Dienstag, 26. Januar 2010

Kraftraubendes Versteckspiel

Bislang hat sich kein deutscher Fussballer öffentlich zur Homosexualität bekannt. DFB-Präsident Zwanziger bietet Unterstützung an, glaubt aber nicht an eine große Zahl schwuler Kicker.

VON ANDREAS RÜTTENAUER
Noch immer ein Tabu im deutschen Fussball: Schwule und Lesben, wie hier beim Gay World Cup. 

Er will ihnen helfen. Schwulen Fußballern, die sich outen, versprach Theo Zwanziger alle Unterstützung durch den Deutschen Fußball-Bund. Beifall brandete auf im schicken Foyer der Hauptstadtrepräsentanz der Deutschen Telekom. Schicke Männer freuten sich. Sie waren geladen zum Neujahrsempfang des Völklinger Kreises, des Bundesverbands schwuler Führungskräfte. Als Gastredner hatte der Verband den DFB-Präsidenten geladen. Der sollte über Homophobie im Fußball reden. "Ein schwieriges Thema", wie Bernd Schachtsiek, der Vorsitzende der Völklinger Gruppe, in seiner Begrüßungsansprache feststellte.
"Unwissen und Vorurteile" seien im Fußball in diesem Bereich noch weit verbreitet, so Schachtsiek. Wie schön wäre es doch, wenn sich endlich mal ein Fußballer outen würde! Gerne auch nach Beendigung seiner Karriere. Als Vorbild in dieser Hinsicht bezeichnete Schachtsiek den walisischen Rugby-Heros Gareth Thomas, der sich kurz vor Weihnachten öffentlich zu seiner Homosexualität bekannt hat und zur Kenntnis nehmen konnte, dass seine Mitspieler und Trainer überaus verständnisvoll reagiert haben.
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Wie schwer sich dagegen der organisierte Fußball mit dem Thema Homosexualität tut, zeigt sich dieser Tage in Frankreich. Dort sorgte die Ausstrahlung einer Fernsehdokumentation "Sport und Homosexualität - Was ist das Problem?" für Aufsehen. Der Präsident des französischen Fußballverbands Jean-Pierre Escalettes wird darin auf die französische Charta gegen Homophobie im Fußball angesprochen. Die will er nicht unterzeichnen, "weil damit einer Sache Aufmerksamkeit zuteil wird, die zum Glück nicht weit verbreitet ist".
Zu Protesten hat zudem ein Satz des ehemaligen französischen Nationalspielers David Ginola geführt, der in dem Film sagt, dass er in den 18 Jahren seiner Karriere nie einem Schwulen begegnet sei, was ihm in den Umkleideräumen oder unter der Dusche sicher aufgefallen wäre. In einem offenen Brief zeigten sich der Pariser Fußballklub "Paris Foot Gay" und die Organisation "SOS Homophobie" schockiert. Sie fühlten sich bemüßigt, Ginola zu erklären, dass es kein Widerspruch ist, schwul zu sein und Leistungssport zu betreiben.
Theo Zwanziger muss man Derartiges nicht mehr erklären. Er sieht sich und seinen Verband hier selbst als Aufklärer und in der Pflicht. "In der Demokratie kann Sport nicht Zirkus sein", sagte er am Dienstag in Berlin und betonte, dass es nicht richtig ist, wenn sich Funktionäre auf den Standpunkt stellen, der Fußball sei unpolitisch. Er erinnerte an den englischen Profi Justin Fashanu, der sich als erster prominenter Profi zu seiner Homosexualität bekannt hat, letztlich an den Feindseligkeiten, die ihm deswegen entgegenschlugen zerbrach und Selbstmord beging. 1998 war das.
Einiges hat sich seitdem in der öffentlichen Debatte verändert. Und doch kann sich Zwanziger nicht vorstellen, dass sich in naher Zukunft ein Spieler, der als Profi in Deutschland spielt oder gespielt hat, als schwul outet.
Das liege zum einen an der Kabinenmentalität im Männersport, wo private Dinge "weggedrückt" würden, wo die Angst zu groß ist, dass die Mannschaft nicht mehr funktioniert. Das könne auch deshalb passieren, weil gerade in der Bundesliga viele Spieler aus Ländern unter Vertrag stehen, "in denen das Thema kritischer gesehen wird als bei uns".
Zum anderen glaubt Zwanziger, und da ist er gar nicht so weit weg von seinem französischen Kollegen, dass der Anteil schwuler Kicker im Elitebereich nicht wirklich groß ist. "Ein jahrelanges Versteckspiel" raube den Spielern letztlich die Kraft, die sie brauchen, um sich unter den Besten der Szene zu bewähren. Als "negativen Ausleseprozess" bezeichnete Zwanziger das.
Dass ein mögliches schwules Idol auf jeden Fall grundanständig sein muss, das machte der DFB-Boss am Ende klar. Er erinnerte an Fritz Walter, den Kapitän der 1954er WM-Mannschaft, "diesen untadeligen Mann", und verglich ihn mit einem anderen großen Fußballer, Diego Maradona, "einem Betrüger". Man solle sich deren Lebenswege ansehen. "Es ist eure Entscheidung, an wem ihr euch orientiert", solle man der Jugend sagen.


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