Mittwoch, 27. Juni 2007

Operation "Nautilus"

Die europäische Grenzschutzagentur Frontex hat die Operation "Nautilus" gestartet. Mit Schiffen und Hubschrauben wollen die Grenzschützer in den Gewässern vor Italien und Malta illegale Flüchtlinge davon abhalten in EU-Hoheitsgebiet einzudringen.

An der Aktion beteiligt sind 600 Sicherheitsleute aus Frankreich, Griechenland und Deutschland. Sie sollen die Flüchtlinge abfangen, ihre Herkunft kontrollieren, sie zu den Schleusern befragen und in nordafrikanisches Territorium zurückbringen.

Jedes Jahr versuchen Tausende Flüchtlinge illegal von Afrika aus mit kleinen Holzbooten nach Malta, Italien oder den Kanarischen Inseln zu gelangen. Sehr viele Menschen riskieren dabei ihr Leben.

Unterdessen haben Spanien und Senegal ein Programm zur legalen Einwanderung nach Europa gestartet. So wird Spanien in dem westafrikanischen Land fünf Ausbildungsstätten errichten, in denen afrikanische Einwanderer auf ihre Arbeit in Europa vorbereitet werden.

Spanische Firmen sollen die Einwanderer künftig in Senegal unter Vertrag nehmen und dort vor ihrer legalen Einreise nach Spanien für Tätigkeiten auf dem Bau oder in der Gastronomie ausbilden, vereinbarten beide Staaten. 450 Einwanderer haben im Rahmen des Programms bereits einen Arbeitsvertrag erhalten.


Illegale Migranten in Nordafrika

Gespräch zu zirkulärer Migration
mit Dr. Steffen Angenendt
Stiftung Wissenschaft und Politik

Abschiebeschutz

Nach einem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) in Kassel können türkische Arbeitnehmer, die mindestens zehn Jahre in Deutschland leben, unter bestimmten Voraussetzungen ähnlich wie EU-Bürger einen Abschiebeschutz bekommen.

Das Urteil basiert auf den Vereinbarungen des europäisch-türkischen Assoziationsrates, wonach auch Türken ein "erhöhter Ausweisungsschutz" zuerkannt werden muss. Allerdings können davon nur diejenigen Bürger gebrauch machen, die länger in der EU Leben.

Geklagt hatten unabhängig voneinander drei türkische Straftäter aus Hessen. Zwei sollten wegen zahlreicher Verbrechen abgeschoben werden. Der dritte Kläger, war bereits vor drei Jahren in die Türkei ausgewiesen worden. Er hatte mehrere Straftaten begannen, wurde wegen einer psychischen Erkrankung jedoch als schuldunfähig eingestuft. Nach dem Kasseler Urteil, gegen das noch Revision möglich ist, darf er wieder nach Deutschland einreisen (Az.: 11 UE 52/07).

Ein weiterer Fall betrifft einen in Deutschland geborenen Türken. Er hatte mehrfach Familienmitglieder misshandelt. Von einer Strafe sah die frühere Strafkammer jedoch ab, weil der Mann wegen einer Schizophrenie schuldunfähig sei. Die Richter in Kassel betonten, dass nach einer Therapie keine besondere Gefahr mehr von dem Mann ausgehe. Deshalb sei ihm der Abschiebeschutz zu gewähren (11 UE 2243/06).

Dienstag, 26. Juni 2007

Datenverlust bei der Bundeswehr: Zweifel an „technischer Panne“

Politiker der Opposition haben die Darstellung des Verteidigungsministeriums bezweifelt, wonach wegen einer technischen Panne die Geheimdienstdaten aus Einsatzgebieten verlorengegangen sind. Fachleute verwiesen auf vielfältige technische Möglichkeiten, Daten von beschädigten Datenträgern retten zu können.

Der verteidigungspolitische Sprecher der Linke-Fraktion Schäfer sagte, es falle ihm schwer, an einen versehentlichen und unwiederbringlichen Verlust der Daten zu glauben. Es gebe den Verdacht, dass die vernichteten Daten „mehrere klare Rechtsbrüche dokumentieren“ und die Regierung mit ihrer Version die Öffentlichkeit täuschen wolle. Die FDP-Sicherheitspolitikerin Homburger sagte der F.A.Z., zwar könne man nicht nachweisen, dass die Daten absichtlich vernichtet worden sind. „Die Sache hat aber einen komischen, schalen Nachgeschmack. Es ist schon im Ausschuss immer wieder vorgekommen, dass man um Informationen feilschen musste wie auf dem Marktplatz.“

Ströbele: Nichts von verlorenen Daten erwähnt

Bei Ströbele bleiben Fragen

Der stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Ströbele sagte der Hannoverschen Zeitung „Neuen Presse“, noch im vorigen November habe der Staatssekretär im Verteidigungsministerium Wichert schriftlich Informationen über Einsätze des Kommandos Spezialkräfte (KSK) angekündigt und darin nichts von verlorenen Daten erwähnt. „Deshalb zweifle ich, ob das alles so richtig ist.“

Der Verteidigungsausschuss untersucht in der Affäre um den ehemaligen Guantánamo-Häftling Murat Kurnaz aus Bremen Misshandlungsvorwürfe, die Kurnaz gegen Bundeswehrsoldaten erhebt. Als der Ausschuss nun Dokumente aus dem Bereich des Amtes für Nachrichtenbeschaffung der Bundeswehr (ANBw) beantragte, schrieb Staatssekretär Wichert mit Datum vom 12. Juni 2007, wegen eines technischen Defekts im Jahr 2004 seien Bandkassetten nicht mehr lesbar gewesen. Sie seien daher am 4. Juli 2005 vernichtet worden. Wegen der begrenzten Speicherkapazität habe es auch keine zusätzlichen Sicherheitskopien gegeben.

Schaar: Nicht plausibel

Aus den Reihen der Union - damals noch Opposition - wurde darauf verwiesen, dass dieser Zeitpunkt nach der Neuwahlentscheidung des damaligen Bundeskanzlers Schröder liege; das Ende der rot-grünen Regierung sei mithin absehbar gewesen.

„Unglaubliche Schlamperei“

Fachleute bezweifeln, dass die Vernichtung der Bänder notwendig gewesen sei, auch wenn sie zunächst nicht lesbar gewesen seien. „Selbst wenn Herr Wichert die Bänder aufgegessen hätte, würden professionelle Datenrettungsunternehmen nach der Verdauung den Inhalt wiederherstellen können“, sagte der Leiter der Datensicherung im Hochschulrechenzentrum der Freien Universität Berlin, Melchers, in der ARD.

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz Schaar nannte die Vorgänge in der „Berliner Zeitung“ eine „unglaubliche Schlamperei“. Es sei nicht plausibel, dass man die Daten nicht habe retten können. Außerdem sei ihm neu, dass bei der Bundeswehr nur noch elektronisch archiviert werde. „Es gibt ja auch noch Papierkopien“, sagte Schaar. Die Linkspartei-Politiker Schäfer und Maurer verwiesen darauf, die entsprechenden Berichte müssten auch beim Einsatzführungskommando der Bundeswehr beziehungsweise beim Bundesnachrichtendienst zu finden sein.

Die verteidigungspolitischen Sprecher der Koalitionsfraktionen, Siebert (CDU) und Arnold (SPD),wiesen darauf hin, dass der Datenverlust die Arbeit des Ausschusses wohl nicht beeinflussen werde. Siebert verwies auf die Zeugenbefragungen, Arnold darauf, dass 52 Aktenordner mit den Einsatzberichten des Kontingentführers aus Kandahar für jeden Tag des Untersuchungszeitraums vorlägen. Was fehle, seien Informationen der sogenannten Zelle Militärisches Nachrichtenwesen, die im Einsatzgebiet die Truppe mit einsatzrelevanten Informationen zu versorgen habe - „Gemeinhin also keine einsatzrelevanten Daten und schon gar keine Daten, die mit Kurnaz zu tun haben“. Siebert sprach dennoch von einem „unschönen Vorgang, der aufgeklärt werden muss“.

Montag, 25. Juni 2007

Wenn sich die US-Armee wie die Mafia anfühlt

General Antonio Taguba sollte die Vorfälle im irakischen Abu Ghraib untersuchen. Doch er wurde gefeuert - und vergleicht nun die Zustände beim US-Militär mit der Mafia. Ex-Verteidigungsminister Rumsfeld wirft er vor, den Kongress belogen zu haben.

Nach der Aufdeckung der geheimen CIA-Verhörlager für al-Qaida-Internierte in Ostmitteleuropa 2005 hat die US-Regierung eine neue solche Einrichtung in Mauretanien eröffnet. Das schreibt der Journalist Seymour Hersh in der jüngsten Ausgabe des Magazins „New Yorker“. Geheimflüge der CIA dorthin seien wesentlich leichter vor der Öffentlichkeit zu verbergen gewesen als in Europa. Ob das Lager noch besteht, schreibt Hersh nicht. In den vergangenen Wochen hatte es aus anderen Quellen geheißen, auch in Äthiopien gebe es ein solches CIA-Lager.

Hersh befasst sich in seinem Artikel hauptsächlich mit den Hintergründen der Untersuchung zu den Foltervorwürfen im irakischen Gefängnis Abu Ghraib. Er hat erstmals General Antonio Taguba interviewen können, der am 31. Januar 2004 vom Pentagon beauftragt wurde, das Verhalten der in Abu Ghraib tätigen 800. Brigade der US-Militärpolizei zu untersuchen. Der Taguba-Report wurde im Frühjahr fertiggestellt und Anfang Mai der Presse zugespielt, freilich nur der nicht geheime Teil.

Taguba erhebt im Gespräch mit Hersh den Vorwurf, der damalige Verteidigungsminister Donald Rumsfeld habe den Kongress über seine Kenntnis des Geschehens belogen, und zwar unter Eid. Taguba sagt weiter, seine eigene Karriere sei mit dem Abu Ghraib-Auftrag besiegelt gewesen. Enge Freunde im Militär hätten ihn plötzlich nicht mehr gekannt oder nur noch eisig behandelt. Er nennt Beispiele dafür, dass ihm Generäle sagten, sie wollten die Bilder nicht sehen. Denn wenn man sie gesehen habe, sei man Teil der Untersuchung. 2006 wurde Taguba telefonisch zum 1.Januar 2007 entlassen, ohne Angabe von Gründen.

Der Vorwurf der eidlichen Falschaussage könnte für Donald Rumsfeld Folgen haben. Rumsfeld musste am 7.Mai 2004 dem Kongress Rede und Antwort stehen. Damals gab Rumsfeld an, er habe die Fotos aus Abu Ghraib erstmals am Abend des 6.Mai gesehen, und vorher allenfalls Gerüchte gehört. Taguba sagte nun Hersh, zwei Tage nachdem der interne Ermittlerdienst der Armee am 13.Januar 2004 die Fotos erhalten habe, seien der Direktor des Generalstabs sowie der engste Militärberater Rumsfelds per E-mail über den Inhalt informiert worden. Er selber habe seinen Bericht „an Dutzende Stellen im Pentagon“ gesandt.

Wenige Wochen nachdem der Report in die Medien gelangt war, fuhr Taguba mit dem damaligen Oberbefehlshaber des Kommandos Mitte, General John Abizaid, in einer Limousine. Abizaid sagte Taguba: „Sie und Ihr Bericht werden untersucht werden.“ Taguba sagte zu Hersh, er habe sich zum ersten Mal im Militär wie bei der Mafia gefühlt.

Taguba vermutet, der Versuch, Abu Ghraib unter der Decke zu halten, habe die geheimen Jagdkommandos der CIA und des Pentagons gegen al-Qaida schützen sollen. Deshalb habe er den strikten Befehl gehabt, die Rolle der Militäraufklärer bei den Verbrechen außen vor zu lassen. Ihm sei gesagt worden, es gehe darum, „das Gesamtbild zu schützen“.

Senator John Warner, damals Chef des Streitkräfteausschusses, sei, schreibt Hersh, vom Pentagon unter Druck gesetzt worden, die Finger von Abu Ghraib zu lassen, weil „wichtigere Dinge auf dem Spiel stehen“. Das Pentagon, und womöglich das Weiße Haus, habe eine breite Debatte über die Methoden des Antiterrorkriegs befürchtet.

Taguba und weitere ehemalige Militärs und CIA-Angehörige deuten an, die Jagdkommandos, deren Aufgabe schlicht im politischen Mord bestehe, seien ohne jede Kontrolle durch den Kongress und ohne Kenntnis der jeweiligen Botschafter in einer Reihe afrikanischer, nahöstlicher und asiatischer Staaten aktiv. Die Liste der erlaubten Staaten habe nach dem 11.September nur aus wenigen Namen bestanden, sei später aber ausgeweitet worden. Der Auftrag der Kommandos sei vom Weißen Haus und der Spitze des Pentagons aber nie klar befohlen worden, weder schriftlich noch mündlich. Es sei nur gesagt worden „Tun Sie, was Sie für nötig und richtig halten.“ Hersh lässt an manchen Passagen offen, ob er solche Hinweise von mehr als einer Person erhalten hat.

Im April 2005 sei der Ermittlerdienst der Armee jedenfalls bei dem Versuch an die Wand gerannt, Informationen über die Verhörmethoden einer solchen Sondergruppe zu bekommen. Zunächst wurden die Ermittler abgewiesen mit der Begründung, sie hätten keinen Zugang zu Codewort-Operationen. Dann brach plötzlich der Computer der betreffenden Sondereinheit zusammen, und alle Dateien waren gelöscht.

Foltervorwürfe gegen US-Militär in Afghanistan

US-Soldaten sollen in Afghanistan Verdächtige mit Scheinexekutionen gedroht haben. Die Militärführung untersucht die Vorwürfe.

Die US-Armee hat nach einem Bericht im Nachrichtenmagazin «Focus» über Fälle von Folter und Scheinexekutionen durch amerikanische und afghanische Soldaten in der Provinz Ghasni eine Untersuchung eingeleitet. Einer der im Bericht genannten Soldaten sei bis zum Abschluss der Untersuchung von seinem Posten versetzt worden, teilte die US-Armee in Afghanistan am Montag mit.

Zwei Reporter hatten laut «Focus» beobachtet, wie bei einem Verhör im Dorf Niasollah ein US-Soldat zusammen mit einem afghanischen Kommandanten einen Verdächtigen mit einer Fußfessel an die Rückseite eines Militärjeeps banden. Die Soldaten hätten ihm gedroht, ihn übers Geröll zu schleifen, wenn er nicht die Wahrheit sage. Eine solche Prozedur hätte der Mann nur wenige Minuten überlebt.

Schläge ins Genick

Dieselbe Einheit habe bei ihrem Einsatz auch einen alten Mann gefoltert. Die Reporter hätten erlebt, wie auf der Suche nach Taliban-Kämpfern auf einem Bauernhof ein Kommandant des afghanischen Geheimdienstes unter den Augen seiner US-Kollegen einem alten Mann erst mit den Fäusten und danach mit dem Gewehrkolben hart in den Rücken schlug, bis der Mann einknickte.

«So ein Verhalten steht im Widerspruch zu all dem, für das die US-Armee steht und an das sie glaubt», sagte Oberst Martin Schweitzer. «Wir nehmen diese Vorwürfe sehr ernst». Vor zwei Jahren hatten Fotos und Berichte von schweren Misshandlungen durch US-Soldaten in dem irakischen Gefängnis Abu Ghraib international Empörung und Abscheu ausgelöst.

„Technische Panne“: Bundeswehr verliert geheime Daten

Der Bundeswehr ist nach Informationen der ARD und der F.A.Z. aufgrund technischer Probleme ihr gesamter Bestand an Geheimdienstinformationen aus den Jahren 1999 bis 2003 abhanden gekommen. Die Berichte über die Auslandseinsätze seien „Ende 2004 verlorengegangen“, zitiert „Report Mainz“ aus einem Schreiben von Verteidigungsstaatssekretär Peter Wichert an den Verteidigungsausschuss des Bundestages. Das betrifft auch geheime Berichte zum Fall Murat Kurnaz.

Der Ausschuss hatte Unterlagen aus dem Jahr 2002 angefordert, um den Umgang der Eliteeinheit KSK mit dem aus Bremen stammenden Türken Kurnaz im amerikanischen Lager Kandahar in Afghanistan aufzuklären. Kurnaz hatte zwei Soldaten des „Kommandos Spezialkräfte“ beschuldigt, sie hätten ihn im Januar 2002 in dem Lager misshandelt. Der Verteidigungsausschuss des Bundestages hatte sich deshalb im November vergangenen Jahres in diesem Fall als Untersuchungsausschuss konstituiert und für seine Aufklärungsarbeit alle der Bundeswehr vorliegenden Meldungen aus dem betreffenden Zeitraum angefordert.

„Defekter Datensicherungsroboter“

In dem Schreiben Wicherts vom 12. Juni wird die Vernichtung der Akten bestätigt. Laut dem ARD-Magazin erläuterte Wichert darin, von den geheimen Unterlagen sei „aufgrund der Speicherkapazität des Datensicherungsroboters“ nur einmal eine Sicherungskopie abgelegt worden. „Der Datensicherungsroboter erlitt nach der Archivierung der Daten einen technischen Defekt.“

In einem anderen Gerät sei ein Teil der entsprechenden Bandkassetten nicht mehr lesbar gewesen. Der Versuch, diese Kassetten in einem Ersatzgerät auszulesen und somit die Daten wieder zugänglich zu machen, sei gescheitert. Daraufhin seien die nicht mehr lesbaren Kassetten am 4. Juli 2005 vernichtet worden.

Kurnaz war als angeblicher Taliban-Kämpfer im Dezember 2001 in Pakistan verhaftet, zunächst nach Afghanistan und dann ins amerikanische Geheimgefängnis nach Guantánamo auf Kuba gebracht worden. Erst im August vergangenen Jahres kam er frei. Kurnaz traf am 24. August 2006 auf dem amerikanischen Militärflugplatz Ramstein ein.

Thailand: Fag-Hags vergewaltigen Gays

Bangkok - Die "Thai Political Gay Group" hat die Reform des thailändischen Vergewaltigungs-Strafrechts begrüßt. Nach einem Beschluss der gesetzgebenden Versammlung des Landes werden erstmals auch Männer als Vergewaltigungsopfer anerkannt. Der geschlechtsneutral formulierte Paragraf ahndet das Verbrechen mit bis zu 20 Jahren Gefängnis sowie einer Geldstrafe von umgerechnet maximal 870 Euro.

Für die Thai Political Gay Group spielt sexuelle Gewalt zwischen Männern allerdings eine untergeordnete Rolle. Viele Schwule in Thailand würden von Frauen vergewaltigt, die auf unmännliche Männer stehen, sagte der Geschäftsführer der Organisation, Natee Teerarojjanapongs, gegenüber der Tageszeitung The Nation: "Nach der Vergewaltigung verlangen diese Frauen dann von den schwulen Opfern, dass sie die Verantwortung übernehmen und sie heiraten. Manche kommen der Forderung nach.”

Mit dem neuen Paragraphen könnten sich die Thai-Gays erstmals gegen Übergriffe von Fag-Hags wehren, so Natee Teerarojjanapongs.

Link zum Thema: Queere Thailand-News

Mittwoch, 20. Juni 2007

„Für manche Männer bin ich ein rotes Tuch“

Bettina Böttinger, 50, ist ein Urgewächs des WDR. Nach Stationen bei „Parlazzo“ und „Hier und Heute“ moderiert sie inzwischen die Talkshow „Kölner Treff“. Kommenden Donnerstag bekommt sie für ihr Engagement in Frauenfragen den Bundesverdienstorden, zwei Tage später ist in Berlin Christopher Street Day.

Frau Böttinger, was ist besser: der Christopher Street Day oder der Kölner Karneval?
Karneval ist unpolitisch, da kann ich mich gehen lassen. Dagegen ist der Christopher Street Day, der CSD, mehr als der Kampf um die schönste Tuntenverkleidung. Mir persönlich gehen die Teilnehmer auf die Nerven, denen es nur auf das schrillste Kostüm und den Spaß ankommt. Es ist ein Zug des Selbstbewusstseins von Lesben und Schwulen.

Können Sie sich an Ihren ersten CSD erinnern?
Ja, das muss Mitte der 90er Jahre gewesen sein. Ich stand als Zuschauerin in der Südstadt, das ist ein urköllsches Viertel. Das Wetter und die Atmosphäre waren wunderbar. Ich musste sehr lachen über ein altes, ganz in Schwarz gekleidetes Mütterchen, das nicht wusste, was das schwule „Aloha“ bedeutet.

Was bitte bedeutet das schwule „Aloha“?
Man streckt den Arm aus und knickt die Hand etwas nach unten ab. So veräppelt man den Karneval. Das Mütterchen hat das nicht so ganz verstanden. Ihre Geste erinnerte fatal an den Hitlergruß, aber sie rief dazu unablässig „Aloha“. Rührend war das!

Sie sagen, Sie waren nur Zuschauerin …
Ich habe noch nie aktiv am Zug teilgenommen. Ich bin ja beim Karneval auch nicht oben auf dem Wagen. Nicht, dass Sie mir fehlendes Engagement unterstellen.

1969, da waren Sie 13, wurde der von den Nazis noch verschärfte Paragraf 175 wieder abgemildert, der homosexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen unter schwere Strafe stellte. Erst 1994 wurde er abgeschafft. Hat dieser Paragraf Ihr Leben beeinflusst?
Nein, überhaupt nicht. Das Gesetz bezog sich ausschließlich auf männliche Homosexualität. Frauen kamen da nicht vor. Der Gesamtbereich der Homosexualität wird sowieso viel zu häufig von Männern dominiert. Das öffentliche Bewusstsein ist in dieser Hinsicht unterentwickelt. Wenn es heute darum geht, wer Homosexualität offen leben kann, sind das meist Schauspieler und Fernsehmoderatoren, gelegentlich auch Bürgermeister.

Ist man nicht anfälliger für Skandale, wenn man in der Öffentlichkeit steht?
In diesen Berufen besitzt man per se eine gewisse Exotik, diese andere Art von Libertinage wird eher akzeptiert. Eine Grundschullehrerin steckt da in einem engmaschigeren sozialen Netz. Für sie ist es unter Umständen schwieriger, sich über soziale „Konventionen“ hinwegzusetzen.

Berlin und Hamburg werden von schwulen Bürgermeistern regiert. Wann gibt es die erste lesbische Bürgermeisterin?
Ich bin sicher, dass wir bereits irgendwo eine haben. Ich bin mir übrigens auch sicher, dass in vielen Bereichen Frauen, die beruflich erfolgreich sind, Frauenbeziehungen leben. Das hat nicht nur mit der sogenannten Veranlagung zu tun, sondern auch damit, dass selbst bestimmte Frauen irgendwann keine Lust mehr haben, sich zu Hause in ein klassisches Mann-Frau-Schema zu fügen.

Als Annette Schavan vor zwei Jahren als CDU-Kandidatin für das Amt der Ministerpräsidentin von Baden-Württemberg zur Debatte stand, wurde das Gerücht gestreut, sie sei lesbisch, um sie zu diskreditieren.
Mit Verlaub: Das ist eben der kleine Unterschied. Bei Männern lässt man Homosexualität eher durchgehen. Wenn Frauen jedoch mit ihrer Lebensweise Männer für verzichtbar erklären, dann machen sie sich bei Männern nicht gerade beliebt.

Sie selbst hatten auch Männerbeziehungen.
Ich glaube, die allermeisten Homosexuellen hatten vorher auch andere Beziehungen.

Wie war das für Sie: zu merken, dass Sie eigentlich etwas anderes wollen?
Ach, das ist schon so lange her.

Können Sie uns einen Zeitpunkt nennen, als Männer nicht mehr für Sie interessant waren?
Die Frage ist mir eigentlich zu persönlich. Aber gut: Sagen wir, mit Ende 20 war das Thema durch. Schwer war es für mich schon vorher, Mitte der 70er Jahre. 1974 gab es den Prozess gegen Judy Anderson und Marion Ihns. Die beiden Frauen hatten ein Verhältnis miteinander. Dummerweise war Marion Ihns verheiratet – und das Problem lösten sie durch einen Auftragsmord. Es gab eine unglaubliche Medienkampagne, vor allem auf der ersten Seite der „Bild“ geführt. Es ging nur um „die lesbischen Monster und Hexen“. Zufällig passierte das, als ich in der Oberstufe meine erste Mädchenbeziehung hatte. Zu so einer Zeit ein Coming-out zu haben, wenn gleichzeitig eine gesellschaftliche Kampagne läuft, da wird man automatisch so klein mit Hut. Ich weiß, dass mein Leben da relativ exemplarisch ist. Letztlich habe ich mich aber immer durchsetzen können. Damals war das ein Grund, von der Schule zu fliegen.

Sie sind von der Schule geflogen?
Ich sollte, habe aber viele Gespräche geführt und war aufmüpfig. Dabei war ich einfach nur in eine Mitschülerin verliebt! Es kam zu einer Denunziation, es war mein erstes erzwungenes Coming- out. Das zweite kam dann 20 Jahre später ...

Harald Schmidt hat in seiner Sendung vier Bilder gezeigt: von der „Emma“, einer Flasche Eierlikör, einem Klodeckel und Ihnen. Die Auflösung des Bilderrätsels: Diese vier Dinge würde ein Mann niemals anfassen. Welches Zwangsouting war unangenehmer?
Sie waren, was den Grad der Verletzung betrifft, vergleichbar. Beide Mal habe ich mich gewehrt. Auf der Schule hat es sehr viele Diskussionen gegeben. Meine Direktorin wollte mich von der Schule verweisen. Mitschüler haben mir heimlich die „Bild“-Schlagzeilen auf das Pult gelegt. Mein Notendurchschnitt sank zwar dramatisch, so kurz vor dem Abitur, aber ich habe mir gesagt: Ich lass mich hier nicht kleinmachen! Ich will Germanistik und Geschichte studieren, ich brauche keinen Numerus clausus zu erreichen! Am Ende hat die Schule aufgegeben, ich konnte mein Abi machen.

Wie reagierte Ihre Mutter?
Sagen wir mal so: In der Phase war sie keine besonders große Stütze.

Gab es Lehrer, die Ihnen halfen?
Eine Lehrerin, und das war ausgerechnet die konservativste von allen. Wenn ich mir das Lehrerkollegium von damals ansehe, erinnere ich mich an den Film „Mädchen in Uniform“, den ich gerade im Fernsehen sah. Darin spielt Therese Giehse eine knorrige Anstaltsvorsteherin. So waren die Lehrer auf meinem Düsseldorfer Goethe-Gymnasium. Der Deutschlehrerin entgleisten die Züge, als ich ihr erzählte, was los war. Aber sie sagte: Wenn dem so ist, müssen Sie damit klarkommen – und wenn es nötig ist, unterstütze ich Sie. Das war eine schöne Erfahrung.

Und wie war es bei Schmidt?
Meine Reaktion war die gleiche: Ich wollte so mit mir nicht umgehen lassen.

Nach dem Abitur studierten Sie an der Universität Bonn. Die damals aktive linke Uniszene hat die Schwulen- und Lesbenfrage ignoriert.
Ich habe lange geschwankt, in welche Gruppe ich gehen sollte. Ich tendierte in Richtung des sozialistischen Hochschulbundes, ging oft in die Frauengruppen. Da wurde Sexualität allerdings nie thematisiert. Das Private war tabu. Es kristallisierte sich trotzdem irgendwie heraus, wer etwas mit Frauen hatte. Aber es lief eigentlich undercover.

Wo haben sich damals Lesben getroffen?
Ab den späten 70ern waren Frauen-Buchläden beliebte Treffpunkte. Sie gucken mich an wie ein Auto! Das war damals so! In Buchläden entstanden sehr viele Frauengruppen, unter anderem eine Lesbengruppe aus verschiedenen Fakultäten.

Was haben Sie da gemacht?
Wir diskutierten über klassische feministische Texte. Es gab die feministische Zeitschrift „Courage“ und seit 1976 die „Emma“, die schlug ein wie ’ne Bombe. Ein Fanal!

Gab es eine Disko für Lesben?
Es gab in Bonn ein Frauencafé. Mit zunehmender Dämmerung wurde daraus ein Club. Das war der Treffpunkt, wenn man jemanden kennenlernen wollte. Ich gehörte zu den Gründerinnen. Wir beschlossen, wir brauchen einen eigenen Raum – abgesehen vom Hörsaal E, so nannten wir den Erfrischungsraum. Normale Cafés waren zu teuer. Man ging nicht einfach in ein Café wie heute und trank Latte macchiato zu einem absurden Preis.

Schwule tauchten in den 80er Jahren in Filmen auf, in der Popmusik waren sie präsent.
Die meisten Lesbenfilme waren eher gut gemeint als gut. 1982 etwa kam „Weggehen um anzukommen“ in die Kinos. Der „Spiegel“ schrieb: Die Sexszenen erinnern an Bewegungsübungen einer Rheumaklinik. Das Problem war, der Spott war berechtigt. Natürlich warteten wir auf einen Paukenschlag, der unser Selbstbewusstsein stärkte. Aber es passierte nichts. Es gab nichts, was man auch ästhetisch akzeptieren konnte – wie zum Beispiel „Brokeback Mountain“ für die Schwulen. Ich nehme jetzt mal Ihre nächste Frage vorweg …

… bitte, interviewen Sie sich ruhig selbst …
… Wo waren eigentlich die Frauen?
Sie hatten weder in der Kunst noch in der Politik viel zu melden. In den politischen Gruppen an der Uni wurden sie auch unter den Teppich gekehrt. Wenn es darauf ankam, durften sie Kaffee kochen – auch bei den Schwulen. Ich habe von den schwul-lesbischen Aktionsbündnissen nie viel gehalten. Ein gemeinsamer Kampf um die Rechte der Homosexuellen muss zwar geführt werden, trotzdem sind Frauen grundsätzlich in einer anderen Situation als Männer.

Ja?
Ich gebe Ihnen ein hübsches Beispiel. Ich habe für den Völklinger Kreis eine Veranstaltung moderiert und ...

… das ist der Berufsverband für homosexuelle Führungskräfte …
… der Sänger Rainer Bielfeldt trat auf, alles war Friede, Freude, Eierkuchen. Auf einmal kam ein homosexueller Politiker aus dem Saarland zu mir, er hatte schon leicht einen im Tee, und sagte: Eines könnt ihr Frauen sowieso nicht ändern – wir haben nun einmal das bessere Bindegewebe.

Sie lachen.
Inzwischen lache ich, ja. Doch darin steckt ein gewisser Kern. Wenn ein Mann unter Alkoholeinfluss so etwas sagt, wird er das nüchtern vielleicht nicht sagen. Denken schon. Manche Männer glauben heute noch, sie hätten die Homosexualität für sich gepachtet.

1990 hat sich Hella von Sinnen geoutet, drei Jahre später die Schauspielerin Maren Kroymann. Hat Ihnen das Auftrieb gegeben?
Ich erinnere mich an den „Stern“-Titel mit Hella von Sinnen und der Schlagzeile: Ich werde Cornelia heiraten. Ich finde es grundsätzlich gut, wenn Frauen – oder auch Männer – auch öffentlich zu ihrer Lebensweise stehen.

Im selben Jahr war auch der Tag des Standesamtes.
Das war eine große Aktion, wo vor vielen Standesämtern Schwule und Lesben aufmarschierten. Das führte dazu, dass sogar Michael Schanze ein Lesben- und ein Schwulenpaar in seine Sendung „Flitterabend“ einlud. Ich war Redaktionsleiterin von „Hier und Heute“, und die „Aktuelle Stunde“ berichtete. Da kam ein Redakteur und fragte schüchtern, ob ich den Kommentar sprechen wolle. Ich habe ja nie ein Geheimnis draus gemacht und nie zu den Leuten gehört, die auf offiziellen Empfängen einen Heterodummy mitbringen. Wenn es journalistisch darauf ankam, hab ich immer Farbe bekannt. Mein Kommentar war laut und deutlich. Es war allen klar, dass da eine spricht, die betroffen ist.

2001 wurde von der rot-grünen Koalition das Partnerschaftsgesetz verabschiedet. War das für Sie ein Grund zur Freude?
Schwule und Lesben sollen Romantizismen bedienen, aber vom Erb- und Steuerrecht und Adoptionsrecht bleiben wir ausgeschlossen. Ein fauler Kompromiss.

Sie waren mit 34 Jahren die jüngste Redaktionsleiterin im WDR. War es schwerer, als Frau in eine solche Position zu kommen?
Nein. Man wusste, dass ich mit großer Begeisterung arbeite, dass ich ziemlich unbegrenzt belastbar war – das hat jeder Arbeitgeber gern.

Maren Kroymann hat einmal gesagt: „Eine Lesbe im Vorabendprogramm – das wollten die Programmmacher den Bundesbürgern nicht zumuten.“ Nach ihrem Coming-out habe sie zunächst keine Rollenangebote mehr bekommen.
Manche Regisseure und Drehbuchautoren haben Rollenklischees im Kopf und können sich nicht vorstellen, dass eine Lesbe bei „Oh Gott, Herr Pfarrer“ einen Mann küssen kann.

Sind Sie jemals in Ihrem Job diskriminiert worden?
Das weiß ich nicht so genau, denn zum Wesen der Diskriminierung gehört, dass man sie schlecht nachweisen kann. Jedenfalls bin ich so gar nicht blond, relativ lang und habe auch noch eine große Klappe. Viele Männer kommen damit wunderbar klar. Andere weniger – nämlich diejenigen, die von einer Frau erst mal ein Unterwürfigkeitsritual erwarten, ein Flirtgehabe, bevor es um die Sache geht. Für solche Männer bin ich ein rotes Tuch.

Sie übertreiben.
Nein. Ich stellte mich mal einem neuen Chef vor und wusste schon, das wird nix, als ich noch im Türrahmen stand. Der Gute war gerade mal 1,65 groß und wirkte etwas verklemmt. Ich dachte: Jetzt sieht er auch, dass ich 1,80 bin. Ein andermal kam ich total gestresst aus einer Besprechung, da sagte meine Kollegin: Mensch, mach dich nicht verrückt, der guckt eben seiner Kollegin lieber mal ins Dekolleté, als mit ihr zu diskutieren. Ist so. Gucken Sie sich doch bitte mal an, mit welchen Frauen männliche Führungskräfte aufschlagen. Ich gucke mir unheimlich gerne Ehefrauen an. Ein wirklich gleichberechtigtes Paar kann man lange suchen.

Was für ein Klischee!
Ja, aber Klischees entstehen nicht aus dem Nichts, sondern aus einer Verdichtung von Lebenserfahrung. Männer erwarten von den Frauen an ihrer Seite nur selten, dass sie auf Augenhöhe sind. Das ist vielleicht der Grund dafür, dass durchaus erfolgreiche Frauen immer noch meinen, betonen müssen, dass zu Hause der Mann das Sagen hat.

Sie haben mal gesagt, in all den Jahren als Moderatorin hätten Sie eine unglaubliche Menschenkenntnis gewonnen.
Es gibt Menschen, die das stark bezweifeln. Wie meine Lebensgefährtin.

Das giftige Erbe des Vietnamkrieges

Die siebenjährige Nguyen Thi Kieu Nhung:
Der Vater brachte regelmäßig Fisch
aus einem dioxinbelasteten See mit nach Hause

Millionen Menschen in Vietnam leiden an Missbildungen, Hautkrankheiten, Krebs - Spätfolgen des Vietnamkrieges: Damals versprühten US-Truppen das dioxinhaltige Entlaubungsgift "Agent Orange". Nun gehen die Opfer erneut vor Gericht.

Die Beine der Siebenjährigen biegen sich verkrüppelt nach innen, ihr rechtes Auge wölbt sich aus dem Gesicht. Wenn die Mutter sie umzieht, schreit Nguyen Thi Kieu Nhung vor Schmerzen. Seit 17 Jahren lebt die Familie in der Nähe eines ehemaligen Luftwaffenstützpunkts in Danang, wo die US-Streitkräfte während des Vietnamkrieges vor mehr als 30 Jahren das dioxinhaltige Entlaubungsgift "Agent Orange" mischten. Noch heute liegen die Dioxinwerte auf Teilen des 850 Hektar großen Geländes 300- bis 400-mal höher als international zulässig, wie eine noch unveröffentlichte Studie ergab.
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Bis zu drei Millionen Vietnamesen leiden nach Angaben der Regierung an Geburtsschäden oder anderen Gesundheitsproblemen, die durch den Kontakt mit Dioxin verursacht wurden. Die USA lagerten das Gift in Danang, bevor es mit Wasser verdünnt und zum Besprühen der vietnamesischen Wälder auf Flugzeuge geladen wurde, um den feindlichen Kämpfern das Versteck zu nehmen. Was dabei verschüttet wurde, versickerte im Boden.

Weil Dioxin sich dauerhaft an Erde und Gestein bindet, ist es noch Generationen später im Boden verhaftet und gefährdet jeden, der die kontaminierte Erde berührt. Über das Regenwasser wird die Chemikalie in Abwasserkanäle und nahe gelegene Seen gespült, wo sie über Fische und andere Tiere in die Nahrungskette des Menschen gelangen kann.
Die Dioxinwerte sind um das 50-Fache erhöht
Für die meisten der fast eine Million Einwohner von Danang besteht Experten zufolge zwar keine direkte Gefahr. Bei mehreren Dutzend Anwohnern, die regelmäßig in einem See nahe dem Militärgelände fischten oder Lotusblüten pflückten, entdeckten die Wissenschaftler jedoch erhöhte Dioxinwerte. In den Sedimenten des Gewässers liegt der Dioxingehalt 50 Mal so hoch wie international zulässig. Schilder, die auf diese Gefahr hinweisen, gibt es an dem See nicht.
"Wenn die früher reagiert hätten, wären wir dem nicht ausgesetzt gewesen", sagt die Mutter des behinderten Mädchens, Luu Thi Thu. Die Familie lebt in der Nähe des belasteten Sees, der Vater brachte regelmäßig Fisch von dort mit nach Hause. Seine Tochter wurde krank, als sie zwei Jahre alt war. Heute hat sie nur zwei Zähne und kann nicht laufen, ihr rechter Schulterknochen ragt unnatürlich heraus. "Ich bin wütend, aber ich weiß nicht, was ich tun soll", sagt die Mutter. "Zwei Mal im Monat gehe ich in die Pagode um zu beten, dass meine Tochter gesund wird." Die Ärzte sagen, sie wird es nicht.
"Die höchsten Werte, die ich je gesehen habe"
"Wenn dieses Gelände in den USA oder Kanada läge, wären erhebliche Studien und eine sofortige Säuberung notwendig", sagt der Wissenschaftler Thomas Boivin, der für die Firma Hatfield Consultants den Stützpunkt in Danang untersuchte. "Das sind die höchsten Werte, die ich in meinem ganzen Leben gesehen habe." Es ist das erste Mal, dass das Unternehmen Zugang zu einem der Orte erhielt, an denen die US-Streitkräfte in Vietnam "Agent Orange" mischten. Bei früheren Tests in anderen Teilen des Landes lagen die gemessenen Dioxinwerte bislang meist innerhalb der zulässigen Grenzen.

Auch außerhalb des Stützpunktes in Danang sei die Belastung deutlich geringer als im Inneren, sagt Charles Bailey von der Ford-Stiftung, die die Hatfield-Studie finanziert hat. Bei 55 getesteten Personen aus der weiter entfernten Umgebung waren die Dioxinwerte im Rahmen der zulässigen Grenzen. "Trotzdem ist es eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit, und es ist ein Risiko", betont er.
USA bestreiten Zusammenhang zwischen Dioxin und Schäden
Eine von den USA bezahlte Untersuchung soll nun klären, wie das Gelände entgiftet werden könnte. Bis dahin will die Stiftung zumindest vorläufig verhindern, dass das Dioxin während der Regenzeit verstärkt in die Umgebung gespült wird. Eine dauerhafte Reinigung des Geländes in Danang und anderer belasteter Stützpunkte würde nach Schätzungen der vietnamesischen Behörden mindestens 40 Millionen Dollar (30 Millionen Euro) kosten - für das kleine Land unbezahlbar. "Es ist wirklich notwendig, dass die USA hier antreten und die Säuberung dieser Grundstücke finanzieren", fordert der Wissenschaftler Boivin.

Doch ein Zusammenhang zwischen dem Dioxin und den Gesundheitsschäden der vietnamesischen Bevölkerung ist für die USA noch immer nicht ausreichend belegt. Entschädigungszahlungen gibt es bislang nur für US-Soldaten, die an Krankheiten leiden, die mit dem Herbizid in Verbindung gebracht werden.
Klage für die Einstufung als Giftgas
In einer Sammelklage gehen betroffene Vietnamesen nun deshalb gegen die Hersteller von "Agent Orange" vor. Die Kläger wollen erreichen, dass das Herbizid als völkerrechtlich verbotenes Giftgas eingestuft wird. Ein Gericht in New York hatte eine erste Klage bereits im März 2005 abgewiesen.

Ein Anwalt der Herstellerfirmen, unter ihnen Monsanto und Dow Chemical, sagte, dass die Unternehmen lediglich nach Anweisungen der Regierung und des Kongresses gehandelt hätten. Der Jurist Seth Waxman wies auf eine Erklärung der Regierung zu dem Gerichtsverfahren hin, wonach der Einsatz von Agent Orange eine Entscheidung der Kriegsführung gewesen sei. Deshalb sei die Frage nach einem möglichen Schadensersatz nur auf dem Wege der Diplomatie zu beantworten.

Direkte Entschädigungszahlungen an die vietnamesische Bevölkerung seien auch in Zukunft nicht geplant, sagt der US-Botschafter Michael Marine. Der US-Kongress habe jedoch erst kürzlich drei Millionen Dollar bereitgestellt, um die Dioxinbelastungen in Vietnam zu untersuchen. Seit 1989 seien 43 Millionen Dollar an Behinderte in Vietnam geflossen - allerdings unabhängig der Ursache für die Gesundheitsschäden.
"Ich gebe niemandem die Schuld"
"Krieg bringt immer Leiden", sagt die Mutter der 17-jährigen Nguyen Thi Trang Ngan. Die Familie fischte in dem verseuchten Gewässer und trank Wasser aus einem nahe gelegenen Brunnen. Das Mädchen kann weder sprechen, sitzen, laufen, noch alleine essen. Es schmatzt und lutscht am Daumen. "Ich gebe niemandem die Schuld dafür", sagt die Mutter. "Das ist mein Schicksal."
Ben Stocking

Soldaten entdecken Horror-Waisenhaus in Bagdad

Gefesselte, halb verhungerte Kinder: Bei einer Routinepatrouille haben Soldaten in der irakischen Hauptstadt eine furchtbare Entdeckung gemacht - ein Waisenhaus, in dem Jungen unter unfassbaren Bedingungen lebten.

Bagdad - Es sollte nur eine gewöhnliche Patrouille werden, aber was irakische und US-Soldaten vor wenigen Tagen im Zentrum der irakischen Hauptstadt Bagdad erlebten, hat selbst kriegserfahrene Militärs verstört.

IRAK: GRAUSIGER FUND IN BAGDADER WAISENHAUS


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Bei einem Blick über eine Mauer entdeckten die Soldaten zahlreiche Kinder, die reglos auf dem Boden lagen. "Sie haben gedacht, die seien alle tot", sagte Sergeant Mitchell Gibson von der 82. Airborne Division zu CBS News. Erst als einer der Soldaten einen Basketball auf den Hof warf, um mögliche Lebenszeichen zu erhalten, erkannte der Trupp: Die Kinder leben. Ein kleiner Junge hob für einen Augenblick seinen Kopf.

In dem von der irakischen Regierung geführten Waisenhaus spielten sich grauenvolle Szenen ab: Im Innern des Hauses fanden die Soldaten insgesamt 24 Jungen, allesamt bis auf die Knochen abgemagert und fast verhungert, nackt, an Gitterbetten gefesselt, sie lagen in ihrem eigenen Kot.

Ein Kind war dem Bericht zufolge in besonders erbärmlichem Zustand: Ärzte hätten den Jungen zunächst für tot gehalten, weil "Tausende Fliegen seinen Körper bedeckten", berichtete ein Militärsprecher. "Fliegen im Mund, auf den Augen, in Nase, Ohren, in den vom Schlafen auf dem Betonboden offenen Wunden." Der Junge sei so schwach gewesen, dass er kein Körperglied mehr habe bewegen können. Aber als er das Kind zum Krankenwagen gebracht habe, sei ein Lächeln über das Gesicht des Jungen gehuscht, sagte ein US-Soldat. "Ganz so, als würde er wissen, was hier gerade abläuft."

Dem CBS-News-Bericht zufolge wurden die Jungen seit mehr als einem Monat auf diese Weise festgehalten. "Ich habe Kinder gesehen, an denen buchstäblich jeder Knochen zu erkennen war, sie hatten keine Kraft, sich zu bewegen", sagte Sergeant Michael Beale. Dabei sei in dem Waisenhaus sehr wohl gekocht worden. In der Küche entdeckten die Soldaten drei Erwachsene, sie kochten für sich selbst. Die Küchenregale und Vorratsschränke waren dem Bericht zufolge voller Lebensmittel, auch Kleidung, noch in Plastik verpackt, war vorhanden. Auch das Büro des Waisenhaus-Leiters war aufgeräumt und in bester Ordnung. Die Soldaten vermuten daher, dass die Nahrungsmittel und die Kleidung auf Märkte verkauft werden sollten.

Der irakische Regierungschef Nuri al-Maliki hat die Bestrafung der Verantwortlichen angeordnet. Inzwischen wurden zwei Sicherheitsleute verhaftet, die das Waisenhaus bewacht haben. Der Leiter des Waisenhauses und zwei Frauen, die in dem Heim arbeiteten, sind auf der Flucht.

Dienstag, 19. Juni 2007

Immer noch auf freiem Fuß

New York: UN-Chefanklägerin Del Ponte fordert mehr Druck zur Auslieferung von Kriegsverbrechern

Carla Del Ponte hat die internationale Gemeinschaft aufgefordert, sich nachdrücklicher für die Verhaftung der noch gesuchten mutmaßlichen Kriegsverbrecher im früheren Jugoslawien einzusetzen. Dass sich der ehemalige Führer der bosnischen Serben, Radovan Karadzic, und dessen Militärchef Ratko Mladic nach wie vor auf freiem Fuß befänden, sei ein dauerhafter Makel an der Arbeit des UN-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag, sagte Del Ponte am Montag vor dem Sicherheitsrat in New York. Die Erfahrung habe gezeigt, dass die UN, die EU und andere Organisationen Möglichkeiten hätten, die Staaten des früheren Jugoslawien zur Zusammenarbeit mit dem Tribunal zu verpflichten.
Das Gremium geht laut Del Ponte davon aus, dass sich die beiden Gesuchten in Serbien oder zumindest in der Reichweite der serbischen Regierung befinden. Allerdings sei Karadzic derzeit aus dem Blickfeld der zuständigen Dienste verschwunden, niemand suche nach ihm. «Das ist beunruhigend», sagte die Chefanklägerin. Sie sei sicher, dass die Länder der Region die Mittel hätten, ihn ausfindig zu machen und zu verhaften. Zugleich bescheinigte sie der Regierung in Belgrad erneut, sich mehr als in der Vergangenheit um eine Zusammenarbeit mit dem Tribunal zu bemühen.Von 161 Angeklagten des 1993 eingerichteten Jugoslawien-Tribunals sind derzeit noch insgesamt vier auf der Flucht. Karadzic und Mladic gelten als die Schlüsselfiguren des Völkermords an bosnischen Muslimen in Srebrenica im Juli 1995.

Jeder vierte Jugendliche war schon Gewaltopfer

Jeder vierte Jugendliche in Hamburg ist laut einer Umfrage schon einmal Opfer von Gewalt gewesen. Dabei blieben in mehr als 85 Prozent aller Fälle die Täter unentdeckt, wie die dritte so genannte Dunkelfeldstudie zur Jugendgewalt in der Stadt ergab.

Hamburg - Jeder vierte Jugendliche in Hamburg ist laut einer Umfrage schon einmal Opfer von Gewalt gewesen. Dabei blieben in mehr als 85 Prozent aller Fälle die Täter unentdeckt, wie die dritte so genannte Dunkelfeldstudie zur Jugendgewalt in der Stadt ergab. Die Opfer zeigten jedoch in keiner anderen deutschen Großstadt Straftaten so häufig an wie in Hamburg, sagte der Direktor der Abteilung Kriminologie am kriminalwissenschaftlichen Institut der Uni Hamburg, Peter Wetzels, am Dienstag.Für die laut Innensenator Udo Nagel (parteilos) bundesweit einzigartige Dunkelfeldstudie waren nach 1998 und 2000 im Sommer 2005 in einer dritten Aktion insgesamt 2087 Schüler aus 106 Klassen der Stufe neun an 87 Hamburger Schulen interviewt worden.
Die anonymisierte Befragung soll das Hellfeld der offiziellen Kriminalstatistik ergänzen, Trends aufdecken und Grundlage für Handlungskonzepte gegen Jugendgewalt bilden.Wetzels zufolge nehmen zwar Gewaltdelikte gegen Personen ab und der «Schweregrad erlebter Gewaltvorfälle» sinkt. Dagegen wachse die Zahl leichterer Delikte, was vor allem der höheren Anzeigenbereitschaft geschuldet sei. Raub ging zurück, die Zahl der Körperverletzungen stieg an, der Umfang aller übrigen Delikte (69,6 Prozent Anteil) blieb konstant. Konzepte wie Präventionsunterricht, spezielle Betreuungspolizisten an Schulen mit der Bezeichnung «COP4U» oder Täter-Opfer-Ausgleich zahlten sich aus.
Laut Umfrage sinkt die Zahl der Mehrfachtäter deutscher Herkunft bei Gewaltdelikten deutlich, «signifikant höhere Raten» dagegen gebe es bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Am häufigsten würden Jugendliche in der Familie Opfer von Gewalt (29,9 Prozent), gefolgt von Schulen (29,1) und dem öffentlichen Raum (25,0). Es gebe zudem einen Zusammenhang zwischen Schulschwänzen und Straffälligkeit: 15,5 Prozent der Befragten hätten angegeben, 2005 fünf Tage und mehr geschwänzt zu haben. Unter ihnen sei die Täterrate laut eigener Auskunft besonders hoch, so Wetzels.

US-Truppen starten neue Offensive im Irak

Das US-Militär geht im Irak mit einem Großaufgebot gegen mutmaßliche Kämpfer des Terrornetzwerks El-Kaida vor. Ziel des Feldzuges ist die Rebellenhochburg Bakuba im Nordirak.

Rund 10.000 amerikanische und irakische Soldaten haben am Dienstag (19.6.07) eine Offensive gegen El-Kaida-Zellen im Norden von Bagdad gestartet. Dabei rückten sie mit Bodentruppen, Panzern und Kampfhubschraubern in Bakuba, der Hauptstadt der Provinz Dijala, ein. 22 mutmaßliche Aufständische wurden in den ersten Stunden der Militäroperation "Arrowhead Ripper" (Pfeilspitze) in der Umgebung der 60 Kilometer nördlich von Bagdad gelegenen Stadt getötet, teilte das US-Militärkommando in Bagdad mit.

Einfluss von El-Kaida brechen

Der Einsatz begann laut Armee am frühen Morgen. Ziel sei es, die in Bakuba und Umgebung agierenden "Terroristen der El-Kaida zu eliminieren", um den Handlungsspielraum der irakischen Regierung bei der Verbesserung der Versorgung und der Infrastruktur in der Region zu vergrößern, erklärte das US-Militär.

Man wolle "den Einfluss von El-Kaida in der Provinz brechen und die Bedrohung der Bevölkerung durch El-Kaida im Irak beenden", sagte General Mick Bednarek, der Vize-Kommandeur der an der Operation beteiligten 25. US-Infanteriedivision.

Provinz Dijala Hochburg der Aufständischen

Die Provinz Dijala war zu einer Hochburg von Aufständischen und El-Kaida-Kämpfern im Irak geworden, seit die Amerikaner ihre Truppen vor mehreren Monaten in der Hauptstadt Bagdad zusammengezogen hatten. Die Verstärkung der US-Militärpräsenz in Bagdad sollte die Sicherheitslage dort erheblich verbessern, brachte aber bislang eher mäßige Ergebnisse.

Auch die irakischen Verbände mussten bei der neuen Offensive Verluste hinnehmen. Bei einem Angriff auf einen Militärkonvoi in Chalis, 62 Kilometer östlich von Bagdad, starben 6 Soldaten, 16 weitere wurden verletzt, wie irakische Militärquellen bestätigten.

Verheerender Anschlag in Bagdad

Bei einem Bombenanschlag in der Nähe einer schiitischen Moschee in Bagdad sind am Dienstag Dutzende Menschen getötet worden. Es gab zahlreiche Verletzte. Der Sprengsatz war in einem Auto versteckt. Dichter Rauch stieg über dem Stadtteil Sinak auf. Kurz danach waren Schüsse zu hören. Retter bargen weitere Opfer aus den Trümmern der Moschee Chillani.

Unteressen hat der neue US-Botschafter in Bagdad, Ryan Crocker, einem Zeitungsbericht zufolge harsche Kritik an der Kompetenz seiner Mitarbeiter in Bagdad geübt. Die "Washington Post" berichtete am Dienstag, Crocker habe sich an das US-Außenministerium gewandt und die "besten Leute" für die Arbeit in der Botschaft im Irak eingefordert. "Einfach gesagt, wir können nicht den wichtigsten Job der Nation erledigen, wenn wir dort nicht die besten Leute beschäftigen", habe Crocker vergangenen Monat seiner Chefin, US-Außenministerin Condoleezza Rice, schriftlich erklärt.

Dem Bericht zufolge sind Ausstattung und Ausrichtung der US-Botschaft bereits zum Streitthema zwischen Crocker und einigen Kongressmitgliedern geworden. Die Politiker fürchten, dass die Kosten stiegen, sollte die Botschaft personell aufgestockt werden.

Fundamentale Meinungsverschiedenheiten in der Koalition

Nach den Beschlüssen der Koalitionsspitzen hat die SPD-Führung scharfe Kritik an CDU und CSU geübt. Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) hat der Union eine Blockadehaltung vorgeworfen. Trotz der Niederlage seiner SPD im Streit um Mindestlohnregelungen hat er sich allerdings zur Fortsetzung der Koalition mit der Union bekannt.

Die Weigerung des Koalitionspartners, im Koalitionsausschuss über die Sittenwidrigkeit von Löhnen zu verhandeln, habe bei ihm „Empörung und Zorn“ ausgelöst, sagte der Vizekanzler am Dienstag in Berlin. „Was ist das für eine Moral?“, erklärte er an die Adresse des Regierungspartners. Aus seiner Sicht seien die erzielten Vereinbarungen „kein Kompromiss“.

SPD-Parteichef Kurt Beck warf der Union am Dienstag vor, sie blockiere konkrete Festlegungen, ab welcher Untergrenze Löhne sittenwidrig seien. „Das ist eine Abwertung der Arbeitsgesellschaft und ein Auf-den-Kopf-Stellen von sozialer Marktwirtschaft.“ Zwischen den Partnern gebe es da fundamentale Meinungsverschiedenheiten.

Die Lehre aus der „vertanen Chance“ sei: Mindestlöhne könnten nicht mit der Union, sondern nur „gegen sie“ durchgesetzt werden, sagte Müntefering und fügte hinzu, er werde dabei seinen Teil beitragen. Er glaube nicht mehr, dass die Union sich in diesem Punkt noch bewegen werde. Deshalb müsse nach „anderen Wegen“ gesucht werden, um Druck zu machen. Spätestens bei der Bundestagswahl 2009 müssten die Bürger darüber entscheiden. Er sei fest überzeugt davon, dass es in nächster Zukunft auch in Deutschland Mindestlöhne geben werden.

Die Koalition sieht der Vizekanzler aber nicht gefährdet. Offene Kritik an der Rolle von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vermied er mit Hinweis auf den internen Charakter der Gespräche im Kanzleramt. In Anspielung auf Merkel fügte er jedoch hinzu, bei der Union sei spürbar gewesen, dass sie das „Thema geräuschlos aus dem Verkehr“ ziehen wolle. Er bekräftigte auch seine jüngste Aussage, wonach sich die Kanzlerin - anders als ihr SPD-Vorgänger Gerhard Schröder - stärker als Parteivorsitzende verstehe.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich derweil mit den Kompromissen der Koalitionspartner in den Streitthemen Pflegeversicherung und Mindestlohn zufrieden gezeigt. Merkel sagte beim Medienforum in Köln am Dienstag, es seien zwei wichtige Entscheidungen getroffen worden, „die für die Menschen in unserem Land gut sind“. Dadurch, dass es nicht zu einer Vereinbarung von gesetzlichen Mindestlöhnen gekommen ist, würden die Tarifparteien gestärkt. „Das halte ich für einen ganz wichtigen Schritt.“ Man könne trotzdem sicherstellen, dass Lohndumping nicht stattfinde.

„Nur Schritt in die richtige Richtung“

Die SPD-Führung bewertete die geplante Ausweitung des Entsendegesetzes zur Festschreibung tariflicher Mindestlöhne in weiteren Branchen als Schritt in die richtige Richtung, der aber unzureichend bleibe. „Wir bedauern sehr, dass es nicht gelungen ist, beim Thema Mindestlohn die Union von ihrer ablehnenden Haltung abzubringen“, sagte Fraktionschef Peter Struck. „Wir haben in der Tat nicht unser Ziel erreicht, aber eine Etappe hinter uns gebracht“, sagte auch Beck. Die SPD werde alles daran setzen, ihr Ziel gesetzlicher Mindestlöhne noch durchzusetzen. Die SPD-Linke Andrea Nahles wertete den Beschluss, für Branchen mit geringer Tarifbindung Gremien zur Tariffindung einzusetzen, als Durchbruch zum Mindestlohn und SPD-Sieg gegen die Union.

Die Union wiederum machte für die Konflikte die SPD verantwortlich. Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Norbert Röttgen, warnte die Sozialdemokraten davor, sich von der Linkspartei treiben zu lassen. „Die SPD muss für sich entscheiden, ob sie weiter ihre Politik reaktiv bestimmen lässt von der PDS oder ob sie wieder die Kraft findet, eine eigene sozialdemokratische Politik zu machen“, sagte er. „Ich halte das für die Überlebensfrage der SPD, ob sie diese Kraft wieder gewinnt oder zu einer ängstlichen und reaktiven Partei wird, die in Wahrheit von der PDS gesteuert wird.“

Auch CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer griff die SPD scharf an: „Die SPD muss sich auch personell läutern und schälen.“ Sie müsse die Spreu vom Weizen trennen. „Wenn sie das nicht tut, wird sie zwischen der Linkspartei und dem bürgerlichen Lager restlos zerrieben.“ Die Beratungen in der Nacht seien die härtesten Verhandlungen gewesen, die die Koalition je erlebt habe.

Trotz der gegenseitigen Vorwürfe werteten Union und SPD die Beschlüsse des Koalitionsausschusses als Zeichen, dass ihre Koalition handlungsfähig sei. „Ich glaube, wir können in der großen Koalition zufrieden sein“, sagte Unions-Fraktionschef Volker Kauder. Kauder und SPD-Generalsekretär Hubertus Heil sahen vor allem die Einigung auf eine Pflegereform einen Erfolg.

14 afrikanische Immigranten wurden tot geborgen

Vor Süditaliens Insel Lampedusa sind bei einem neuen Flüchtlingsdrama wahrscheinlich mehrere Menschen ums Leben gekommen. Die Küstenwache sichtete unweit der Mittelmeerinsel die Leichen von 14 afrikanischen Immigranten. Einige von ihnen waren bereits seit mindestens vier Tagen im Wasser.

Vorerst war unklar, wo das Immigrantenboot untergegangen ist. Die Leichen wurden nach Sizilien gebracht, berichteten die italienischen Behörden.

Bereits 35 Leichen seit Monatsbeginn

Allein seit Beginn dieses Monats wurden 35 Leichen von Immigranten im Meer vor Sizilien geborgen. Im Mai waren es 111 gewesen. Vergangene Woche wurden drei Boote mit insgesamt mehr als 300 Immigranten an Bord vor Lampedusa aufgegriffen. Weitere 31 Menschen wurden unweit von Malta gerettet.

Seit 1988 wurden 8.995 Opfer bei der Überfahrt nach Sizilien registriert. Vor den Küsten Italiens kommt es immer wieder zu Flüchtlingstragödien. Die meisten illegalen Einwanderer beginnen von Nordafrika aus mit kleinen Booten die gefährliche Fahrt über das Mittelmeer.

Sonntag, 17. Juni 2007

Europas drei letzte Tanzbären sind erlöst

Die Tiere mussten imense Qualen erleiden.

Um das Tanzen zu erlernen, erhitzten ihre Besitzer die Metallplatten unter ihren Füßen, bis sie glühten. Jetzt haben bulgarische und österreichische Tierschützer die letzten drei Tanzbären Europas in ein sicheres Quartier gebracht.

Die drei 19, 17 und acht Jahre alten Bären Mischo, Swetla und Mima wurden bei ihren Besitzern im nordostbulgarischen Getsowo abgeholt und in den 500 Kilometer entfernten Tanzbärenpark nach Belitza in den Südwesten des Landes transportiert. Der Park wird von der österreichischen Tierschutzorganisation Vier Pfoten betrieben. Der Leiter des Refugiums, Tierarzt Amir Chalil, freute sich, die Bären von ihrer "Sklaverei" befreit zu haben: "Auf diesen Tag habe ich sieben Jahre gewartet."

Laut Chalil werden die Tanzbären von früher Kindheit an unter unvorstellbaren Qualen abgerichtet. Mit Hilfe von glühendheißen Metallplatten lernten sie zu "tanzen". Um sie gefügig zu machen, würden ihnen Ringe durch die hochsensiblen Nasen gezogen, an denen Ketten befestigt würden. Zur Sicherheit kürzten die Bärenführer ihnen regelmäßig die Krallen, dabei erlitten sie ähnliche Schmerzen, als würden einem Menschen die Fingerkuppen abgeschnitten. Die Bären seien meist in einem beklagenswerten Zustand, wenn sie in dem Park einträfen. Zwei der insgesamt 25 in Bulgarien registrierten Tiere hätten nicht mehr gerettet werden können. Laut 'Vier Pfoten' sind die 23 noch lebenden Tiere die letzten ihrer Art in Europa.

Die bisherigen Besitzer, die Familie Stankow, sehen das anders. Seit Generationen lebt die Roma-Familie von der Dressur der Tanzbären. Mit Mischo, Swetla und Mima bestritten 20 Angehörige aus vier Generationen ihren Lebensunterhalt. "Wie soll ich bloß ohne meine Bären leben? Wir haben unser gesamten Leben miteinander verbracht", sagte der 58-jährige Veselin Stankow. "Sie sind wie unsere Kinder, wir haben sie gut gepflegt und unser Essen stets mit ihnen geteilt". Die Tierschützer bezweifeln dies. Sie sagen, falsche Verpflegung wie Brot und Schnaps sei die Ursache dafür, dass Mischo fast seinen gesamten Pelz verloren habe.

Sklavenhaltung in China

Knapp 600 Personen aus Ziegeleien und illegalen Bergwerken befreit

Selbst in China, wo die Arbeitsbedingungen oft schlecht sind, haben die Meldungen für Entsetzen gesorgt: Die Polizei hat in zwei Provinzen mehrere hundert Personen befreit, die als Sklaven gehalten wurden. Die Meldungen werfen auch ein sehr schlechtes Licht auf die korrupten örtlichen Behörden.

Arbeiter, die als Sklaven in einer Ziegelei in der Provinz Shanxi arbeiten mussten.

(sda/afp) Der Skandal um Sklavenarbeiter in Ziegeleien und illegalen Bergwerken in China nimmt einem laut einem staatlichen Medienbericht immer schlimmere Ausmasse an. Bis Sonntag seien in den Provinzen Shanxi und Henan 568 verschleppte Personen befreit und 169 mutmassliche Mitglieder von Menschenhändlerbanden festgenommen worden, meldete die amtliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua. Unter den freigelassenen Sklavenarbeitern seien zahlreiche Kinder und geistig Behinderte.

Unter Berufung auf die Polizei meldete Xinhua, allein in der Provinzhauptstadt Henans, Zhengzhou, habe die Polizei fünf Menschenhändlerbanden zerschlagen.

Zu schwach zum Laufen

Fernsehbilder aus Henan zeigten am Samstag versklavte Arbeiter einer Ziegelei nach ihrer Freilassung, viele von ihnen waren krank oder zu schwach zum Laufen. Ein Reporter berichtete: «Sie alle wurden mit Ziegeln und Stöcken verprügelt, sieben von ihnen sind schwer verletzt - mit Beinbrüchen und ähnlichem.» Keiner der Arbeiter sei bezahlt worden.

Gemäss der Agentur Xinhua wurden in Henan insgesamt 217 Personen aus Ziegelfabriken und Minen befreit, unter ihnen 29 Kinder und zehn geistig Behinderte. In Shanxi seien 351 Personen aus 3700 Ziegeleien und Kohlenminen wieder frei, darunter 22 Kinder.

Insgesamt rechnete die Polizei nach ersten Schätzungen damit, dass mehr als 1000 Personen versklavt wurden, die in erbärmlichen Zuständen arbeiteten und lebten und oft dem Hungertod nahe waren.

Sonderermittler eingesetzt

Selbst in China, wo Berichte über miserable Arbeitsbedingungen an der Tagesordnung sind, sorgten die Enthüllungen landesweit für Entsetzen. Verstrickt in den Skandal sind nach Medienberichten auch Mitglieder der örtlichen Behörden und der Kommunistischen Partei. Die Regierung in Peking setzte Sonderermittler ein.

Samstag, 16. Juni 2007

Afrika ist der EU voraus

ROAMING OHNE AUFPREIS

Der Traum europäischer Mobilfunkkunden wird ausgerechnet in Afrika realisiert: Handy-Nutzung im Ausland zu Inlandsgebühren, ganz ohne Roaming-Aufschläge. Hinter dem länderübergreifenden Netz steht ein innovationsfreudiger Konzern aus Kuwait.

Das Motto des Mobilfunkanbieters Celtel lautet: "Connects the people of Africa". Das ist einerseits ein gängiger Slogan, der zudem Nokias Claim ("Connecting people") clever lokal abwandelt. Aber Celtel klopft damit nicht nur einen Marketingspruch, das Unternehmen lässt der großspurigen Ankündigung auch Taten folgen: Seit Mitte letzter Woche können Celtel-Kunden in sechs afrikanischen Staaten ihre Handys grenzübergreifend zu Inlands-Konditionen nutzen.

Kenianerin mit Mobiltelefon: Für viele Afrikaner sind Handys die einzige Verbindung zur Außenwelt
Kenianerin mit Mobiltelefon: Für viele Afrikaner sind Handys die einzige Verbindung zur Außenwelt

Mit Celtels "One-Network" können Mobilfunknutzer aus Gabun, Kenia, der Republik Kongo, der Demokratischen Republik Kongo, Uganda und Tansania ohne Auslandsaufschläge miteinander kommunizieren. Celtel führt damit ausgerechnet in Afrika vor, wie ein einheitlicher Telekom-Markt aussehen kann, der auf Gebührengrenzen verzichtet.

Gleiches scheint in Europa unterdessen noch utopisch. Hier haben die Mobilfunker so lange die Preise für Auslandsgespräche künstlich hoch gehalten, dass die sonst wirtschaftsliberale europäische Kommission sich gezwungen sah, die Roaming-Gebühren per Dekret zu senken. Aber auch nach diesem außergewöhnlichen Schritt werden europäische Handy-Nutzer noch deutliche Aufschläge für Gespräche ins nahe Ausland zahlen müssen - Zentralafrika ist da bereits weiter.

Kolonialgrenzen überwinden

Das "One-Network" wurde letztes Jahr in drei Ländern gestartet, die aktuelle Ausweitung bedeutet, dass bereits 160 Millionen potentielle Kunden im Einzugsgebiet leben. Und das soll noch nicht das Ende der Entwicklung sein, Celtel plant vielmehr neun weitere Länder einzubinden (Burkina Faso, Madagaskar, Malawi, Niger, Nigeria, Sierra Leone, der Sudan, Tschad und Sambia).

Das einheitliche Handy-Netz in den aktuell sechs zentralafrikanischen Staaten dürfte aber nicht nur für einzelne Nutzer Preisvorteile bringen. Gerade in Entwicklungs- und Schwellenländern kommt den mobilen Netzen eine besondere Bedeutung als Kommunikations-Infrastruktur zu, die viele Regionen erstmals mit dem Rest des Landes und der Welt verbinden - Was die meist miserabel ausgebauten Festnetze nie leisten konnten.

Diese Kommunikations-Teilhabe bringt oft auch handfeste ökonomische Vorteile, gerade für Kleinhändler und Bauern. Demnach ist es nicht erstaunlich, dass auf der Celtel-Website gleich vier Staatschefs mit Grußbotschaften die Ausweitung des "One-Network" begrüßen. Wobei Gabuns Präsident, H.E. El Hadj Omar Bongo, auf eine weitere afrikanische Besonderheit hinweist: Das Handy-Netz ohne Roaming-Schranken verbindet demnach viele Regionen und Familien, die sich nur durch willkürliche Grenzziehungen durch die Kolonialmächte in verschiedenen Staaten befinden.

Mobilnetze aus Kuwait

Auch Celtels Finanzchef Tito Alai gibt sich in einer Presseaussendung euphorisch: "Unser Netzwerk zeigt, wie innovativ Afrika sein kann". Gleichzeitig betont der Manager aber auch die Chancen für sein Unternehmen, die insbesondere in Entwicklungsländern lägen: "Wir stärken unsere Position im am schnellsten wachsenden Mobilfunkmarkt der Welt."

Womit Alai auf die Tatsache hinweist, dass insbesondere westliche Konzerne viele Märkte in ärmeren oder "schwierigen" Ländern links liegen lassen. Celtel bzw. dessen Mutterkonzern MTC, der in Kuwait seinen Hauptsitz hat, ist dagegen genau in diesen vernachlässigten Märkten besonders aktiv. So investierte das Unternehmen nach eigenen Angaben in den letzten Jahren mehr als 400 Millionen Dollar in ein Mobilnetz im Irak. Und in Namibia testet MTC derzeit zusammen mit Motorolas Netzwerksparte eine Mobilfunk-Basisstation, die mit Wind- und Solarenergie betrieben wird - Auch um die afrikanische Expansion von der oft maroden Stromversorgungs-Infrastruktur unabhängiger zu machen.

Freitag, 15. Juni 2007

Rumänische Erntehelfer hungerten in Containern

Menschenunwürdige Zustände haben Fahnder auf einer Erdbeerplantage bei Donauwörth vorgefunden. Bis nach Mitternacht durchsuchten am Donnerstagabend Beamte der Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Hauptzollamts Augsburg die Wohncontainer
rumänischer Erntehelfer.

Oberndorf - Fünf Euro pro Stunde für Erdbeer-Pflücken: Mit diesem tollen Angebot hat ein Agent mehr als hundert Rumänen nach Oberndorf gelockt. Dass sie aber hier unter "menschenunwürdigen Bedingungen" - wie Kreisrätin Marianne Ach es nennt - "in Containern hausen", tagtäglich zwölf oder 13 Stunden auf dem Feld arbeiten müssen und noch dazu nicht mal ein Drittel des versprochenen Lohnes erhalten, das hatte ihnen niemand gesagt. Auch nicht, dass sie hungrig bei benachbarten Familien um Essen bitten müssen, weil erstmal kein einziger Euro ausbezahlt wurde.

"Es herrschen dort Zustände, die wir seit Beginn mit aller Macht zu bekämpfen versuchen", schildert Bürgermeister Hubert Eberle, der diese Woche schon zum zweiten Mal mit dem Gesundheitsamt vor Ort war, unserer Redaktion. "Manche Dinge haben sich ein bisschen gebessert, von Mindeststandards kann man aber noch nicht sprechen."

Auch Grünen-Kreisrätin Marianne Ach will nicht lockerlassen. Seit sie von der Situation der Erntehelfer in Oberndorf gehört hat, ist sie ständig unterwegs, läuft von Behörde zu Behörde, um zu erfragen, wer etwas gegen die schlechten hygienischen Zustände und gegen die finanzielle Ausbeutung tun kann.

Ein Blick zurück: Zwischen 100 und 150 Rumänen werden mit Bussen nach Oberndorf gebracht. Dort hatte wenige Wochen vorher ein Erdbeerfeld-Besitzer bei der Kommune angefragt, ob er "ein paar Container" aufstellen könne für seine Erntehelfer. Die Gemeinde hatte nichts einzuwenden, zumal der besagte Mann sowieso beim Bauamt im Landratsamt Donau-Ries Baurecht beantragen hätte müssen. Das sei nicht passiert, berichtet Eberle.

Genau 52 Container wurden aufgestellt, ausgestattet mit Betten, Stühlen und hie und da einem Tisch. Die Rumänen kamen an, wurden auf die Hütten verteilt. "Wasser gibt es nur aus der Dusche", so Kreisrätin Ach, die von besorgten Oberndorfern angesprochen wurde und mit diesen gemeinsam sich per Dolmetscher mit den Rumänen unterhalten hat. Zudem habe es bis zum Einschreiten des Gesundheitsamtes keine Kochmöglichkeiten gegeben, keine Kühlschränke und keinen Platz für den Müll.

"Das stimmt nicht", will der Plantagenbesitzer richtigstellen. Er habe die Container mit 18 Kochplatten ausgestattet, diese seien binnen weniger Tage verschwunden.

Zwei, drei Tage nach Ankunft kamen die rumänischen Männer und Frauen und baten per Handzeichen um etwas zu essen und zu trinken. "Sie rieben sich immer den Bauch", erzählt ein Oberndorfer. Viele Privatleute und auch Firmen haben dann zusammen geholfen und große Mengen Lebensmittel gespendet. "Sie hätten mal die strahlenden Gesichter sehen sollen, als 100 Leute in der Schlange standen und darauf warteten, eine Semmel oder ein Brot zu bekommen", erzählt ein Bürger der nicht namentlich genannt werden will.

Am vergangenen Samstag dann streikten die Rumänen. Denn sie hatten immer noch keinen Cent gesehen für ihre Arbeit, die um fünf in der Früh beginnt und wenn es dunkel wird aufhört. Sie stiegen nicht in den Bus ein, der sie sonst immer aufs Feld bringt. Die Polizei wurde von einem Anwohner verständigt, schaute nach dem Rechten.

"Dann soll, so haben es Beobachter mir erzählt, der Besitzer des Erdbeerfeldes aufgetaucht sein und ihnen Geld gegeben haben", weiß Ach. Wie viel das gewesen ist, ist nicht klar. Einige sprechen von 30, andere von 40 oder gar 70 Euro.

Der Betreiber will zu der Bezahlung keine Auskunft geben. Das müsse man mit einer anderen, eigenständigen Firma klären, die die Arbeiter/innen ins Land gebracht habe. Er sagt nur, sie würden nach Akkord bezahlt. Und bei der Unterbringung sehe er keine Probleme.

In der Zwischenzeit sind etwa 50 Rumänen wieder abgereist. Sie haben all ihr Erspartes genommen, um sich den Bus zurück in die Heimat leisten zu können. Die meisten wurden von der Familie Ach und vielen Helfern nach Augsburg zu ihrem Bus gefahren.

"Einige von ihnen hatten überhaupt keine Lust zu arbeiten", meint dazu der Erdbeerfeld-Betreiber. Ihm sei nun durch die Abreise ein immenser Schaden entstanden, weil vieles noch nicht gepflückt sei.

Um die Osteuropäer kümmern sich immer noch in vorbildlicher Weise Leute in und rund um Oberndorf. Die rechtliche Situation prüft nach Angaben von Eberle gerade das Landratsamt sowie die Zollbehörde, die sich mit Schwarzarbeit beschäftigt. "Die Leute haben viel Angst", so der Bürgermeister. "Wir müssen es aber schnellstens hinkriegen, dass sie menschenwürdig untergebracht sind. Und auch anständig entlohnt werden."

Harry und William verteidigen Diana

Die britischen Prinzen William (24) und Harry (22) haben ihre Mutter Diana vor Kritik in Schutz genommen. Zehn Jahre nach ihrem Tod "raunen die Leute und bringen das Schlechte hervor. Über die Zeit scheinen die Menschen all die wunderbaren Sachen, die sie gemacht hat, zu vergessen, und wie fantastisch sie war", sagte William bei einem gemeinsamen Interview mit seinem Bruder für die BBC.

Sie wollen daher mit dem großen Konzert am 1. Juli im Londoner Wembley-Stadium an die positiven Seiten ihrer Mutter erinnern.

"Wir fühlten, dass das der beste Weg ist, das wieder ins Gedächtnis zu rufen", sagte der Zweite in der Thronfolge, "denn sie ist nicht mehr hier, um sich selbst zu verteidigen." Prinz Harry sagte, seine Mutter sei eine "fröhliche, witzige und lebendige Person" gewesen, die er und viele andere sehr vermissten.

Diana habe Musik geliebt, sagte William. "Wir haben sie öfter ertappt, wie sie zu ihrer Musik tanzte - wir sind aus dem Raum gegangen, weil es uns ziemlich peinlich war, dass sie da einfach herumtanzte." Bei dem Pop-Konzert an Dianas 46. Geburtstag am 1. Juli sollen Musiker wie Elton John, Take That, Rod Stewart und Meat Loaf auftreten. Fußballstar David Beckham wird als Star-Gast erwartet. Der Erlös des Konzerts geht an Wohltätigkeitsorganisationen, die Diana unterstützte.

Die Prinzessin war am 31. August 1997 bei einem Autounfall in Paris mit ihrem Freund Dodi Al-Fayed ums Leben gekommen. Derzeit erscheinen weltweit Bücher, Bildbände und Gedenk- CDs. In einer neuen Biografie wird Diana als ungebildet, hinterhältig und berechnend beschrieben.
Ein britischer TV-Sender hatte ungeachtet des Protestes der Prinzen erstmals Fotos vom tödlichen Unfall der Prinzessin ausgestrahlt.