Von Detlef Schmalenberg
Ein Kandidat für die Kommunalwahl bekennt sich offen zu seiner rechtsextremen Gesinnung und tritt in Klettenberg für "pro Köln" an. Deren Chef Markus Beisicht will sich an den Mann so gut wie gar nicht erinnern können und glaubt, Emmerich sei in die Partei eingeschleust worden.
Der Neonazi René Emmerich auf einer Pro-Köln-Veranstaltung ...
... gegen den geplanten Neubau der Ehrenfelder Moschee.
Köln - Er behauptet, ihn kaum zu kennen. Er sei ein unwichtiger Mitläufer gewesen und in keinerlei Funktion für die Partei. Wenn die Rede auf René Emmerich kommt, macht sein ehemaliger Parteichef Markus Beisicht auf ahnungslos. Jetzt jedoch kommt heraus: Die rechtsextreme Partei „Pro Köln“, stets bedacht, den Eindruck zu erwecken, zur bürgerlichen Mitte zu gehören, hat den Neo-Nazi Emmerich zur Kommunalwahl in Köln als Kandidaten für den Stadtteil Klettenberg aufgestellt - und ihn auch nicht abgesetzt, nachdem er aus der Partei ausgetreten ist.
NPD & Co. häufiger Gast auf "Pro"-Demos
Dass sie die Realität abstrus verdrehen, haben die Politdarsteller der Pro-Bewegung, die europaweit mit ultrarechten Parteien und Organisationen kooperieren, schon häufiger unter Beweis gestellt. Auch bei der Suche nach Mitstreitern waren sie in der Vergangenheit nur wenig zimperlich. Politische Irrlichter waren ebenso unter den Unterstützern wie Rechtsextremisten. Recherchen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ beispielsweise haben gezeigt, dass bekannte Neo-Nazis und NPD-Kader immer wieder auf Demonstrationen von „Pro Köln“ und deren politischem Vorgänger „Deutsche Liga für Volk und Heimat“ zu sehen waren. Die Geschichte um den Neonazi Emmerich ist ein weiteres Beispiel für die krude Personalauswahl der Kölner Rechtsextremen. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie die Pro-Verantwortlichen sich die Realität zurecht biegen.
Die Geschichte beginnt am 22. Juni 2009. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichtet, dass Emmerich die Partei, die seit Jahren vom nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz beobachtet wird, verlassen hat. In einem Brief an den Pro-NRW-Vorstand, in dem der 26-Jährige seinen Austritt begründet, war von „offensichtlichen Lügen und Luftschlössern aus eurer Propaganda-Mottenkiste“ die Rede. Der Ex-Funktionär bezog sich auf die klägliche Kundgebung vom 9. Mai zur „Anti-Islamisierung“. Die Veranstaltung mit 150 Anhängern, auf der gegen den Bau einer Moschee im Kölner Stadtteil Ehrenfeld protestiert wurde, wollten die Pro-Verantwortlichen vollmundig zum „phänomenalen Erfolg“ und zur „historischen Stunde“ für ihre Partei mit 1.000 Teilnehmern umdichten.
Erst mit "Pro Köln", nun mit dem "Hitler von Köln"
Insider Emmerich hingegen sprach von eine „Blamage“ sowie von „Erfolg- und Hilflosigkeit“: „Ständig werden völlig absurde Teilnehmerzahlen und sonstige Erfolge von euch herbeigelogen“, so der „Abtrünnige“, der sich anschließend der rechtsextremistischen Kameradschaft um den Kölner Neonazi Axel Reitz anschloss. Der 25-jährige Rassist und Hitler-Verehrer Reitz war führender Funktionär des mittlerweile aufgelösten „Kampfbund Deutscher Sozialisten“ (KDS) und firmierte dort als „Gauleiter Rheinland“. Im Mai 2006 ist er nach zahlreichen vorherigen Verfahren wegen Volksverhetzung zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt worden.
Die Haftstrafe beruhte vor allem auf einer antisemitischen Hetzrede während einer Neonazi-Demonstration im Juni 2004 gegen den Bau einer Synagoge in Bochum. „Es ist uns nahezu unmöglich gemacht, etwas gegen das auserwählte Völkchen kundzutun. Und mit ihrer arroganten Art richten sie (die Juden) sich selbst zugrunde. Und ich könnte nicht sagen, dass mir das Leid tut“, hat er laut Gerichtsurteil unter anderem gesagt.
Reitz, der seinen politischen Gegnern in der Vergangenheit drohte, diese würden „eines Tages auf den Marktplatz gestellt und erschossen“, kandidiert momentan für die rechtsextremistische NPD bei der Kreistagswahl im Rhein-Erft-Kreis. Auf seiner Homepage zur Kommunalwahl haben einige der übelsten Neonazis glühende Grußworte hinterlassen. Es sei erfreulich, „einen jungen völkischen Nationalisten“ wie Reitz „in unseren Reihen zu sehen“, schreibt einer der Rassisten und verabschiedet sich „Mit kameradschaftlichen Grüßen und Heil Dir!“
"Bezirksjugendbeauftragter für das Rheinland"
Auch René Emmerich sei in die „revolutionäre Mission voll integriert“ und arbeite mit „am Aufbau der hiesigen Kameradschaft freier Nationalisten“, sagte Axel Reitz dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Der Pro-Köln-Kandidat selber erklärte auf Anfrage, er habe „überhaupt kein Problem damit, Neonazi genannt zu werden.“ Schließlich habe er seit Jahren, auch während seiner Zeit in der Pro-Bewegung, „kein Hehl“ aus seiner Gesinnung gemacht.
Noch im November 2008 wurde Emmerich auf der Pro-NRW-Homepage als „Bezirksjugendbeauftragter“ für das Rheinland gefeiert. In der Kölner Ratsfraktion habe er ein viermonatiges Praktikum absolviert und seit 2005 sei er dort zeitweise „täglich ein- und ausgegangen“, ergänzt der 26-Jährige. Trotzdem behauptete Parteichef und OB-Kandidat Beisicht im Juni 2009, er kenne Emmerich, der „weder bei Pro Köln noch bei Pro NRW irgendeine Rolle gespielt“ habe, nur „außerordentlich rudimentär“.
Kaum gekannt? Ein Vorsitzender, dem der eigene Kandidat fremd ist? Keine Rolle gespielt? Ein Parteifreund, nominiert als Kandidat, zudem Jugendbeauftragter, soll keine Rolle gespielt haben?
„Wenn Herr Beisicht sagt, er kenne mich kaum, dann lügt er“, sagt René Emmerich. Auf den Neonazi in der eigenen Kandidatenliste angesprochen, bemüht Beisicht jetzt eine krude Verschwörungstheorie. Man habe „offensichtlich“ versucht, einen „getarnten Agent Provokateur bei Pro Köln einzuschleusen, um ihn dann kurz vor den Kommunalwahlen zu enttarnen“, so der Pro-Funktionär. Dies alles sei geschehen, um seine Partei „maximal zu schädigen“.
Böse Mächte und finstere Verschwörungen?
Spätestens am 22. Juni 2009, nach einer Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger, müsste den Pro-Verantwortlichen bekannt gewesen sein, dass René Emmerich ein überzeugter Neonazi ist. Nach Auskunft von Ordnungsamtsleiter Robert Kilp wurde die Kandidatenliste erst am 13. Juli geschlossen. Drei Wochen Zeit für die Pro-Funktionäre, um zu reagieren. Zeit, um parteiintern einen neuen Kandidaten aufzustellen. Warum also wurde der Rechtsextremisten nicht wieder von der Liste gestrichen?
Die lapidare und fast schon irrwitzige Begründung des Parteivorsitzenden: Emmerichs Wahl im Herbst 2008 sei korrekt verlaufen, deshalb rechtlich nicht zu beanstanden und zudem sei der Kandidat „nicht bereit“ gewesen „zurückzutreten“. Nicht bereit gewesen? „Danach bin ich nie gefragt worden“, sagt Emmerich.