Samstag, 14. November 2009

ISRAEL: Neuer Bericht hebt Ausbeutung von Wanderarbeitern

ISRAEL: Neuer Bericht hebt Ausbeutung von Wanderarbeitern


Photo: Tamar Dressler/IRIN Foto: Tamar Dressler / IRIN
Some 30,000 migrant workers are employed in Israel's agricultural sector, mostly from Thailand, Nepal, Sri Lanka Rund 30.000 Arbeitsmigranten in Israel Agrarsektor beschäftigt, vor allem aus Thailand, Nepal, Sri Lanka
Wanderarbeiter in der Landwirtschaft Israels gehören zu den am meisten genutzten, nach einem Bericht von Kav LaOved, eine israelische NGO die sich für die Rechte von benachteiligten Arbeitnehmern in Israel und den besetzten palästinensischen Gebieten.

Neunzig Prozent dieser Arbeitnehmer arbeiten mehr Stunden als erlaubt nach israelischem Recht, ohne Überstundenvergütung, sagte der Bericht, der an die Mitglieder des Europäischen Parlaments vorgelegt hat.

Der Bericht fasst Hunderte von Beschwerden von Landarbeitern und Dutzende von Inspektionen durch Kav LaOved Freiwilligen bei der Arbeit im ganzen Land, und malt ein düsteres Bild der systematischen Ausbeutung und schweren Verletzungen der Rechte der Arbeitnehmer in der Landwirtschaft.

Hanna Zohar, Kav LaOved Direktor, sagten die Arbeiter, die meisten Thai, haben keine Ahnung von ihren Rechten.

"Nach US-Dollar bezahlt 8-10.000 die in Israel arbeiten, sie sind Neuware für Missbrauch durch die Landwirte, da sie Angst haben, ihre Arbeitsplätze verlieren und nicht in der Lage zu zahlen sich aus den Darlehen getroffen, um diese Zahlungen an die Zwischenhändler decken", sagte Zohar .

Der Bericht fällt mit der aktuellen Kampagne von den Landwirten für zusätzliche Genehmigungen für Wanderarbeitnehmer zusammen, und will die öffentliche Debatte zu diesem Thema.

Farmers have been demonstrating for more permits in recent weeks and there have been violent clashes with the police. Die Landwirte wurden demonstrieren für mehr erlaubt in den letzten Wochen und es zu gewaltsamen Zusammenstößen mit der Polizei gewesen.

Rund 30.000 Wanderarbeiter sind in der Landwirtschaft beschäftigt, überwiegend aus Thailand, Nepal, Sri Lanka und einige von der Palästinensischen Behörde, nach Kav LaOved und offiziellen Zahlen aus dem Ministerium für Industrie, Handel und Arbeit.

Die thailändische Arbeiter kommen aus ländlichen Gebieten nach Zahlung Zwischenhändler in Thailand und Israel, und die meisten Arbeiten in abgelegenen und isolierten Lagen, ohne zu wissen über ihre Rechte, wie Untersuchungen Kav LaOved im vergangenen Jahr getan.

The report said it is common practice in many agri-businesses to dock leave, and some employers give workers only one day off a month. Der Bericht sagt, ist es gängige Praxis in vielen Unternehmen die Agrar-Dock zu verlassen, und einige Arbeitgeber den Arbeitnehmern nur einen freien Tag pro Monat.

Arbeitgeber, die Pässe einbehalten - von der Justiz verurteilt - ist nach wie vor üblich, so Kav LaOved und Moked NGO, für die Rechte von Migranten.

Seit Beginn des Jahres 2009, wurden 10 Prozent in der landwirtschaftlich Beschäftigten (2.950) verletzt, so der Bericht.

Harten Lebensbedingungen

Der Nachweis der harten Lebensbedingungen und erniedrigende Behandlung tauchen regelmäßig bei der Inspektion Kav LaOved Berichte.

Bei einem Besuch in einem Betrieb gefunden IRIN einige Arbeiter leben in einer Kartoffelernte Ort der Beseitigung, in einem kleinen, stickigen Container. Arbeitnehmer gegenüber IRIN sie nicht verlassen können, da sie zahlen müssen vor enorme Schulden in ihren Heimatländern.

Der Sprecher des israelischen Ministeriums für Industrie, Handel und Arbeit sagte: "Die Abteilung für ausländische Arbeitnehmer untersucht seit Jahren die private Personal-und Baugenossenschaften zu verhindern, die Erhebung der Wanderarbeitnehmer, dass diese nach dem Gesetz überschreitet

Dutzende von Lizenzen wurden zurückgenommen ... Wir bitten Kav LaOved gemeinsam mit dem Rechtsanwalt die für die Rechte der ausländischen Arbeitnehmer im Ministerium arbeiten, Iris Maayan und lassen Sie die verschiedenen Faktoren bei der Durchsetzung der indischen Regierung Büros, effizienter zu arbeiten.

Freitag, 13. November 2009

Arbeitslager statt Abschiebung?

Illegale Immigranten nach ihrer Ankunft auf Fuerteventura  (Foto: dpa)
Mehrere tausend afrikanischer Flüchtlinge versuchen jährlich in der Hoffnung auf ein besseres Leben aus ihrer Heimat zu fliehen. Um den nichtabreisenden Flüchtlingsstrom einzudämmen, greifen viele Staaten zu drastischen Maßnahmen. So meldete erst vergangene Woche die israelische Tageszeitung "Haaretz", Israel habe vor, illegale Migranten zukünftig in Arbeitslagern im Süden des Landes unterzubringen. Die Flüchtlinge sollen außerhalb der Camps arbeiten, ihren kompletten Lohn erhielte der Staat. Im Gegenzug dafür bekämen sie Unterkunft, Lebensmittel und medizinische Betreuung. Israels Regierung will so afrikanische Asylsuchende abschrecken, die über die ägyptische Grenze nach Israel fliehen.

Anmerkung: "Über die Errichtung von Krematorien zur Vernichtung der Asylsuchenden wenn diese nicht mehr arbeitsfähig sind, ist derweil noch nicht entschieden worden."

Donnerstag, 12. November 2009

Staatssekretäritis:Verstärkung für den Herrn Vizekanzler

Von Gerd Langguth

schWesterwelle: Ein Staatssekretär mehr statt einer weniger

Außenminister, Vizekanzler, Parteichef: viel Arbeit für einen allein. Deshalb holt Guido Westerwelle jetzt einen weiteren Staatssekretär an Bord, der ihm die Koordination der Parteipolitik abnehmen soll. Er bricht mit Gepflogenheiten im Auswärtigen Amt - und ein Wahlversprechen.

Wie grandios in der Politik manchmal Wahlversprechen gebrochen werden, lässt sich an Guido Westerwelle wieder sehr schön nachweisen. Vor der Wahl hieß es im "Liberalen Sparbuch" zum Einzelplan 05 des Auswärtigen Amtes der FDP-Bundestagsfraktion, man wolle einen Staatssekretär einsparen. Wörtlich stand da: "Geringerer Ansatz wegen Einsparung eines Staatssekretärs. Einsparungen dienen der Entlastung der Bürger".

Jetzt wurde über den Verbleib einer dritten Staatssekretärsstelle im Auswärtigen Amt entschieden - und zwar in die andere Richtung. Der bisherige Büroleiter des FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle, Martin Biesel, wurde in dieser Woche auf den Posten gehoben. Er soll hauptsächlich die fünf FDP-Minister koordinieren.

Kaum sind die Liberalen im Amt, haben ihre Sparankündigungen also nur noch Erinnerungswert.

Es wird immer häufiger von einem "Vizekanzler" gesprochen - etwa von Thomas Gottschalk, der den neuen Außenminister Westerwelle bei der Feier zur deutschen Einheit am 9. November huldvoll so ansprach. In den Medien geschieht das ständig. Schon Frank-Walter Steinmeier hatte es gern, wenn vom "Vizekanzler" oder "Vizekanzleramt" die Rede war. Doch gibt es in Wahrheit im Grundgesetz den Begriff "Vizekanzler" überhaupt nicht. Im Grundgesetz wird nur vom "Stellvertreter" des Bundeskanzlers (Artikel 69 Abs. 1) gesprochen.

Faktisch ist dieser nur ein Vertreter des Kanzlers, der Stellvertreter leitet etwa die Kabinettsitzungen, wenn der Kanzler - selten genug - im Urlaub oder im Ausland weilt. Wenn etwa von einem "Vizekanzleramt" gesprochen wird, dann ist das formal betrachtet eine Chimäre. Bisher hat sich auch kein Stellvertreter des Kanzlers erdreistet, auf dem Briefpapier das Wort "Vizekanzler" zu verwenden.

Franz Münteferings Sündenfall

In der Großen Koalition fand der eigentliche Sündenfall statt, als sich Franz Müntefering mit Wissen der Kanzlerin im Arbeitsministerium einen größeren Mitarbeiterstab einrichtete, der nichts anderes zu tun hatte als die Arbeit der SPD-geführten Ressorts zu koordinieren. Dies fiel nicht weiter auf, weil das ja im Rahmen eines Ressorts geschah, das sich mit Fragen der Innenpolitik befasste. Als jedoch Steinmeier die Stellvertreterfunktion Merkels in der Großen Koalition übernahm, wurde dort rasch die neue Position eines dritten beamteten Staatssekretärs geschaffen. Das wurde ein gut vernetzter Sozialdemokrat, Heinrich Tiemann.

Das Kanzleramt hatte aber bei diesem Vorgang Bauchschmerzen, weil man bei der Neuschaffung dieser Stelle den Rechnungshof fürchtete. Durch einen formalen Trick wurde dieser Staatssekretärsposten dadurch ermöglicht, dass Tiemann zusätzlich zur Koordinierung der SPD-Innenpolitik einige begrenzte Aufgaben der auswärtigen Politik übertragen wurden, etwa der Energie- und Außenwirtschaftspolitik. Dadurch sollte kaschiert werden, dass eine neue Position geschaffen wurde, die eigentlich mit dem Auswärtigen Amt als solchem überhaupt nichts zu tun hat.

Wie kostenträchtig die Stelle des neuen Staatssekretärs bei Westerwelle sein wird, ist derzeit noch unklar, doch es ist davon auszugehen, dass zusammen mit dem persönlichen Büro (Sekretariat, Fahrer) und den Mitarbeitern wenigstens ein Dutzend Stellen zur FDP-Koordinierung im Auswärtigen Amt dienen werden.

Systembruch im Auswärtigen Amt

Niemand wird grundsätzlich bestreiten können, dass eine solche innenpolitische Funktion im Rahmen des Auswärtigen Amt systemwidrig ist. So sehr man mit der Tatsache wird leben müssen, dass in der unmittelbaren Nähe eines Politikers Personen arbeiten müssen, die das volle parteipolitische Vertrauen des Chefs haben, ist die Grenze dann überschritten, wenn die hochrangige Position eines eigenen Staatssekretärs in erster Linie zur Koordinierung der Parteipolitik genutzt wird. Dazu gibt es Parteizentralen - zumal der betreffende Minister auch Parteivorsitzender ist - und die Fraktionen. Die FDP hat zudem ihr Versprechen, die Zahl der Parlamentarischen Staatssekretäre zu reduzieren, nicht eingehalten.

Der Systembruch eines Staatssekretärs für Innenpolitik im Auswärtigen Amt ist nicht nur dem Amtschef Guido Westerwelle anzulasten, sondern auch der Regierungschefin Angela Merkel, die sich um des "lieben Friedens willen" nicht querstellte. Wer weiß, vielleicht wird eines Tages auch die selbständige Partei CSU darauf pochen, einen eigenen Staatssekretär zur Koordinierung der CSU-geführten Ministerien zu erhalten?

Westerwelle wird dem sicher entgegnen, dass er gerade als Außenminister einer besonderen Unterstützung bedürfe - schließlich reise er in aller Welt herum. Steinmeier war in seinen vier Jahren Außenministerzeit immerhin an 406 Tagen im Ausland. Westerwelle, der mit einem imponierenden und anspruchsvollen Reformprogramm angetreten ist, hätte dann aber besser daran getan, wenn er sich ein wichtiges innenpolitisches Ressort hätte zuweisen lassen. Schon seine Vorgänger wie etwa Joschka Fischer, haben erkennen müssen, dass die internationale Welt einen deutschen Außenminister so absorbiert, dass kaum Platz für die Innenpolitik bleibt. Dies trifft insbesondere für einen Parteivorsitzenden zu.

Bedeutungsverlust im Schau-Ministerium

Bisher ist jeder Außenminister durch das Abschreiten roter Teppiche und das Empfangen hochrangiger Gäste schnell auf ein erhebliches Sympathieniveau in den Umfragen geklettert. Sicher war das für den außenpolitischen Novizen Westerwelle ein wesentliches Motiv zur Übernahme dieses Amtes. Doch litt schon sein Ziehvater Hans-Dietrich Genscher darunter, wie sehr Kohl alle wichtigen Fragen der Außenpolitik an sich gezogen hatte.

Merkel hatte ihren ersten Außenminister Frank-Walter Steinmeier bei einer Reihe außenpolitischer Fragen (zum Beispiel Afghanistan, Verhältnis zu Barack Obama) gekonnt ausgebremst, ihm wenig Möglichkeit zur Profilierung gelassen. Die Außenämter aller Regierungen haben in den vergangenen Jahren durch die sich enorm ausweitende Gipfeldiplomatie an Bedeutung verloren, weil in den jeweiligen Regierungszentralen die inhaltlichen Fragen koordiniert und entschieden werden. Während der Außenminister bei europäischen Gipfeln immerhin noch mit von der Partie ist, sitzt bei den G-20-Staaten der Industrie- und Schwellenländer der Finanzminister mit am Tisch.

Westerwelle wird es so schwerer haben, der Innenpolitik seinen Stempel aufzudrücken, Beliebtheit hin, Beliebtheit her. Reformen werden jedenfalls nicht in der Außenpolitik gemacht. Mit Interesse wird zu sehen sein, was vom Reformprogramm der FDP übrig bleibt und wie Westerwelle dieser Spagat gelingt.

Liebig-14-Eigentümerin erneut ohne Anwalt

Kurz vor dem letzten Prozess um Einzelmietverträge des Friedrichshainer Wohn- und Kulturprojekts Liebigstr. 14 steht die Eigentümer-Gesellschaft Lila GbR offenbar ohne Anwalt da. Gestern wurde bekannt, dass Michael Haase der Kanzlei Kunze & Partner sein Mandat niedergelegt hat. Damit hat es Lila-Gesellschafter Suitbert Beulker geschafft, innerhalb von nur vier Monaten drei Anwälte zu verlieren.
Am Freitag findet vor dem Berliner Landgericht der letzte von insgesamt neun Berufungsprozessen um gekündigte Einzelmietverträge der Liebigstr. 14 statt. Alle bisherigen Prozesse vor dem Amts- wie auch vor dem Landgericht endeten im Sinne der Lila GbR. Es ist davon auszugehen, dass auch das letzte Urteil der geplanten Entmietung des 20 Jahre alten Projekts nicht im Wege stehen dürfte.

Eine anwaltliche Vertretung ist bei der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht jedoch obligatorisch. Soll heißen, ohne Anwalt oder Anwältin verliert die Lila GbR aus formalen Gründen den Prozess.

Nachdem bereits im August der langjährige Lila-Anwalt Detlef Maas ohne Angabe von Gründen sein Mandat niederlegte, gab dessen Nachfolger Michael Haase nun bekannt, nicht mehr für die Lila zu arbeiten. Zusammen mit dem im Oktober bekannt gewordenen Verzicht der Anwaltskanzlei Dorn, die sich für Beulker um die Entmietung des benachbarten Hausprojekts Rigaer Str. 94 kümmern wollte, verliert dieser nun den dritten Anwalt innerhalb von nur vier Monaten.

Haase, der noch vor zwei Wochen von einigen L14-Unterstützer_innen besucht wurde ( http://de.indymedia.org/2009/10/264387.shtml), beklagte sich über in seinem Namen gemachte Bestellungen im Internet sowie einen Nachsendeantrag, der den Verlust von Kanzleipost verursacht habe. Ob dies auch zu seiner Entscheidung geführt habe oder ob andere Gründe vorlagen, ließ er offen.

Wir dürfen gespannt sein, welcher gewissenloser Advokat sich am Freitag der Öffentlichkeit präsentiert.

Dienstag, 3. November 2009

Der jüdische Terrorist Jakob Teitel ist geständig

Der Extremist wurde vom Hass auf Araber, Linke und Homosexuelle getrieben.
Er hat mehrere Anschläge gestanden, die teils lange zurückliegen.

Die Liste der Verbrechen des jüdischen Extremisten Jakob Teitel ist länger als zunächst vermutet. Zwei Morde an Palästinensern lastet ihm der inländische israelische Nachrichtendienst Schin Beth an, Bombenanschläge gegen den linken Historiker Seew Sternhell und gegen messianische Juden. Sein Geständnis umfasst den Anschlag auf das Tel Aviver Homozentrum, bei dem Anfang August zwei junge Menschen starben.

Die Polizei vermutet jedoch, dass Teitel die beiden Morde nicht selbst beging, sondern einen Komplizen deckt. Damit wäre die anfängliche Theorie, dass es sich um eine "Ein-Mann-Terrororganisation" handelt, wie der liberale Maariw zunächst schrieb, widerlegt.

Nach außen führte der 37-jähriger vierfache Familienvater ein ruhiges Leben. Er arbeitete als Computertechniker, seine Frau als Tanzlehrerin. Zum ersten Mal geriet Teitel in die Fänge der Polizei, als 1997 südlich von Hebron der Palästinenser Isa Machmara tot aufgefunden wurde. Der ultraorthodoxe Examerikaner, der schon damals mindestens einen Mord hinter sich hatte, gehörte zu den Verdächtigen. Trotzdem wurde die Akte später geschlossen, ohne ihn vor Gericht zu bringen.

Über zwölf Jahre lang trieb er ungehindert sein Unwesen. Darüber, wie das möglich sein konnte, wird derzeit heftig in den Medien diskutiert. Vor sechs Monaten war er noch einmal beim Schin Beth zum Verhör. Die endgültige Verhaftung fand jedoch erst vor drei Wochen statt. Sicherheitsbeamte erwischten ihn in flagranti bei der Verteilung extremistischer Flugblätter und fanden später bei ihm zu Hause ein komplettes Waffenarsenal.

Teitel ist nicht der erste jüdische Terrorist aus Schwut Rachel. Im Juli 2005 erschoss der Busfahrer Asher Weisgan vier palästinensische Arbeiter in unmittelbarer Nähe der Siedlung. Während Weisgan offenbar aus einer momentanen Situation heraus agierte und sich anschließend selbst erschoss, plante Teitel jedes seiner Attentate bis ins Detail. Im Unterschied zu bisherigen jüdischen Terroristen, allen voran Baruch Goldstein, der für das Massaker in der Hebroner Ibrahim-Moschee verantwortlich war, und die Untergrundgruppe aus Bat-Ayn, die einen Brandanschlag auf eine palästinensische Mädchenschule verübte, hatte es Teitel nicht nur auf Palästinenser abgesehen.

Der schwule Meretz-Abgeordnete Nitzan Horowitz kommentierte die Festnahme warnend: "Teitel ist kein vereinzeltes Unkraut, sondern wuchs auf dem vergifteten Boden der extremen Rechten." Schon vor drei Jahren fand der Schin Beth in dem überwiegend von nationalistischen Siedlern bewohnten Tapuach Mordappelle gegen Homosexuelle, auf deren Kopf jeweils 20.000 Schekel (umgerechnet rund 3.600 Euro) ausgesetzt wurden. Zeitgleich kursierten Bauanleitungen für Molotowcocktails für den Einsatz in Schwulenbars.

Zumindest ein Teil der Hetzschriften dürfte aus der Feder Teitels stammen, wobei er aufgrund seiner bis heute mangelhaften Hebräischkenntnisse auf Hilfe angewiesen sein musste. So hinterließ er zusammen mit der Rohrbombe am Hauseingang des linken Intellektuellen Sternhell vor gut drei Jahren einen Zettel, auf dem für die Ermordung von Friedensaktivisten ein Kopfgeld von 200.000 Schekel (rund 36.000 Euro) ausgesetzt wurde.

Wenige Monate später explodierte eine Paketbombe in den Händen eines 15-jährigen Jungen, der in der benachbarten Siedlung Ariel lebt und bis heute mit den Folgen des Attentats zu kämpfen hat. Sein "Vergehen" war, dass er den messianischen Juden angehört, die glauben, dass Jesus der Messias ist. In Verhören mit den Untersuchungsbeamten erklärte Teitel ohne Reue: "Ich würde es wieder tun."

Freitag, 9. Oktober 2009

"Das ist lächerlich und peinlich"

US-Presse zur Obama-Auszeichnung

Die amerikanische und britische Presse überschlägt sich nach der Verleihung des Friedensnobelpreises an Barack Obama mit Spott - zu früh und unverdient sei die Auszeichnung des US-Präsidenten. SPIEGEL ONLINE zeigt die Kommentare der wichtigsten Zeitungen.

Hamburg - Selbst die dem US-Präsidenten wohlgesonnene New York Times äußert Bedenken an der Entscheidung des Osloer Komitees, den Friedensnobelpreis an Barack Obama zu vergeben. "Für Obama könnte die Auszeichnung zur Bürde werden. Obama hatte sich schon im Wahlkampf Vorwürfe anhören müssen, er setze zuviel auf internationale Popularität und verschleiere damit politische Inhalte. Ein Friedensnobelpreis in seinem Alter, nach nur neun Monaten im Amt gibt seinen Kritikern neues Futter."

Jennifer Loven von der Associated Press schreibt in einem Kommentar: "Der Preis wurde für Versprechen, nicht für Leistungen verliehen. Die meisten der ehrgeizigen Ziele Obamas, ob daheim oder im Ausland, sind doch gerade erst angelaufen und längst nicht beendet. Er hat keinen Grund, auf etwas stolz zu sein, das die Auszeichnung rechtfertigen würde."

Scharfe Worte findet Michael Binyon, Kommentator von Times Online. Er nennt die Entscheidung "absurd", sie mache aus der renommierten Auszeichnung eine "Farce". Selten sei eine Preisvergabe so tendenziös und voreingenommen entschieden worden. "Es liegt auf der Hand, dass das Komitee mit der Ehrung die Erleichterung Europas über das Ende der Ära Bush zum Ausdruck bringen und dem ersten schwarzen Präsidenten der USA Beifall zollen wollte." Allerdings sei die Rechnung nicht aufgegangen. "Stattdessen macht sich das Komitee in seinen Grundfesten lächerlich, indem es einen Mann ehrt, der gerade erst am Anfang seiner Amtszeit steht und noch keine handfesten Friedenserfolge vorzuweisen hat."

Der britische Economist schreibt: "Bislang hat Obama lediglich erreicht, dass sich der diplomatische Umgang mit einigen Staaten etwas entspannt hat. Selbst wenn der Preis mit der Intention verliehen wurde, Obama zu ermutigen: Es wäre viel überzeugender gewesen, damit zu warten. Bis der US-Präsident die Chance bekommen hat, seine Ziele umzusetzen." Allerdings sei es fraglich, ob Obama dies gelinge: "Im Moment arbeitet er an etlichen Projekten, bringt aber keines wirklich zu Ende."

"In Wahrheit hat Obama den Preis dafür bekommen, dass er nicht George W. Bush ist", meint der Guardian. "Die Frage ist nun, ob eine so mühelos verdiente Ehrung Obama wirklich helfen wird - oder der Preis noch doch ein Klotz am Bein ist, weil die Erwartungen zu hoch sind."

"Kurzfristig verleiht der Preis Obama mehr Durchsetzungskraft, mehr Autorität bei Verhandlungen mit renitenten Staaten", schreibt das amerikanische Time Magazine. "Aber eine Inspiration für den Frieden zu sein, das reicht nicht. Frieden schafft man mit Scharfsinn, mit harten Verhandlungen in langen Prozessen. Noch hat Obama dieses Geschick nicht bewiesen."

Die Washington Post nennt die Entscheidung aus Oslo "überwältigend", ist aber ebenfalls überrumpelt - schließlich sei es wohl noch ein bisschen früh, einem Präsidenten in seinem ersten Amtsjahr gleich diesen Preis zu verleihen. Kommentatorin Ruth Marcus ist außer sich: "Das ist einfach lächerlich, peinlich! Ich liebe Präsident Obama, ich schätze ihn, ich habe ihn gewählt. Aber er bekommt den Preis für ein paar gute Monate. Sicherlich konnte er, als er heute morgen mit der Nachricht geweckt wurde, selbst nicht fassen. Es ist einfach bizarr."

Verwundert zeigte sich auch Iain Martin im Wall Street Journal. Er findet die Auszeichnung für den US-Präsidenten "schlicht bizarr". Und fragt: Wofür? Weil Obama Frieden mit Hillary Clinton, seiner Wahlkampf-Widersacherin geschlossen hat?

Mittwoch, 7. Oktober 2009

Kanada: Schwule Blutspende beschäftigt die Justiz

Kyle Freeman pocht auf sein Recht, anderen Menschen mit einer Blutspende zu helfen.
Kyle Freeman pocht auf sein Recht, anderen Menschen mit einer Blutspende zu helfen.
Ein kanadischer Blutspendedienst hat einen schwulen Mann verklagt, weil dieser trotz eines Verbots gespendet hat; dieser hat Gegenklage wegen Diskriminierung eingereicht.

Der 36-jährige Kyle Freeman hat zugegeben, in der Hauptstadt Ottawa seit 1990 insgesamt 18 Mal Blut an den die Canadian Blood Services abgegeben zu haben. Er hat auf dem zuvor ausgefüllten Fragebogen gelogen und angegeben, nicht schwul zu sein. In Kanada darf allerdings kein Mann, der in seinem Leben mit einem Mann Sex gehabt, spenden. Die gleiche Regelung gilt auch in Deutschland.

Als Freemans Blut routinemäßig getestet wurde, kam heraus, dass er sich mit Syphilis infiziert hatte. Die sexuell übertragbare Infektionskrankheit ist leicht zu behandeln, kann aber ohne Medikamente tödlich enden. Als er dann auf Nachfrage des Blutspendedienstes einräumte, schwul zu sein, wurde er verklagt.

Freeman argumentierte am Dienstag beim ersten Verhandlungstag, dass sein Infektionsrisiko nicht höher gewesen als bei heterosexuellen Männern. Er habe – außer mit seinem Lebenspartner – keinen ungeschützten Sex gehabt. Außerdem habe er sich regelmäßig auf eine HIV-Infektion testen lassen. "Das Risiko war meiner Ansicht nach nahe Null", so Freeman. "Mein Vater war ein Blutspender. Er hat mir immer beigebracht, dass das der beste Weg ist, Menschen zu helfen." Er hat bereits eine Gegenklage gegen die Canadian Blood Services wegen Diskriminierung eingereicht. Er erklärte, dass in der kanadischen Verfassung garantiert sei, dass niemand wegen seiner sexuellen Orientierung benachteiligt werden darf. Er sei aber nur wegen seiner Homosexualität von dem Blutspendedienst belangt worden.

(Fortsetzung nach Anzeige)


Befürworter des Homo-Verbots argumentieren, dass Schwule generell gefährlicheren Sex hätten und daher zu einer Risikogruppe gehörten. Zwar werde das Blut stets auf sexuell übertragbare Krankheiten getestet, jedoch kann HIV erst Wochen nach der Infektion festgestellt werden.

In Deutschland setzt sich der Lesben- und Schwulenverband dafür ein, das generelle Verbot von Schwulen bei Blutspenden zu beenden. "Man kann nicht eine ganze Bevölkerungsgruppe unter Generalverdacht stellen", erklärte zuletzt LSVD-Pressesprecherin Renate Rampf. Sie argumentiert, dass bereits andere Länder wie Russland, Italien und Spanien das Homo-Verbot bereits aufgehoben hätten.

Auch Teile der Politik fordern die Gleichbehandlung von Schwulen: "Die Tatsache homosexuelle Männer lediglich aufgrund einer Eigenschaft – ihrer Homosexualität – zur Risikogruppe abzustempeln und damit auszuschließen ist problematisch weil das tatsächliche Verhalten überhaupt keine Rolle spielt", erklärte etwa der schleswig-holsteinischen FDP-Fraktionschef Heiner Garg. "Überlegenswert ist die Praxis in Frankreich, Menschen ohne Ansehen ihrer sexuellen Orientierung vor einer Blutspende durch einen Arzt gezielt zu ihrem Sexualverhalten zu befragen, um daraufhin über die Zulassung zur Spende zu entscheiden. Schließlich geht es darum anderen Menschen zu helfen – und in den meisten Fällen Leben zu retten – das können auch homosexuelle Männer."


Schweizer Juso greift Kirchenprivilegien an

Jungsozialisten wollen die "absolute Trennung von Kirche und Staat" - Martin Grichting: Finanzielle Ausstattung der Landeskirchen verhalte sich gegenüber der "gelebten Religiosität" mittlerweile wie "eine Rolls-Royce-Karosserie zu einem Töffmotor
Schweiz (kath.net/RNA)

Die Geschäftsleitung der Jungsozialisten der Schweiz hat ein Positionspapier verabschiedet, welches die radikale Trennung von Kirchen und Staat fordert, inklusive Abschaffung der Kirchensteuer und Schliessung der theologischen Fakultäten an staatlichen Universitäten.

Die Delegierten der Jungsozialisten werden am 24. Oktober über das Positionspapier befinden. Die Forderungen wollen sie im Parteiprogramm der SP verankert sehen.

Die Privilegien der christlichen Landeskirchen seien ein Affront für Nichtgläubige, sagt Cédric Wermuth, Juso-Präsident und Vizepräsident der SP Schweiz. Andere Religionsgemeinschaften wie Muslime oder Juden würden diskriminiert.

Das traditionelle Argument linker Politiker, wonach den Kirchen eine wichtige gemeinnützige Funktion zukomme, lässt Cédric Wermuth nicht gelten: «Staatliche Aufgaben wie die Armutsbekämpfung gehören in die Hand des Staates.» Beifall erntet der Vorstoss der Juso bei der Schweizer Freidenker-Vereinigung, deren Plakatkampagne («Da ist wahrscheinlich kein Gott - also sorg dich nicht, geniess das Leben») vergangene Woche von der Zuger Stadtregierung gestoppt wurde.

Thomas Wipf, Präsident des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbunds, sagt gegenüber der «Sonntagszeitung»: «Religion ist eine gesellschaftliche Realität. Deshalb ist es sinnvoll, dass der Staat sein Verhältnis zur Religion in positiver Weise regelt.»

Für Martin Grichting, Mitglied der Deutschschweizerischen Ordinarienkonferenz der katholischen Kirche und der Churer Bistumsleitung, legen die Jusos den Finger auf einen wunden Punkt: Die finanzielle Ausstattung der Landeskirchen verhalte sich gegenüber der «gelebten Religiosität» mittlerweile wie «eine Rolls-Royce-Karosserie zu einem Töffmotor».

In Basel renne Wermuths Vorschlag «zu 90 Prozent» offene Türen ein, sagt Bernhard Christ, Vizepräsident des Kirchenrats der evangelisch-reformierten Kirche Basel-Stadt. Denn in Basel-Stadt ist die Trennung von Kirche und Staat seit 1910 weitgehend Wirklichkeit.

Der Staat stelle den Kirchen in Basel-Stadt zwar die Steuerdaten ihrer Mitglieder oder die Räumlichkeiten der staatlichen Schulen für den Religionsunterricht zur Verfügung. Doch den öffentlich-rechtlich anerkannten Kirchen fliesse nicht mehr Geld zu «als anderen sozialen Institutionen». Die öffentliche Hand zahle weder etwas an die Kirchengebäude noch an die Löhne der Seelsorgenden. Die Kantone Genf und Neuenburg kennen ebenfalls die Trennung von Kirche und Staat. Den Kirchenmitgliedern steht es frei, ihre Kirchenbeiträge zu entrichten.


Parlament wird nicht in Frage gestellt

WORTLAUT: URTEILSBEGRÜNDUNG ZUM KITA-BEGEHREN

„Ausgabenwirksame Volksbegehren sind nach der Verfassung von Berlin nur noch dann unzulässig, wenn sie das Haushaltsgesetz und den in ihm festgestellten Haushaltsplan für das laufende Haushaltsjahr unmittelbar zum Gegenstand haben. Dazu gehören Volksbegehren, die in einen im Zeitpunkt des Zustandekommens des Volksgesetzes geltenden Haushaltsplan eingreifen. Dagegen erstreckt sich der Haushaltsvorbehalt nicht auf finanzwirksame Gesetze, die sich lediglich auf künftige Haushaltsgesetze und künftige Haushaltsperioden auswirken. Diesen Anforderungen genügt das Kita-Volksbegehren.

Dem Volksgesetzgeber ist zwar jeder Eingriff in einen aktuellen Haushaltsplan und damit in den Kernbereich der Budgethoheit des Abgeordnetenhauses prinzipiell untersagt. Das Kita-Volksbegehren kann aber so ausgelegt werden, dass es diese Grenze wahrt. Die vorgesehenen Vorschriften, die zu Mehrausgaben führen, könnten im Falle eines erfolgreichen Volksentscheides frühestens mit dem nächsten auf die Verkündung des Gesetzes folgenden Haushaltsjahr in Kraft treten.

Entgegen der Auffassung des Senats gelten für die Zulässigkeit von Volksbegehren ... nicht die ... Einschränkungen, die der Verfassungsgerichtshof für die frühere Fassung des Haushaltsvorbehalts angenommen hat. Seit der Verfassungsänderung von 2006 unterliegen Volksbegehren und Volksentscheide über ausgabenwirksame Gesetze keiner höhenmäßigen ,Erheblichkeitsschwelle‘ mehr, ab der sie in das Haushaltsrecht des Parlaments unzulässig eingreifen.

Diesem Verständnis steht auch Bundesrecht nicht entgegen. Die landesverfassungsrechtliche Zulassung finanzwirksamer Volksbegehren und Volksentscheide, die im Erfolgsfall vom Parlament bei der Aufstellung künftiger Haushalte zu berücksichtigen sind, stellt weder das Demokratie- und das Rechtsstaatsprinzip noch die Funktions- und Handlungsfähigkeit des Abgeordnetenhauses in Frage.“

(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 07.10.2009)

Ein Zeichen für Menschlichkeit

Eine Verurteilung schien wahrscheinlich – doch der wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung angeklagte Ex-Cap-Anamur-Chef Bierdel und seine Kollegen sind überraschend freigesprochen worden.

Cap Anamur-Protest 2004: "Kein Krieg gegen Flüchtlinge".

Der wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung nach Italien angeklagte frühere Vorsitzende der Hilfsorganisation Cap Anamur, Elias Bierdel, ist freigesprochen worden. Wie sein Anwalt Axel Nagler mitteilte, sprach das Gericht im sizilianischen Agrigent auch den Kapitän des Schiffs "Cap Anamur", Stefan Schmidt, frei, sowie den Ersten Offizier, den Russen Wladimir Dschkewitsch.

Die drei hatten trotz einer drohenden Geld- und Haftstrafe in den vergangenen drei Jahren im Gerichtssaal weiter zu der umstrittenen Rettungsaktion von 37 afrikanischen Flüchtlingen aus dem Mittelmeer in Italien gestanden.

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Eigentlich habe es bei dem Urteil nur eine Möglichkeit gegeben, so Ex-Cap-Anamur-Chef Elias Bierdel vor der Urteilsverkündung am Mittwoch gegenüber dem Deutschlandfunk: "Ein rauschender Freispruch und eine anschließende persönliche Entschuldigung durch den Staatspräsidenten Italiens". So politisch aufgeladen, wie das Verfahren aber war, hatte Bierdel nach eigenem Bekunden eine Verurteilung dennoch für wahrscheinlicher gehalten.

Italien hatte dem Schiff drei Wochen lang die Einfahrt in einen sizilianischen Hafen mit der Begründung verwehrt, die Flüchtlinge müssten nach Malta gebracht werden. Schließlich durften sie doch noch an Land gehen, wurden aber kurze Zeit später wieder abgeschoben.

Vorwürfe von Kritikern, er habe mit seiner Aktion damals ein Medienspektakel inszeniert, wies Bierdel zurück. Selbstverständlich seien Fehler gemacht worden, weil man auf die Situation nicht vorbereitet gewesen sei. So habe man etwa zu viel Zeit gebraucht, bis ein geeigneter Hafen zum Anlaufen gefunden war. Dennoch habe er keinen einzigen Journalisten eingeladen oder an Bord geholt. "Sie kamen, weil sie schauen wollten, und ich bin bis heute der Meinung, dass wir das gar nicht anders machen konnten", erklärte er.

Sich angesichts der Tatsache, dass Menschen in großer Zahl an der EU-Außengrenze verschwinden, ertrinken, verdursten und von europäischen Grenztruppen abgewehrt würden, auf Inszenierungsfragen zu konzentrieren, habe er schon damals und im Rückblick erst recht obszön gefunden.

Bierdel forderte in dem Radio-Interview auch die deutsche Regierung auf, bei den Flüchtlingsdramen auf See stärker Verantwortung zu übernehmen und ebenfalls Flüchtlinge aufzunehmen. "Warum sollten wir nicht geradezu mustergültig für Europa zeigen, wie man menschenwürdig und professionell umgeht mit denen, die bei uns Schutz und Hilfe suchen?", fragte er. Das sei aber ganz offensichtlich nicht erwünscht und das mache ihn ein bisschen traurig, denn die Möglichkeiten wären ohne weiteres da.

Piraten attackieren aus Versehen französisches Marineschiff


Der Angriff erfolgte in der Nacht - und endete im Desaster: Vor Somalia haben Seeräuber das französische Versorgungsschiff "La Somme" attackiert. Offenbar glaubten sie, einen Frachter im Visier zu haben. Mehrere Seeräuber wurden festgenommen.

Paris - Somalische Piraten haben ein französisches Kriegsschiff vermutlich mit einem Frachter verwechselt. Medienberichten zufolge befand sich die "Somme" rund 460 Kilometer vor der somalischen Küste, als sie in der Nacht zum Mittwoch gegen 1 Uhr Ortszeit attackiert wurde.

Konteradmiral Christophe Prazuck sagte am Mittwoch, Seeräuber in Ruderbooten hätten mit Kalaschnikow-Gewehren auf das Versorgungsschiff "La Somme" gefeuert, das die französische Flotte mit Treibstoff versorgt.

Die Besatzung der "Somme" habe die Piraten daraufhin verfolgt, berichtete der französische Rundfunk. Nach eineinhalb Stunden sei eines der zwei Piratenboote aufgebracht worden. Fünf Seeräuber hätten sich kampflos ergeben, teilte das Verteidigungsministerium am Mittwoch in Paris mit. Die Männer wurden festgenommen und an Bord des Versorgungsschiffs gebracht, wo sie derzeit vernommen werden. Verletzt wurde bei dem Übergriff niemand.

An Bord des angreifenden Bootes hätten die französischen Militärs weder Waffen, Wasser, noch Lebensmittel gefunden, erklärte Admiral Prazuck. Er sei überzeugt, die Piraten hätten einfach "alles über Bord geworfen".

Die "Somme" ist das französische Kommandoschiff im Indischen Ozean und beherbergt nicht nur den Generalstab der Marine für die Region, sondern auch die Führung der Luft- und Landstreitkräfte. Bei dem Angriff war es gerade auf dem Weg zu Fregatten der europäischen Überwachungsmission Atalanta, um diese mit Nachschub zu versorgen. Frankreich beteiligt sich an der EU-Mission "Operation Atalanta" zur Bekämpfung der Piraterie am Horn von Afrika.



"Die großen Banken müssen zerschlagen werden"

Er hat Milliarden seiner Kunden verloren und verbreitet trotzdem Optimismus: Investmentguru Mark Möbius spricht im SPIEGEL-ONLINE-Interview über Börsentipps und Bullenmärkte. Der Experte warnt vor einer zweistelligen Inflationsrate - und sagt eine große Verschiebung der Weltmärkte voraus.

SPIEGEL ONLINE: Herr Möbius, Sie gelten als einer der besten Kenner der Emerging Markets. Wie viel Geld Ihrer Kunden haben Sie während der Krise verbrannt?

Möbius: Während der vergangenen Boomjahre lag der Höchststand der von uns verwalteten Einlagen bei etwa 50 Milliarden Dollar. Nach der Lehman-Pleite fielen sie auf 15 Milliarden. Jetzt sind wir immerhin wieder bei 30 Milliarden.

SPIEGEL ONLINE: Ein großes Minus dafür, dass Sie als Aktienguru gelten.

Möbius: Viele Leute haben im falschen Moment ihr Geld abgezogen. Der Wert unserer Aktien fiel nur um 30 Prozent und hat sich zur Hälfte schon wieder erholt.

SPIEGEL ONLINE: Kleinanlegern tut das trotzdem weh.

Möbius: Wir raten den Anlegern deshalb zum Cost-Average-Verfahren - da wird jeden Monat die gleiche Summe angelegt, egal wo die Börsenkurse stehen. Unsere Kunden in Großbritannien haben damit in den vergangenen zehn Jahren trotz Krise jährlich 18 Prozent Gewinn gemacht.

SPIEGEL ONLINE: Aber wohl kaum mit US- oder europäischen Aktien?

Möbius: Die kann man tatsächlich vergessen. Wenn man den Dow oder entwickelte Märkte mit den Emerging Markets vergleicht, klafft eine riesige Lücke.

SPIEGEL ONLINE: Was also sollen Investoren tun?

Möbius: (lacht) Es klingt verrückt, aber sie müssen Aktien kaufen. Es ist so viel Geld im Umlauf, dass die Inflation bald steigen wird. Dem kann man nur gegensteuern, indem man Aktien, Sachwerte wie Immobilien oder Gold kauft.

SPIEGEL ONLINE: Wie hoch wird die Inflation werden?

Möbius: Sehr, sehr hoch. Ich gehe davon aus, dass sie zweistellig sein wird - zumindest in entwickelten Industrieländern wie den USA.

SPIEGEL ONLINE: Und in Europa?

Möbius: Deutschland war recht diszipliniert, andere Länder nicht. Das wird Konsequenzen haben.

SPIEGEL ONLINE: Das heißt, die Krise ist noch lange nicht zu Ende?

Möbius: Sagen wir es so: Ich bin mir sehr sicher, dass wir die Krise hinter uns gebracht haben. Auch weil etwa in den USA alles getan wird, um jedes erneute Abrutschen zu verhindern. So sprechen Berater von Barack Obama schon von einem weiteren Konjunkturpaket - schließlich will der Präsident wiedergewählt werden.

SPIEGEL ONLINE: Trotzdem steigen die Arbeitslosenzahlen. Wie können Sie so sicher sein, dass das alles nicht doch in einer Depression endet?

Möbius: Es wird mit nicht zu einer Depression kommen. Die Exporte aus China und viele andere Indikatoren zeigen Wachstum an.

SPIEGEL ONLINE: Was muss geschehen, damit eine solche Katastrophe sich nicht wiederholen kann?

Möbius: Die großen US-Banken müssen zerschlagen, die Geschäftsbanken von den Investmentbanken getrennt werden. Heute gibt es schon wieder größere Kreditinstitute als vor der Krise - dabei brauchen wir Banken, die nicht mehr zu groß sind, um Pleite gehen zu können. Wenn wir da jetzt nicht handeln, erleben wir in ein paar Jahren wieder den gleichen Schlamassel.

SPIEGEL ONLINE: Warum das?

Möbius: Weil die Derivate nach wie vor ein riesiges Problem für die Weltwirtschaft sind. Ihre Summe beläuft sich auf 600 Billionen Dollar, dem zehnfachen Wert der gesamten Weltwirtschaft. Eine erschreckend große Zahl von Firmen ist an diesen Wetten zugrunde gegangen. Derivate sind nichts anderes als Glücksspiel.

SPIEGEL ONLINE: Was also muss sich politisch ändern?

Möbius: Derivate müssen verboten, die verbleibenden standardisiert und handelbar gemacht werden. Diese Dinger dürfen nicht mehr der Geheimhaltung unterliegen. Das wäre ein guter Anfang, fast eine Revolution.

SPIEGEL ONLINE: Die Chinesen wirken als einzige entspannt - haben die alles richtig gemacht?

Möbius: Das täuscht. Auch die Chinesen haben Angst. Ihre Devisenreserven sind zu großen Teilen in Dollar angelegt, fast zwei Billionen. Die können sie derzeit nicht auf den Markt werfen. Also kaufen sie weltweit Minenkonzerne und Rohstoffe zusammen...

SPIEGEL ONLINE: ... während die USA sparen müssen.

Möbius: Ja - und das vor allem an Truppen und Raketenprogrammen. Die Chinesen haben ihnen wohl im Vertrauen gesagt: Wenn ihr den Mist nicht aufräumt, ziehen wir uns aus dem Dollar zurück.

SPIEGEL ONLINE: Was bedeutet das alles für die Aktienmärkte?

Möbius: Wir werden in diesem Jahr noch eine größere Korrektur sehen, es ging einfach zu schnell nach oben - aber grundsätzlich befinden wir uns in einem Bullenmarkt. Insgesamt geht es mit großer Volatilität aufwärts. Angeführt wird der Trend von den sich entwickelnden Märkten wie China, Indien, Brasilien.

SPIEGEL ONLINE: Wie lange geht das gut?

Möbius: Solange Liquidität vorhanden ist und die Produktivität steigt. Auch dabei spielt China eine wichtige Rolle. Das Land kauft US-Staatsanleihen und bietet Waren zu immer niedrigeren Preisen an.

SPIEGEL ONLINE: Gleichzeitig sollen die chinesischen Konsumenten die Welt retten, indem sie mehr kaufen. Ist das nicht widersinnig?

Möbius: Nein. In zehn Jahren wird China mit den USA gleichgezogen haben. Doch auch Europa wird nicht schlecht dastehen. Europas Vorteil ist, dass im Osten des Kontinents noch mit geringeren Lohnkosten produziert werden kann und dort ein riesiger Markt entsteht.

SPIEGEL ONLINE: Der große Verlierer der Krise sind also die USA?

Möbius: Die USA werden weiter absteigen und sich mit einer kleineren Rolle in der Welt zufrieden geben müssen.

Das Interview führte Jürgen Kremb

"Ich habe geschrien vor Schmerz"

Debatte um Hinrichtungen:Romell Broom kann von der eigenen Hinrichtung berichten. Nicht nur bei ihm kam es zu einer makabren Panne. Die Vollstreckung wird ausgesetzt. Vorerst.

Romell Broom, AP

Harrt seit 25 Jahren im Todestrakt eines US-Gefängnisses aus:
Häftling Romell Broom. Nun scheiterte seine Hinrichtung.

Zwei Stunden dauerte das Martyrium von Romell Broom, zwei Stunden versuchte ein Exekutivkommando ihn zu töten - dann wurde die Hinrichtung abgebrochen. Das Team fand keine Vene für die Todesspritze und der 53-Jährige verließ die Hinrichtungskammer im Gefängnis von Lucasville im US-Bundesstaat Ohio mit zerstochenen Venen und geschwollenen Gliedern, aber als lebendiger Mann.

"Ich habe geschrien vor Schmerz", sagte Broom hinterher. 18 Stiche zählte er nach dieser Tortur. "Ich habe geweint, mir ging es schlecht, meine Arme waren geschwollen", gab er zu Protokoll. "Mir ging es elend. Durch die Verletzungen der vielen Stiche konnte ich meine Arme nicht bewegen." Der Häftling soll 1984 ein 14-jähriges Mädchen vergewaltigt und umgebracht haben.

"Es funktioniert nicht!"

Nach der gescheiterten Hinrichtung von Romell Broom setzte ein US-Bundesgericht in Ohio die Vollstreckung der Todesstrafe vorerst aus. Die Richter gaben damit einer Klage des 43-jährigen verurteilten Mörders Lawrence Reynolds statt. Sie machten zwei grundsätzliche Bedenken geltend: Zum einen gäben Ohios Richtlinien für Hinrichtungen keinen Hinweis darauf, wie zu verfahren sei, wenn die Venen des Todeskandidaten nicht für die Giftspritze geeignet seien.

Zum anderen hätten der Fall Broom und zwei vorangegangene Fälle grundsätzliche Zweifel an der Kompetenz des Hinrichtungsteams geweckt. Denn Brooms Fall ist nicht der erste dieser Art. Bereits 2007 durchlitt in Ohio, wo seit 1999 der Menschenrechtsorganisation Amnesty International zufolge 32 Menschen hingerichtet wurden, ein Todeskandidat ein mehr als einstündiges Martyrium.

Während der Exekution hatte er wiederholt den Kopf geschüttelt und gesagt: "Es funktioniert nicht!" Mindestens zehn Mal musste die Nadel mit dem tödlichen Gift bei dem übergewichtigen Häftling neu angesetzt werden. Nach 90 Minuten wurde Christopher Newton, der einen Schachpartner im Streit erschlagen hatte, schließlich für tot erklärt.

Das Gift wirkte nicht

In einem anderen Fall wachte 2006 ein Gefangener wieder auf und erklärte den Wärtern, das Gift wirke nicht. Darum gelten nun neue Richtlinien. In Ohio wurde im Juni 2009 der verurteilte Mörder Daniel Wilson unter Anwendung der neuen Regeln mit der tödlichen Injektion hingerichtet. Diese sehen vor, dass der Wärter nach der Verabreichung einer ersten Spritze den Namen des Verurteilten rufen und ihn an der Schulter schütteln muss. Falls der Verurteilte darauf reagiert, soll eine zweite Dosis gespritzt werden.

Amnesty International zählte am 1. Januar 2009 in den USA 3297 zum Tode Verurteilte. Im Durchschnitt vergehen etwa zwölf Jahre von der Verhängung bis zur Vollstreckung der Strafe. Seit der Wiederaufnahme von Hinrichtungen im Jahr 1977 seien bis zum 31. Dezember 2008 insgesamt 1136 Todesurteile vollstreckt worden. Seit dem Jahr 1990 sei bei 23 Verurteilten posthum die Unschuld festgestellt worden, berichtet die Menschenrechtsorganisation.

Zum Tode Verurteilte können in den USA je nach Bundesstaat durch die Giftspritze, den elektrischen Stuhl, die Gaskammer oder den Strang hingerichtet werden. In der Praxis hat sich aber die Giftspritze nahezu als alleinige Hinrichtungsmethode durchgesetzt - und das obwohl seit Jahren in Amerika über die Prozedur gestritten wird.

Schon 2005 warnten Ärzte, dass diese Art von Hinrichtung häufig mit Schmerzen verbunden sei. In vielen Fällen sei die verabreichte Dosis des Betäubungsmittels zu gering, um den Verlust des Bewusstseins zu erreichen, hieß es in einer im medizinischen Fachmagazin Lancet veröffentlichten Studie. Dieser Befund könne insofern nicht verwundern, als die Methode der Injektion auf einem Protokoll basiert, das vor drei Jahrzehnten ohne wissenschaftlichen Hintergrund erstellt worden sei, kritisiert Amnesty International.

In der Praxis führten ferner Inkompetenz, Nachlässigkeit und technische wie medizinische Komplikationen immer wieder zum Versagen dieser Methode. Auch im Fall von Broom warf das Gericht dem Exekutivteam "Inkompetenz" vor. In Ohio seien "ernsthafte und bedenkliche Schwierigkeiten bei der Exekution" von Häftlingen zutage getreten, heißt es in dem Urteil. "Angesichts der verfassungsrechtlichen und humanitären Bedeutung in allen Hinrichtungsfällen sind es diese Probleme auf jeden Fall wert, genauer betrachtet zu werden."

Auch der Oberste Gerichtshof in Washington hatte im September 2007 eine Klage von zwei zum Tode Verurteilten aus dem Bundesstaat Kentucky zugelassen. Die Obersten Richter befanden jedoch im April 2008 in einer Sieben-zu-zwei-Entscheidung die Anwendung der Giftspritze sei bei Hinrichtungen zulässig. Die Kläger hätten nicht ausreichend nachgewiesen, dass das Risiko von Schmerzen im Fall von Fehlern bei der Verwendung einer Spritze eine grausame Bestrafung darstelle.

In Ohio sollen nun bis November vorerst keine Hinrichtungen mehr durchgeführt werden. Auch Romell Brooms Hinrichtung ist seitdem aufgeschoben, seine Anwälte wollen die vollständige Aussetzung erreichen. Broom harrt bereits seit 25 Jahren im Todestrakt aus. Während der ganzen Zeit beteuerte er seine Unschuld.

Freisprüche im Cap-Anamur-Prozess

Wegen der Rettung von Flüchtlingen aus Afrika standen drei Cap-Anamur-Mitarbeiter in Italien vor Gericht. Der Vorwurf der Staatsanwälte: Beihilfe zur illegalen Einwanderung. Die Richter sahen dies offensichtlich anders.

Nach einem fast dreijährigen Prozess sprach das Gericht im sizilianischen Agrigent am Mittwoch (07.10.2009) nicht nur den früheren Vorsitzenden der Hilfsorganisation Cap Anamur, Elias Bierdel, frei. Auch der Kapitän des Schiffes "Cap Anamur", Stefan Schmidt, und der Erste Offizier, der Russe Wladimir Dschkewitsch, verließen den Gerichtssaal als freie Männer. Die drei hatten im Juni 2004 vor der italienischen Küste 37 afrikanische Flüchtlinge aus Seenot gerettet und nach Sizilien gebracht.

Die Anklage hatte argumentiert, die Flüchtlinge hätten nach Malta gebracht werden müssen, da sie in dessen Hoheitsgewässern gerettet worden seien. Die italienische Staatsanwaltschaft forderte daher je vier Jahre Gefängnis und eine Geldstrafe von 400.000 Euro für Bierdel und Schmidt. Bei Dschkewitsch allerdings hatte auch sie seit einiger Zeit auf Freispruch plädiert.

Elias Bierdel (links), Stefan Schmidt (Mitte) und der Erste Offizier des Schiffes, Wladimir Dschkewitsch (Foto: dpa)
Die Angeklagten: Ex-Cap-Anamur-Chef Bierdel, Kapitän Schmidt und Offizier Dschkewitsch (v.l.)

Im Gerichtssaal anwesende Vertreter von Hilfsorganisationen reagierten mit Jubel auf das Urteil. Bierdel und Schmidt zeigten sich glücklich über den Ausgang des Prozesses. Bierdel, der einen Schuldspruch aus "politischen" Gründen befürchtet hatte, sagte, der Freispruch sei eine "echte Sensation". Schmidt erklärte: "Dieses Urteil ist wichtig für alle, die Gutes tun!"

Auch der Gründer von Cap Anamur, Rupert Neudeck, begrüßte den Richterspruch. Er habe mit einem Freispruch gerechnet. Alles andere wäre eine "Katastrophe für das europäische Justizsystem" gewesen. Mit dem jetzt ergangenen Urteil seien gute Voraussetzungen dafür geschaffen, dass das "uralte Menschenrecht" auf Rettung in Seenot Geratener in Europa beachtet werden müsse, so Neudeck weiter.

Die Internationale Liga für Menschenrechte will Kapitän Schmidt am 13. Dezember in Berlin die Carl-von-Ossietzky-Medaille verleihen. Zur Begründung hieß es, die Rettungsaktion sei ein herausragender Beitrag zur Verwirklichung der Menschenrechte an den Grenzen der Europäischen Union gewesen.

Dreiwöchiges Tauziehen vor Italiens Küste

Die umstrittene Rettung hatte weltweit Schlagzeilen gemacht. Die "Cap Anamur II" war im Juni 2004 mit Hilfslieferungen beladen auf dem Weg in den Irak, als die Mannschaft zwischen Libyen und der südlich von Sizilien gelegenen Insel Lampedusa die Bootsflüchtlinge entdeckte. Die "Cap Anamur II" nahm 37 Afrikaner aus dem überfüllten Schlauchboot, das zu sinken drohte, an Bord. Der Kapitän steuerte die sizilianische Küste an, weil der Hafen von Lampedusa nach seiner Auffassung zu klein für die Ausmaße der "Cap Anamur II" schien.

Die 37 afrikanischen Bootflüchtlinge warten auf der 'Cap Anamur II' in Porto Empedocle (Foto: AP)
Drei Wochen saßen die Flüchtlinge 2004 auf der 'Cap Anamur II' fest

Die italienischen Behörden verweigerten dem Schiff jedoch die Genehmigung, sich der Küste zu nähern, mit der Begründung, die Flüchtlinge seien in maltesischen Gewässern aufgegriffen worden. Sie vertraten den Standpunkt, die Afrikaner hätten in Valetta von Bord gehen und gegebenenfalls dort Asylanträge stellen sollen. Erst nach einem dreiwöchigen Tauziehen ließ Italien die "Cap Anamur II" in den Hafen von Empedocle einfahren. Die an Bord befindlichen Flüchtlinge kamen in Abschiebehaft. Bierdel, Schmidt und Daschkewitz wurden unter dem Verdacht der Schlepperei verhaftet, später aber wieder auf freien Fuß gesetzt.

Kritik an medienwirksamer Inszenierung

Die italienische Staatsanwaltschaft sah es als erschwerenden Umstand an, dass die Aktion als Werbung für Cap Anamur gedient habe und als Medienspektakel inszeniert worden sei. Der damalige Innenminister Italiens, Giuseppe Pisanu, erklärte, Bierdel habe versucht, "das internationale Einwanderungsrecht zu brechen". Er habe einen Präzedenzfall schaffen wollen, "der den Transport illegaler Einwanderer nach Europa erleichtert". Auch in der deutschen Öffentlichkeit gab es Vorwürfe wegen einer allzu medienwirksamen Inszenierung der Rettungsaktion, wie es hieß. Kritik wurde etwa daran geübt, dass die Flüchtlinge mit Cap-Anamur-T-Shirts bekleidet in Porto Empedocle von Bord gegangen seien.

Bierdel und Schmidt, die bei dem Prozess in Italien nur zeitweise anwesend waren, wiesen sämtliche gegen sie erhobenen Vorwürfe zurück. "Die italienische Staatsanwaltschaft versucht, uns nachzuweisen, bewusst im eigenen Interesse gehandelt zu haben. Als hätten wir an der Rettung verdient. Das ist absurd", sagte Bierdel. Sein Handeln war indessen auch innerhalb seiner Organisation nicht umumstritten. Selbst Cap-Anamur-Gründer Neudeck hatte das Verhalten seines Nachfolgers an der Spitze der Hilfsorganisation offen kritisiert. Im Oktober 2004 wurde Bierdel als Vorsitzender abgewählt.

Flüchtlinge nach Ghana abgeschoben

Rupert Neudeck (Foto: dpa)

Die bei der umstrittenen Aktion geretteten Flüchtlinge wurden, bis auf einen, der bei seiner Ankunft in Italien noch minderjährig war, einen Monat später nach Ghana abgeschoben. Ihre Asylanträge waren in erster Instanz abgelehnt worden. Die "Cap Anamur II" lag mehrere Jahre beschlagnahmt im Hafen von Porto Empedocle. Später wurde sie von der Hilfsorganisation mit Gewinn verkauft.

Das Hilfswerk Cap Anamur wurde vor 30 Jahren von Neudeck in Köln gegründet. Zu internationaler Bekanntheit gelangte sie in den 80er Jahren durch die Rettung tausender Vietnam-Flüchtlinge im Südchinesischen Meer. Auch humanitäre Einsätze in Somalia, Mazedonien oder Äthiopien trugen der Organisation viel Lob ein.

Autoren: Ursula Kissel / Stephan Stickelmann

Dienstag, 6. Oktober 2009

Reiche Beute, aber kein klarer Kurs

Die Piratenpartei nach der Wahl

Die Piratenpartei hat vor der Bundestagswahl mehr Aufmerksamkeit genossen als alle anderen Splitterparteien. Und sie kam mit reicher Beute aus der Wahlschlacht: Rund zwei Prozent bringen ihr Hunderttausende Euro aus der Wahlkampfkostenerstattung ein, zudem sind die Mitgliederzahlen explodiert. Nun soll die Partei professionalisiert werden. Experten sind allerdings skeptisch.

Von Patrick Gensing

Passender hätte es nicht sein können: Direkt an der "Waterkant" konnten die Piraten bei der Bundestagswahl einen ihrer größten Erfolg einfahren. Auf der Hamburger Veddel überholte die junge Partei mit 10,6 Prozent der Stimmen sogar die CDU, die auf 10,2 Prozent kam. Auch in anderen Großstädten zeigten die Piraten Flagge - und wie groß das Potenzial für Themen wie Internet, Datenschutz und Bürgerrechte ist. In Berlin holten die Freibeuter 3,4 Prozent der Zweitstimmen, bundesweit erreichten sie immerhin zwei Prozent - mehr als die Grünen bei ihrem ersten Antritt bei einer Bundestagswahl. Drei Jahre später, im Jahr 1983, saß die Öko-Partei dann im Parlament.

Hochburgen der Piratenpartei bei der Bundestagswahl (Quelle: Wahlatlas)
Hochburgen der Piratenpartei bei der Bundestagswahl sind in Orange eingefärbt

30 Jahre später soll es "bereit zum Ändern" durch den Bundestag schallen, so hoffen es die Freibeuter im Hinblick auf die nächste Bundestagswahl. Daher soll das Geld aus der Wahlkampfkostenerstattung laut Parteichef Jens Seipenbusch investiert werden, um die politische Arbeit zu professionalisieren. Das ist auch dringend nötig, meinen Experten wie der Politikwissenschaftler Oscar Gabriel. Er sagt, alles deute darauf hin, dass das Abschneiden der Piratenpartei ein "Einzelphänomen" sei. "Die Partei ist mit der Biertrinkerpartei und ähnlichen Gruppen zu vergleichen", so Gabriel.

Die Piratenpartei hat einen großen Bonus gehabt.
Markus Beckedahl von Netzpolitik.org sieht zwar Chancen, mit Hilfe der Partei wichtige Fragen der digitalen Kultur auf die politische Agenda zu setzen, doch müssten die Piraten nun erst einmal zu sich selbst finden. Dabei steht nach dem Wahlkampf jetzt die eigentliche Arbeit an: "Konzepte und Expertenwissen" müssten erarbeitet werden, so Beckedahl. Im Wahlkampf sei das gar nicht nötig gewesen, da viele Medien den Piraten einen überraschend großen Bonus in Sachen Kompetenz gewährt hätten.

Debattenkultur: Männlich, dominant und leicht aggressiv

Beckedahl sieht vor allem ein Managementproblem auf die Piraten zukommen, denn die Mitgliederzahl hat sich in den vergangenen Monaten verzehnfacht - auf mehr als 10.000. Das vereinfacht die interne Debatte nicht, denn bei der Piratenpartei soll möglichst viel basisdemokratisch entschieden werden. Im Internet versteht sich: Im Piratenforum wird kommuniziert, im Piratenwiki sollen die Positionen zu den einzelnen Themen entwickelt werden. Doch wer die zumeist rechthaberischen und kleinteiligen sowie zeitaufwändigen Debatten im Netz kennt, der weiß: eine echte Sisyphos-Arbeit.

Zudem weht auch bei der Piratenpartei im Forum eine überraschend steife Brise. Der überwiegende Teil der Anhänger sei die Kommunikation in anonymen Mailinglisten gewohnt, sagt Beckedahl. Diese sei vor allem männlich geprägt, dominant und leicht aggressiv im Stil. "Die nonverbale Kommunikation fehlt", dadurch werde der Ton schnell pampig - und das übertrage sich auf die Partei.

Einsatz für die Meinungsfreiheit?

Die mangelhafte Diskussions- und Streitkultur zeigt sich besonders deutlich am Umgang mit Kritikern. Wer nicht mit uns ist, ist gegen uns - so lautet bei vielen Piraten offenbar das Motto. "Das haben auch Leute erfahren müssen, die mit der Partei sympathisieren, aber eben auch mal kritische Fragen gestellt haben", so Beckedahl. Noch ärger sieht es im Fall der linken Wochenzeitung "Jungle World" aus. Diese hatte sich über den naiven Umgang der Piraten mit einer neurechten Zeitung beziehungsweise mit fragwürdigen Aussagen von Piraten zum Holocaust lustig gemacht.


Daraufhin drohte ein Bundesvorstandsmitglied der Piratenpartei - die sich Meinungsfreiheit und Kampf gegen "Zensur" auf die Fahnen geschrieben hat - mit rechtlichen Schritten, sollte sich die Zeitung nicht entschuldigen. Und via Twitter und anderen Web-2.0-Instrumenten hetzen einzene Piratenpartei-Anhänger nun auf unterstem Niveau gegen kritische Journalisten.

Auch Verschwörungstheoretiker und Leute vom rechten Rand

Mit ihren teilweise recht grobkörnig gezeichneten Feindbildern bestehend aus Politik, Medien und Sicherheitsbehörden können die Piraten zudem auch ganz rechte Kreise bedienen. Ein "Autonomer Nationalist" aus dem Ruhrgebiet meint, in seiner Szene hätten "recht viele" die Piratenpartei gewählt - wegen des "ganzen Überwachungswahns". In Niedersachsen machte bei der Partei ein ehemaliger Neonazi-Kader aus Sachsen mit. Als dies wenige Wochen vor der Wahl intern bekannt wurde, wandten sich die Piraten ausgerechnet an das Landeskriminalamt, um Ratschläge für das weitere Vorgehen einzuholen.

Die Piratenpartei sei bei der Bundestagswahl vor allem eine Protestpartei gewesen, meint Beckedahl, das habe auch "Freaks, Verschwörungstheoretiker und Leute vom rechten Rand" angezogen. Ganze 13 Prozent der männlichen Erstwähler haben ihr Kreuz bei der Partei gemacht, doch ob die Zukunft wirklich den Piraten gehört, so wie es Vorstandsmitglied Aaron Koenig nach der Wahl verkündete, das erscheint derzeit fraglich.

Verfassungsgericht prüft Berlusconis Immunität

Das italienische Verfassungsgericht hat mit der Prüfung des Immunitätsgesetzes begonnen, das Ministerpräsident Silvio Berlusconi und die drei weiteren höchsten Repräsentanten des Staates vor Strafverfolgung schützt.

Berlusconi drohen Korruptionsprozesse, sollte das Immunitätsgesetz gekippt werden.

Die 15 Richter traten zunächst für eine auf zwei Stunden angesetzte öffentliche Anhörung zusammen, bei der Vertreter der Gerichte in Mailand und Rom zu Verfahren gehört wurden, in die Berlusconi verwickelt war. Der Regierungschef selbst wurde durch drei Anwälte vertreten.

Das Urteil könnte frühestens Dienstagabend fallen, aber auch erst Mittwoch bekannt werden. Möglich ist auch eine Vertagung um zwei Wochen.

Berlusconi drohen Verfahren

Sollten die Richter das im Juli 2008 auf Betreiben Berlusconis verabschiedete sogenannte Alfano-Gesetz für verfassungswidrig befinden, droht dem Regierungschef die Wiederaufnahme einiger Verfahren.

In einem besonders aufsehenerregenden Prozess in Mailand müsste sich der 73-Jährige womöglich wegen Beeinflussung von Justizbehörden verantworten. Berlusconi wird vorgeworfen, seinen früheren Anwalt David Mills für Falschaussagen in Prozessen in den 90er-Jahren bezahlt zu haben.