Mit fast 500 Millionen Dollar Blüten marschierten zwei Deutsche in eine österreichische Volksbank - und flogen auf. In dem rekordverdächtigen Kriminalfall hat sich das Landesgericht Feldkirch nun ziemlich blamiert. Die Ermittler schienen schon vorher überfordert.
"Fromm und bieder, wahr und offen lasst für Recht und Pflicht uns stehn." So hat es ein tüchtiger Handwerker in das imposante Portal des österreichischen Landesgerichts Feldkirch gemeißelt. Doch im ersten Stock des kaiserlichen-königlichen Prachtbaus haben Recht und vor allem Pflicht an diesem Dienstagmorgen einen schweren Stand.
Aufgerufen ist die Sache mit dem Aktenzeichen 929 21 Hv 129/09b, was bedeutet, dass im hellen Saal 56 einer der wahrscheinlich ungewöhnlichsten und schlagzeilenträchtigsten Prozesse in der Geschichte der kleinen Stadt verhandelt werden soll. Doch wer glaubt, dass dieser Umstand die Justiz zu besonderer Sorgfalt oder gar Höchstleistungen verleiten könnte, soll sich irren - und eine ungewöhnliche Blamage des Rechts erleben.
Angeklagt sind - wegen versuchten schweren Betruges und Besitzes von falschen Geldscheinen - zwei Deutsche, die sich vor ziemlich genau einem Jahr mit einer unglaublichen Falschgeldsumme hatten erwischen lassen. Der ehemalige Rechtsanwalt Ralf Hölzen, 46, und der arbeitslose Maschinenschlosser Dietmar B., 52, sollen am 21. Januar 2009 in einer Volksbank im Kleinwalsertal versucht haben, Blüten mit einem Nennwert von 202 Millionen Dollar einzutauschen. Weitere falsche 291 Millionen Dollar fand die Polizei später in einem schwarzen Hartschalenkoffer der beiden.
Nominell war das einer der größten Erfolge, den europäische Polizeiorgane jemals im Kampf gegen das Falschgeld erzielen konnten. Kein Wunder, dass die Beamten zunächst übermäßig engagiert in den Fall starteten. Schon einen Tag nach der Festnahme des Duos informierte die mächtig stolz scheinende Polizei die Presse und warnte damit möglicherweise auch die Hintermänner der Deutschen.
Es regierte die Gier, der Verstand schlief
Später verhedderten sich die vermeintlichen Aufklärer auch noch in dem grenzüberschreitenden Geflecht derer, die das schnelle Geld suchten, die glaubten, mit Schrottpapieren und ein bisschen Schlitzohrigkeit rasch reich werden zu können. Fast ein Dutzend Personen aus Albanien, der Schweiz, Österreich, Deutschland, Spanien und Belgien waren zeitweilig in den Falschgeldfall involviert.
Diese nur äußerlich seriösen Herren pflegten untereinander dubiose Geschäftsbeziehungen mit fragwürdigen Absichten. Man traf sich vorwiegend in Schweizer Cafés und Restaurants, in denen man großspurig über Devisen, Rendite und komplizierte Finanztransaktionen palaverte. Es regierte die Gier, es schlief der Verstand, und Bescheidenheit - so hat es den Anschein - fehlte völlig.
Doch außer Hölzen und B., die sich mit dem Falschgeld in Riezlern hatten erwischen lassen, vermochten die Ermittler keinen der Beteiligten zu überführen. Der Niederländer Hendrik van den B. zum Beispiel, der die Blüten auf ungeklärten Wegen einst beschaffte, kommt wohl ungeschoren davon. Bei der Polizei behauptete er einfach, nicht gewusst zu haben, was die Deutschen mit seinen Dollar trieben.
Zwar hegte selbst der vernehmende Kriminalist deutliche Zweifel an der Aussage des in Belgien lebenden 74-Jährigen, wie der Polizist in einem Vermerk festhielt. Der Beamte regte daher an, van den B. "durch eine mit der Sache vertraute Person" noch einmal "gezielt und gut vorbereitet" in die Mangel zu nehmen. Doch diese Mühe mochten sich die Ermittler offenbar nicht mehr machen: Vielleicht genügten ihnen zwei Angeklagte?
"Bist du vorbestraft? Mach du doch den Schöffen!"
An diesem Dienstagmorgen, es ist kurz vor halb neun, zeigt sich die österreichische Justiz erneut von ihrer schwachen Seite. Sie lässt erst den seit einem Jahr in Untersuchungshaft sitzenden Dietmar B., einen kleinen, dünnen, kahlköpfigen Mann, von zwei martialisch auftretenden Justizwachtmeistern vorführen, doch dann herrscht sehr schnell vollständige Ratlosigkeit.
Aufgeregt huscht Richter Wilfried Marte im Saal umher, nervös schaut sich die Protokollführerin um: Wo bleiben, bitte schön, die beiden Schöffen? Ohne sie kann der Prozess nicht beginnen. Es wird telefoniert, getuschelt, geflachst. Ein Lokaljournalist ruft einem Zuschauer zu: "Bist du vorbestraft? Mach du doch den Schöffen!" Die Männer johlen, die Angeklagten schauen verzweifelt.
Kleinlaut muss Jurist Marte wenige Minuten später einräumen: Die Verwaltung hat es versäumt, die beiden ehrenamtlichen Richter über den Termin zu informieren. Könne man sie nicht schnell herbeirufen, fragt ein Verteidiger, immerhin habe der Angeklagte Hölzen aus dem niederrheinischen Goch über Hunderte Kilometer anreisen müssen?
Marte winkt ab: Das habe keinen Zweck und dauere doch viel zu lange. Lieber solle man sich Anfang März wieder treffen. Die Zuschauer raunen verächtlich ob des verpatzten Prozessauftakts - ausgerechnet in diesem öffentlichkeitswirksamen Fall.
Schließlich hat die Kammer noch einiges an Arbeit vor sich: Ob Hölzen und B. an den Wert der Noten glaubten oder ob sie bewusst Fälschungen in Umlauf bringen wollten, wird die Kernfrage des Verfahrens sein. Und die Belege für einen vorsätzlichen Betrugsversuch scheinen rar.
"Ich war mir sicher, dass die Scheine echt sind"
Selbst die erfahrene Bankangestellte Jutta B., der die Deutschen die Blüten zur Ansicht auf den Schreibtisch schoben, räumte bei der Polizei ein: Ihr sei nicht sofort klar gewesen, ob es sich bei den Scheinen um Fälschungen gehandelt habe. Es gebe da "die verschiedensten Formen". "Ich hatte das Gefühl, dass die beiden glaubten, dass diese Wertpapiere und das Geld absolut echt sind", sagte sie.
Dessen ungeachtet werfen die Ermittler den Angeklagten vor, sie hätten sich "damit abgefunden, dass die Papiere falsch sein könnten". Ihr Kalkül sei gewesen: Die Volksbank werde den Schwindel schon nicht erkennen und "trotz der Wertlosigkeit der Papiere eine Gutschrift tätigen". Ralf Hölzen bestreitet das. Er beteuert, dass er nicht so dumm sei, wissentlich mit einer halben Milliarde Dollar Falschgeld in eine Bank zu gehen: "Ich war mir sicher, dass die Scheine echt sind."
Sein seit einem Jahr in Untersuchungshaft sitzender Bekannter Dietmar B. indes, so lassen die Anwälte am Morgen vernehmen, wolle am nächsten Verhandlungstag ein Geständnis ablegen: Er habe geahnt, dass mit dem Geld etwas nicht gestimmt habe, und es dennoch auf einen Versuch ankommen lassen.
Hölzen hält das für "Quatsch".
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