Interkulturelle Nachrichten
Hier werden Informationen ausgebracht welche die Welt im kleinen bewegt.
Generell soll hier hintergründig informiert werden über Themen und Ereignisse, die wir, die lokale, nationale und internationale Gesellschaft (nicht immer) erfahren (wollen).
Freitag, 8. Juli 2011
Abhörskandal: Cameron-Sprecher festgenommen
Mittwoch, 6. Juli 2011
Sauerland entschuldigt sich, endlich
Tschechische Piratenpartei riskiert Zwangsauflösung und Millionenstrafe
Der Sechzehnjährige aus Liberec wurde angeklagt, weil er auf seiner Webseite Links ins Internet veröffentlicht hatte. Die tschechische Anti-Piraterie-Union "schätzte" den angeblichen Schaden auf EUR 5 700 000 (CZK 138 000 000). Mit Unterstützung des Staates schikaniert die Union junge Menschen - ein vergeblicher Versuch der Bewahrung des alten Geschäftsmodells, das in Zeiten des Internets seine Funkionsfähigkeit verloren hat.
Der verdächtige Jugendliche wurde nach sechs Monaten angeklagt. In der Zwischenzeit haben sich die virtuellen Schäden auf mysteriöse Weise auf EUR 5 000 000 (CZK 122 000 000) reduziert. Was hat der angebliche Kriminelle eigentlich verbrochen? Das Gleiche wie die am meisten frequentierte tschechische Webseite seznam.cz: er hat auf seiner Seite öffentlich zugängliche Links zu anderen Webseiten veröffentlicht. Auch Webseiten wie Facebook und Google tun dies, indem sie Links setzen oder einbetten.
Durch ihren Versuch, Gebühren für eingebettete Youtube-Videos zu erheben, wollte die slowakische Verwertungsgesellschaft SOZA das Copyright-Monopol missbrauchen. Proteste aus dem Internet zwangen jedoch den Direktor Vladimír Repčík zur Anerkennung, dass "der Gebrauch von Hypertext-Links und sogenannter Einbettungscodes nicht einem öffentlichen Zugang zum Werk eines Autors nach den Urheberrechtsgesetzen gleichzusetzen ist."
Obwohl es noch keine gerichtliche Entscheidung gegeben hat, sind viele tschechische "Experten" der gegenteiligen Meinung. Dies ist kein Wunder, sind sie doch Angestellte von Firmen wie IFPI, OSA (tschechische Verwertungsgesellschaft), ČPÚ (tschechische Anti-Piraterie-Union) oder BSA. So ist beispielsweise Petra Žikovská die Sekretärin des Instituts für Urheberrecht an der Karlsuniversität, während sie gleichzeitig im Auftrag der IFPI juristisch gegen Schüler vorgeht. Diese Interpretationen stammen also von Menschen, die sich in Interessenskonflikten befinden.
Ein Link ist keine Straftat! Das Verlinken zu einer Internetadresse im Internet oder die Einbettung von Inhalten in eine Webseite ist nicht mit der Verbreitung der Arbeit eines Künstlers im Sinne des Urheberrechts gleichzusetzen, ebensowenig wie die Ankündigung, dass der Film Lidice um 20:30 Uhr im Aero-Kino läuft, oder wie ein Fernsehprogramm, dass man an einem Kiosk kaufen kann.
Paulo Coelho, Autor mehrerer Weltbestseller, kommentierte die Verbreitung von Links folgendermaßen: "Als ich auf Myspace aktiv war, wurde Fly me to the moon (Frank Sinatra) von meinem Profil entfernt. Wer hat den Song gelöscht? Die Antwort ist einfach: Gier und Ignoranz. Gier, die nicht versteht, dass sich die Welt verändert hat. Ignoranz, die davon ausgeht, dass die Menschen die CD nicht kaufen, wenn die Musik kostenlos erhältlich ist."
Ivan Bartoš, Vorsitzender der tschechischen Piraten, erklärt: "Wir verurteilen die Beeinflussung der Polizei durch die Propaganda der Anti-Piraterie-Union und die Drangsalierung derjenigen, die ein Video auf ihre Webseiten oder Facebook-Seiten setzen. Wir fordern die Anti-Piraterie-Union auf, keine Jugendlichen mehr zu belästigen, sondern ihre absurden Ansprüche stattdessen gegen die Piratenpartei zu richten."
Die Piratenpartei verwaltet ihre Linkseite in Zusammenarbeit mit dem Portal kinotip.cz
Armut ist Folge der ausschließlichen Orientierung auf die Wettbewerbsfähigkeit
UN-Kritik an Deutschland trifft ins Schwarze
In ihrem aktuellen Staatenbericht zeigen sich die Vereinten Nationen "tief besorgt" über die Sozialpolitik in Deutschland. Insbesondere die zunehmende Kinderarmut, die Diskriminierung von Migranten und das zu niedrige Niveau der Grundsicherung werden in dem UN-Bericht hervorgehoben.
Die Kritik der UNO am deutschen Sozialsystem trifft genau ins Schwarze. Deutschland ist eines der reichsten Länder der Welt – und hängt immer mehr Menschen ab. Die zunehmende Armut beim Export-Vize-Weltmeister gehört unmittelbar zur Strategie der Lohnzurückhaltung und Sozial-Kürzung, die Deutschland international so wettbewerbsfähig macht.
Diese Politik verursacht nicht nur in Deutschland, sondern weltweit gravierende soziale Probleme. Auf Kosten von Arbeitnehmer_innen, Arbeitslosen und Rentner_innen wird eine Wettbewerbsfähigkeit aufgebaut, die andere Länder erheblich unter Druck setzt, ebenfalls ihre Löhne und Sozialstandards abzubauen. Von dieser Politik profitieren Banken und Exportunternehmer. Ansonsten kennt sie nur Verlierer. Auch die Schuldenkrise Griechenlands hängt ganz eng mit dem Druck zusammen, den die deutsche Exportstrategie verursacht.
Attac fordert daher ein Ende des Konkurrierens um das niedrigste Sozialniveau. Um der Abwärtsspirale nach unten ein Ende zu bereiten braucht es Mindeststandards bei Löhnen, Sozialleistungen und Steuern. In Europa und weltweit.
Dienstag, 5. Juli 2011
Hollande wusste von versuchter Vergewaltigung
Nachdem Dominique Strauss-Kahn durch Vergewaltigungsvorwürfe in Verruf geraten ist, gilt sein Parteifreund François Hollande derzeit als Favorit der französischen Sozialisten für die Präsidentschaftswahl. Doch die Journalistin Tristane Banon wirft Hollande vor, davon gewusst zu haben, dass der zurückgetretene IWF-Chef Strauss-Kahn versucht habe, sie zu vergewaltigen.
Hollande, der langjährige Parteivorsitzende, "kannte die Geschichte", sagte Banon in einem Gespräch mit dem Nachrichtenmagazin L'Express. Hollande, der nach Strauss-Kahns Festnahme im Mai zum aussichtsreichsten Anwärter für die Kandidatur der Sozialisten bei der Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr aufstieg, habe sie nach dem Vorfall im Jahr 2003 sogar einmal angerufen und ihr gesagt, dass er sich sorge, sagte die Journalistin, die DSK seinerzeit zu einem Interview getroffen hatte.
Hollande wies die Vorwürfe der 32-Jährigen zurück. Banons Mutter, die sozialistische Abgeordnete Anne Mansouret, habe ihm damals von einem "Zwischenfall" erzählt, der sich ereignet haben sollte und von dem er nichts Näheres gewusst habe, sagte der frühere Oppositionsführer. "Acht Jahre später wird eine Anzeige erstattet in Zusammenhang mit einem mutmaßlichen Vorfall, den ich nicht in allen Einzelheiten kannte", sagte Hollande.
Über französische Anwälte ließ Strauss-Kahn noch am Montag eine Gegenanzeige wegen falscher Anschuldigungen ankündigen. Er war erst am vergangenen Freitag überraschend aus dem Hausarrest in New York entlassen worden, worden, weil Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zimmermädchens aufgetaucht waren, die ihn der versuchten Vergewaltigung bezichtigt. Der frühere Weltwährungsfonds-Chef darf die USA aber weiter nicht verlassen.
Laut einem nicht bestätigten Zeitungsbericht wollen die US-Ermittler die Klage gegen Strauss-Kahn wahrscheinlich fallenlassen. Grund dafür sei die mangelnde Glaubwürdigkeit des mutmaßlichen Opfers, berichtet die New York Post unter Berufung auf einen hochrangigen Vertreter der Staatsanwaltschaft. Spätestens bei der in zwei Wochen geplanten Anhörung vor Gericht oder sogar schon früher werde die Klage wohl zurückgezogen. Das Blatt zitiert den Vertreter mit den Worten: "Ihre Glaubwürdigkeit ist mittlerweile so angeschlagen, damit können wir den Fall mit ihr nicht durchstehen." Er bezog sich auf das aus Guinea stammende Zimmermädchen, das Strauss-Kahn der versuchten Vergewaltigung beschuldigt hatte.
Geldtransporter verliert eine Million Euro
Oberthulba - Drei verlorene Geldkoffer haben in Bayern einen Großeinsatz der Polizei ausgelöst. Die Transportbehälter, in denen sich knapp eine Million Euro befindet, verschwanden am Morgen aus einem Geldtransporter. Möglicherweise seien die Koffer während der Fahrt aus dem Fahrzeug gefallen, so die Polizei. Die Insassen des Geldtransporters hätten durch einen akustischen Alarm bemerkt, dass eine Tür an ihrem Fahrzeug offenstand.
Der Transporter war gegen sieben Uhr morgens von Oberthulba über die Anschlussstelle Bad Kissingen/Oberthulba auf die Rhönautobahn in Richtung Süden gefahren. Dort hätte eine Anzeige die Besatzung auf die offene Tür des Fahrzeugs aufmerksam gemacht. In Hammelburg, rund 20 Kilometer entfernt, war der Transporter umgekehrt. Zunächst war man nur vom Verlust eines Koffers ausgegangen - später stellte sich heraus, dass noch zwei weitere Geldbehälter fehlen.Eine großangelegte Suche nach den rund 40 Zentimeter hohen Koffern blieb zunächst erfolglos. Die Polizei sucht nun nach Zeugen, die den Transporter gesehen haben. Inzwischen hat die Kriminalpolizei die Ermittlungen übernommen.Einen möglichen kriminellen Hintergrund konnte Polizeisprecher Karl-Heinz Schmitt nicht ausschließen. "Wir ermitteln in solchen Fällen routinemäßig in alle Richtungen", so Schmitt. Den Verlust einer derart hohen Geldsumme habe er aber in mehr als 15 Jahren Polizei-Karriere noch nicht erlebt.Sonntag, 3. Juli 2011
Hackerleaks: Plattform für entwendete Datensätze
Allerdings richtet sich die Plattform Hackerleaks nicht an Whistleblower, sondern viel mehr an Hacker, welche ihre erbeuteten Datensätze im Internet veröffentlichen möchten. Die Betreiber dieser Plattform wollen dabei insbesondere auf den Aspekt der Sicherheit achten.
Insofern soll den Personen, die entwendete Datensätze über Hackerleaks im Netz veröffentlichen wollen, ein sicherer Weg für dieses Vorhaben zur Verfügung stehen. Allem voran soll der Aspekt der Anonymität im Mittelpunkt stehen.
Vor der Veröffentlichung der Inhalte für die breite Masse soll eine Gruppe von Analysten das eingereichte Material genau unter die Lupe nehmen. Vergleichbare Maßnahmen ergreift auch Wikileaks. So soll es letztlich keine Spuren geben, welche möglicherweise auf die Identität der Quelle hindeuten könnten.
Um das Interesse der ganzen Welt auf sich lenken zu können, will man auch weltweit mit den Medien zusammenarbeiten. Unter dem Strich will man einen möglichst großen politischen Effekt erzielen, teilten die Köpfe hinter dieser Plattform mit.
Samstag, 2. Juli 2011
Putsch im "Sauberkeitsverein"
Für die Fachwelt ist es ein Epochenbruch. Thomas Leif, Gründer und Lenker des Netzwerks Recherche, wird in einer spektakulären Veranstaltung aus dem Vorzeigeverband gejagt.
VON Martin Kaul
Freitagabend im Raum K3 des Norddeutschen Rundfunks. Hier, beim NDR in Hamburg, ist es zur Tradition geworden, dass die vorzeigbarsten Journalistinnen und Journalisten der Republik einmal im Jahr die Schlechtigkeiten der Medienwelt geißeln – und sich auf die Schulter klopfen, für die richtig großen guten Geschichten.
Die wichtigen Chefredakteure sind da. Und die besten Investigativreporter des Landes. Doch beim Netzwerk Recherche, dem Zusammenschluss besonders selbstkritischer Journalisten, der hier eingeladen hat, muss heute niemand groß recherchieren. Denn die Geschichte dieses Wochenendes wird auf dem Podium serviert. Ein waschechter Putsch. Er trifft einen Mann, dem der Qualitätsjournalismus in Deutschland viel zu verdanken hat: Thomas Leif wird abserviert.
Dabei hörte sich doch der Veranstaltungstitel so unglaublich langweilig an: "nr-Mitgliederversammlung" hieß die Veranstaltung im Raum K3 im Rahmen der Jahrestagung des Vereins. Und wer dort über die missliche Lage des renommierten Vereins berichtete, der in diesem Jahr seinen zehnjährigen Geburtstag feiert, ist niemand geringerer als Hans Leyendecker, Deutschlands Investigativjournalist Nummer Eins, und zweiter Vorsitzender im Netzwerk Recherche.
Er sitzt da vorn auf dem Podium, neben Thomas Leif, vor ihm Dutzende kritischer Journalistinnen und Journalisten, eben die Mitglieder des Netzwerkes. Und Hans Leyendecker redet stockend, wirkt unsicher – gerade so, als wäre irgendwer gestorben. Es geht um fehlerhaft gebuchte Rechnungen in der Bilanz des Vereins. Und es geht um die Frage, ob das hehre Netzwerk Recherche vielleicht selbst zu unrecht Gelder bezogen hat. Und das auch noch von der Bundeszentrale für Politische Bildung.
Es geht um Gelder, die offiziell für das Gute flossen. Für die Stärkung des Qualitätsjournalismus in Deutschland, für die Förderung journalistischer Nachwuchskräfte. Für die Betonung, dass Journalismus immer unbestechlich bleiben muss. Und nun stellt sich die Frage: Hat Thomas Leif sich da einfach nur verrechnet – oder wurden Gelder bewusst abgezweigt.
Hans Leyendecker schaut viel nach unten, während er spricht. Selten findet er klare Worte. Denn allen hier im Raum ist klar: Einen Thomas Leif, den stürzt man nicht so leicht. "Godfather" nennen ihn hier manche, ihn, der seit zehn Jahren immer und unermüdlich dafür gesorgt hat, dass Qualität in der Recherche, dass Anstand in der Wahrheitsfindung immer ein Leitbild bleibben.
Der aus dem popeligen Journalistenverein einen bundesweit wahrnehmbaren Qualitätsgaranten der Aufrichtigkeit gemacht hat. Und jetzt sieht es so aus, als sei Thomas Leif an seiner eigenen Moral gescheitert. Seine Verteidigungsreden können die Tatsache nicht aus dem Weg räumen, dass die Finanzen Anlass zur Sorge geben.
Einige Mitglieder, teils auch Vorstandsmitglieder, klagen, sie hätten die Finanzen in der Vergangenheit nicht recht durchschauen können. Mehr als 70.000 Euro könnte der Verein – die Prüfung steht noch aus – zu Unrecht erhalten haben. Und in dem "Sauberkeitsverein", wie Leyendecker ihn nennt, gelten nun einmal ganz besondere moralische Maßstäbe.
Ja, welche denn? Leyendecker redet, redet, redet. Und die wenigsten im Publikum durchschauen die Diplomatie, die da vorne inszeniert wird. Was sie nicht wissen: Schon vor der Sitzung hatte sich der Vorstand darauf geeinigt, das Leif an diesem denkwürdigen Freitagabend seinen Hut nehmen soll.
Immer wieder gibt Leyendecker ihm den Raum dazu. Immer wieder dieser Blick nach unten, immer wieder diese langen Pausen. "Leif", sagen diese Pausen, "geh!" Doch Leif geht nicht.
Schließlich kommt Unruhe auf im Saal, und Leyendecker nimmt sich ein Herz und erklärt nun selbst seinen Rücktritt. Auch andere Vorstandsmitglieder verstehen und erklären ebenfalls ihren Rücktritt. Nur Thomas Leif erklärt nichts, doch damit ist klar, dass der Vorstand formal nicht mehr arbeitsfähig ist.
Und somit ist das Ergebnis des Abends: Thomas Leif, Godfather und eigensinniger Bestimmer, muss die Koffer packen, noch ehe ein paar Räume weiter die Geburtstagsparty beginnt, die ihm zu verdanken ist. "Das ist hier ja so wie früher auf Kindergeburtstagen", sagt die Party-Moderatorin. "Wenn das Geburtstagskind nicht da war, weil es sauer war, dass es im Sackhüpfen verloren hatte."
Ganz so einfach ist es nicht: Thomas Leif wurde abserviert – zu Recht oder zu Unrecht. Er hinterlässt ein großartiges Erbe. Und eines, von dem niemand weiß, wer es annehmen soll. Aber wer im Glashaus sitzt, darf nie mit Steinen werfen. Auch kein Thomas Leif.
Martin Kaul ist taz-Redakteur und ordentliches Mitglied des Netzwerk Recherche. Er nahm stimmberechtigt an der Mitgliederversammlung teil.
In den Busch schießen und Kreuztrefferdaten suchen
02.07.2011
Scheibchenweise werden Details zur Überwachung von Blockaden und Versammlungen der Proteste gegen rechtes Gedenken im Februar in Dresden öffentlich (Rasterfahndung per Handy). Sichtbar wird, wie zur Kontrolle von politischem Protest die Bildung krimineller oder terroristischer Vereinigungen behauptet wird, um das massenhafte Eindringen in die telekommunikative Privatsphäre zu begründen. Nach bisheriger Bewertung waren die Dresdener Überwachungsanordnungen ein spektakulärer Einzelfall. Die Durchsicht von Ermittlungsakten zum G8-Gipfel in Heiligendamm zeigt allerdings, dass Bundes- und Landesbehörden schon 2005 die Funkzellenauswertung nicht nur zur Handhabung einzelner Proteste, sondern zur Durchleuchtung einer kompletten Bewegung genutzt hatten.
"Wir haben in den Busch geschossen, nun sehen wir, was und wer sich dort bewegt", kommentierte ein beteiligter Ermittler süffisant. Zwar ging der "Schuss" nach hinten los - das Vorgehen hatte innerhalb weniger Stunden allein in Berlin 5.000 Demonstranten mobilisiert, die ihre Solidarität mit den Betroffenen ausdrückten. Nicht bekannt war zu diesem Zeitpunkt, dass die Behörden längst wussten "was und wer" sich im Busch bewegt. Geholfen haben hierfür umfangreiche Eingriffe in die telekommunikative Privatsphäre.
Massenhafte Funkzellenauswertung "angeregt"Immer wieder kommt es im Rahmen von internationalen Gipfeltreffen zu politisch motivierten Sachbeschädigungen, die von linken Aktivisten begangen und meist in einen anti-kapitalistischen Begründungszusammenhang gestellt werden.
Auch in Deutschland hatte es vor dem G8-Gipfel mehrere sogenannte kleinere "Direkte Aktionen" gegeben, im Rahmen derer auch die "Villa Borsig", ein Gästehaus des Auswärtigen Amtes in Berlin-Tegel, teilweise abgebrannt war. Das Gebäude stand zum Zeitpunkt des Anzündens wegen Bauarbeiten leer. In einem an Zeitungen versandten Schreiben (in amtsdeutsch Selbstbezichtigungsschreiben, SBS) hatten "autonome gruppen / militant people (mp)" die Verantwortung hierfür übernommen und die Aktion mit der Mobilisierung gegen den G8-Gipfel kontextualisiert: "Wir sind auch dabei, wir sind ein Teil dieser sozialen Bewegung."Der Anschlag fand am 17. Oktober 2005 statt, nur wenige Tage vor dem ersten großen Vorbereitungstreffen gegen den G8-Gipfel. Dieses dreitägige Treffen in der Hamburger "Universität für Wirtschaft und Politik" war mit rund 250 Teilnehmern außerordentlich gut besucht und versprach den Beginn einer breit aufgestellten Gipfelbewegung.Die Vorbereitung wurde vom Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Bundeskriminalamt argwöhnisch beobachtet. Die Ämter machten sich hierfür schon früh auf Vorrat gespeicherte Mobilfunkdaten zunutze: Laut Ermittlungsakten, die für die Razzien vom 9. Mai 2007 angelegt wurden, hatte das BKA beim Generalbundesanwalt "angeregt, einen Beschluss gem. §§100 g,h StPO zur Beschaffung der Verbindungsdaten der Funkzelle des Veranstaltungsortes in Hamburg, 'Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik' zu beantragen". Damit wurden alle Bewohner wie auch Besucher, die sich innerhalb von drei Tagen in der entsprechenden Hamburger Funkzelle aufhielten, protokolliert. Vorgebliches Ziel des BKA war es, "festzustellen, welche Personen, insbesondere aus dem Raum Berlin, an dem Treffen in Hamburg teilgenommen haben".
Der Beschluss zur verpflichtenden Herausgabe der gespeicherten Verbindungsdaten wurde am 4. November nachträglich erlassen und erging an die vier Telekommunikationsprovider Deutsche Telekom (T-Mobile), Vodafone, E-Plus und O2 (heute Telefónica). Der Vermerk des Bundeskriminalamts bezieht sich nur auf die Erlangung von Verkehrsdaten, die zunächst keinen Anschlussnehmern zugeordnet werden können. Die Halter der Telefone wurden vermutlich erst nachträglich im Falle von "Treffern" ermittelt. Hierfür muss kein richterlicher Beschluss eingeholt werden.Wie viele Beschlüsse zur Herausgabe von Verbindungsdaten in Deutschland erteilt werden, bleibt im Dunkeln. Das Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie die Umsetzung der strittigen EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung definieren, dass statistische Daten über Eingriffe in die telekommunikative Privatsphäre erfasst werden müssen. Ab 2009 werden die Festnetztelekommunikation, Mobilfunktelekommunikation und Internettelekommunikation in den Tabellen des Bundesamts für Justiz hierfür getrennt ausgegeben.
Für den Mobilfunk wird die Zahl der jeweiligen Überwachungsanordnungen mit 16.376 angegeben. Gegenüber dem Vorjahr zeigt sich bezüglich der Gesamtheit der Maßnahmen ein steigender Trend, wobei Bayern weit vorn liegt und Sachsen etwa im Mittelfeld. Auch die Generalbundesanwaltschaft wird in der Statistik genannt. Im Mai hatte die Bundesregierung noch erklärt, eine "Statistik speziell zu Funkzellenabfragen oder zu der Erhebung von Standortdaten" würde weder beim GBA noch beim Bundeskriminalamt (BKA) geführt. Erinnert wird seitens der Bundesregierung an die Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, der angesichts steigender Anordnungen jedoch scheinbar zunehmend nebensächlich wird.Die Funkzellenauswertung sorgte erst kürzlich in Hamburg für Furore, nachdem eine Richterin es gewagt hatte, nicht alle Anträge der Polizei ohne weiteres abzunicken. "In anderen Bundesländern reicht es den Richtern für die Herausgabe der Mobilfunkdaten, dass es eine Tat gab. In Hamburg müssen wir Hinweise dafür liefern, dass der Täter auch vor Ort telefoniert hat", schimpfte der Landesvorsitzende vom "Bund Deutscher Kriminalbeamter" im Rahmen einer Fachtagung zur Funkzellenauswertung.
Dabei ist die Justiz eigentlich nicht zimperlich mit der Gewährung richterlicher Beschlüsse: Eine "Umfrage bei der Staatsanwaltschaft" habe laut der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg ergeben, dass seit 2009 in elf Ermittlungsverfahren, die Autobrände in Hamburg zum Gegenstand haben, Anträge nach § 100g StPO auf Auswertung von Mobilfunkzellen gestellt wurden. Hiervon wurden in neun Fällen die beantragten Beschlüsse erlassen. In einem Fall wurde der Antrag der Staatsanwaltschaft mangels Erfolgsaussicht der beantragten Maßnahme abgelehnt.Kein Problem also bezüglich der Zusammenarbeit zwischen Polizei und Gerichten. Dennoch findet der Zusammenschluss einiger Kriminalbeamter, "die Justiz, insbesondere die Gerichte in Hamburg", seien "mitverantwortlich an der Nichtaufklärung der hiesigen Fahrzeugbrandserie".Suche nach "Kreuztrefferdaten"
Die in Hamburg erlangten Daten wurden unter anderem mit ebenfalls angeforderten Verbindungsdaten der Tatorte abgeglichen. Später kam der Abgleich mit einem weiteren, großen Vorbereitungstreffen von Aktivisten hinzu, das im Januar 2006 im Berliner "Mehringhof" stattfand.
Laut Ermittlungsakten wurde geprüft, welche Telefone sowohl auf den Treffen oder an Tatorten festgestellt werden können. Kriminalpolizisten gehen dabei von der äußerst unwahrscheinlichen These aus, dass die Ausführenden ihre Mobiltelefone angeschaltet lassen und bei der Tat mitführen. Ein ermittelnder Kommissar hatte im Rahmen der Tatrekonstruktion einer geringfügigen Brandstiftung am Amtsgericht Wedding behauptet, die Tatausführenden hätten über ein Kommunikationsmittel in Verbindung gestanden.Es dürfte sich hierbei eher um eine vorsorgliche Schutzbehauptung handeln, da ansonsten ein richterlicher Beschluss zur Herausgabe der Daten fraglich wäre. Denn für Hamburg gilt etwa bezüglich Anordnungsvoraussetzungen für eine Funkzellenabfrage, dass neben der Länge und der Uhrzeit des abgefragten Zeitraums, des konkreten Standortes der Funkzelle, der Schwere der aufzuklärenden Straftat und des vermuteten Datenaufkommens konkrete Hinweise vorgelegt werden müssen, dass Beschuldigte tatsächlich ein Mobiltelefon benutzten.
Seitens des BKAs waren für die Ermittlungsverfahren rund um die G8-Proteste die zwei damaligen Abteilungen ST 12 und ST 11 befasst, wie es die von den Durchsuchungen betroffenen Aktivisten in einer späteren Auswertung dokumentierten. ST 12 führte die Ermittlungen, während ST 11 die Bekennerschreiben bewertete und Berichte zu Gruppen und Strukturen anlegte. Diese Dossiers versammelten auch "Funde" sogenannter "Kreuztrefferdaten": Funkzellendatenauswertungen ergaben demnach, "dass mit dem Handy der S. sowohl während des bundesweiten Koordinierungstreffens in Hamburg im Oktober 2005 als auch während des Treffens im Berliner Mehringhof im Januar 2006 an den Veranstaltungsorten telefoniert wurde. Die bloße Teilnahme an den beiden bis dahin größten Vorbereitungstreffen reichte also, um in den Dossiers des BKA zu landen.Der Ermittlungseifer des Bundeskriminalamts war indes mit der Funkzellenauswertung längst nicht erschöpft. Die Behörde bestellte sämtliche Informationen, die über die Anti-G8-Bewegung verfügbar waren und dem BKA durch Bundes- und Landesbehörden von Polizei und Verfassungsschutz geliefert wurden.
Im Focus stand vor allem das internationale "Dissent!"-Netzwerk, das sich als basis-orientiert beschrieb und einen starken Zulauf vor allem bei jüngeren Aktivisten hatte. Der Argwohn der Verfolgungsbehörden wuchs:- Entstehung und Entwicklung der 'Anti-G8-Bewegung', insbesondere im Raum Berlin,
- Personenerkenntnisse zu den 'G8-Gegnern' aus dem Raum Berlin,
- Lichtbilder der 'G8-Gegner' aus dem Raum Berlin,
- Erkenntnisse (teilnehmende Personen, Gruppen etc.) zu allen bislang bekannt gewordenen 'Anti-G8-Veranstaltungen' bundesweit,
- Organisationsbezogene Erkenntnisse zu Gruppen aus dem Bereich Berlin, die sich mit der Thematik 'G8' auseinandersetzen.
Wie später bekannt wurde, gehörten zu den "entsprechenden Maßnahmen" auch der massive Einsatz verdeckter Ermittler und Informanten, darunter wegen einer vermeintlich geringeren Entdeckungsgefahr auch ausländischer Undercover-Polizisten - aus Polizeikreisen sickerte durch, dass zum G8-Gipfel in Deutschland allein 12 ausländische Polizisten eingesetzt waren, von denen einige auch später nicht abgezogen wurden. So verblieb etwa der britische Polizist Mark Kennedy in der anti-kapitalistischen Szene, die er mit einer Brandstiftung zur "Legendenbildung" beeindrucken wollte (Spitzel aller Länder).
Die Funkzellenauswertung diente nur als eine von zahlreichen anderen Maßnahmen zum Durchleuchten der Mobilisierung gegen den G8-Gipfel. Dabei wird sie selbst von Kriminalpolizisten als sensible "Analyse der telekommunikativen Visitenkarte" bezeichnet, die sich laut einer Abhandlung zweier polizeilicher Sachverständiger als "Schuss ins Blaue" wegen rechtlichen und taktischen Gründen verbieten würde. Zudem gerieten unverhältnismäßig viele Nicht-Betroffene in die Datenbanken von Polizeibehörden. Hierzu zitieren die beiden Autoren das Landgericht Magdeburg, das 2005 festgestellt hatte:
Je größer dieser Kreis der zu erwartenden Daten über Unverdächtige ist, desto gewichtiger müssen neben der aufzuklärenden Tat und dem Tatverdacht die Tatsachen sein, die auf einen Erfolg durch die Datenauswertung hoffen lassen."Im Zusammenhang mit der Mobilisierung gegen den G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm aufgefallen"
Die Funkzellenauswertung dürfte außerdem eine Rasterfahndung darstellen, da die erfragten Datenbestände nach zeitlichen und örtlichen Rasterkriterien ausgewählt werden. Eine von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Studie kommt 2008 zu dem Schluss, dass sich durch die zusätzlichen Datenbestände neue Missbrauchsgefahren etwa durch unberechtigte Zugriffe von innen oder außen eröffnen. Das Potenzial "für die strategische Überwachung" größerer Gruppen steige.
"Es ist wohl nicht allzu verwegen, anzunehmen, dass solche Beschlagnahmen mittlerweile zur Ermittlungsroutine bei Anschlägen gehören und dass im Zuge der Rasterfahndung ein Vergleich von neu ermittelten Mobiltelefon-Nummern mit älteren gespeicherten Funkzellendaten stattfindet ", schreiben die von den Ermittlungen betroffenen Aktivisten zur digitalen Überwachung.Kein Telefon ist allerdings auch keine Lösung, um dem Überwachungseifer zu entfliehen: Laut Ermittlungsakten findet es die Generalbundesanwaltschaft erst recht verdächtig, wenn Aktivisten ihre Telefone gar nicht zu Treffen mitnehmen, folglich also "scheinbar eine dauerhafte Überwachung vermutet" wird. Als weitere "konspirative Aktivitäten" gelten laut der Behörde "Mobiltelefone von den Akkus trennen, Verschweigen der eigenen Identität oder Verwendung von Pseudonymen".Wie bei fast allen Ermittlungen in Deutschland nach § 129a üblich wurden beide Verfahren 2008 nach drei Jahren eingestellt. Es bestätigt sich damit die These, wonach der Terrorismusparagraph vor allem der Ausforschung der linken Szene dient. Tatsächlich findet sich in den Akten ein Vermerk von 2006, der zahlreiche Personen auflistet und beschreibt, die "im Zusammenhang mit der Mobilisierung gegen den G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm aufgefallen" sind.
Der administrative und finanzielle Aufwand zur Ausforschung der Anti-G8-Bewegung ist indes beträchtlich: Im bekannten Teil der Akten, wovon auch den Anwälten der Verteidigung lediglich 12.000 der 80.000 Seiten zugänglich sind, werden teilweise ohne erkennbare Systematik 950 Namen Beschuldigter, Verdächtiger, Angehöriger, Kontaktpersonen oder Verwandter zusammengetragen, hinzu kommen 270 Berichte, Vermerke, Gutachten etc.Gesammelt wurde auch Material früherer ebenfalls eingestellter Ermittlungen. Rund 45 ermittelnde Kriminalbeamte des BKA zeichnen Vermerke und Berichte, hinzu kommen BKA-Kriminaltechniker, mehrere Beamte des Bundesamts für Verfassungsschutz sowie weiterer Landeskriminalämter. Allein von Oktober 2006 bis April 2007 sind 80 Observationen vorgenommen worden, eine unbekannte Zahl weiterer verdeckter Ermittlungen hat keinen Eingang in die Akten gefunden. Dauerobservationen wurden mittels GPS-Peilsendern und Kameras an Hauseingängen durchgeführt, zudem jeweils Tausende Telefonate, Emails und Gespräche in Autos abgehört.Polizeipräsident verwaltet jetzt die Technikabteilung
Die digitale Überwachung unter Zuhilfenahme der Funkzellenauswertung setzt fort, was der frühere Bundesinnenminister Schäuble 2008 in einer informellen Arbeitsgruppe einiger europäischer Innenminister auch EU-weit auf den Weg brachte (Die Wünsche der EU-Innenminister).
In einem Forderungspapier dieser sogenannten "Zukunftsgruppe" schrieb der Innenminister-Stammtisch über einen "digitalen Tsunami" und meinte damit keine Katastrophe, sondern eine "Unmenge von Daten, die für Verfolgungsbehörden nützlich sein könnten". Gefordert wurde der Ausbau von Analysekapazitäten, um noch mehr digitale Spuren automatisiert auszuwerten. "Die größte Herausforderung besteht nicht mehr in der Sammlung von Information, sondern in ihrer Auswertung", hatte der frühere Vizepräsident von EADS vor zwei Jahren auf der jährlichen Polizeimesse "Europäischer Polizeikongress" beigepflichtet ("Wo sind die Herolds, Stümpers und Zacherts?").In der Sprache von Polizei und Geheimdiensten heißen die in den Datenhalden derart aufgefundenen Übereinstimmungen "Risiken". Je nach angeschlossenen Datenbanken wird ermittelt, wer Buchungen in verdächtigen Reisebüros vornimmt oder vom gleichen Konto Zuwendungen erhält - oder sich mit dem Mobiltelefon in Funkzellen aufhält, in denen Behörden ermitteln. Werden zudem Informationen sogenannter "Open Source Intelligence" (OSINT) aus öffentlich zugänglichen sozialen Netzwerken einbezogen oder die Erkenntnisse kombiniert mit Einträgen in Polizeidatenbanken, entsteht ein digitales Abbild der Beziehungen zwischen Personen, Sachen, Zeiträumen und Ereignissen.
Vom Mitteldeutschen Rundfunk wurde im Rahmen der Dresdener Überwachungsaffäre von einem "Datenabgleichsystem EFAS" berichtet, das "Kundendaten der gespeicherten Mobilfunknutzer mit denen von OBI-Baumarkt-Kunden" abgleichen würde. Näheres zu dem System bleibt zunächst verborgen, etwa ob auch auf Verbund- und Zentraldateien bzw. Datensätze von Polizeien oder Verfassungsschutzämtern zugegriffen werden kann. Möglicherweise wurden für die Ermittlungen weitere Daten zu Finanz- oder Reiseverhalten eingeholt.
Als gesichert dürfte gelten, dass Software eingesetzt wird um Beziehungen zwischen Anschlussinhabern und angerufenen Kontaktpersonen zu visualisieren, etwa um nach befreundeten OBI-Einkäufern zu suchen, die sich für inkriminierte Produkte interessieren. Diese "Auswerteprogramme" werden von etlichen Anbietern auf Polizeimessen angeboten, um Zusammenhänge unter kriminalpolizeilichen Ermittlungsergebnissen sichtbar zu machen ("Schon heute wissen, was morgen sein wird"). So bietet etwa die Firma rola Security Solutions diverse Anwendungen zur Verknüpfung von "Personen, Tatmustern, Objekten und Delikten".
Damit würde es Ermittlern erleichtert, verborgene Tatzusammenhänge und Hintergründe schneller zu erkennen."Gerade, wenn es darum geht, weit verzweigte Strukturen aufzudecken, massenhaft gespeicherte Informationen mit einem Knopfdruck auszuwerten oder sie schnell in strukturierter, grafisch aufbereiteter Form zur Verfügung zu stellen, gibt es derzeit nichts Besseres", lobte Bayerns Innenminister Beckstein schon 2003. rola Security Solutions ist einer der Hauptsponsoren des "Europäischen Polizeikongress". Laut einem Produktflyer nutzt die bayerische Polizei die Software "InfoZoom", um automatisiert "elektronische Täterspuren in Mobilfunkdaten herauszufiltern".
Im polizeilichen Einsatz digitaler technischer Hilfsmittel war in der Vergangenheit vor allem Sachsen vorangeprescht: Leipzig war 1996 die erste Stadt, die eine Videoüberwachung öffentlicher Plätze einführte. Das sächsische Landeskriminalamt hatte sich 2008 als erstes Bundesland eine Polizeidrohne beschafft, die seitdem immer öfter bei politischen Protesten und Fußballspielen in Dresden oder Leipzig eingesetzt wird.
Verwaltet werden die polizeilichen Gadgets von der Landespolizeidirektion Zentrale Dienste, in die der wegen der ausufernden Funkzellenauswertungen nicht mehr vorzeigbare Dresdner Polizeipräsident Dieter Hanitsch versetzt. Für Hanitsch dürfte dies keinen Abstieg darstellen, da seine neue Dienststelle nicht nur für die Beschaffung und Anwendung von miniaturgroßen GPS-Peilsendern, fliegenden Kameras, Kennzeichenscannern oder IMSI-Catchern zum Aufspüren und Mithören von Mobilfunkgesprächen verantwortlich ist, sondern die neuen technischen Spielzeuge innerhalb von Bund/Länder-Arbeitsgruppen ausprobieren, bewerten und Beschaffungsempfehlungen aussprechen kann.
Marokkaner billigen neue Verfassung
Für die Verfassungsreform zur Einschränkung der Machtbefugnisse von König Mohammed VI. votierten dem vorläufigen Ergebnis zufolge 98,49 Prozent der Wähler. Diese Zahl gab das Innenministerium in Rabat in der Nacht zum Samstag (02.07.2011) bekannt.
Die Reform sieht vor, die Befugnisse von Ministerpräsident, Parlament und Justiz zu erweitern, räumen dem König aber weiterhin die zentrale Rolle im politischen System ein.
Die Wahlbeteiligung lag nach ersten offiziellen Angaben bei mehr als 70 Prozent. Insgesamt waren etwa 13 Millionen Marokkaner aufgerufen, über das neue Grundgesetz abzustimmen. Das Referendum sei in "normaler Atmosphäre" abgelaufen, sagte Innenminister Taib Cherkaoui. Vor allem junge Menschen seien zur Abstimmung gegangen.
Gleichberechtigung und Menschenrechte
Nach der neuen Verfassung sollen auch die Gleichberechtigung von Mann und Frau und der Schutz der Menschenrechte gewährleistet sein. Der König soll indes weiter oberster Befehlshaber der Armee sein, das Parlament auflösen dürfen und das letzte Wort in rechtlichen und religiösen Fragen haben.
Boykott der Opposition
Die nordafrikanische Monarchie will mit der Reform verhindern, dass die prodemokratische Protestwelle in der arabischen Welt auf das Land übergreift.
Die marokkanische Demokratisierungsbewegung "20. Februar" hatte die Volksabstimmung boykottiert. Ihrer Meinung nach geht die vom König zugesagte Abtretung von Machtbefugnissen nicht weit genug.
Der seit 1999 regierende Mohammed VI. hatte die Verfassungsänderung erstmals im März unter dem Eindruck von Massenprotesten versprochen. Die Proteste in Marokko fielen kleiner aus in anderen arabischen Staaten wie Tunesien und Ägypten, wo die seit Jahrzehnten herrschenden Staatschefs aus ihren Ämtern gejagt wurden.
Mohammed war 1999 seinem Vater auf den Thron gefolgt, der das Land 38 Jahre lang regiert hatte. Er gilt als moderater Modernisierer und konnte bislang einige kleinere Erfolge bei der Verbesserung der Menschenrechtssituation und bei der Bekämpfung von Armut und Analphabetentum erzielen.
Autor: Thomas Grimmer (afp, dpa, dpad, rtr)
EU entlarvt Ineffizienz bei der Bundeswehr
Im Vergleich mit anderen westeuropäischen Armeen arbeitet die Bundeswehr einem Bericht zufolge ineffizient. Die "Wirtschaftswoche" berichtet unter Berufung auf Daten der Europäischen Verteidigungsagentur EDA, dass die Zahl der einsatzfähigen deutschen Soldaten derzeit bei 7.000 liege. Bei den Franzosen seien es 30.000 und bei den Briten 22.000.
Hinter jedem Bundeswehrsoldaten im Einsatz stünden 35 Kameraden und 15 zivile Mitarbeiter daheim im Grundbetrieb und zur Unterstützung. Bei den Franzosen sei das Verhältnis acht plus zwei, bei den Briten neun plus vier und EU-weit 16 plus vier. Demnach seien die Ausgaben pro Soldat im Einsatz mit 5,16 Mio. Euro bei der Bundeswehr dreimal so hoch wie im EU-Durchschnitt.
Der Verhältnis zwischen Input und Output sei erschreckend, sagte der FDP-Verteidigungspolitiker Christoph Schnurr dem Blatt. Die Bundeswehr habe den Wandel ihrer Kernkompetenz "von einer stehenden Panzerarmee zu hochmobilen Einsatzkräften" noch nicht umgesetzt.
Dem Bericht zufolge ist Deutschland mit aktuell 31 Mrd. Euro oder 1,3 Prozent des Bundesinlandsproduktes (BIP) für die Bundeswehr Schlusslicht in der Nato. Das Nachbarland Frankreich komme auf 2,0 und Großbritannien komme auf 2,5 Prozent des BIP. Im Nato-Hauptquartier gelten dem Bericht zufolge zwei Prozent des BIPs für Verteidigung als Richtschnur. Für Deutschland wären das etwa 50 Mrd. Euro.
Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte in Berlin, seinem Ressort liege die Studie noch nicht vor, weshalb er sie auch nicht kommentieren könne. Klar sei, dass die Bundeswehr gerade neu ausgerichtet werde, um effizienter zu werden.
Bundestag hebt Immunität von CDU-Abgeordnetem auf
Verdacht auf Tankbetrug
Der Bundestag hat die Immunität des sächsischen CDU-Abgeordneten Manfred Kolbe aufgehoben. Die Staatsanwaltschaft Leipzig geht aufgrund einer Anzeige dem Verdacht auf Tankbetrug nach. Dem früheren sächsischen Justizminister wird vorgeworfen, 2010 an einer Tankstelle davongefahren zu sein, ohne zu bezahlen. Mit der Aufhebung der Immunität kann nun ein Strafverfahren beginnen.
Gegen Kolbe war früher schon einmal wegen Tankbetrugs ermittelt worden. Bereits 2008 hatte der Politiker - wie er damals sagte - im Stress das Bezahlen vergessen. Das Verfahren wurde eingestellt, weil Kolbe keine Betrugsabsicht und kein Vorsatz nachgewiesen werden konnten. Auch damals beglich er die Rechnung von rund 50 Euro im Nachhinein und entschuldigte sich.
Kolbe war von 2000 bis 2002 Justizminister in Sachsen. Davor war er zehn Jahre lang Bundestagsabgeordneter. Nach seiner Zeit im sächsischen Kabinett kehrte er in die Bundespolitik zurück.
Freitag, 1. Juli 2011
In der Gewaltfalle
Syrien
In der Gewaltfalle
Staatspräsident Assads Spielraum reicht nicht für die nötigen Reformen aus. Noch ist die kritische Masse nicht erreicht, die es braucht, um ihn zu stürzen. Doch die landesweiten Proteste sind nicht die einzige Gefahr im Innern, der Assad gegenübersteht.
Noch ist Assads größter Trumpf, dass alle externen Akteure vor einem Regimewechsel in Damaskus zurückschrecken
01. Juli 2011
Die Proteste dauern an. Obwohl die Armee weiter gegen die Regimegegner vorgeht, obwohl das Regime zuletzt geduldet hat, dass Dissidenten einen „Nationalen Koordinierungsrat“ bilden. Während dieser Rat nicht ausdrücklich einen Rücktritt von Staatspräsident Baschar al Assad fordert, sondern nur seinen Verzicht auf eine abermalige Kandidatur, standen die landesweiten Proteste des Freitags erstmals unter dem Motto „irhal“ – verschwinde.
Aus der Küstenstadt Latakia wurden Explosionen gemeldet. Erstmals kam es zahlreichen Stadtteilen der Wirtschaftsmetropole Aleppo zu Protesten und Zusammenstößen. Sicherheitskräfte hatten vergeblich auf die Händler der Stadt Druck ausgeübt, dass sie ihre Läden schließen und einer Kundgebung für Assad anschließen sollten. Die syrische Armee besetzte in der Unruheprovinz Idlib an der Grenze zur Türkei weitere Städte und Dörfer.
Das „korrupte Tyrannenregime“ abschütteln
Die landesweiten Proteste standen erstmals unter dem Motto „irhal“ – verschwinde
Assads Spielraum für Reformen ist jedoch sehr gering. Würde er Reformen einleiten, also politische Parteien und freie Wahlen zulassen oder so etwas wie gute Regierungsführung durchsetzen, würde er damit den Kollaps des Regimes herbeiführen. Denn das Regime gründet auf dem Politikmonopol der Baath-Parteil und der Aufteilung der Pfründen unter den Stützen des Regimes. Noch ist Assads größter Trumpf, dass alle externen Akteure vor einem Regimewechsel in Damaskus zurückschrecken, da er eine völlige Neugestaltung weiter Teile des Nahen Ostens nach sich ziehen würde.
Noch ist auch die kritische Masse nicht erreicht, die es braucht, um das Regime zu stürzen. Doch die landesweiten Proteste sind nicht die einzige Gefahr im Innern, der Assad gegenübersteht. Zwar scheint aber die Armeespitze noch loyal gegenüber dem Machthaber zu sein. Einheiten der Armee sind aber schon zu den Regimegegnern übergelaufen. Syrer, die sich aus ihrer Heimat abgesetzt haben und mit dem Regime vertraut sind, verweisen zudem darauf, dass die Unterstützung der schiitischen Alawiten, zu denen Assad gehört und die als Minderheit in Syrien herrschen, für Assad zurückzugehen scheint. Assad gelte als führungsschwach, eine Alternative zu ihm sei bei den Alawiten indes nicht in Sicht.
Massive Präsenz iranischer Sicherheitskräfte
Als sicher gilt, dass die Alawiten erbittert für den Fortbestand Regimes – und im wahrsten Sinne des Wortes um ihr Überleben – kämpfen werden. Da offenbar weder die Opposition noch die Führung in Damaskus rasch die Oberhand gewinnen kann, schließen Analysten nicht mehr aus, dass Syrien in einen Bürgerkrieg abgleitet.
Und spätestens dann könnten Akteure aus dem Ausland eingreifen. In Damaskus ist schon das geflügelte Wort zu hören, das Regime wende sich an Washington, wenn es Frieden wolle, und an Teheran, wenn es um Krieg gehe. Noch sei aber von einer massive Präsenz erfahrener iranischer Sicherheitskräfte in Syrien nichts zu bemerken.
Schweiz ist nicht gut zu Vögeln
Die Entwicklung sei alarmierend, sagte Peter Knaus, einer der Mitautoren des Historischen Brutvogelatlasses. Er hofft für die Zukunft, dass zumindest die heutige dezimierte Vogelvielfalt erhalten und lokal verbessert werden kann.
Ursache auch bei der Landwirtschaft
Die Schweizer Vogelwelt war bislang ab Mitte der Siebzigerjahre gut dokumentiert. Knaus und sein Team durchforsteten Archive und befragten ältere Ornithologen und rekonstruierten mit Hilfe der gesammelten Informationen den Vogelbestand bis um 1950 zurück.
Schon damals war indes die Vogelwelt nicht mehr in Ordnung. Bei den Vögeln, die in Feuchtgebieten lebten, gab es wegen der Anbauschlacht im zweiten Weltkrieg bereits einen starken Rückgang, der sich dann bis in die 1970er-Jahre fortsetzte.
Bei den Vögeln, die im Kulturland heimisch sind, zeigt der Atlas für die Zeit von 1970 bis 1990 die grösste Erosion. Als Gründe nennt die Vogelwarte die Mechanisierung und Intensivierung der Landwirtschaft, aber auch die Ausdehnung des Siedlungsgebietes.
20 Prozent der Vögel ausgestorben
So verschwanden alte Obstbaumgärten, durch das maschinelle Ernten bleibt weniger auf dem Feld zurück. Die Vögel verloren Lebensraum und Nahrung, etwa Insekten, deren Vielfalt stark abnahm.
Der Wald blieb als Lebensraum für die Vögel relativ intakt. Die Fläche blieb erhalten. Auswirkungen auf die Vögel gab es dennoch, dies weil weniger Holz geschlagen und der Wald stärker für Sport und Erholung genutzt wird.
Der Atlas dokumentiert grosse Artenverluste. Im Mittelland sei in den letzten 60 Jahren rund ein Fünftel der Vogelarten verschwunden, sagte Knaus. So seien es im Aargau 23 Arten gewesen.
Storch-Population verdoppelt
Im Mittelland starben etwa Steinkauz und Wachtelkönig aus, in der Ostschweiz Wendehals und Bekassine, in der Nordwestschweiz Wiedehopf und Rotkopfwürger, in der Romandie Rebhuhn und Raubwürger. Im Tessin kommen der Ziegenmelker und die Heidelerche unter Druck - dies, weil Landwirtschaftsland vergandet.
In der Vogelwelt gab es in den letzten 60 Jahren indes nicht nur Verlierer, sondern auch Gewinner. Neue Arten wie die Kolbenente wanderten ein, oder der Wanderfalke kehrte zurück. Der Storch ist heute gar doppelt so häufig wie vor 100 Jahren.
Vom zunehmenden Vogelschutz profitierten nur wenige Arten. Mit dem Schutz einer bestimmten Art sei es nicht getan, sagte Knaus. Wenn der Lebensraum nicht mehr vorhanden sei, nütze dies nichts.
Von Heike Kleffner
Der 50-jährige André K. war in der 16.000 Einwohnerstadt in Nordsachsen schon länger als wohnungslos bekannt. Am Morgen des 28. Mai 2011 fanden Zeugen den Mann blutüberströmt und mit schwersten Kopfverletzungen im Wartehäuschen des Oschatzer Südbahnhofs. Vier Tage später starb André K. an den Folgen des Angriffs. Die Staatsanwaltschaft Leipzig geht davon aus, dass André K. massive Tritte und Schläge gegen den Kopf zugefügt wurden – ob auch Waffen eingesetzt wurden, müsse noch geklärt werden, sagte der Sprecher der Leipziger Staatsanwaltschaft, Ricardo Schulz.
Öffentlich wahrgenommen wurde der Tod von André K. erst, nachdem die Staatsanwaltschaft am 4. Juni die Festnahme von Ronny S. und zwei weiteren Tatverdächtigen bekannt gab. Einer der drei Männer im Alter von 25, 27 und 36 Jahren verbüßte noch eine Bewährungsstrafe. Oberstaatsanwalt Schulz betont jedoch, dass es sich hierbei nicht um eine „einschlägige Vorstrafe“ handele, sondern um Eigentums- und Beleidigungsdelikte. Zu den Motiven der Täter und den Hintergründen der Tat werde derzeit „in alle Richtungen“ ermittelt, so Schulz weiter. Unklar ist derzeit unter anderem, ob noch weitere Personen an den Misshandlungen beteiligt waren und inwieweit sich Täter und Opfer schon vor der Tat kannten. „Wir können bislang nur mit Sicherheit ausschließen, dass sie sich überhaupt nicht kannten,“ lautet die vorsichtige Formulierung der Strafverfolger. Auch das Foto von Ronny S. und der Reichskriegsflagge ist den Ermittlern bekannt. Ob Hass auf Obdachlose bei der Tat eine Rolle gespielt habe, werde im Rahmen der Ermittlungen geprüft.
Für Beobachter der rechtsextremen Szene in Nordsachsen ist der Tod von André K. ein Alarmsignal: „ Es gibt hier jenseits der organisierten Strukturen von NPD, JN und so genannten Freien Kräften eine breite subkulturelle Mischszene, die sich an rechtsextremen Botschaften, Codes und Musik orientiert“, sagt der regionale Rechtsextremismusexperte Mirko Salzmann. „Und dazu gehört natürlich auch die Verachtung gegenüber Menschen, die als minderwertig oder unnütz angesehen werden.“
Die flächendeckende Verankerung von NPD und JN ist in Städten wie Oschatz, im nahegelegenen Mügeln, Eilenburg und Delitzsch ohnehin offensichtlich. Die NPD ist im Kreistag von Nordsachsen gleich mit vier Abgeordneten vertreten und tritt entsprechend offensiv auf. „Die Hauptzielgruppe von NPD und JN sind Jugendliche und junge Erwachsene“, betont Salzmann.
Regelmäßig kommt es zu Angriffen auf nicht-rechte und alternative Jugendliche. Auch das E-Werk, ein alternatives Jugendzentrum in Oschatz, war in den letzten Jahren Ziel von Neonaziattacken. Parallel dazu versuchen sich NPD und JN hier als bürgernahe kommunalpolitische Akteure zu etablieren. Erst am vergangenen Wochenende hatten sich auf dem Bolzplatz eines örtlichen Vereins in Hohenwussen bei Oschatz nach NPD-Angaben rund 100 Neonazis zum so genannten ersten „Nordsächsischen Fußballturnier“ versammelt, das auf der Website der NPD-Nordsachsen stolz als Gemeinschaftsprojekt von NPD und Freien Kräften präsentiert wird. Auf die in Oschatz kursierenden Gerüchte, Ronny S. habe sich im Umfeld der Strukturen der JN Nordsachsen bewegt, reagierte der NPD-Kreisvorsitzende und bekannte Delitzscher Neonazi-Aktivist Maik Scheffler dann auch sofort mit einem öffentlichen Dementi.
Derweil organisiert das Oschatzer „Bündnis für Demokratie, Toleranz und Menschenwürde“ am Freitagnachmittag eine Mahnwache im Gedenken an André K. „ Wenn ein Einzelner Wehrloser von einer Überzahl von Menschen derart zugerichtet wird, darf Gleichgültigkeit keine Reaktion sein“, schreibt das Bündnis und kündigt an, den Verlauf der Ermittlungen und einen etwaigen Prozess gegen die Tatverdächtigen aufmerksam zu beobachten.
Irland: 13-jähriger Dieb muss seine Xbox abgeben
Nach Angaben der 'BBC' wurde der Junge aus dem nordirischen Belfast vom Richter zur Herausgabe seiner Xbox gezwungen. Außerdem muss der Jugendliche eine elektronische Fußfessel tragen, damit die Behörden seinen Aufenthaltsort nachvollziehen können. Derzeit ist er noch in einer Einrichtung für jugendliche Straftäter untergebracht.
Der Junge hatte im Zeitraum zwischen März und Mai Einbrüche in einem Einkaufszentrum, einer Schule und einem Haus begangen. Unter anderem hatte er Akkuschrauber und ein Handy entwendet. Nach seiner Freilassung aus dem Arrest muss der Angeklagte innerhalb von zwei Tagen seine Xbox abgeben. Er erhält die Spielkonsole zurück, sobald er seine Strafauflagen verbüßt hat. Er hatte gegenüber dem Richter auf Nachfrage angegeben, dass seine Spielkonsole ihm besonders viel bedeute.
Was kostet uns Steuerzahler jetzt eigentlich Griechenland
Eine neue Studie von Open Europe, einer in London angesiedelten Denkfabrik, vom Juni 2011 untersucht die Kostenentwicklung bei zwei angenommenen Umschuldungen Griechenlands, einer sofortigen und einer im Jahr 2014. Dabei wird vor allem festgestellt, wie mit Zeitablauf immer mehr private Gläubiger durch die Rettungspakete freigekauft werden und dementsprechend die Haftung immer mehr auf öffentliche Gläubiger und deren Steuerzahler übergeht. Bei einer sofortigen Umschuldung wären durch den Ausfall von öffentlichen Forderungen 535 Euro für jeden Haushalt in der Eurozone im Spiel. Eine Umschuldung in 2014 würde den Betrag auf 1.450 Euro hochtreiben. Dabei wird bei einem sofortigen Schuldenschnitt ein Verlust von 50 % der Gläubigerforderungen angenommen, um die fortbestehende Verschuldung Griechenlands verkraftbar zu machen. Der Schuldenschnitt läge in 2014 bereits bei 70 %, um das gleiche Ziel zu erreichen, da weitere Zinsen und Haushaltsdefizite aufgelaufen sind. Deutschland wäre bei einem sofortigen Schuldenschnitt als größter Gläubiger mit 34 Mrd Euro dabei (Abb. 16340), wobei die Belastungen über Abschreibungen bei der EZB nicht in diesen Betrag einbezogen sind und auch nicht Belastungen über die öffentliche Bad Bank, die vor allem die HypoRealEstate-Forderungen gegen Griechenland mitenthält.
Die jetzt angeblich von deutschen Banken mit Schäuble vereinbarte Summe von Schuldenverlängerungen von 3,2 Mrd Euro ist ziemlich lächerlich, denn sie entspricht nur einem Drittel der Schulden gegenüber den deutschen Banken. Außerdem sollen davon allein 1,2 Mrd Euro von den staatlichen Bad Banks kommen, was also die Schuld auf der staatlichen Seite hält. Wenn die Banken nur ganze 2 Mrd Euro zunächst verlängern und dafür natürlich entsprechend länger hohe Zinsen verdienen wollen, so ist das eigentlich ein Schlag ins Gesicht der Steuerzahler, die entsprechend höher ins Risiko gehen werden.
Bis zu einer Umschuldung in 2014 würde sich nach Open Europe die Haftung öffentlicher Gläubiger von 85 Mrd Euro auf 250 Mrd Euro fast verdreifachen (Abb. 16339). Das entspricht der Fälligkeitsstruktur der griechischen Staatsschulden und dem entsprechenden Übergang auf die öffentlichen Gläubiger (Abb. 16341). Die billigste Lösung aus der Sicht der Steuerzahler wäre also ein sofortiger und allein ausreichender Schuldenschnitt.