Mittwoch, 31. März 2010

Bundesministerien stehen in über hundert Fälle unter Korruptionsverdacht

Gegen mehrere Ministerien wird wegen des Verdachts auf Korruption ermittelt: Laut "Saarbrücker Zeitung" laufen derzeit strafrechtliche Verfahren in über hundert Fällen - unter anderem gegen Mitarbeiter im Arbeits-, Innen- und Wirtschaftsministerium.

Berlin - In den Bundesministerien hat es in den vergangenen zwei Jahren über hundert Ermittlungen wegen Korruptionsverdachts gegeben. Dem Bundesinnenministerium wurden im vergangenen Jahr 43 Verdachtsfälle mehrerer Bundesressorts gemeldet, berichtet die "Saarbrücker Zeitung" in ihrer Donnerstagausgabe. 2008 waren es 59 Verdachtsfälle. Ein Sprecher des Innenministeriums bestätigte auf ddp-Anfrage den Zeitungsbericht.

Gegen die betroffenen Mitarbeiter wurden laut "Saarbrücker Zeitung" strafrechtliche Ermittlungsverfahren, arbeitsrechtliche Schritte und Disziplinarverfahren eingeleitet. Verdachtsfälle auf Korruption gab es demnach unter anderem im Arbeits-, Innen-, Finanz-, und im Verteidigungsministerium. Auch das Wirtschaftsministerium und das Verkehrsressort seien betroffen gewesen.

Seit 2004 sieht eine Richtlinie der Bundesregierung zur Korruptionsbekämpfung vor, dass die obersten Bundesbehörden dem Innenministerium Fälle mitteilen, in denen Verfahren wegen Korruptionsverdachts eingeleitet wurden. Seit 2004 gab es laut dem Zeitungsbericht 347 solche Fälle.

Das Innenministerium leitet die Informationen nach Angaben des Sprechers an den Rechnungsprüfungsausschuss des Bundestages weiter. Dieser werde sich im Mai diesen Jahres mit den Vorfällen aus dem Jahr 2008 beschäftigen.

Wer Ja sagt, darf mitbestimmen

Mit 1.000.000 Unterschriften sollen die Bürger EU-Politik machen können - solange die EU-Kommission vorher dem Anliegen zustimmt. Das schlägt die Kommission vor.

 VON DANIELA WEINGÄRTNER

Das Europaparlament - es wird wohl in "Stressburg" (Straßburg) bleiben. Foto: dpa
Mehr als 1,2 Millionen Europäer haben im Internet den Aufruf unterschrieben, den Zweitsitz des Europaparlaments in Straßburg zu streichen. Die Organisatoren der Kampagne www.oneseat.eu beziehen sich auf ihrer Website ausdrücklich auf die mit dem Lissabon-Vertrag eröffnete Möglichkeit, mit einem Bürgerbegehren die EU-Gesetzgeber zum Handeln zu zwingen. Die Reform ist seit drei Monaten in Kraft. Für die technischen Details der Umsetzung legte die EU-Kommission gestern einen Vorschlag vor.

Sie stützt sich dabei auf die Ergebnisse einer Online-Befragung und schlägt folgendes Verfahren vor: Jede Privatperson oder Rechtspersönlichkeit, also eine Bürgerinitiative oder politische Partei, kann ein Bürgerbegehren bei der EU-Kommission anmelden. Geschwätzig darf man dabei nicht sein: 100 Druckzeichen im Titel, 200 in der Betreffzeile und 500 Zeichen in der Kurzbeschreibung - das ist kaum mehr, als auf einer Postkarte Platz findet.

Wenn die Organisatoren 300.000 Unterschriften aus drei EU-Mitgliedsstaaten zusammen haben, prüft die EU-Kommission innerhalb von zwei Monaten, ob das Vorhaben zulässig ist. Verstößt es gegen die Grundwerte der Union oder ist Brüssel nicht zuständig, wird es abgewiesen. Eine Initiative zur Einführung der Todesstrafe hätte demnach ebenso wenig Chancen wie der Vorstoß, den Bau von Minaretten zu verbieten.

Ist diese Hürde überwunden, müssen die Initiatoren eine Million Unterschriften aus mindestens einem Drittel der Mitgliedsstaaten sammeln. Sie haben dafür ein Jahr Zeit. Die Mindestquote für die beteiligten Länder berechnet sich aus der Anzahl der Parlamentssitze multipliziert mit dem Faktor 750. Wenn Deutschland mitgezählt werden soll, müssen von dort mindestens 72.000 Unterschriften stammen. In Luxemburg reichen 4.500 Stimmen. Die Unterzeichner müssen wahlberechtigt sein. Der jeweilige Mitgliedsstaat kontrolliert wie bei einem nationalen Referendum, dass die Unterschriften rechtmäßig zustande kamen und niemand doppelt gezählt wurde.

Sind alle Bedingungen erfüllt, muss die Kommission innerhalb von vier Monaten Stellung beziehen. Lehnt sie es ab, ein Gesetz vorzuschlagen, muss sie das begründen. Kritiker fürchten, dass viele gute Vorschläge am Ende in der Schublade verschwinden. Doch die Kommission selbst hat in den vergangenen Jahren ständig mehr Dialog und mehr Bürgerbeteiligung gefordert.

Greenpeace ist eine der Organisationen, die sich an der Anhörung zum Bürgerbegehren beteiligt hatte. Die Umweltschützer haben eine Schwelle von 25 Prozent der Mitgliedsstaaten und eine Sammeldauer von 18 Monaten für angemessen empfunden. Sie sind auch dagegen, dass ein Unterzeichner das Wahlalter erreicht haben muss. Außerdem wollen sie Menschen aus anderen Herkunftsländern, die schon lange in der Union leben, die Teilnahme ermöglichen.

Das EU-Parlament wird im Gesetzgebungsverfahren sicher versuchen, einige dieser Anliegen erneut einzubringen. Die Mitgliedsstaaten hingegen werden im Rat die Hürden für das EU-Referendum so hoch wie möglich bauen. Da sie in dieser Frage mit qualifizierter Mehrheit entscheiden, kann aber kein Land das ganze Projekt mit seinem Veto stoppen. Um den Straßburger Parlamentssitz muss sich Frankreich dennoch keine Sorgen machen. Die Kommission hat bereits mitgeteilt, dass sie in dieser Frage keinen Gesetzesvorschlag einbringen wird, weil das Parlament nicht mitentscheiden darf, wo es tagt - das machen die Mitgliedsstaaten unter sich aus.

Mit Spende zum Luxusauto

Der Vorsitzende eines Vereins zum Schutz muslimischer Frauen ist verhaftet worden, weil er Spenden für Luxusreisen ausgab - Alice Schwarzer wurde ihm zum Verhängnis.

Alice Schwarzer, dpa Sie ließ sich nichts vormachen: Alice Schwarzer erstattete Anzeige gegen den Vereinsvorsitzenden - jetzt wurde er verhaftet.

Genützt hat der gemeinnützige Verein nur dem Vorsitzenden: Wegen Spendenbetrugs ist der Vorsitzende des Vereins Hatun & Can verhaftet, der sich angeblich um den Schutz muslimischer Frauen vor Zwangsverheiratung kümmert. Der Mann gab Spenden nicht für den Verein, sondern privat für Schmuck, Elektrogeräte und Urlaub in einem spanischen Fünf-Sterne-Hotel aus, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Auch ein auf den Verein zugelassener Wagen der Oberklasse sei ausschließlich privat genutzt worden.

Wie die Staatsanwaltschaft Berlin mitteilte, wurden Spenden von 114.000 Euro im wesentlichen für den luxuriösen Lebenswandel des Beschuldigten verwendet. Die Hilfsmaßnahmen für wenige Frauen, mit denen der Verein sich brüstete, sollen in Wirklichkeit von Dritten - wie dem Weißen Ring - finanziert worden sein. Frauenrechtlerin Alice Schwarzer hatte die Ermittlungen in Gang gebracht. Sie wollte wissen, was aus ihrer Spende von einer halben Million Euro wurde, die sie dem Verein im Vorjahr zukommen ließ. Schwarzer hatten dem Verein ihren Gewinn aus der Quizsendung "Wer wird Millionär" gespendet

Luxus-Uhr und Fünf-Sterne-Hotel

Nachdem sie über die Verwendung des Geldes von dem Verein keine Auskunft erhielt, erstattete sie gemeinsam mit RTL und der deutsch-türkischen Autorin Necla Kelek, die ebenfalls Vereinsmitglied ist, Betrugsanzeige.

Beamte des Landeskriminalamtes durchsuchten laut Staatsanwaltschaft Berlin am Mittwoch die Räumlichkeiten des Vereins. Die Spendengelder verwendete der Beschuldigte nach Stand der Ermittlungen für einen privat genutzten Wagen der Oberklasse im Wert von über 60.000 Euro, für die Renovierung der Wohnung seiner Lebensgefährtin, für den Kauf von Elektrogeräten, Schmuck und einer Luxusuhr im Wert von 5.000 Euro sowie für einen Kurzurlaub in einem Fünf-Sterne-Hotel in Madrid.

Der Verein war 2006 gegründet worden, nachdem die junge Deutsch-Türkin Hatun Sürücü 2005 in Berlin von ihrem Bruder durch mehrere Kopfschüsse getötet worden war - er empfand ihren westlichen Lebensstil als Kränkung der "Familienehre".

Montag, 29. März 2010

Kriminaliserung des Gefangenen Info


  • Verfahren gegen den presserechtlich Verantwortlichen des Gefangenen Infos.

  • Gegen die seit über 21 Jahren existierende Zeitschrift gab es über 30 Verfahren.
  • www.radioflora.de Wiederholung am Mittwoch, den 31.3. zwischen 11-12 Uhr.
Am Montag, den 29.März zwischen 19-20 Uhr im Radio Flora zu hören per Livestream:

Zum Hintergrund:
Nachdem Edith Bartelmus-Scholich im Verfahren wegen der Verleumdungsklage gegen das Online-Portal „Scharf-Links“ freigesprochen worden ist, ist dem presserechtlichen Verantwortlichen des „Gefangenen Info , Wolfgang Lettow, der Prozesstermin bekannt gegeben worden. Der Prozess findet am 21.04. vor dem Berliner Amtsgericht Tiergarten statt.
Darum wird das Gefangenen Info kriminalisiert

Die Gründe der Anklageerhebung sind, wie beim Verfahren gegen „Scharf-Links“, die Verbreitung des Prozessberichts „Blind in Beugehaft“ durch das GI Nr. 348. In dem inkriminierten Text wurde ein Verhandlungstag im §129b-Prozess gegen dem Gefangenen Faruk Ereren, dem inzwischen die Auslieferung in die Türkei droht, beschrieben. Nuri Eryüksel hatte es abgelehnt, über die Strukturen der türkischen Exilorganisation Aussagen zu machen, weil er sich dabei selber belasten könnte. Das Gericht bestand aber auf seine Zeugenaussage und erließ dann die Beugehaft, die noch im Gerichtssaal vollstreckt wurde. Dieses Vorgehen sorgte unter den ProzessbeobachterInnen für besondere Empörung, weil Nuri mehrere Jahre in türkischen Gefängnissen inhaftiert war und dort auch gefoltert wurde.
Er hat mittlerweile auch als Spätfolge der Folter sein Augenlicht verloren. Die Verhängung der Beugehaft wurde dann 4 Wochen später aufgehoben und vom BGH als rechtswidrig kassiert! Die ProzessbeobachterInnen der Roten Hilfe Düsseldorf-Mönchengladbach schreiben in ihrem Bericht dem zuständigen Richter nach der Verkündung der Beugehaft eine Bemerkung zu, die von vielen Ohrenzeugen als zynisch empfunden wurde. Dort soll der Richter mit Verweis auf Nuris Erblindung erklärt haben, dass er vielleicht in der Beugehaft zur Besinnung komme. Der Richter bestreitet diese Äußerung. Mehrere ProzessbeobachterInnen, darunter ein Anwalt und ein Vertreter des Komitees für Grundrechte können sich an eine von ihnen als zynisch empfundene Äußerung des Richters erinnern.
Die Redaktion des Gefangenen Info zum Verfahren:

"Wir denken, dass die Kriminalisierung unserer Zeitung auch im Zusammenhang mit unserer umfassenden Öffentlichkeitsarbeit zu den §129b-Prozessen und zur politischen Gefangenschaft im Allgemeinen zu sehen ist und von den Repressionsbehörden Möglichkeiten zur Kriminalisierung eines solches Publikationsorgans gerne wahrgenommen werden. Seit Beginn der §129b-Prozesse haben wir versucht eine Gegenöffentlichkeit zu schaffen und den Gefangenen eine Plattform zu bieten. Wir sind ständig bestrebt, die uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Vermittlung gezielt und effektiv zu nutzen und wollen den anstehenden Prozess gegen das Gefangenen Info ebenfalls dafür zu nutzen, die politischen Anliegen der Solibewegung stark zu machen.
Das Gefangenen Info behält seinen Kurs

Das Gefangenen Info und seine MitarbeiterInnen werden sich nicht den Mund verbieten lassen. Einschüchterunsversuche, Angriffe und Zensur werden uns nicht davon abbringen, weiter diese und andere Staatsschutzprozesse zu thematisieren. Im Gegenteil: wir sehen um so mehr die Notwendigkeit, unsere Arbeit zu intensivieren und die Solidarität zu verbreitern. Solidarität wird unsere Antwort auf ihre Repression sein.
Unterstützt das Gefangenen Info!
Wir werden mit verschiedenen Aktivitäten zum anstehenden Prozess mobilisieren und rufen die solidarische Öffentlichkeit dazu auf, dem Prozess kritisch beizuwohnen. Ankündigungen und aktuelle Entwicklungen werden wir über unsere Zeitung und die Homepage www.political-prisoners.net bekannt machen.

Unsere Solidarität gegen ihre Repression!
Prozesstermin: 21. April 2010, 12.30 Uhr Amtsgericht Tiergarten (Berlin) Turmstr. 91, Raum 769

Acht Jahre mit dem Priester

Sexueller Missbrauch in der Kirche

Lars war mit einem Pfarrer zusammen. Anfangs war es Missbrauch, sagt Lars. Später habe er auch Spaß beim Sex gehabt. Was blieb, war ein Gefühl der Abhängigkeit.

VON ANDREA ROEDIG

Er hat mich dann fixiert mit einem Grinsen, das fast etwas Dämonisches hatte, und ich hab dann gedacht, ach, jetzt gehts wieder los."

Wenn Lars* vom Kaffeetisch aufsteht, nimmt er immer schon Geschirr mit zur Spüle. Wenn etwas fehlt, springt er hoch, wenn ein Gang zu tun ist, ist er sofort dabei, wenn man vor ihm steht mit zwei Tragetaschen, hat er Sekunden später eine davon in der Hand. Er kann nicht anders. Er ist ein Helfer, wie unter Strom. So schnell, wie er handelt, so schnell redet Lars auch, im badischen Dialekt, er liebt Klatsch und Tratsch und Opern, er lacht gerne. Die Augen aber sind klein, ein wenig müde, und die Mimik wirkt straff, als habe sich alle Lebendigkeit schon in den Bewegungen des Körpers erschöpft.

Lars ist heute 54, Krankenpfleger in Süddeutschland, und er hat eine Jugendgeschichte, die nach Sensation klingt oder nach Tristesse: Von seinem 15. bis 23. Lebensjahr war er mit einem katholischen Priester zusammen.

Dass jetzt die ganzen Missbrauchsfälle ans Licht kommen, erleichtert ihn ungeheuer. Auch, dass die Sache einen Namen hat, denn, so sagt er, "man war ja selbst verunsichert, ob es Missbrauch war, ja oder nein?"

Wo ist die Grenze?
Immer die alten, nie auszuräumenden Zweifel. Sie sind typisch für Missbrauch und führen, auch bei Lars, zu diesen schwankenden Sätzen, den kleinen Einschüben, die mit schneller Bewegung die Eindeutigkeit eines Urteils wieder zurücknehmen, "ein bisschen", "schon", "zeitweise": "Ja, zeitweise habe ich schon Schaden genommen durch den Peter." Wer weiß schon, ob ein Gefühl echt und wo die Grenze überschritten ist.

Als Lars seinen Priester kennen lernte, war er 13 Jahre alt. Der Geistliche war als junger Kaplan neu in die Pfarre der Kleinstadt gekommen, ein sympathischer, lockerer Mann von 29 Jahren und für Lars das Gegenbild dessen, was er von zu Hause kannte. Denn daheim herrschte das knallharte, autoritäre Regiment des Vaters. Beim Essen lag der Rohstock mit auf dem Tisch, und wenn der Vater abends von der Arbeit kam, herrschte "Totenruhe" im Haus. Lars, der Fünfte in der Reihe von sieben Geschwistern, hatte eine Heidenangst vor ihm. "Meine Kindheit und Jugend war also weniger schön, sie war nervig und stressig", so sagt er das. Er ist voll von Geschichten über den Vater.

Peter war anders. Jung, aufgeschlossen und zugewandt gab er Religionsunterricht in der Schule und traf Lars auch beim Ministrantendienst in der Kirche. Lars fühlte sich hingezogen, "weil er mich einfach nett behandelt und auch mal den Arm um mich gelegt hat. Das war sehr wohltuend." Der Priester suchte Nähe zu Lars Familie. Zwei bis drei Mal in der Woche besuchte er sie, spielte mit den Kindern "Mensch ärgere dich nicht" oder Karten.

Zum ersten sexuellen Kontakt kam es, als der Kaplan schon zwei Jahre in der Pfarre war. Lars erinnert sich noch genau an den 29. Mai 1971, er war gerade 15 geworden. Peter war noch spät abends bei der Familie gewesen und hatte den Schlüssel vom Pfarrhaus vergessen. So übernachtete der Herr Kaplan in einem freien Bett im Zimmer der Jungen.

Als Lars Brüder eingeschlafen waren, gab Peter vor, ihm sei kalt. Ob Lars nicht zu ihm kommen wolle, um ihn zu wärmen. "Zunächst fand ich das angenehm, diesen Körperkontakt. Als er mir dann zwischen die Beine gegriffen hat, fand ich das komisch, ich habs aber zugelassen, weil ich dachte, bevor du jetzt Nein sagst und zurückgewiesen wirst, guckst du mal, was er will." So hat es angefangen. Lars, "der Spätzünder", hatte keine sexuellen Erfahrungen bis dahin, er war glatt und unbedarft, hatte wenig Interesse an Mädchen oder Jungs. Was da mit ihm und dem Priester geschah, habe er nicht wirklich realisiert. "Ich war völlig verwirrt, ich weiß zum Beispiel, dass mir den ganzen nächsten Tag über schlecht war. Ich kanns nicht mal jetzt richtig beschreiben, es gibt kein entsprechendes Gefühl dazu."

Am Folgetag holte der Priester Lars nach dem Mittagessen ab. Er solle niemandem erzählen, was da gelaufen sei, es sei aber sehr schön gewesen und er wolle, dass es weiter so ginge. "Ich konnte gar nichts dazu sagen", erzählt Lars heute, "ich war richtig kaltschweißig, auch am ganzen Körper, überall so fühllos ein bisschen. Und andererseits wollte ich die Nähe mit ihm nicht verlieren. Es war ganz widersprüchlich."

Peter, der gute Freund des Hauses, kam jetzt täglich, allerdings oft incognito. "Es gab ein Geheimzeichen. Peter ging hinters Haus und pfiff ,Leicht, leicht und bekömmlich', eine Werbemelodie für Margarine. Das war das Signal für mich, so schnell wie möglich von zu Hause loszukommen zu einem Treffpunkt, wo Peter mit dem Auto wartete." Sie fuhren dann in den Wald, meist unter dem Vorwand, den Hund spazieren zu führen, und "trieben es im Auto. Auf eine gewisse Art", sagt Lars, "war ich froh, von zu Hause wegzukommen."

Während der acht Jahre dieser Beziehungsgeschichte wurde Intimverkehr zum täglichen Ritual. "Wir haben jeden Tag Sex gehabt, sofern wir am selben Ort waren, jeden Tag." Der Priester nahm an der Entwicklung des Jungen teil, die ersten Schamhaare, die kamen, der Stimmbruch, alles faszinierte ihn, er drängte nicht gewaltsam, zumindest nicht am Anfang, er ließ sich befriedigen. Und es gab diesen Blick, den Peter bekommen konnte, wenn die Geilheit ihn überkam. "Das war ein kurzer Moment, da musste man durch. Er hat mich dann fixiert mit einem Grinsen, das fast etwas Dämonisches hatte, und ich hab dann gedacht, ach, jetzt gehts wieder los." Doch Peter war der Lehrer, und Lars war lange Zeit noch per Sie mit ihm, auch im Bett. Erst sehr spät kam Penetration hinzu. "Ich kann mich an eine Situation erinnern, da wollte er das unbedingt, und es hat tierisch weh getan. Ich hab gesagt, ich will nicht, er hat aber trotzdem weitergemacht. Das war das einzige Mal, dass es so ein bisschen Gewalt war."

Mit 16 beendete Lars die Schule, doch die Beziehung zum Priester lief weiter, der holte seinen Geliebten von den diversen Lehr- und Arbeitsstellen mit dem Auto ab. Ende 1973 übernahm er eine eigene Pfarrei in der Nähe des Bodensees, und ein halbes Jahr später zog Lars, der es zu Hause nicht mehr aushielt, zu ihm.

Was wissen die Leute, was wollen sie wissen? "In der Gemeinde hieß es, ach der Pfarrer, der ist sozial, er hat viele Räume und nimmt einen jungen Mann auf." Lars Mutter ahnte nichts, der Vater interessierte sich nicht. Erst spät, 1977, also im sechsten Jahr der Beziehung, hat Lars sich seiner Schwester gegenüber geöffnet, "doch die war völlig überfordert, sie hat komisch reagiert." Spätestens ab da aber gab es das Gerücht über ihn und den Pfarrer zumindest im Geschwisterkreis. Geredet hat aber niemand, es gab kein Außen. Und wusste die Kirche? Die wusste. Viel später, um 1990 herum, ließ der Personalreferent der zuständigen Erzdiözese Lars über einen Dritten mitteilen, wenn er überdies Psychotherapie bräuchte, könne er sich melden. Der Personalreferent von damals ist heute ein hoher Würdenträger der katholischen Kirche Deutschlands.

Recht besehen, ist vieles an der Geschichte kein Skandal. Als Lars zu Peter zog, war er 18 und - nach heutigen Vorstellungen jedenfalls - alt genug. Vieles wäre kein Problem, wenn Sex keine Sünde wäre. So aber griff das Schweigesystem, und das war es, was Lars, der einen Vaterersatz suchte und dafür seinen Preis zahlte, nachhaltig verletzte. Er hat in Autos übernachtet, um nicht gesehen zu werden, er war verfügbar in den kurzen Zeiten, wenn der viel beschäftigte Pfarrer eine Erleichterung brauchte. Er war ein Schatten, ein Nichts, ein Niemand, und er war mit der Sache hoffnungslos allein.

Das brutale Ende
Ihr Ende fand die Geschichte, als der Priester seine 18 Jahre jüngere Haushälterin schwängerte. Ein Klassiker eigentlich. Über die Art der Trennung ist Lars lange nicht hinweggekommen, kühl und brutal wurde er vor die Tür gesetzt. Der Priester beantragte seine Laisierung und löste den Pfarrhaushalt auf, ohne noch einmal wirklich mit Lars zu sprechen. Er wurde dann - man bleibt ja Pädagoge - Leiter eines Landschulheims am Bodensee.

Fünf Jahre hat es gedauert, bis Lars wieder eine sexuelle Beziehung aufbauen konnte. dazwischen war nichts, er hat nur "geheult, gejault, gelitten wie ein Schwein". Trennungen sind oft traumatisch - was den Rest seines Lebens aber überschattet, ist der Verrat, das Gefühl, die besten, wichtigsten Jahre verschenkt zu haben an eine Abhängigkeit, ein Versteckspiel, bei dem es nie um ihn ging.

Sexuelle Ausbeutung wäre das passende Wort, das Lars nicht verwendet. War es Missbrauch? "Am Anfang war es das auf alle Fälle, für die ersten zwei Jahre", sagt Lars. "Aber ich kann die Grenze nicht genau ziehen, weil es bei mir zur Gewohnheit wurde, weil irgendwann auch der Punkt kam, an dem es mir Spaß machte und ich mich darauf eingelassen hatte. Ich denke dann, nach zwei Jahren hättest du ja, wenns nur Missbrauch gewesen wäre, ein bisschen mehr Abwehr zeigen können, du hast dich ja gar nicht wirklich gewehrt, hast ja nicht wirklich was unternommen." Immer die alten, nie auszuräumenden Zweifel über die eigene Mittäterschaft, typisch für Missbrauch als der perfektesten Kunst, mit Grauzonen zu spielen.
 (*Alle Namen geändert)

"Wir opfern die Grundrechte"

Brüssel will europaweite Netzsperren
EU-Kommissarin Malmström fordert europaweite Netzsperren gegen Kinderpornografie. Die Piratenpartei in Brüssel ist schockiert und hält ihre Argumente für billige Politpolemik.

VON DANIELA WEINGÄRTNER

Internetsperren stoßen nicht nur in Deutschland auf massiven Widerstand der Communities.
Der Streit darüber, ob man Internetbetreiber als Hilfssheriffs einsetzen darf, geht in die nächste Runde. Während in Deutschland FDP, Sozialdemokraten und Grüne laut darüber nachdenken, wie das seit Februar geltende Netzsperren-Gesetz möglichst schnell wieder aus der Welt geschafft werden kann, nimmt Brüssel einen neuen Anlauf im Kampf gegen Kinderpornografie.

Die Mitgliedsstaaten sollen jetzt unter anderem sicherstellen, dass der Zugang zu kinderpornografischen Seiten gesperrt werden kann. Sollte sich Innenkommissarin Cecilia Malmström mit ihren Plänen durchsetzen, müssten alle EU-Staaten die entsprechenden Maßnahmen umsetzen – auch Deutschland.

Der Richtlinienvorschlag fordert einen EU-weiten Strafrahmen von fünf Jahren für leichte Vergehen und bis zu zehn Jahren für schwere Fälle von sexuellem Missbrauch und sexueller Ausbeutung von Kindern. Strafbar soll künftig auch das "grooming" sein, also Kinder über das Internet anzulocken, sie vor Webcams sexuell posieren zu lassen oder kinderpornografische Inhalte online zu betrachten. Pädophile Sextouristen sollen bei der Rückkehr überall in der EU strafrechtlich verfolgt werden können. Die Opfer sollen während der Verfahren besonders geschützt werden, indem ihnen die Aussage per Video ermöglicht und ein kostenloser Rechtsberater zur Seite gestellt wird. Für die Täter soll es maßgeschneiderte Resozialisierungsprogramme geben.

Diese Forderungen dürften in den meisten Mitgliedsstaaten akzeptiert werden. Doch die Internetsperren ansich stoßen in vielen Ländern auf massiven Widerstand der Communities. Vor allem junge Nutzer sehen darin nur einen ersten Schritt für umfassende Zensur im Netz. Entwürfe, die aus den Geheimverhandlungen zum Antipiraterieabkommen ACTA nach draußen drangen, bestätigen die Befürchtung, dass Provider zunehmend als Hilfspolizisten dafür sorgen sollen, dass nur noch gesetzeskonforme Inhalte über ihre Server verbreitet werden.

Internet-Experten haben schon beim deutschen Netzsperren-Gesetz Bedenken angemeldet, da die Blockaden leicht zu umgehen sind. Besser sei es, die Seiten einfach zu löschen. Innenkommissarin Cecilia Malmström kontert, dass die Seiten meist außerhalb der EU ins Netz gestellt werden und oft mehrmals am Tag die Adresse wechseln. Deshalb sei es schwierig, sie zu löschen.

Internetsperren hingegen könnten sehr wohl Wirkung zeigen. „Die meisten Pädophilen sind schließlich keine Hacker. Sie wissen nicht, wie man die Blockaden umgehen kann. Außerdem ist es wichtig, deutlich zu machen, dass es ein Verbrechen ist, die Seiten zu nutzen. Wenn man die Provider dazu zwingt, sie zu schließen, hat das auch abschreckende Wirkung.“

Malmströms Landsmann Christian Engström von der Piratenpartei hält diese Argumente für billige Politpolemik. „Ich war schockiert, als ich von den Plänen der Kommission erfuhr“, sagte er der taz. Schließlich garantiere Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention den freien Zugang zu Informationen. „Europa hat schlimme Erfahrungen mit Zensur gemacht. Diesen Weg sollten wir kein weiteres Mal beschreiten.“ Malmström habe sich als Oppositionspolitikerin für Meinungsfreiheit eingesetzt. „Nun opfert sie die Grundrechte, um politisch zu punkten.“ Allenfalls ein richterlicher Beschluss könne eine Sperre rechtfertigen. Keinesfalls dürfe es dazu kommen, dass Internetprovider auf der Grundlage einer Schwarzen Liste Seiten sperren müssten.


Malmström, die selbst zwei Kinder hat, hält dem entgegen: „Hier geht es nicht um Meinungsfreiheit sondern um ein enormes Verbrechen. Das Internet darf kein sicherer Hafen für Kriminelle sein. Was in gedruckter Form oder im Fernsehen verboten ist, darf auch im Internet nicht geduldet werden.“ Wer diese Fotos gesehen habe, könne nicht tatenlos bleiben. Sie sei sich der Unterstützung vieler Europaabgeordneter und vieler Mitgliedsstaaten sicher. Sollte nur Deutschland die Richtlinie blockieren, würde das nichts nützen. Nach dem neuen Lissabonvertrag entscheiden Rat und Europaparlament jeweils mit Mehrheit über das neue Gesetz.

Immigranten in Spanien: Selbst als Tagelöhner zu teuer

Vor zehn Jahren machte El Ejido in der Provinz Almeria Schlagzeilen wegen der Hatz auf Immigranten. Geblieben sind sie dennoch. Nur haben sie heute keine Arbeit mehr.
VON REINER WANDLER
Hoffen auf die Aufenthaltsgenehmigung: Immigranten in Spanien.

MADRID | Auf dem "Bulevard" in El Ejido liegen Glanz und Elend eng beisammen. In der Ortsmitte zieren Banken und Sparkassen aus allen Regionen Spaniens die Hauptstraße. Geschäfte bieten zum Kauf, was sonst nur in großen Städten zu finden ist. Doch oben, dort wo der "Bulevard" den Ort Richtung Autobahn verlässt, sieht es ganz anders aus.

Im Morgengrauen warten Dutzende Immigranten, für einen Tag angeheuert zu werden, um in den Folienzelten zu arbeiten, die halb Europa mit Gemüse versorgen. "Seit Monaten hält kaum mehr ein Lieferwagen", beklagen sie sich, egal ob sie aus Osteuropa, dem Maghreb oder Schwarzafrika kommen. Spanien steckt in der Krise. Und die macht auch vor El Ejido und seinen Immigranten nicht halt.

Der karge Landstrich in der Provinz Almería in Südspanien sieht aus, als hätte Verpackungskünstler Cristo zugeschlagen. Knapp 40.000 Hektar verschwanden in den letzten 30 Jahren im Küstenstreifen am Mittelmeer unter Folienzelten. Wasser aus Tiefbrunnen und das gute Wetter ermöglichen das ganze Jahr über Rekordernten. Kein Markt, kein Discounter in Europa, der ohne das Gemüse aus Almería auskommt. Tausende Tonnen Tomaten, Gurken, Zucchinis oder Auberginen werden hier täglich geerntet, verpackt und per Lkw in den Norden verfrachtet. Viele der Immigranten, denen die Einreise nach Spanien ohne Papiere gelungen ist, landen hier.

El Ejido geriet vor zehn Jahren erstmals in die internationalen Schlagzeilen. Im Frühjahr 2000 machten die Bewohner der 80.000 Köpfe zählenden Gemeinde mit Knüppeln, Baseballschlägern und Schrotflinten Jagd auf Marokkaner, nachdem ein psychisch kranker Immigrant ein Mädchen aus dem Dorf ermordet hatte. Über 70 Nordafrikaner wurden damals zum Teil schwer verletzt. Von rund 700 Anzeigen nach dem Pogrom führte keine einzige zum Prozess.

Längst ist El Ejido aus den Schlagzeilen verschwunden. Doch geändert hat sich wenig. "Durch die Wirtschaftskrise hat sich die Lage der Immigranten sogar noch verschlechtert", erklärt Spitou Mendy von der Landarbeitergewerkschaft SOC. Der Senegalese besucht regelmäßig die im Plastikmeer Gestrandeten in ihren improvisierten Unterkünften mitten in der Folienlandschaft. Die Ärmsten der Armen besetzen leerstehende Geräteschuppen oder zimmern sich aus Folien und Holz Hütten zusammen. Wasser und Strom werden illegal angezapft. Eigentlich sollten die Immigranten besser bezahlt werden, auch neue Unterkünfte sollten entstehen. Denn nach dem Pogrom und einem mehrtägigen Generalstreik hatte die Gewerkschaft ein entsprechendes Abkommen mit der Unternehmern erzielt. "Keine einzige Zusage ist umgesetzt worden", beschwert sich Mendy.

"Ich habe seit sechs Monaten keinen einzigen Tag mehr gearbeitet", berichtet ein junger Marokkaner aus Kenitra. Seit die Bauindustrie zusammengebrochen ist und der Tourismus in der Flaute steckt, sind in Almería 25 Prozent arbeitslos, 5 Prozent mehr als in ganz Spanien. Wie so viele hier lebt der junge Nordafrikaner von der Hilfe seiner Landsleute. Außerdem bezieht er Geld von seinen Eltern aus Marokko. Warum er dann immer noch da ist? "Ich will drei Jahre durchhalten und dann Papiere beantragen. Dann wird alles besser", erklärt er. Laut spanischem Gesetz erhält derjenige eine einjährige Aufenthaltsgenehmigung, der "Verwurzelung" im Lande nachweisen kann.

"Ich kann es mir nicht erlauben, jemanden zu beschäftigen", erklärt Jungbauer Francisco. Er besitzt zusammen mit seinem Vater zwei Hektar. Großbauern gibt es hier kaum. Rund 27.000 Landwirte teilen sich die knapp 40.000 Hektar. 60 Prozent sind in Genossenschaften organisiert. Diese verkaufen direkt an Großkunden überall in Europa. Der Rest bringt die Produkte zu täglichen Versteigerung. Beim Gewinn macht dies allerdings nur wenig Unterschied. "Das Geschäft läuft dieses Jahr ganz schlecht", erklärt Francisco, der sich selbst als Opfer des Systems sieht. Er bekommt im Schnitt 50 bis 60 Cent pro Kilo Tomaten. "Um die Kosten zu decken, bräuchte ich 70 Cent." Immer öfter müssen Familienmitglieder als Erntehelfer herhalten. Denn selbst die ausländischen Tagelöhner, die 37 Euro am Tag erhalten, sind zu teuer.

Google Inc. sperrt Blog aus Kuba

Seite "La Isla desconocida" des kubanischen Publizisten Enrique Ubieta zensiert. Anfragen des Betroffenen bleiben ohne Antwort

Von Harald Neuber
 
Google Inc. sperrt Blog aus Kuba
Im "Cache" von Google noch zu sehen:
Zensierter Blog Ubietas

Der US-amerikanische Google-Konzern geht offenbar verstärkt gegen Journalisten aus Kuba im Internet vor. Wie die Nachrichten- und Debattenportale Cubadebate.cu und ciudadccs.org.ve berichten, wurden dem kubanischen Publizisten und Schriftsteller Enrique Ubieta alle Zugänge zu den Diensten des weltweit führenden Internetanbieters gesperrt. Betroffen sind das E-Mail-Konto Ubietas und dessen Blog "La Isla desconocida". Auf dieser Seite hatte sich Ubieta, Herausgeber der Zeitung "La Calle del Medio", zuletzt kritisch mit der Berichterstattung internationaler Medienkonzerne über die sozialistische Regierung in Havanna befasst.

Wenige Stunden vor der Sperrung seines Zugangs am Samstag hatte der Journalist nach eigenen Angaben einen Essay mit dem Titel "Demonizar a Cuba" ("Kuba dämonisieren") veröffentlicht. In dem Text setzte sich Ubieta mit den politischen Hintergründen der negativen Berichterstattung über die kubanische Staatsführung auseinander.

Als er sich wenige Stunden später erneut einwählen wollte, erschien statt seinem E-Mail-Konto eine Fehlermeldung. "Ich achtete nicht weiter darauf, weil ich davon ausging, dass es sich um ein Problem meines Computers oder der in Kuba ja langsamen Internetverbindung handelt", schrieb er in einer Stellungnahme. Als er sein Blog öffnen wollte, kam jedoch die zweite Überraschung. Dort hieß es: "Leider wurde das Blog unter la-isla-desconocida.blogspot.com entfernt. Diese Adresse ist für neue Blogs nicht verfügbar."

Wenn es sich um einen Akt der Zensur handeln sollte, "so glaube ich nicht, dass es um einen speziellen Beitrag ging", so Ubieta. Eine solche Zensur wäre ein weiterer Beweis, dass es im Internet nicht um einen freien Wettbewerb der Ideen geht, schrieb der Journalist, dessen schriftliche Anfragen an den Google-Konzern bislang ohne Reaktion blieben. Inzwischen hat Ubieta einen neuen Blog bei dem Anbieter Wordpress gestartet.

«Widerlicher Terror-Akt» tötet 15-Jährigen

Bei einer Bombenexplosion am Sonntagabend in Athen ist ein 15-jähriger Afghane getötet worden. Seine zehnjährige Schwester und seine Mutter wurden verletzt. Die Familie war laut ersten Informationen der Polizei beim Lumpensammeln auf die Bombe gestossen. Der griechische Bürgerschutzminister Michalis Chryssohoidis nannte die Bombenexplosion einen «widerlichen terroristischen Akt».  
Spurensicherung am Explosionsort - ein 15-jähriger Lumpensammler war das Opfer einer Terroristen-Bombe.
 
Die Bombe detonierte um 22.50 Uhr (Ortszeit) vor einer Fortbildungsstätte für Staatsangestellte im dicht bewohnten Stadtteil Patissia.

Zufällig auf Mülleimer gestossen
Polizeioffiziere vermuteten am Montagmorgen, dass eine der vielen griechischen Untergrundorganisationen die Bombe vor dem Eingang des Gebäudes deponiert hatte. Solche Gruppen verüben in Griechenland immer wieder Anschläge.

Die afghanische Familie durchsuchte Mülleimer und Abfall und sei zufällig auf die Bombe gestossen. Das Opfer hätte den Sprengsatz hochgenommen, um zu sehen, ob es sich etwas Wertvolles handelte, mutmassten Polizisten. Dabei kam es zur Explosion.

«Wahrscheinlich fand und öffnete der junge Mann den Sack mit der Bombe, die sofort explodierte», schreibt die Polizei in einem Communiqué.

Psychologen leisten Hilfe
Psychologen und Mitglieder afghanischer Migrantenorganisationen versuchten in der Nacht der verletzten Frau und dem Mädchen zu helfen und die genauen Umstände der Bombenexplosion zu klären. Offizielle Angaben der Polizei gab es nicht. Der Tatort blieb bis in die frühen Morgenstunden weiträumig abgesperrt.

Erst am vergangenen Wochenende waren drei Bomben in Athen detoniert, es wurde niemand verletzt. Eine linksgerichtete Untergrundorganisation übernahm die Verantwortung dafür.

Bürgerschutzminister: Das widerliche Gesicht des Terrors
«Der Terrorismus hat sein widerliches Gesicht gezeigt. Ein junger Mann hat sein Leben in einer von Terroristen gestellten tödlichen Falle verloren», wurde Minister Chryssohoidis in einem Communiqué zitiert.

«Die Mörder sehen in allen Menschen einen Feind, sei es ein Polizist, ein Immigrant oder ein beliebiger Bürger», sagte er weiter und betonte, dass die Schuldigen «verhaftet und der Justiz übergeben werden».

Sonntag, 28. März 2010

Papst wehrt sich gegen "belangloses Geschwätz"

Papst Benedikt XVI.: Palmsonntagspredigt mit Seitenhieb auf Kritiker und MedienDie katholische Kirche kämpft mit Vertrauensverlust, weil Fälle sexuellen Missbrauchs vertuscht wurden. Eine persönliche Verwicklung hat der Papst am Sonntag indirekt als "belangloses Geschwätz" zurückgewiesen. Das Versagen der Kirche bei der Aufklärung belegen weitere Enthüllungen aus den USA.

Rom - Der Papst hat bei seiner Predigt am Palmsonntag an ihn gerichtete Kritik und Verdächtigungen zurückgewiesen. Sein Glaube gebe ihm die Kraft, sich nicht von Kritikern einschüchtern zu lassen, sagte er im Hinblick auf den Skandal um vertuschte Fälle sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche. Der 82-Jährige sprach zu Beginn der Karwoche vor Zehntausenden Menschen auf dem sonnigen Petersplatz in Rom.
Obwohl er nicht direkt auf den Skandal um sexuellen Missbrauch von Kindern durch Priester zu sprechen kam, konnten Teile seiner Predigt durchaus als Antwort auf die momentane Krise in der Kirche gesehen werden. Papst Benedikt XVI. sagte, der Glaube an Jesus Christus gebe einem die Stärke, sich "nicht vom belanglosen Geschwätz der vorherrschenden Meinung einschüchtern zu lassen". Der Glaube führe zu Geduld, die den einzelnen und andere unterstütze. Er sprach außerdem davon, wie der Mensch manchmal "auf die niedrigsten, vulgärsten Ebenen" falle und "in den Sumpf von Sünde und Unehrlichkeit" sinke.

In einem auf portugiesisch vorgetragenen Gebet wurde Gott angerufen, jungen Menschen und denjenigen, die mit deren Erziehung und Schutz betraut sind, zu helfen. Wie Radio Vatikan berichtete, sollte dies die Haltung der Kirche in dieser schwierigen Zeit ausdrücken, in der sie mit "der Plage Pädophilie" konfrontiert sei.

Während in Europa und den USA immer neue Details zu Missbrauchsfällen bekannt werden, befindet sich der Vatikan in der Defensive. Kritische Berichte in den Medien wies die Kirche als "schmachvollen Versuch" zurück, Papst Benedikt und seinen engsten Berater "um jeden Preis" zu schaden. Am Samstag hatte der oberste Sprecher der Kirche jedoch eingeräumt, die Reaktion auf den Missbrauchsskandal sei entscheidend für die Glaubwürdigkeit der Institution. Selbst jahrzehntealte Fällte müssten anerkannt und entschädigt werden.

Nach den Worten von Vatikansprecher Federico Lombardi zeigt der jüngste Hirtenbrief an die Katholiken in Irland den Aufklärungswillen des Papstes. Damit gebe Benedikt XVI. den Weg für "Heilung, Erneuerung und Wiedergutmachung" vor.

Neue Enthüllungen in den USA
Der Auftakt der Karwoche wird überschattet von neuen Enthüllungen über Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche. In den USA berichtete die "New York Times", dass gehörlose Jungen, die in den vergangenen Jahrzehnten von einem katholischen Priester missbraucht wurden, vergeblich bei kirchlichen und staatlichen Behörden der USA um Hilfe gebeten hätten. Katholische Laien in Deutschland forderten bei einem bundesweiten Treffen eine Neuausrichtung der katholischen Sexuallehre.

Die gehörlosen US-Missbrauchsopfer seien bei anderen Priestern, bei drei Bischöfen sowie bei Polizei und Staatsanwaltschaft vorstellig geworden, schrieb die "New York Times" am Samstag unter Berufung auf Dokumente und Aussagen Betroffener. Es gehe um bis zu 200 Opfer an einer Gehörlosenschule im Bundesstaat Wisconsin. Im Mittelpunkt steht den Angaben zufolge der inzwischen gestorbene Priester Lawrence Murphy, der von 1950 bis 1974 an der Schule gearbeitet hatte. 1996 habe der Erzbischof von Milwaukee, Rembert G. Weakland, den damaligen Chef der Glaubenskongregation Joseph Ratzinger in zwei Briefen informiert. Ratzinger - heute Papst Benedikt XVI. - habe aber nicht geantwortet.

Zugleich wurde bekannt, dass demnächst auch Vertreter des Vatikans vor US-Gerichte geladen werden könnten. Bei Bundesgerichten in zwei Bundesstaaten liegen nach Angaben der "Washington Post" derzeit Missbrauchsklagen gegen den Kirchenstaat vor.

Diskussion über Zölibat
Die Initiative "Wir sind Kirche" fordert eine Neuausrichtung der katholischen Sexuallehre. Es müsse eine breite Diskussion über die Zölibatsverpflichtung geben. Sonst könne die "so lange vertuschte sexualisierte Gewalt innerhalb der römisch-katholischen Kirche" nicht überwunden werden, teilte die Reformbewegung zum Abschluss ihrer dreitägigen Bundesversammlung am Sonntag in Würzburg mit. Die Laienorganisation werde genau verfolgen, ob die von den deutschen Bischöfen und Orden angekündigten Beratungs-, Hilfs- und Präventionsmaßnahmen wirklich umfassend und zeitnah in Gang gebracht werden.

Neuer Fall in Osnabrück
Im katholischen Bistum Osnabrück wurde ein neuer Missbrauchsverdacht gegen einen Geistlichen bekannt. Ein Priester aus dem Emsland sei von seinen Ämtern entbunden worden, sagte ein Sprecher der Diözese. Der Geistliche habe am Freitag in einem Gespräch mit Bischof Franz-Josef Bode die Vorwürfe eingeräumt und sich der Staatsanwaltschaft gestellt. Es handele sich nicht um einen aktuellen Fall.

Niederlande kippt Verjährungsfrist
Wer in den Niederlanden Kinder sexuell missbraucht, soll dafür künftig bis an sein Lebensende strafrechtlich verfolgt werden können. Die Verjährungsfrist für solche Taten werde aufgehoben, kündigte Justizminister Ernst Hirsch Ballin im Fernsehen an. Für ein entsprechendes Gesetz gebe es eine klare Mehrheit im Parlament. In Deutschland könnte die Debatte über die Verjährung von Kindesmissbrauch durch die Neuregelung im Nachbarland neue Impulse bekommen.

Bislang beträgt die Verjährungsfrist für sexuellen Missbrauch von Kindern in den Niederlanden 20 Jahre nach Volljährigkeit des Opfers. In der Bundesrepublik verjähren diese Taten nach dem 18. Geburtstag der Opfer; in besonders schweren Fällen 20 Jahre danach. Die niederländische Bischofskonferenz hat eine unabhängige Kommission zur Untersuchung aller Vorwürfe berufen. Bei der kirchlichen Hilfsorganisation "Hulp & Recht" (Hilfe und Recht) gingen bislang mehr als 1100 Hinweise ein.

Netanjahu fürchtet Washingtons Zorn

"Obama-Desaster"

Israels Siedlungspolitik hat die Beziehungen zu den USA deutlich abgekühlt. Nach einem Artikel in der "Jediot Acharonot" fürchtet die Regierung Netanjahu offenbar eine weitere Verschlechterung. Ein angeblicher Vertrauter des Ministerpräsidenten hat US-Präsident Obama darin als Desaster bezeichnet.

Jerusalem - Es sind deutliche Worte, die das Blatt am Sonntag zitiert. "Jediot Acharonot", auflagenstärkste Tageszeitung Israels, lässt einen anonymen Vertrauten von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zu Wort kommen. Und dieser Vertraute bezeichnet US-Präsident Barack Obama als "größtes Desaster" für den jüdischen Staat. Israel habe ein "echtes Problem", sagte die Person dem Artikel zufolge weiter.

Die israelische Regierung schreckte hektisch auf und reagierte umgehend. Netanjahu erklärte gleich zu Beginn einer Kabinettssitzung am Sonntag, die Bemerkungen seien inakzeptabel. "Sie stammen nicht von jemanden, der mich vertritt." In Richtung Washington verkündete er beschwörend: "Die Beziehungen zwischen Israel und den USA sind die zwischen Verbündeten und Freunden und beruhen auf langjährigen Traditionen."

Zwischen beiden Regierungen gibt es derzeit deutliche Verstimmungen wegen des geplanten Baus von 1600 jüdischen Wohnungen im besetzten Ost-Jerusalem. Der Zeitung zufolge erklärte der Netanjahu-Vertraute: "Wir haben ein Problem mit einer sehr, sehr feindlich eingestellten Regierung. So etwas wie das hat es vorher nie gegeben. Wir haben ein richtiges Problem. Man kann sagen, dass Obama das größte Desaster für Israel ist, ein strategisches Desaster."

Die israelische Regierung war bei ihrer anschließenden Erklärung offenbar bemüht, jede weitere Verschlechterung der Beziehungen zu verhindern. Netanjahus Stellungnahme wurde per SMS an Journalisten geschickt, und anschließend rief ein Sprecher des Premiers zweimal an, um sich zu vergewissern, dass sie veröffentlicht werden würde.

Netanjahu hatte sich in der vergangenen Woche in Washington mit Obama getroffen. Dabei gaben sich die Politiker vor laufender Kamera nicht einmal die Hand - ganz zu schweigen von einer gemeinsamen Abschlusserklärung. Israelische Beobachter sprachen von einer Demütigung ihres Regierungschefs. Die amerikanische Regierung hatte sich zuvor darüber erbost gezeigt, dass der Plan zum Bau der umstrittenen Wohnungen auch noch ausgerechnet dann bekannt wurde, als Vizepräsident Joe Biden gerade Israel besuchte. Beobachter sprachen damals von einer Provokation. Die israelische Regierung entschuldigte sich, lehnt jedoch die Forderung der USA ab, auf den Bau zu verzichten.

Armee verlässt Gaza-Streifen
Die israelische Siedlungspolitik ist ein zentraler Streitpunkt bei den Nahost-Friedensgesprächen mit den Palästinensern. Zuletzt ist die Lage wieder eskaliert. Nach den schärfsten Auseinandersetzungen mit Palästinensern seit mehr als einem Jahr hat sich die israelische Armee am Sonntag aus dem Gaza-Streifen zurückgezogen. Zwei Israelis und ein Palästinenser wurden bei den Gefechten getötet, die die Verhandlungen weiter belasten dürften.

In Libyen rief am Wochenende der Chef der Arabischen Liga dazu auf, nach Alternativen zu dem bisherigen Friedensprozess zu suchen. Es sei möglich, dass der jetzige Ansatz komplett scheitere, sagte Generalsekretär Amr Mussa.

Thomas Karaoglan checkt aus

"Ballermann vs. Balladen" - unter diesem Motto stand DSDS am Samstagabend. Der nachgerückte Manuel Hoffmann behauptete sich. Gehen musste Thomas Karaoglan.

Köln - "Ballermann vs. Balladen" stand diesen Samstagabend bei "Deutschland sucht den Superstar" auf dem Programm. Prollschlager und Schmachtfetzen, Prost, Mahlzeit. "Schauspielerische Leistung" wolle man auf diese Weise abfragen, so Chefjuror Dieter Bohlen, "die Kandidaten auch mal ein bisschen quälen." Das Publikum offenbar gleich mit - doch das hat sich angesichts vergangener Zumutungen in Sachen Songauswahl längst auf ein gewisses Schmerzlevel eingegroovt.

Woran man sich jedoch einfach nicht gewöhnen möchte: Die immer länger und länger werdenden Einspieler rund um die Kandidaten. Ausgiebigst rollte man, neben ausufernden Berichten über eine abgebrochene Autogrammstunde der Teilnehmer, zu Beginn der Sendung noch einmal den Fall Helmut Orosz auf.

Man zerrte den zerknirschten Delinquenten und seine in Tränen schwimmende Mutter vor die Kamera - als hätten nicht alle, die es wissen wollen, längst mitbekommen: Helle hat gekokst, war so wenig helle, es zuzugeben, ist raus - und der vergangene Woche eigentlich abgewählte Manuel Hoffmann darf erneut sein Glück versuchen.

"Etwas irritiert": Manuel Hoffmann
Seine zweite Chance nutzte der 19-Jährige bestens: Er gab zunächst den gruseligen DJ-Ötzi-Heuler "Ein Stern" - diesmal kein belangloses, wohl aber ein veritables Scheißlied. "Das ist nicht deine Musik", kommentierte Juror Volker Neumüller - ein Punkt, der eigentlich nur für Manuel spricht.

Im zweiten Durchgang lieferte er mit Elton Johns "Sorry Seems To Be The Hardest Word" dafür "den besten Auftritt, den du hier je hattest" ab - offenbar nicht nur in Neumüllers Augen: Entgegen aller Erwartungen erreichte Manuel die nächste Runde. Selbst hatte er wohl am wenigsten damit gerechnet: "Ich bin etwas irritiert", so seine zurückhaltende Reaktion.

Thomas Karaoglan checkt aus
Anstelle des Nachrück-Kandidaten schied Thomas Karaoglan aus. Er durfte nach kaum halbstündigem Vorabgeschwätz den Reigen wieder einmal eröffnen und präsentierte sich mit einer Party-Nummer aus dem Fundus der Atzen Frauenarzt und Manny Marc voll und ganz in seinem Element. "Besser gesungen als das Original", lobte Bohlen - was bei diesem Titel zwar keine Kunst ist. Dass "Das Geht Ab" für den zum Checker aufgebauten Jüngling letztlich aber "Ab Nach Hause" bedeutete, lag nicht unbedingt auf der Hand.
Zumal Thomas auch das ihm fremdere Balladen-Genre halbwegs meisterte: Seine Version von Ben E. Kings "Stand By Me" geriet ihm zumindest nicht zur Lachnummer. Auch dafür, dass er sich am Ende noch so tapfer bei seinen Fans bedankte: Respekt, Kleiner.

Kim qualifiziert sich für den Musikantenstadl
Mit Thomas zitterte Kim Debkowski um ihr Fortkommen. Mit "Du Hast Mich Tausendmal Belogen" von Andrea Berg qualifizierte sie sich in der ersten Runde zwar für jeden Musikantenstadl der Welt. Ihr "Almost Lover" (A Fine Frenzy) tönte dann aber doch arg saftlos. Die Stimme des letzten verbliebenen Mädchens soff zwischen Uuuh-Uuuh-Chören nahezu komplett ab.

Die Unkereien vom Jury-Tisch bewahrheiteten sich um Haaresbreite: Kim zog als letzte in die nächste Runde ein. Eine weitere Bastelstunde am nächsten Samstag steht also zu befürchten.

Menowin & Mehrzad weiter: Formsache
Angesichts der Konkurrenz verkam das Überleben der beiden Favoriten, deren Verhältnis untereinander sich auf sibirische Temperaturen abgekühlt zu haben scheint, nahezu zur Formsache. Bei Menowin Fröhlich liegen trotzdem inzwischen die Nerven sichtlich blank: Er zeigte sowohl bei Haddaways "What Is Love" als auch bei "How Deep Is Your Love" Unsicherheiten in Text und Auftreten.

Insbesondere die Balladen-Darbietung enttäuschte, vergaloppierte sich Menowin doch arg im Tempo. Bohlen wollte das nicht gehört haben, lobte sich in beiden Fällen schier vom Hocker.

Guter Musikgeschmack? Denkste!
Dafür bekrittelte er die Songauswahl Mehrzad Marashis, schmähte Shaggys "Mr. Boombastic" als "Scheißnummer" und - wieder einmal - als "Hühnerkacke", ungeeignet für einen Sänger von Mehrzads Qualitäten. Wie bitte? Seit Casting-Tagen möchte ich Mehrzad Shaggy-Tunes interpretieren hören (und sehen!).
Smoooooooth. Danke dafür, ich fühlte mich blendend unterhalten und wieder einmal in der Vermutung bestätigt, dass Bohlen ganz sicher etwas von verkaufszahlenträchtiger, nichts jedoch von guter Musik versteht - und Coolness noch nicht einmal dann erkennt, wenn sie ihm mit dem Arsch voran ins Gesicht springt. Ach, ja: Mehrzads Ballade, "Hard To Say I'm Sorry" von Chicago, war gut. Nichts Neues also, im Staate Superstar.

Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Jenaer Chefarzt

MDR: Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Jenaer Chefarzt
Staatsanwaltschaft Gera ermittelt einem Bericht des MDR zufolge gegen einen Chefarzt der Uni-Klinik Jena wegen Verdachts der Nötigung. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft sagte dem MDR Thüringen Journal am Sonntag in Erfurt, dem Mediziner werde vorgeworfen, Mitarbeiter unter Androhung von Sanktionen zu Überstunden gezwungen zu haben.

Jena/Gera (ddp-lth). Die Staatsanwaltschaft Gera ermittelt einem MDR-Bericht zufolge gegen einen Chefarzt der Uni-Klinik Jena wegen Verdachts der Nötigung. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft sagte dem MDR Thüringen Journal am Sonntag in Erfurt, dem Mediziner werde vorgeworfen, Mitarbeiter unter Androhung von Sanktionen zu Überstunden gezwungen zu haben. Damit sei möglicherweise auch gegen Arbeitszeit-Regelungen verstoßen worden. Die Ermittlungen seien durch eine anonyme Anzeige ausgelöst worden. Vor wenigen Wochen seien in diesem Zusammenhang Akten und Computer in der Klinik sichergestellt worden.


Westerwelle in Badehose

Wer bestimmt die Linien in der Außenpolitik: Außenminister oder Kanzlerin?
Wer bestimmt die Linien in der Außenpolitik:
Außenminix oder Kanzlerin?
Die Kanzlerin stellt ihren Außenminister bloß. Sie wirbt vor ihrer Türkei-Reise für eine privilegierte Partnerschaft, ganz anders als Westerwelle.
Es war ein peinlicher Momente in Guido Westerwelles noch kurzer Amtszeit als Außenminister. Westerwelle war im Januar in Ankara, zum Antrittsbesuch in der Türkei. Zu Hause, in Kreuth, spielte die CSU mal wieder verrückt. Sie forderte von Westerwelle den sofortigen Abbruch der türkischen Beitrittsverhandlungen mit der EU. In dieser hitzigen Atmosphäre wurde er von türkischen Journalisten gefragt, was er eigentlich vom Vorschlag der Christdemokraten einer privilegierten Partnerschaft halte. Ob die neue Bundesregierung etwa nicht mehr für faire und ergebnisoffene Beitrittsverhandlungen der Türkei stehe.
Nun, zweieinhalb Monate später, stellt sich die Frage, inwiefern der Außenminister in Ankara wirklich für die Bundesregierung gesprochen hat. Angela Merkel jedenfalls, die an diesem Montag für zwei Tage in die Türkei reist, hat vor ihrer Abfahrt keinen Zweifel daran gelassen, dass sie das Gegenteil von dem bevorzugt, was Westerwelle in Aussicht gestellt hat. Für ihre Verhältnisse ungewöhnlich deutlich sagte Merkel dem Deutschlandfunk und anderen Medien: Sie sei "eher für eine privilegierte Partnerschaft", eben für das alte Unionskonzept, das zwar eine enge Bindung zwischen EU und Türkei vorsieht, aber eben keine Mitgliedschaft.

Merkel hat ihrem Außenminister damit die Badehose angezogen. Seiner bisherigen Türkei-Politik hat sie nicht einmal widersprochen, sie hat sie schlicht ignoriert. Offiziell würden die beiden dem zwar widersprechen: Offiziell halten sich beide an den Koalitionsvertrag. Allerdings stehen hier, auf Seite 109, Sätze, die bewusst Spielraum lassen: "Deutschland hat ein besonderes Interesse an einer (...) Anbindung der Türkei an die Europäische Union." Und ein Absatz weiter: "Sollte die EU nicht aufnahmefähig oder die Türkei nicht in der Lage sein, alle mit einer Mitgliedschaft verbundenen Verpflichtungen voll und ganz einzuhalten, muss die Türkei in eine Weise, die ihr privilegiertes Verhältnis zur EU weiterentwickelt, möglichst eng an die europäischen Strukturen angepasst werden."   

Zwei Interpretationen sind möglich. Entweder: Die Möglichkeit des Beitritts sollte so lang und gutwillig wie möglich ausgelotet werden. Oder eben: Ein privilegiertes Verhältnis ist anzustreben, da es an der "vollen und ganzen" Erfüllung der Anforderungen ohnehin hapern könnte.

Merkels Vertraute lassen wenig Zweifel daran, dass die Kanzlerin zur zweiten Interpretationsgruppe gehört. Gründe gegen einen türkischen EU-Beitritt gäbe es schließlich zuhauf, heißt es aus dem Umfeld der Kanzlerin. So hinke die Türkei den anderen EU-Ländern in vielen Standards hinterher: Etwa in der Sozialpolitik (beispielsweise hinsichtlich der Rechte von Gewerkschaften), der Justiz (Parteiverbote) oder der Wettbewerbspolitik. Außerdem belaste der Zypern-Streit nach wie vor das Verhältnis.

Aber, heißt es aus dem Umfeld der Kanzlerin, das Problem liege nicht nur in der Türkei, sondern auch in der EU selbst. Ihr sei die "intensive Erweiterungspolitik" in den letzten Jahren nicht unbedingt gut bekommen. Merkel lege Wert darauf, dass die EU ihren Charakter nicht verliert und durch weitere Beitritte geschwächt werde, heißt es. Ein Riesenland wie die Türkei mit ihren 72 Millionen Einwohnern würde das Kräfteverhältnis gravierender verändern als beispielsweise Kroatien, dessen Beitrittsbemühungen Merkel wohlgesinnt beobachtet.

Die Außenpolitiker der FDP reagieren angesäuert auf Merkels Türkei-Politik. Über den Begriff "privilegierte Partnerschaft" wolle er gar nicht erst reden, sagt der außenpolitische Sprecher der Partei, Rainer Stinner, ZEIT ONLINE. Die FDP unterstütze das Beitrittsgesuch der Türkei. Schließlich sei die ein strategisch wichtiges Land, Deutschland müsste großes Interesse daran, dass die augenblickliche "Westorientierung der Türkei" und der Reformprozess nicht durch europapolitische Enttäuschungen geschwächt werde.  

Andere FDP-Politiker klagen, Merkel brüskiere unnötig die Türkei (und obendrein den Außenminister). "Wenn sie von vornherein sagt: Wir streben bloß eine Mitgliedschaft light, an, ist das nicht glaubwürdig, wenn sie gleichzeitig bekräftigt, sich einen ergebnisoffenen Prozess zu wünschen", klagt ein liberaler Außenpolitiker. Merkel schiele auf die latent Türkei-skeptische Haltung ihrer Partei und auf Stammtisch-taugliche Positionen kurz vor der NRW-Wahl, hört man von enttäuschten Liberalen.  
Womit sie Recht haben. Wenn Merkel einen Türkei-Beitritt für nicht wünschenswert hält, fragt sich, warum sie die mühsamen Beitrittsverhandlungsprozess dennoch vorgeblich unterstützt. So sind Enttäuschungen seitens der Türkei vorprogrammiert. Derzeit lässt die Kanzlerin die reformwillige Regierung am ausgestreckten Arm auf Distanz. Die Ambivalenz stört die Reformer, die sich von der deutschen Kanzlerin zunehmend hingehalten fühlen. Anders als von ihrem Vorgänger Gerhard Schröder, der, wie auch Ex-Außenminister Steinmeier, als Förderer der türkischen EU-Integration galt.

Westerwelle wollte dieser Tradition eigentlich folgen. Jetzt zeigt sich: Ein schüssiges Konzept für ihre Türkei-Politik hat die schwarz-gelbe Bundesregierung nicht. Die Kanzlerin demonstriert Richtlinienkompetenz. Und Westerwelle trägt Badehose. 
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Brandanschlag auf Politikerauto in Berlin

Vermutlich Neonazis haben auf das Auto der frauenpolitischen Sprecherin der Linksfraktion, Evrim Baba, in der Nacht zu Freitag einen Brandanschlag verübt. Ein Anwohner sah am frühen Freitagmorgen die Flammen am Reifen des Renault-Cabrio in Lichtenberg, löschte das Feuer und alarmierte die Polizei.


Von Johannes Radke und Frank Jansen


Nach Aussagen des Zeugen flüchtete der dunkel gekleidete Täter auf einem Fahrrad in Richtung Ostkreuz. Laut Polizei muss nach bisherigen Erkenntnissen von einem rechtsextremistischen Motiv ausgegangen werden. Der Staatsschutz ermittelt. In Sicherheitskreisen war allerdings zu hören, die Tat könnte auch einen unpolitischen Hintergrund haben.


Die Politikerin hatte mehrfach Gegenveranstaltungen zu Demonstrationen der rechten Szene angemeldet und wurde auf Internetseiten massiv beschimpft. „Es gab Drohungen und vor einigen Tagen haben Unbekannte eine stinkende Flüssigkeit, vermutlich Buttersäure, in mein Auto geschüttet. Es war seitdem unbenutzbar“, sagte Baba. Sie werde sich dennoch weiter gegen Rechtsextremismus engagieren und wolle sich am 1. Mai an den Blockaden des geplanten Naziaufmarsches beteiligen. Linksfraktionschef Udo Wolf verurteilte die „feige Straftat auf das Schärfste“. Als „Angriff auf die Demokratie“ verurteilte SPD-Fraktionschef Michael Müller den Anschlag. „Das werden wir nicht hinnehmen“, sagte er. Erst am Tag zuvor hatten die Vorsitzenden der Fraktionen von SPD, Linke, CDU und Grüne politisch begründete Brandanschläge scharf verurteilt.

ACTA: Spielt die EU-Kommision mit gezinkten Karten?

Jörg-Olaf Schäfers

Ich gebe es gerne zu, Netzpolitik auf EU-Ebene überfordert mich. Selbst wenn man glaubt, man würde das Geschehen zwischen Parlament, Kommission, Lobbyverbänden und nationalen Interessen halbwegs überblicken, gibt es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit irgendwo noch Aspekte und Akteure, die man übersehen hat.

Aktuell wäre da beispielsweise das Geschacher um ACTA (Anti-Counterfeiting Trade Agreement).*  Ich habe den Eindruck, dass bei ACTA inzwischen nicht einmal mehr die Beteiligten wissen, wer gerade gegen wen intrigiert.
Am Montag wurde dies einmal mehr deutlich. Das Video einer Anhörung vor der EU-Kommission hatte Markus ja bereits verlinkt. Tenor damals: Nix neues. Heise titelte gar “EU-Kommission: Keine Three-Strikes-Regelung in ACTA“. Das war wohl nur die halbe Wahrheit.
Richtig ist, dass der Luc Devigne, Unterhändler auf EU-Seite, zu Protokoll gab, “Three Strikes” – also das Abklemmen des Internetzugangs nach drei Rechtsverstößen -  seien mit EU-Recht nicht vereinbar und überhaupt habe das ja nie jemand vorgeschlagen. Michael Geist (kanadischer Kolumnist und Jura-Professor an der University of Ottawa)
schreibt:
On three strikes, Devigne repeatedly stated that the EU was bound by EU law and that it was not supporting any inclusion of three strikes in ACTA.  In fact, Devigne went further in claiming that no one had even proposed the possibility of three strikes.
Bei seinem Beschwichtigungsversuch spielte Devigne aber offenbar mit gezinkten Karten. Geist weiter:
This despite the fact that a memo produced by his own department stated:
EU understands that footnote 6 provides for an example of a reasonable policy to address the unauthorized storage or transmission of protected materials. However, the issue of termination of subscriptions and accounts has been subject to much debate in several Member States. Furthermore, the issue of whether a subscription or an account may be terminated without prior court decision is still subject to negotiations between the European Parliament and the Council of Telecoms Ministers regarding the Telecoms Package.
This refers to the footnote in the ACTA text proposed by the U.S. which states “an example of such a policy [ISP policy] is providing for the termination in appropriate circumstances of subscriptions and/or accounts on the service provider’s system or network of repeat infringers.”
Joe McNamee wird bei EDRI noch wesentlich deutlicher und spricht von einer gezielter Täuschung. In Brüssel sei eine modizifierte ACTA-Version präsentiert worden, die Was in Brüssel präsentiert wurde, so McNamee, sei “sonderbarerweise in allen Belangen besser gewesen als das Original …”. Joe schreibt:
At a meeting in Brussels on 22 March 2010, the European Commission presented a counterfeit version of ACTA to participants. As with any good counterfeit, it bore quite a strong relationship with the genuine article. However, the differences were quite obvious for those in the know.
For example, in this counterfeit version, there is no mention of ISP liability changes that would lead to measures such as the cutting off of consumers (“three strikes”). Similarly, in this counterfeit version, the European Union is not proposing language to require criminal penalties for “inciting, aiding and abetting” certain offences, including “at least in cases of willful trademark counterfeiting and copyright or related rights piracy on a commercial scale.” The counterfeit version also presents no risks for fundamental rights in developing countries, which is great news because otherwise “information sharing” and policing obligations for Internet access providers would be a threat for privacy and free speech across the globe. Remarkably, and very oddly for a counterfeit, this version is better than the real thing in almost every way. [...]
Einen mutmaßlich authentischen ACTA-Verhandlungsentwurf mit Stand von Ende Januar hatten unsere Kollegen von La Quadrature du Net am Mittwoch veröffentlicht. Analysen dieser Version sind bei Golem und Michael Geist zu finden.
*ACTA ist “ein geplanter multilateraler Handelsvertrag, der die schärfere zivil- und strafrechtliche Durchsetzung von Rechten an „geistigem Eigentum“ zum Ziel hat” (Danke, Wikipedia!).


Diese Häftlinge sollen nach Deutschland reisen

Von Florian Flade
 
Der eine war ein überzeugter Dschihadist, der andere landete angeblich rein zufällig in einem Haus voller Al-Qaida-Terroristen: Zwei aktuell im Gefangenenlager Guantánamo einsitzende Häftlinge sollen nach dem Willen der USA bald nach Deutschland reisen können. WELT ONLINE stellt sie vor.
Deutschland steht offenbar kurz vor der Aufnahme von Ex-Häftlingen des US-Gefangenenlagers Guantánamo Bay. Nach Informationen des „Spiegel“ legte die US-Regierung bereits Ende 2009 eine Liste mit möglichen Kandidaten für eine Abschiebung nach Deutschland vor. Seither laufen Verhandlungen zwischen Berlin und Washington. Eine deutsche Delegation soll bereits in Guantánamo gewesen sein und Interviews mit den ehemaligen Terror-Häftlingen geführt haben.
Von den einst 779 Guantánamo-Häftlingen der amerikanischen Anti-Terror-Kriege wurde ein Großteil bereits in die Heimatländer oder andere aufnahmebereite Staaten transferiert. 183 Insassen befinden sich aktuell noch im Gefangenenlager. US-Gerichte haben viele von ihnen für unschuldig befunden und ihre Freilassung angeordnet.
Die Bundesrepublik soll nach Willen Washingtons mindestens fünf Guantánamo-Insassen aufnehmen. Es soll sich um einen Syrer, einen Palästinenser und einen Jordanier handeln, die allesamt in Afghanistan verhaftet wurden und sich seit Jahren in US-Gewahrsam befinden.

Der Wunsch, in den Dschihad zu ziehen

Bei einem der drei nun genannten Guantánamo-Häftlinge, die demnächst von der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen werden sollen, handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um den Syrer Mahmud Salem al-Ali. Der 35-Jährige ist seit sieben Jahren und neun Monaten im US-Gefangenenlager Guantánamo inhaftiert.

Al-Alis Geschichte beginnt in Kuwait, wo der syrische Staatsbürger den Großteil seines Lebens verbrachte. Auf dem Al-Waq-Basar der Stadt Fahahil erwarb al-Ali nach eigenen Angaben Videos, auf denen muslimische Opfer in Bosnien, Tschetschenien und Afghanistan zu sehen waren. Die Kriegsbilder weckten in ihm den Wunsch, in den Dschihad zu ziehen.

Zwei Wochen nachdem er im September 2001 eine Fatwa, ein religiöses Rechtsgutachten, eines saudischen Gelehrten zur Verteidigung der Muslime gelesen habe, habe al-Ali beschlossen nach Afghanistan zu reisen. Er habe sich nach eigenen Angaben den Taliban und al-Qaida anschließen und „gegen die Feinde des Islam, die Nordallianz, kämpfen“ wollen, so heißt es in den Guantánamo-Verhörprotokollen.
Der verheiratete Vater einer Tochter habe zuvor seine Ehefrau und seine Mutter über seinen Wunsch informiert, nach Afghanistan in den Dschihad zu ziehen. Um seine Reise in die Ausbildungslager der al-Qaida finanzieren zu können, arbeitete Mahmud Salem al-Ali angeblich auf einem kuwaitischen Gemüsemarkt. Er versuchte zunächst ein Visum für seine Reise nach an den Hindukusch zu erhalten, was ihm jedoch nicht gelang.

Anweisung, nach Kandahar zu reisen

Am 20. Oktober 2001 reiste al-Ali schließlich über die syrische Hauptstadt Damaskus in den Iran. Von Teheran aus führte sein Weg nach Mashad und dann in die Stadt Zabol. Dort überquerte al-Ali am 24. Oktober 2001 die Grenze zu Afghanistan.

Ein nicht näher identifizierter Taliban-Führer habe ausländischen Rekruten die Anweisung gegeben nach Kandahar zu gehen, um dort in Trainingscamps ausgebildet zu werden. „Der Häftling wurde informiert, dass die Basis in Kandahar (durch US-Bombardement) beschädigt wurde und er nach Kabul zur militärischen Ausbildung gehen solle“, heißt es in den Dokumenten der US-Ermittler.

Mahmud Salem al-Ali reiste daraufhin in die afghanische Hauptstadt Kabul und kam im Azzam-Gästehaus der al-Qaida unter. „Eine Quelle, die für hochrangige al-Qaida Führer gearbeitet hat, gab an, dass das Azzam-Gästehaus in Kabul genutzt wurde für Kämpfer, die von und an die Frontlinien gegen die Nordallianz reisten“, so die Beschreibung in den amerikanischen Verhörprotokollen.
In Kabul sei er krank geworden, so al-Ali, und habe eine Klinik aufgesucht. Während er sich dort erholt habe, sei ihm gesagt worden „dass Kabul gefallen sei und er nach Hause gehen solle“. Laut Verhörprotokoll versuchte al-Ali in einem Taxi aus der Stadt zu fliehen, sei jedoch gestoppt, geschlagen und ausgeraubt worden. Wer genau dafür verantwortlich sein soll, wird aus den amerikanischen Unterlagen nicht deutlich.

"Gegen alle Nicht-Muslime kämpfen"

Schließlich sei al-Ali im Tufan-Gefängnis von Kabul untergebracht worden, bevor man ihn erst nach Bagram, dann nach Kandahar und letztendlich nach Camp Delta in Guantánamo Bay brachte.
US-Ermittler sind sich sicher, dass Mahmud Salem al-Ali von Osama Bin Ladens Rolle bei den Terroranschlägen vom 11. September 2001 wusste. Er habe gewusst, dass die Trainingscamps in Afghanistan von al-Qaida betrieben wurden, und er sei auch über die unterstützende Rolle der Taliban informiert gewesen. Auf die Frage, ob er den Wunsch hege „gegen US-Truppen zu kämpfen“, habe al-Ali geantwortet, er wolle „kategorisch gegen alle Nicht-Muslime kämpfen“.
Als mögliches Argument für eine Freilassung des Syrers aus Guantánamo, heißt es in den Verhörprotokollen, „der Gefangene gibt an, kein militärisches Training erhalten zu haben. Er fühle sich auf Kuba wohl und das Leben im Gefängnis habe ihn verändert.“
Der westliche Einfluss im Nahen Osten, so erzählte al-Ali in Guantánamo, sei eine „wunderbare Sache und es macht das Leben für jeden einfacher“. Sollte er Kuba jemals verlassen, werde er eine zweite Frau heiraten und ein Geschäft eröffnen.

Die Absicht, "den Islam zu studieren"

Mohammed Tahan Matan, Guantánamo-Häftling Nr. 684, ist ein weiterer Kandidat für die Aufnahme in Deutschland. Geboren 1979 in Burqa im Westjordanland, verfügt er über langjährige familiäre Kontakte zu militanten Palästinensergruppen. Zwei Onkel, so berichtete Matan in Verhören den US-Ermittlern, seien Mitglieder der Hamas und hätten bereits mehrfach in israelischer Haft gesessen. Er selbst habe aber keine Kontakte zu Terrorgruppen, weder Hamas, noch PLO oder al-Qaida.

Seit seinem 14. Lebensjahr sei er ein Anhänger der fundamentalistischen Missionsbewegung Tablighi Jama´at, verriet Matan im November 2006 im US-Verhör. Um ein Visum für ein religiöses Studium in Pakistan zu erhalten, sei er im Oktober 2001 nach Jordanien gereist.
 
„Meine Absicht war es, für immer in Pakistan zu leben und dort den Islam zu studieren, aufgrund der sich verschlechternden Sicherheitslage in Palästina“, so erklärte Matan im Dezember 2005 in einem amerikanischen Verhör. In Jordanien habe er seinen Pass an Vertreter der Tablighi Jama´at übergeben und diese hätten schließlich das Visum für ihn besorgt. Vom pakistanischen Hauptquartier der Tablighi Jama´at in Raiwand habe er zweimal an einer missionarischen Reise teilgenommen. Während einer Predigt im Februar 2002 habe er zwei Afghanen kennen gelernt, die ihm vorgeschlagen hätten, trotz des Reiseverbotes der Tablighi-Organisation ins Nachbarland Afghanistan zu reisen.

Der Mann mit der Wunde am Arm

Mohammed Matan reiste mit den beiden Afghanen zunächst in die südpakistanische Stadt Quetta und besuchte dort eine Religionsschule. Hier traf er auf afghanische Flüchtlinge und wohl auch einige Araber. „Der Sponsor der Schule, ein alter Mann, wurde wütend, als er herausfand, dass ich Araber bin“, erklärte der Palästinenser später in US-Haft, „weil die Amerikaner nach Arabern und Taliban in Afghanistan suchen.“ Zwei Araber, die Matan in Quetta getroffen habe, hätten ausgesehen wie Kämpfer, heißt es in den Verhörprotokollen. Einer habe eine Wunde am Arm gehabt und habe Matan davon abgeraten, ins umkämpfte Afghanistan zu reisen. Schließlich habe er sich entschieden, zum Hauptquartier der Tablighi-Bewegung in Raiwand zurückzukehren. Zusammen mit seinen zwei afghanischen Begleitern und den Arabern sei der 30-jährige Palästinenser dann zunächst mit einem Bus von Quetta nach Lahore gereist. Ein Pakistaner habe ihm angeboten, einige Tage in seinem Haus in Faisalabad zu wohnen, berichtete Matan. Nachdem er dem Pakistaner seine Geschichte erzählt habe, habe dieser offenbart, er kenne einige Araber in der Nachbarschaft, die Matan helfen könnten, ein Islamstudium in Pakistan zu beginnen.

"Ich habe nichts gegen die Amerikaner"

Tatsächlich schloss sich Mohammed Tahan Matan im März 2002 einer Gruppe von Arabern an, die in einem Gebäudekomplex in Faisalabad wohnten. Angeblich wusste der spätere Guantánamo-Häftling nicht, dass es sich um Al-Qaida-Leute handelte. Insgesamt 16 mutmaßliche Terroristen, darunter der Bin-Laden-Vertraute Abu Zubaidah, wurden bei der Razzia im al-Qaida-Haus von Faisalabad festgenommen.

„Eines Nachts kamen die pakistanische Polizei und Amerikaner in Zivil“, berichtete Mohammed Tahan Matan über seine Verhaftung im März 2002. „Seit dieser Zeit bin ich bei den Amerikanern. Ich habe nichts gegen die Amerikaner. Ich möchte nicht gegen sie kämpfen oder gegen irgendwen.“

Die Verhörprotokolle aus Guantánamo zeichnen jedoch ein anderes Bild des Palästinensers, der angeblich rein zufällig in ein Hauptquartier al-Qaidas geraten war. „Der Häftling gibt an, er glaube, Christen und Juden seien seine Feinde, und er müsse gegen sie kämpfen, habe aber noch nie zur Waffe gegriffen.“ Je länger er in Kuba sei, desto wütender würde er werden, heißt es in einem Dokument aus der Guantánamo-Haft über Mohammed Tahan Matan. Im Falle einer Freilassung wolle er nicht mehr in die Palästinensergebiete zurück, sondern ein Leben in Saudi-Arabien oder Katar führen.