Man solle sich einmal vorstellen, beim Benutzen des Internets die Adressen von Webseiten in Koreanisch eingeben zu müssen. So oder ähnlich geht es Menschen in weiten Gegenden der Welt, die das lateinische Alphabet nicht beherrschen, aber Internet-Adressen - so genannte URLs - mit lateinischen Buchstaben eingeben müssen. Tina Dam, Leiterin des Programms für "Internationalisierte Domain-Namen" (IDN), ist überzeugt, dass man auf dem besten Weg ist, diesen Missstand zu beseitigen.
Internationalisierung und Lokalisierung
Denn seit den frühen Morgenstunden des 15. Oktober hat die ICANN ("Internet Corporation for Assigned Names and Numbers") - die oberste Autorität bei der Vergabe und Verwaltung von Internet-Adressen weltweit - einen Test begonnen, wie solche Adressen künftig nicht mehr nur in lateinischen Buchstaben, sondern in elf verschiedenen Sprachen eingegeben werden können - in Arabisch, Persisch, Russisch, Chinesisch, Griechisch, Türkisch, Tamilisch, Koreanisch , Japanisch, Hindi und Jiddisch.
Die Idee ist nicht neu: Bereits vor sieben Jahren hatten die Direktoren von ICANN beschlossen, dass solch ein Projekt mit Nachdruck vorangetrieben werden sollte. Und als der Test dann am Montagmorgen (15.10.) um 4.10 h kalifornischer Zeit begann, da war es "Ehrensache", dass Tina Dam und ihre Mitarbeiter im Büro waren. Dam spricht von einer "Internationalisierung" und gleichzeitigen "Lokalisierung" des Internets und versucht, den scheinbaren Widerspruch aufzuklären. "Der einzige Weg, wie das Internet als globale Ressource funktionieren wird, ist, dass man sicherstellt, dass es für alle funktioniert. Das ist das Ziel", sagt sie. "Das heißt, dass Menschen mit Hindi als Muttersprache so miteinander kommunizieren können."
Abschottung von Diktaturen?
Ein Teil der Sprachen, die getestet werden
Zumindest vorstellbar ist, dass eine solche Lokalisierung Bestrebungen des einen oder anderen Regimes Vorschub leistet, ein derart "lokalisiertes" Internet bei Bedarf von der Außenwelt abzuschotten und es zu einem landesweiten Intranet zu machen. So wie man in verschiedenen Ländern bereits erfolgreich den Zugang zu bestimmten ausländischen Internet-Adressen blockiert. Tina Dam sieht diese Gefahr nicht. "Das Internet oder das Haupt-Namenverzeichnis funktioniert so, dass dies alles ein Internet ist und seine oberste Ebene sich in einem der dreizehn Root-Server befindet", erklärt sie. "Egal, wo Sie sich auf der Welt befinden - Sie können sich mit dem Internet verbinden. Wenn Sie einen Provider haben, der über eine Verbindung zu einem dieser Root-Server verfügt, dann können Sie sich auch verbinden. Man kann da nicht einfach etwas ausschließen."
Ganz überzeugend ist das nicht. Dam erklärt selbst, was manche Staaten jetzt praktizierten: Sie zwingen ihre Provider, bestimmte Adressen zu blockieren. Und so könnten diese ja auch eines Tages sämtliche Zugänge zum Ausland blockieren, im Inneren aber ein Teil-Internet aufrechterhalten. Und das auch noch in der einheimischen Sprache.
Neue Zeichensätze
Technisch verabschiedet man sich vom bisher überwiegend verwendeten ASCII-Zeichensatz. Aber dies er Prozess begann bereits vor Jahren, als man zum Beispiel deutsche oder dänische oder ähnliche Sonderbuchstaben aufnahm. Die Erweiterung auf völlig andere Schriftzeichen erforderte natürlich noch viel mehr Arbeit und es wird sicher eine Weile dauern, bis sich neue Standards herausbilden. Zum Beispiel müsse sich für Arabisch erst eine allgemeingültige Adressen-Endung - etwa ".ar" - für die "oberste Ebene" entwickeln, dann könne man in den unteren Ebenen den jetzt begonnenen Test zur Norm werden lassen, erklärt Dam. Wer sich für den Test interessiert, der kann sich unter "www.icann.org" genauer informieren.
Für eine Umstellung der e-mail-Adressen auf IDN, also internationales Format, sei es bisher aber noch zu früh, meint Tina Dam schließlich. "Das e-mail-Protokoll für IDNs ist noch nicht fertig. Aber die technische Entwicklung steht kurz vor dem Abschluss und dann wird es wohl auch umgesetzt."