermeintliche Suchtgefahr.
Morphinisten wie der Schriftsteller Hans Fallada waren extrem süchtig.
Diese Leute suchten ganz andere Erlebnisse, den Kick, den Rausch. Alle Erfahrung von Ärzten sagt: Schmerzpatienten werden nie süchtig.
Es gibt Menschen, für die ist das Leben schlimmer als der Tod.
Es gibt da furchtbare Schicksale. Ich denke an eine junge Frau, sehr lebens- und bewegungsfroh, eine hochbegabte Naturwissenschaftlerin, die nach einem Unfall vom Hals an querschnittsgelähmt ist. Sie kann sprechen, essen, klar denken. Aber von ihrem Lebensentwurf ist nichts mehr übrig. Sie braucht rund um die Uhr Pflege. Nichts wird sich daran ändern, sie kann so noch 40 Jahre verbringen. Seit eineinhalb Jahren bin ich in engem Kontakt mit ihr, und ihr dringender Wunsch ist es zu sterben. Sehen Sie, die Errungenschaften der Intensivmedizin retten tagtäglich Tausende, und das ist wunderbar. Sie bringt aber auch Menschen in Existenzweisen, die maximale Qual bedeuten können. Die junge Frau fühlt sich lebendig begraben.
Sie wollen ihr beim Suizid helfen?
Ich sagte ihr, ich bleibe an ihrer Seite. Selbstverständlich muss sie optimale Bedingungen erfahren, um am Leben bleiben zu können und zu wollen, so viel Zuwendung wie möglich. Und der Sterbenwunsch muss lange durchdacht sein. Ein assistierter Suizid kann nur als äußerste Option gelten.
In der Schweiz ginge das.
Moment, ich will keine organisierte Sterbehilfe. Eine solche Hilfeleistung gehört in den Intimraum von Arzt und Patient, dazu gehört ein gewachsenes Vertrauensverhältnis zwischen den beiden. Sonst geht so etwas für mich nicht.
Sie haben da die Standesethiker gegen sich, die Kirchen sowieso: Das Leben, sagen die, ist in Gottes Hand und nicht in der eines Arztes.
Wo ist denn Gottes Hand auf der Intensivstation?! Die Schwester vergisst abzusaugen. Der Arzt beginnt zu spät mit der Reanimation. Jedes Jahr gibt es in deutschen Krankenhäusern 17 000 vermeidbare Todesfälle! Gottes Hand ist dann tatsächlich die Hand eines Arztes. Wir haben ein Grundgesetz, das die Selbstbestimmtheit festschreibt, und die beschränkt sich nicht nur auf das Leben, sondern auch auf das Sterben.
Sie schreiben in Ihrem Buch von einer „neuen Sterbekultur“. Wo, bitte, soll die herkommen?
Wir leben in einer Zeit von Botox-to-go, wo Alterslosigkeit heroisiert wird, das Motto ist: forever young! Da ist die Akzeptanz des Sterbens kein kommodes Thema. Selbst manche Wissenschaftler halten das Sterben für einen Unfall der Evolution, den es zu überwinden gilt.
Es gibt ganze Bücher mit letzten Worten von Prominenten. Heinrich Heine soll gesagt haben „Gott wird mir verzeihen, das ist sein Metier“, Winston Churchill „Es ist alles so langweilig“. Ist das realistisch?
Ich kenne niemanden, der mit einem bedeutungsschweren Satz auf den Lippen gestorben ist.
Der Schriftsteller Gore Vidal hat sich schon frühzeitig eine Grabstelle auf einem Friedhof in Washington gekauft, samt Stein darauf. Verstehen Sie das?
Ich finde es nicht eigenartig, ich würde es nur nicht machen. Ich unterscheide ja zwischen Sterben und Tod. Auf meinen Sterbeprozess möchte ich unbedingt Einfluss nehmen, was danach kommt, ist nicht bedeutend. Ein Freund von mir wurde verbrannt und seine Asche im Wald verstreut. Das ist mir sympathisch.
Der Philosoph Jacques Derrida meinte: „Es gibt keine Kultur ohne die Ritualisierung der Trauer und ohne Orte der Bestattung.“
Da mag er recht gehabt haben, vielleicht leben wir in einer Zeit, in der sich das auflöst. Viele brauchen keinen konkreten Ort des Erinnerns mehr, ich sehe darin keine kulturelle Verwahrlosung.
Wir vermuten mal, Sie würden gerne in einem Hospiz sterben, wenn schon nicht zu Hause.
Es gibt sehr schöne Hospize, ein wunderbares zum Beispiel über den Dächern von Neukölln. Aber wenn ich schon einen Wunsch frei habe: Da ich sehr naturverbunden bin, würde ich gern unter freiem Himmel sterben.
"Großer Teil der katholischen Kleriker ist homosexuell"
Theologe David Berger
Hamburg - Der Theologe David Berger, der als korrespondierender Professor für die Päpstlichen Akademie des heiligen Thomas von Aquin in Rom arbeitete, verlangt im Gespräch mit dem SPIEGEL ein Ende der kirchlichen Schwulendiskriminierung: "Es muss anerkannt werden, dass ein großer Teil der katholischen Kleriker und Priesteranwärter in Europa und den Vereinigten Staaten homosexuell veranlagt ist."
Berger berichtet, er selbst habe als katholischer Theologe, der mit einem Partner zusammenlebe, viele Jahre unter der schwulenfeindlichen Atmosphäre seiner Kirche wie unter einem "Alptraum" gelitten. Seine Arbeit bei der theologischen Zeitung sei überwacht und zensiert worden, berichtet er dem SPIEGEL. So habe er in Artikeln nicht "Lebensgefährte" schreiben sollen, sondern "Unzuchtpartner". "Homosexuell" habe als zu neutraler Begriff gegolten, er habe "widernatürliche Unzucht" schreiben müssen.
Dabei gehe "die größte Schwulenfeindlichkeit in der katholischen Kirche von homophilen Geistlichen aus, die ihre Sexualität krampfhaft verdrängen", meint der inzwischen von seinen Ämtern zurückgetretene Berger. "Offensichtlich werden diejenigen, die ihren Trieben nachgehen, besonders heftig abgelehnt, wenn man die Veranlagung bei sich selbst so schmerzhaft unterdrückt."
Der Theologe, der heute als Gymnasiallehrer bei Köln arbeitet, outete sich im April dieses Jahres, nachdem der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck in der Talkshow "Anne Will" während der Debatte um sexuellen Missbrauch Homosexualität als widernatürlich und Sünde bezeichnet hatte. Über seine Erfahrungen in der Kirche hat Berger ein Buch geschrieben, das unter dem Titel "Der heilige Schein. Als schwuler Theologe in der katholischen Kirche" diese Woche erscheint.
Theologe Berger wirft seiner Kirche eine Wagenburgmentalität vor: "Die Angst vor der Welt, vor einer verdorbenen gottlosen Zivilgesellschaft, von der man sich abgrenzen will", führe in eine Isolation und seinen Erfahrungen nach auch zum "Schulterschluss mit Evangelikalen, Bibelfundamentalisten und extrem reaktionären Kräften".
Donnerstag, 11. November 2010
Illegaler Einsatz im Wendland?
Mittwoch, 10. November 2010
Hermann - ein Esel gegen die Taliban
Hermann alias Ferdinand alias Fridolin ist ein Esel – erstanden von Bundeswehr-Soldaten auf einem afghanischen Markt für umgerechnet etwa 70 Euro. Sein neues Zuhause ist die Polizeistation, wo rund um die Uhr dutzende deutsche Soldaten Wache schieben. Die beschreiben Hermanns Charakter als ein bisschen störrisch, aber gutmütig. Laut Wolle wird es besonders schwierig, wenn es aufs Wasser zugeht, denn da, so habe er sich sagen lassen, will Hermann nicht rüber.
100 Prozent mehr Lebensqualität
Alle wollen mit Hermann spielen
Montag, 8. November 2010
Spanische Steuertricks
Vatikan erkennt Putsch in Honduras an
Nuntio bei der UNO fordert Rückkehr zu Rechtsstaat in dem Land. Erzbischof Rodríguez Maradiaga hält an Verteidigung des Putsches fest
Unter Gleichen: Kardinal Rodríguez, Militärs und Polizisten in Tegucigalpa
Tegucigalpa/Genf. Der Staatsstreich in Honduras und die wachsende Gewalt sorgen zunehmend für Widersprüche auch in der katholischen Kirche. Während der Erzbischof von Tegucigalpa, Óscar Andrés Rodríguez Maradiaga, das De-facto-Regime in dem mittelamerikanischen Land verteidigt, hat der Vertreter des Vatikans vor den Vereinten Nationen, Francis Assisi Chullikat, nun widersprochen. In Honduras habe am 28. Juni 2009 ein Staatsstreich stattgefunden und das Land müsse zur verfassungsmäßigen Ordnung zurückkehren, sagte der vatikanische Prälat nach Angaben der honduranischen Tageszeitung El Libertador. Chullikat, der derzeitige Apostolische Nuntius in Irak, hatte den Vatikan in dieser diplomatischen Funktion in der Vergangenheit in Honduras vertreten.
Die Stellungnahme bringt nicht nur den Erzbischof von Tegucigalpa in Bedrängnis, sondern auch die katholische Hilfsorganisation Caritas International, der Rodríguez Maradiaga vorsteht. Seit dem Putsch hatten vor allem Vertreter der katholischen Kirche in Deutschland den umstrittenen Kirchenfunktionär unterstützt und mehrfach eingeladen. Während in Honduras schwere Vorwürfe wegen der Rechtfertigung des Putsches gegen ihn erhoben wurden, trat Rodríguez Maradiaga im Mai etwa auf dem Ökumenischen Kirchentag in München auf.
Anfang Dezember nun hat die Katholische Akademie Hamburg den Kirchenfunktionär zu einer Podiumsdiskussion eingeladen. Während Menschenrechtsorganisationen in Honduras über einhundert politische Morde und rund 10.000 Menschenrechtsverletzungen seit dem Umsturz anklagen, soll Rodríguez Maradiaga auf Einladung des Akademiedirektors Hermann Breulmann zur „Globalisierung der Solidarität“ sprechen.
Der Position des Vatikan ungeachtet hält Rodríguez Maradiaga an seiner Verteidigung des Putsches fest. „Wir leben in einem Land der Freiheit“, entgegnete er auf Nachfragen von Journalisten nach einer Messe in Tegucigalpa. Weitere Nachfragen tat er nach einem Bericht der honduranischen Tageszeitung El Tiempo ab: „Darüber haben doch wirklich zur Genüge gesprochen“. Passanten bewarfen sein Auto daraufhin im Wegfahren mit Eiern, so El Tiempo.
Mitte Oktober erst hatten EU-Parlamentarier gegen einen Besuch des regimenahen Kardinals in Brüssel protestiert. Auch in Hamburg sollen Proteste stattfinden.
Freitag, 5. November 2010
Boy George findet die Welt verklemmt und homophob
Früherer Culture-Club-Sänger wünscht sich mehr Toleranz gegenüber allem Andersartigen
Bush ordnete Waterboarding persönlich an
© Eric Draper/The White House via Getty Images
George Bush am 20. Januar, an seinem letzten Tag im Weißen Haus
Welche Rolle spielte George W. Bush bei der Folterung von Terrorverdächtigen durch den Geheimdienst CIA? Kamen die Befehle zum Waterboarding – das simulierte Ertränken ist nur eine der grausamen Verhörmethoden – direkt aus dem Weißen Haus? Der frühere US-Präsident beantwortet diese Frage nun eindeutig mit Ja: Er selbst habe die Agenten angewiesen, die Folterpraxis anzuwenden.
Bush verteidigte seine Entscheidung: Er sei davon ausgegangen, dass der Gefangene Kenntnisse über weitere geplante Anschläge in den USA gehabt habe. Zudem stellt der Ex-Präsident klar, dass er diese Entscheidung erneut treffen würde, um das Leben von US-Bürgern zu schützen.
Beim Waterboarding wird während eines Verhörs das Ertränken eines Gefangenen simuliert. Im von Bush ausgerufenen "Krieg gegen den Terror" nach den Anschlägen in New York und Washington wurde diese Praxis vielfach bei Terrorverdächtigen eingesetzt. Laut offiziellen US-Angaben wurde allein Sheikh Mohammed 183 Mal dem Waterboarding unterzogen.
Bushs Memoiren sollen in der kommenden Woche in die Buchläden kommen. Nach Medienberichten konzentrieren sich die Aufzeichnungen auf Schlüsselmomente in Bushs Leben und der Amtszeit als Präsident. Dazu zählen die Entscheidungen, den Alkohol aufzugeben und im Irak einzumarschieren. Außerdem geht es um sein Verhältnis zu seinem Vizepräsidenten Richard Cheney.
Das Verhältnis der beiden Männer galt als schwierig. Wie Bush nun offenbart, hatte er vor dem Wahlkampf 2004 erwogen, auf die Dienste seines Vizes zu verzichten. Die Überlegung dahinter: Schluss zu machen mit dem Mythos, dass Cheney der eigentliche Chef im Weißen Haus sei und zu zeigen, "dass ich das Ruder in der Hand habe". Dick Cheney sei ihm eine wichtige Hilfe gewesen, schreibt Bush. Aber er sei auch zu einem Mittelpunkt der Kritik der Medien und Linken geworden. "Er wurde als finster und herzlos empfunden – der Darth Vader der Regierung", so Bush in Anspielung auf den Bösewicht aus der Filmreihe Star Wars. Doch schlussendlich habe er diesen Eindruck nicht geteilt und seine ursprüngliche Entscheidung revidiert.
Mittwoch, 20. Oktober 2010
Lebenslänglich für saudischen Prinzen
Das Opfer: Bandar Abdullah AbdulazizDiener wurde misshandelt
Sein Vater, ein Neffe des saudischen Königs, war im Gerichtssaal anwesend. Das Opfer, Bandar Abdullah Abudlaziz, war ein Adoptivkind aus einer gesellschaftlich niedrig gestellten Beamtenfamilie in Jeddah. Der Prinz und sein Diener befanden sich vor der Tat auf einer gemeinsamen ausgedehnten Europareise. Den Valentinstag (14.02.2010) hatten die beiden Männer gemeinsam feiernd verbracht. Zum Tatzeitpunkt am Tag danach war der saudische Prinz offenbar angetrunken.
Freitag, 15. Oktober 2010
19-jähriger Asylwerber aus Äthiopien nimmt sich das Leben
Am Montag dieser Woche wurde die Leiche eines 19-jährigen Asylwerbers aus Äthiopien bei Hainburg aus der Donau geborgen. Freunde hatten Samuel T. zum letzten Mal am Sonntag gesehen. Seine Betreuer bei der Caritas Wien wurden am Mittwoch informiert, nachdem der junge Mann von der Polizei identifiziert worden war: Er hatte sich das Leben genommen.
Die Caritas nimmt nun die Politk in die Pflicht: Ein "Systemopfer" sei dieser junge Mann, sagt Michael Zikeli, Abteilungsleiter für Asyl und Integration, zur "Presse". An diesem "besonders tragischen Fall" zeige sich, was passieren könne, "wenn Asylverfahren so lange dauern wie in Österreich." Sein Leben sei immer aussichtloser geworden: Das lange Warten, die zunehmende Unsicherheit: "Er war ein labiler Mensch", sagt Zikeli. "Und irgendwann konnte er nicht mehr."
Was war geschehen? Im September 2005 war Samuel als 14-Jähriger nach Österreich gekommen. Er stellte einen Asylantrag und wurde in einem Heim der Caritas Graz für minderjährige Flüchtlinge untergebracht. Bald begann er ein "normales" Leben: Die Hauptschule und den Polytechnischen Lehrgang schloss er positiv ab; in seiner Freizeit spielte er bei einem Verein in Graz Fußball.
Sein Asylantrag wurde in allen Instanzen negativ beurteilt. Die Beschwerde dagegen lehnte der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 10. Dezember 2008 ab. Im März 2009 stellte Samuel einen Antrag auf humanitäres Bleiberecht - bis heute gibt es keine Entscheidung.
Im Sommer 2009 wurde er dann, aufgrund des aufrechten Ausweisebescheids, in Schubhaft genommen. Allerdings konnte kein Heimreisezertifikat besorgt werden - weil für Äthiopien (wie auch für Somalia und Afghanistan) nahezu "ein Ding der Unmöglichkeit" sei, heißt es bei der Caritas. Flüchtlinge aus diesen Ländern bekämen deshalb in der Regel auch subsidiären Schutz.
Samuels Beschwerde gegen die Schubhaft wurde stattgegeben (sprich: sie wurde als rechtswidrig erkannt). Deshalb wurde ihm auch ein Schadenseratz in der Höhe von 2100 Euro zugesprochen. Doch aus der Grundversorgung in Graz musste der junge Mann entlassen werden. Samuel ging nach Wien, wohnte zunächst bei Freunden und kam später im Caritas-Heim in der Robert Hamerlinggasse unter.
Im August versuchte Samuel zum ersten Mal, sich das Leben zu nehmen: Er trank Lauge und konnte im Otto-Wagner-Spital noch gerettet werden. Dort sprang er aus dem zweiten Stock und zog sich schwere Verletzungen zu (unter anderem einen Beckenbruch). Er wurde ins Hanusch-Krankenkaus gebracht, auf der Intensivstation verbrachte er einige Zeit im künstlichen Tiefschlaf. Am Freitag, dem 1. Oktober, wurde er aus dem Krankenkaus entlassen. Er konnte wieder selbstständig gehen. Zehn Tage später war er tot.
Die Caritas fordert die Regierung nun zum Handeln auf: Die Verfahren müssten dringend beschleunigt werden. "Gottlob gebe es nicht mehr Fälle wie diesen", sagt Zikeli. "Aber jeder einzelne muss verhindert werden."
Donnerstag, 14. Oktober 2010
Richter kritisieren Baumfällung
In der Nacht zum 1. Oktober waren im Schlossgarten 25 Bäume für die Einrichtung des sogenannten Grundwassermanagements gefällt worden, das während der kompletten Bauzeit des Betontrogs für den geplanten Tiefbahnhof den Grundwasserspiegel stabil halten soll. Der Abholzaktion vorausgegangen war ein Polizeieinsatz zur Einrichtung der Baustelle. Tausende Demonstranten hatten versucht, die Baumfällarbeiten zu verhindern. Bei dem massiven Polizeieinsatz waren unter anderem durch Wasserwerfer und Pfefferspray mehr als hundert Menschen verletzt worden.
Wie berichtet, hatte das Eisenbahnbundesamt (Eba) am Vortag der Baumfällarbeiten per Mail und Fax bei der für Stuttgart 21 zuständigen DB Projektbau sowie dem Regierungspräsidium Stuttgart und dem städtischen Amt für Umweltschutz naturschutzrechtliche Bedenken erhoben und unter anderem ein ausstehendes Artenschutzkonzept für den EU-weit streng geschützten, im Schlossgarten beheimateten Juchtenkäfer verlangt. Am selben Tag hatte der BUND-Landesverband beim VG einen Eilantrag gestellt, die Abriss- und Baumfällarbeiten so lange zu stoppen, bis ein entsprechendes Konzept vorgelegt worden sei. Die Verfahrensbeteiligten selbst haben den besagten Eilantrag aufgrund der bereits erfolgten Baumfällarbeiten für erledigt erklärt. Das Gericht hatte nun nur noch über die Kosten zu entscheiden. Der Streitwert beläuft sich nach Angaben des Gerichts auf 5000 Euro, der Beschluss ist unanfechtbar.
Ein Hinweis auf das Schreiben wäre zu erwarten gewesen
Nach der Argumentation des Gerichts muss die Bahn unter anderem deswegen die Kosten tragen, weil sie das Gericht auf die Existenz des "offensichtlich für das vorliegende Eilverfahren entscheidungserheblichen Schreibens" nicht hingewiesen habe und "dadurch die in Betracht kommende Gewährung effektiven einstweiligen Rechtsschutzes nicht ermöglicht hat". Ein Hinweis auf das Schreiben wäre gerade auch von der Deutschen Bahn zu erwarten gewesen, nachdem diesem Schreiben mehrere unmissverständliche schriftliche Aufforderungen des Eba an die Deutsche Bahn vorausgegangen seien, "rechtzeitig vor der Durchführung von Bauarbeiten im Mittleren Schlossgarten zu dem dort vermuteten Vorkommen des Juchtenkäfers weitere Untersuchungen durchzuführen und erforderlichenfalls eine artenschutzrechtliche Bewertung vorzulegen", so das Gericht.Wie die StZ mehrfach berichtete, waren nach der Fällung einer alten Platane in dem Baum tatsächlich Juchtenkäferlarven entdeckt worden. Nach Angaben des Stuttgart-21-Kommunikationsbüros wurden die Larven vor dem Zerschreddern des Baumes geborgen und in eine sogenannte Aufzuchtstation gebracht.
Das Verwaltungsgericht ließ trotz der Kritik am Vorgehen der DB Projektbau jedoch offen, ob die Baumfällarbeiten ohne Vorlage der vom Eisenbahnbundesamt verlangten Unterlagen rechtswidrig waren. In der Angelegenheit liegen mehrere Strafanzeigen gegen die Bahn-Tochter sowie den Stuttgart-21-Chefplaner Hany Azer bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart vor.