Seit ihrem Amtsantritt ist die polnische Regierung für ihre Homophobie bekannt, jetzt ist ein neues Gesetz geplant
Vor allem die kleine Regierungspartei LPR gibt immer wieder schwulenfeindliche Töne von sich. Erst am 1. März sorgte deren Parteivorsitzender Roman Giertych, gleichzeitig polnischer Bildungsminister, in Heidelberg für einen Eklat. Bei einem informellen Treffen der EU-Bildungsminister hetzte er gegen Homosexuelle und die Abtreibung. Wie am 13. März verkündet, plant nun das polnische Bildungsministerium ein neues Gesetz, welches "homosexuelle Propaganda" an Schulen verbieten soll.
Zu Erika Steinbach, der Vorsitzenden des Bundes der Vertriebenen und CDU-Bundestagsabgeordneten, mag man stehen wie man will. In der Vergangenheit hat sie sich einige verbale Ausrutscher geleistet, die zu Misstönen zwischen Deutschland und Polen führten. Auch vor kurzem sorgte Steinbach für sehr viel Aufsehen, als sie in einem Interview für die Neue Passauer Presse die polnischen Regierungsparteien mit den Republikanern, der DVU und der NPD verglich. In Polen reagierte man erstaunlicherweise ruhig auf den Vergleich. Kritik musste sich die umstrittene Politikerin jedoch in Deutschland anhören, sowohl von ihren Parteikollegen wie von der Opposition.
Ihren Vergleich, an dem Steinbach bis heute festhält, begründete sie mit antisemitischen und homophoben Tendenzen innerhalb der polnischen Regierungskoalition. Damit zielte sie vor allem auf die erzkatholische LPR, die Liga Polnischer Familien (1), an deren Spitze der polnische Bildungsminister und Vize-Premier Roman Giertych (Giertych vs. Darwin (2)) steht. Und tatsächlich scheint die BdV-Vorsitzende mit ihrem Vergleich ins Schwarze getroffen zu haben, denn in der LPR gibt es immer wieder Töne solcher Art. Erst letzte Woche rügte das Europaparlament den EU-Abgeordneten Maciej Giertych, Vater des polnischen Bildungsministers und politischer Vordenker der Partei, wegen einer antisemitischen Broschüre, die er mit dem Emblem des Europaparlaments veröffentlichte. Sein Sohn Roman hat selbst als Bildungsminister ein Einreiseverbot nach Israel.
Noch heftiger als der Antisemitismus ist in der LPR aber die Homophobie verbreitet. Die Homophobie Giertychs und seiner Parteigänger ist sogar ausgeprägter, als die der Kaczynski-Zwillinge. Giertych war der erbitterste Gegner der im Juni letzten Jahres stattgefundenen "Gleichheitsparade" (Artikel von Peter Nowak), die er als "Propaganda der Homosexualität" beschimpfte und mit allen Mitteln zu verhindern suchte. Und selbst nach der Warschauer Schwulen und Lesben-Demonstration gab seine Partei keine Ruhe. Die LPR drohte Oppositionspolitikern mit parlamentarischen Konsequenzen, weil sie an der "Parada Rownosci" teilnahmen, und beschuldigte die Organisatoren der Demonstration, Gewalt auf den Straßen Warschaus schüren zu wollen (Und die Rache folgt sogleich (3)).
Am 1. März dieses Jahres schaffte es Roman Giertych wieder, negativ aufzufallen und somit die polnische Regierung in Verruf zu bringen. Bei einem informellen Treffen der EU-Bildungsminister in Heidelberg hetzte der 37-jährige Politiker gegen Homosexuelle und gegen die Abtreibung. Man müsse Kinder und Jugendliche vor Homosexuellen schützen, meinte Giertych, und die Abtreibung verbieten, da die Nationen so selbst für ihren Untergang sorgen. Nach Presseberichten sollen seine europäischen Amtskollegen schockiert gewesen sein, als sie dessen Aussagen vernahmen. Einige distanzierten sich von ihnen und verwiesen sofort auf die europäischen Werte.
Auch in Polen sorgten die Heidelberger Äußerungen für sehr viel Aufsehen. Die polnische Presse berichtete kritisch über Giertychs Auftritt in Deutschland. Sogar dem polnischen Premierminister Jaroslaw Kaczynski, der selber nicht ein Freund von Homosexuellen ist, waren die Aussagen zu radikal. Noch am selben Tag distanzierte sich Kaczynski von diesen Äußerungen und stellte klar, dass die von Giertych verkündete Meinung nicht die der polnischen Regierung gleicht. Einige Tage später, kurz vor der ersten Kabinettssitzung nach Giertychs Auftritt in Heidelberg, erteilte er seinem Bildungsminister, wie einem Schuljungen, einen Tadel.
Wirbel um die "homosexuelle Propaganda"
Von diesem Tadel scheinen sich Roman Giertych und seine Partei aber nicht beirren zu lassen. Am 13. März wurde nun der nächste Coup gegen Homosexuelle und ihre "Propaganda" angekündigt. Auf einer Pressekonferenz verkündete der Vize-Bildungsminister Miroslaw Orzechowski an, mit einem Gesetzentwurf gegen "homosexuelle Propaganda an Schulen" vorgehen zu wollen. Innerhalb eines Monats soll der Entwurf erarbeitet werden, um dann dem Kabinett und dem Parlament vorgestellt zu werden.
Was man sich im polnischen Bildungsministerium genauer unter "homosexueller Propaganda" vorstellt, konnte Orzechowski nicht sagen. Auf die entsprechende Frage eines Journalisten antwortete er nur, dass dies bei der Erarbeitung des Gesetzes noch genauer definiert wird. Was Orzechowski und sein Vorgesetzter Roman Giertych an polnischen Schulen jedoch nicht sehen möchten, konnte der Vize-Minister schon demonstrieren. Orzechowski verwies auf eine Anti-Aids-Broschüre von 1998, die von einer Krakauer Schwulen und Lesben-Organisation herausgegeben wurde. Mit dieser Broschüre wurde an örtlichen Schulen über Safer Sex und Aids aufgeklärt. Eigentlich nichts Schlimmes, sondern eher lobenswert.
Doch in der Broschüre wird auch über gleichgeschlechtliche Liebe aufgeklärt. "Da drin befindet sich auch eine Instruktion für Analsex – für homosexuellen Sex", sagte Orzechowski angewidert und zeigte mit ebensolcher Anwiderung ein Foto von einem sich küssenden schwulen Pärchen. Danach verkündete er auch die vorgesehenen Strafen. Lehrer, die an ihren Schulen "homosexuelle Propaganda" betreiben, sollen ihren Job verlieren, ebenso jene Pädagogen, die an ihren Schulen diese zulassen. Schlimmstenfalls können diese ins Gefängnis kommen, genauso wie die "Agitatoren" der Homosexualität.
Für noch mehr Unruhe sorgte Miroslaw Orzechowski einen Tag nach der Pressekonferenz. In einem Radiointerview für den Sender TOK FM, in dem er sich zu dem geplanten Gesetzesvorschlag äußerte, kündigte Orzechowski an, auch Lehrer mit homosexueller Veranlagung aus dem Schuldienst zu entlassen. "Solch eine Person darf nicht mit Kindern arbeiten", sagte der stellvertretende Bildungsminister.
Darauf folgte eine Welle der Empörung. Janusz Kochanowski, so etwas wie der oberste Verfassungsschützer und Menschenrechtsbeauftragter des polnischen Staates, zeigte sich "tiefst beunruhigt". Politiker der Oppositionspartei SLD fühlten sich durch die Äußerungen an den "Hitlerfaschismus" erinnert und der polnische Lehrerverband, der für den heutigen Samstag zu einer Demonstration gegen die aktuelle polnische Bildungspolitik aufgerufen hat, forderte die sofortige Entlassung Orzechowskis (4).
Auch der polnische Premierminister meldete sich aus den Niederlanden, wo er gerade einen Staatsbesuch absolvierte, wegen des Interviews zu Wort. "Ich teile die Meinung, dass die Schule kein Ort für homosexuelle Propaganda ist", sagte der Premier, um dann aber klarzustellen: "Homosexuelle Lehrer sollten aber nicht aus dem Schuldienst entlassen werden."
Orzechowski muss sich die Kritik zu Herzen genommen haben. Noch am selben Tag distanzierte er sich von seinem Interview bei TOK FM und erklärte der polnischen Presseagentur PAP, es handle sich lediglich um ein Missverständnis, denn homosexuelle Lehrer würden ihren Job nicht verlieren. "Keiner fragt auch einen angehenden Lehrer nach seinen sexuellen Neigungen", sagte Orzechowski.
Trotzdem sorgt der geplante Gesetzentwurf für sehr viel Aufregung, sowohl in Polen wie auch im Ausland. Deshalb ist es auch fraglich, ob die Pläne der LPR gegen "homosexuelle Propaganda" überhaupt realisiert werden; der Unmut in Polen wächst und zudem könnte der Europäische Gerichtshof dieses Gesetz kippen. Vielmehr handelt es sich bei diesem Schachzug der LPR um einen Versuch, Stimmen auf dem rechten Rand zu sammeln und ihre bisherige Klientel zu beruhigen. Selbst von den Koalitionspartnern wird die LPR mit diesem Gesetzentwurf nicht ernstgenommen.
"Es handelt sich lediglich um ein politisches Spielchen der LPR", kommentierte Maria Nowak von der Kaczynski-Partei PiS (5) und Vize-Vorsitzende des Bildungsausschusses im polnischen Parlament, das Vorhaben der Liga Polnischer Familien. Hinter diesem Kommentar dürften sich aber auch Interessen um eigene Gesetzesvorhaben verstecken, die mit menschlicher Lust zu tun haben. Am Freitag meldeten die polnischen Agenturen, dass die PiS in den nächsten zwei Wochen einen Gesetzesentwurf zum Verbot von Pornografie erarbeiten möchte. Wie bisher bekannt wurde, soll sowohl der Besitz wie auch der Verkauf von Pornos strafbar werden. Zu den 25 Initiatoren des Gesetzes gehört auch Maria Nowak.
Links
(1) http://www.lpr.pl
(2) http://www.heise.de/tp/r4/artikel/23/23844/1.html
(3) http://www.heise.de/tp/r4/artikel/22/22902/1.html
(4) http://www.znp.edu.pl/text.php?action=&cat=7&id=4821
(5) http://www.pis.org.pl