Ein Militärgericht der US-Armee in Würzburg hat einen Sanitäter verurteilt, weil er nicht ins Kriegsgebiet zurückgekehrt war. Der 35-jährige Mann hatte sich seiner Verlegung in den Irak durch einen Sprung aus dem Fenster der Militärpolizei entzogen
Der GI Agustin Aguayo (35) ist gestern von einem Militärgericht der US-Streitkräfte in Würzburg wegen Fahnenflucht verurteilt worden. Über das Strafmaß entscheiden die Richter noch, dem in Mexiko geborenen Sanitätssoldaten drohen bis zu sieben Jahre Haft. Als seine Einheit in Schweinfurt am 1. September 2006 in den Irakkrieg zog, fehlte der Gefreite Aguayo. Der Kriegsdienstverweigerer wollte lieber ins Gefängnis gehen als mit der 1. Infanteriedivision der US-Armee in Europa zum Kampfeinsatz in den Irak.
Schon am Tag nach dem Abflug seiner Einheit von Ramstein aus nach Kuwait stellte er sich der Militärpolizei in Schweinfurt. Doch als ihm dort eröffnet wurde, dass er mit der nächsten Maschine - wenn nötig mit Gewalt - dennoch zum Einsatz im Irak geflogen werde, sprang er im Kampfanzug aus dem Fenster und tauchte unter - und in den USA wieder auf. In Kalifornien stellte er sich nach 24 Tagen auf der Flucht der US-Armee, die ihn mit dem nächsten Flugzeug zurück nach Deutschland brachte. Seitdem saß Aguayo in Mannheim in einem Militärgefängnis und wartete auf seinen Prozess.
Der begann gestern in einem Gerichtsgebäude auf einem Kasernengelände bei Würzburg. Journalisten mussten das Verfahren von einer extra dafür umgebauten Teeküche aus an zwei Bildschirmen verfolgen. Der Raum durfte nur nach umfangreichen Taschenkontrollen und Leibesvisitationen betreten werden. Im Gerichtssaal selbst waren lediglich drei Berichterstatter zugelassen. Draußen vor dem Gate demonstrierte das "Würzburger Friedensbündnis". Drinnen bei der Presse saß die in Berlin lebende US-Friedensaktivistin Elsa Rassbach und verteilte Flugblätter.
Auf Befragung des Vorsitzenden Richters am Militärgericht, Colonel R. Peter Masterton, räumte Aguayo gleich nach Prozesseröffnung ein, sich an diesem 1. September 2006 ganz bewusst der Truppenverlegung in den Irak entzogen zu haben. In diesem ersten Anklagepunkt bekenne er sich schuldig. Auf nicht schuldig plädierten die Anwälte von Aguayo dann beim zweiten Anklagepunkt Fahnenflucht.
Im weiteren Verlauf des Verfahrens ging es dann ausschließlich um den ersten Anklagepunkt. Im Rahmen eines Agreement nach den Statuten der US-Militärgerichtsbarkeit hatten sich die Ankläger und die beiden Verteidiger von Aguayo - ein Militäranwalt und ein ziviler Advokat - offenbar noch vor Prozessbeginn auf einen Deal verständigen können: Aguayo bekannte sich schuldig. Und im Gegenzug begrenzten die Ankläger ihre Höchststrafenforderung auf zwei Jahre und sechs Monate Gefängnis. Mehrfach fragte der Vorsitzende Richter Aguayo danach, ob er sich tatsächlich aus freien Stücken und ohne Zwang schuldig bekannt habe. Der Angeklagte bejahte das wiederholt.
Auch die anwesenden Militärjuristen wussten danach nicht genau zu sagen, welche Auswirkungen der Deal auf das Strafmaß für den zweiten Anklagepunkt, die Desertion, haben könnte. Die allgemeine Auffassung war, dass der Vorsitzende Richter dafür immer noch die Höchststrafe von sieben Jahren verhängen könne. Eine Jury gibt es in diesem Militärstrafverfahren nicht. Aguayo selbst sieht sich nicht als Fahnenflüchtigen, da er schon 2004 - gleich nach einem ersten Einsatz im Irak - einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gestellt habe, über den rechtswidrig bis heute nicht entschieden worden sei. Auch sein Antrag auf Entlassung aus der Army wurde abgelehnt, eine Zivilklage dagegen in den USA gleichfalls abgeschmettert.
"Nie wieder" will der Familienvater Aguayo in den Irak. "Ich bedauere meine Beteiligung, weil ich auch als Sanitäter im Grunde den Krieg ermöglichte", schrieb er in einer ausführlichen Stellungnahme zu den Vorwürfen der Anklage. Er habe damals Verwundete versorgt, damit die wieder in die Kämpfe geschickt werden konnten. Und er habe Soldaten auf ihre Patrouillen fahren müssen, die sowohl für die GIs als auch für Iraker oft tödlich endeten, so Aguayo. "Auf der Basis meiner religiösen Erziehung und meines Glaubens" werde er sich deshalb auch zukünftig "jedem Krieg verweigern".
taz vom 7.3.2007, S. 7, 139 Z. (TAZ-Bericht), KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT
Der GI Agustin Aguayo (35) ist gestern von einem Militärgericht der US-Streitkräfte in Würzburg wegen Fahnenflucht verurteilt worden. Über das Strafmaß entscheiden die Richter noch, dem in Mexiko geborenen Sanitätssoldaten drohen bis zu sieben Jahre Haft. Als seine Einheit in Schweinfurt am 1. September 2006 in den Irakkrieg zog, fehlte der Gefreite Aguayo. Der Kriegsdienstverweigerer wollte lieber ins Gefängnis gehen als mit der 1. Infanteriedivision der US-Armee in Europa zum Kampfeinsatz in den Irak.
Schon am Tag nach dem Abflug seiner Einheit von Ramstein aus nach Kuwait stellte er sich der Militärpolizei in Schweinfurt. Doch als ihm dort eröffnet wurde, dass er mit der nächsten Maschine - wenn nötig mit Gewalt - dennoch zum Einsatz im Irak geflogen werde, sprang er im Kampfanzug aus dem Fenster und tauchte unter - und in den USA wieder auf. In Kalifornien stellte er sich nach 24 Tagen auf der Flucht der US-Armee, die ihn mit dem nächsten Flugzeug zurück nach Deutschland brachte. Seitdem saß Aguayo in Mannheim in einem Militärgefängnis und wartete auf seinen Prozess.
Der begann gestern in einem Gerichtsgebäude auf einem Kasernengelände bei Würzburg. Journalisten mussten das Verfahren von einer extra dafür umgebauten Teeküche aus an zwei Bildschirmen verfolgen. Der Raum durfte nur nach umfangreichen Taschenkontrollen und Leibesvisitationen betreten werden. Im Gerichtssaal selbst waren lediglich drei Berichterstatter zugelassen. Draußen vor dem Gate demonstrierte das "Würzburger Friedensbündnis". Drinnen bei der Presse saß die in Berlin lebende US-Friedensaktivistin Elsa Rassbach und verteilte Flugblätter.
Auf Befragung des Vorsitzenden Richters am Militärgericht, Colonel R. Peter Masterton, räumte Aguayo gleich nach Prozesseröffnung ein, sich an diesem 1. September 2006 ganz bewusst der Truppenverlegung in den Irak entzogen zu haben. In diesem ersten Anklagepunkt bekenne er sich schuldig. Auf nicht schuldig plädierten die Anwälte von Aguayo dann beim zweiten Anklagepunkt Fahnenflucht.
Im weiteren Verlauf des Verfahrens ging es dann ausschließlich um den ersten Anklagepunkt. Im Rahmen eines Agreement nach den Statuten der US-Militärgerichtsbarkeit hatten sich die Ankläger und die beiden Verteidiger von Aguayo - ein Militäranwalt und ein ziviler Advokat - offenbar noch vor Prozessbeginn auf einen Deal verständigen können: Aguayo bekannte sich schuldig. Und im Gegenzug begrenzten die Ankläger ihre Höchststrafenforderung auf zwei Jahre und sechs Monate Gefängnis. Mehrfach fragte der Vorsitzende Richter Aguayo danach, ob er sich tatsächlich aus freien Stücken und ohne Zwang schuldig bekannt habe. Der Angeklagte bejahte das wiederholt.
Auch die anwesenden Militärjuristen wussten danach nicht genau zu sagen, welche Auswirkungen der Deal auf das Strafmaß für den zweiten Anklagepunkt, die Desertion, haben könnte. Die allgemeine Auffassung war, dass der Vorsitzende Richter dafür immer noch die Höchststrafe von sieben Jahren verhängen könne. Eine Jury gibt es in diesem Militärstrafverfahren nicht. Aguayo selbst sieht sich nicht als Fahnenflüchtigen, da er schon 2004 - gleich nach einem ersten Einsatz im Irak - einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gestellt habe, über den rechtswidrig bis heute nicht entschieden worden sei. Auch sein Antrag auf Entlassung aus der Army wurde abgelehnt, eine Zivilklage dagegen in den USA gleichfalls abgeschmettert.
"Nie wieder" will der Familienvater Aguayo in den Irak. "Ich bedauere meine Beteiligung, weil ich auch als Sanitäter im Grunde den Krieg ermöglichte", schrieb er in einer ausführlichen Stellungnahme zu den Vorwürfen der Anklage. Er habe damals Verwundete versorgt, damit die wieder in die Kämpfe geschickt werden konnten. Und er habe Soldaten auf ihre Patrouillen fahren müssen, die sowohl für die GIs als auch für Iraker oft tödlich endeten, so Aguayo. "Auf der Basis meiner religiösen Erziehung und meines Glaubens" werde er sich deshalb auch zukünftig "jedem Krieg verweigern".
taz vom 7.3.2007, S. 7, 139 Z. (TAZ-Bericht), KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT
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