"Schlappe für eine weltfremde Justiz", "schallende Ohrfeige für die Staatsanwaltschaft Stuttgart": Politiker von SPD, Grünen und FDP werten das Bundesgerichtshof-Urteil zu Anti-Nazi-Symbolen als überfällige Korrektur des Stuttgarter Landgerichts - und als Ermutigung für engagierte Bürger. Karlsruhe - "Es ist eine schallende Ohrfeige für die Staatsanwaltschaft Stuttgart und den Justizminister Goll."
Der baden-württembergischen Justizminister Ulrich Goll habe es in der Vergangenheit abgelehnt, "der Staatsanwaltschaft eine entsprechende Weisung zu erteilen", sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Niels Annen SPIEGEL ONLINE. Dem Urteil des BGH zufolge ist ein durchgestrichenes Hakenkreuz kein verbotenes Kennzeichen. Damit erweiterten die Richter die Möglichkeiten des Protests gegen den Rechtsextremimus. Das Hakenkreuz dürfe in einer Darstellung straflos verwendet werden, wenn das Symbol "offenkundig und eindeutig" die Gegnerschaft zum Nationalsozialismus zum Ausdruck bringe. Dies gelte selbst dann, wenn solche Anti-Nazi-Symbole aus kommerziellen Interessen massenhaft vertrieben würden.
Annen sieht nun genügend Rechtssicherheit für Bürger, die sich weiterhin aktiv und öffentlich gegen Rechts engagieren wollen und legte am Ende noch den kleinen Seitenhieb drauf: "Diese Rechtssicherheit gilt nun auch in Stuttgart." Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Ute Vogt sprach von einem "Sieg der Demokratie gegen juristische Griffelspitzerei". Deutliche Worte fand auch Claudia Roth, Bundesvorsitzende der Grünen: "Das Urteil ist eine Schlappe für eine weltfremde Justiz, die die Realitäten im Land aus den Augen verloren hatte, mit ihrem Verbotsurteil Misstrauen in den Rechtsstaat schürte - und mit ihrer vollkommen absurden Sichtweise leider bis in den Bundestag hinein Anhänger fand", sagte Roth SPIEGEL ONLINE. Roth wertete den Urteilsspruch als eine Ermutigung für alle, die sich friedlich und offensiv gegen Rechtsextremismus zur Wehr setzen wollen - "gerade auch für junge Menschen, die wir in ihrem Engagement für Demokratie gegen alte und neue Nazis doch unterstützen müssen und nicht entmutigen dürfen."
Auch der FDP- Rechtspolitiker Jörg van Essen (FDP) begrüßte es, dass nun Rechtssicherheit bestehe. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Ute Vogt sprach von einem "Sieg der Demokratie gegen juristische Griffelspitzerei". Der nordrhein-westfälische Innenminister Ingo Wolf nannte das Urteil eine Stärkung der Meinungsfreiheit. Wer gegen Extremismus und Gewalt auftrete, dürfe dafür nicht an den Pranger gestellt werden, sagte der FDP-Politiker.
Der BGH hob mit seiner Entscheidung das umstrittene Hakenkreuz-Urteil des Stuttgarter Landgerichts auf und sprach den angeklagten Versandhändler frei, der Anti-Nazi-Symbole mit durchgestrichenen Hakenkreuzen vertreibt. Damit folgte der Staatsschutzsenat des BGH den Anträgen von Verteidigung und Bundesanwaltschaft.
Das Landgericht hatte den 32-Jährigen im September 2006 wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu einer Geldstrafe von 3600 Euro verurteilt. Durch eine "kommerzielle Massenverbreitung" solcher Symbole bestehe die Gefahr der Wiedereinbürgerung des Hakenkreuzes, hatte das Landgericht argumentiert. Dem widersprach nun der BGH. Alle vom Angeklagten vertriebenen Artikel seien "gegen die Wiederbelebung nationalsozialistischer Bestrebungen gerichtet", sagte der Vorsitzende Richter Walter Winkler.
Dies sei "eindeutig und offenkundig zum Ausdruck gebracht worden". Nur in einem Fall einer CD-Hülle - der aber letztlich rechtlich unerheblich sei - sei die Distanzierung nicht auf den ersten Blick erkennbar gewesen. "Wichtige Hürde, um Missbrauch zu verhindern" Der Vorsitzende verdeutlichte aber, dass Anti-Nazi-Symbole nur dann nicht strafbar seien, wenn die Nazi-Gegnerschaft für jeden Beobachter auf Anhieb erkennbar sei.
Diese Eindeutigkeit sei wichtig, weil sonst eine Lockerung des Paragrafen von der rechtsextremen Szene missbraucht werden könne. "Wir glauben, wir haben mit dem Urteil eine wichtige Hürde geschaffen, um Missbrauch zu verhindern", sagte Winkler. Denn Rechtsextremisten würden sich schwer tun, Symbole mit einer klaren Anti-Nazi-Aussage zu verwenden, weil sie dies als Verhöhnung ihrer "geheiligten Zeichen" empfinden würden.
Mit Blick auf die massenhafte Verbreitung von Anti-Nazi-Symbolen durch den Angeklagten sagte Winkler, es spiele keine Rolle, wie oft solche Darstellungen gezeigt würden. "Im Gegenteil: Ein zehnfacher Protest ist vielleicht noch wirkungsvoller als ein einfacher Protest."
Der Richter verwies auch auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit. Die Befürchtung des Landgerichts, Rechtsextreme könnten die Verbots-Lockerung durch den BGH ausnutzen und ihrerseits derart abgeänderte Kennzeichen verwenden, teilte der BGH nicht. Die Bundesrichter sind überzeugt davon, dass Rechtsradikale solche Darstellungen, in denen Hakenkreuze in gegnerischer Zielrichtung verwendet werden, als Verhöhnung der ihnen "heiligen" Symbole empfinden und selbst nicht verwenden würden.
"Wir glauben, wir haben mit dem Urteil eine wichtige Hürde geschaffen, um Missbrauch zu verhindern", sagte Winkler. Der Versandhändler aus dem baden-württembergischen Winnenden vertreibt über seinen Online-Shop "Nix Gut" unter anderem Anstecker und Aufnäher mit durchgestrichenen oder zerschlagenen Hakenkreuzen. Die Produkte finden vor allem in der antifaschistischen Szene als Zeichen gegen Neonazis Verwendung.
Der 32-jährige Punker, der mit knallrot gefärbten Haaren vor dem BGH erschien, zeigte sich erleichtert über das Urteil. Mit Blick auf das Landgericht sagte er jedoch: "Ich habe erfahren, dass man letztlich ausgeliefert ist." Bundesanwalt Gerhard Altvater betonte, das BGH-Urteil schaffe mehr Rechtssicherheit. Für alle, die einen Anti-Nazi-Button tragen, bedeute das Urteil "die Befreiung vom Risiko der Strafbarkeit, das bisher noch gegeben war".
Der baden-württembergischen Justizminister Ulrich Goll habe es in der Vergangenheit abgelehnt, "der Staatsanwaltschaft eine entsprechende Weisung zu erteilen", sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Niels Annen SPIEGEL ONLINE. Dem Urteil des BGH zufolge ist ein durchgestrichenes Hakenkreuz kein verbotenes Kennzeichen. Damit erweiterten die Richter die Möglichkeiten des Protests gegen den Rechtsextremimus. Das Hakenkreuz dürfe in einer Darstellung straflos verwendet werden, wenn das Symbol "offenkundig und eindeutig" die Gegnerschaft zum Nationalsozialismus zum Ausdruck bringe. Dies gelte selbst dann, wenn solche Anti-Nazi-Symbole aus kommerziellen Interessen massenhaft vertrieben würden.
Annen sieht nun genügend Rechtssicherheit für Bürger, die sich weiterhin aktiv und öffentlich gegen Rechts engagieren wollen und legte am Ende noch den kleinen Seitenhieb drauf: "Diese Rechtssicherheit gilt nun auch in Stuttgart." Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Ute Vogt sprach von einem "Sieg der Demokratie gegen juristische Griffelspitzerei". Deutliche Worte fand auch Claudia Roth, Bundesvorsitzende der Grünen: "Das Urteil ist eine Schlappe für eine weltfremde Justiz, die die Realitäten im Land aus den Augen verloren hatte, mit ihrem Verbotsurteil Misstrauen in den Rechtsstaat schürte - und mit ihrer vollkommen absurden Sichtweise leider bis in den Bundestag hinein Anhänger fand", sagte Roth SPIEGEL ONLINE. Roth wertete den Urteilsspruch als eine Ermutigung für alle, die sich friedlich und offensiv gegen Rechtsextremismus zur Wehr setzen wollen - "gerade auch für junge Menschen, die wir in ihrem Engagement für Demokratie gegen alte und neue Nazis doch unterstützen müssen und nicht entmutigen dürfen."
Auch der FDP- Rechtspolitiker Jörg van Essen (FDP) begrüßte es, dass nun Rechtssicherheit bestehe. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Ute Vogt sprach von einem "Sieg der Demokratie gegen juristische Griffelspitzerei". Der nordrhein-westfälische Innenminister Ingo Wolf nannte das Urteil eine Stärkung der Meinungsfreiheit. Wer gegen Extremismus und Gewalt auftrete, dürfe dafür nicht an den Pranger gestellt werden, sagte der FDP-Politiker.
Der BGH hob mit seiner Entscheidung das umstrittene Hakenkreuz-Urteil des Stuttgarter Landgerichts auf und sprach den angeklagten Versandhändler frei, der Anti-Nazi-Symbole mit durchgestrichenen Hakenkreuzen vertreibt. Damit folgte der Staatsschutzsenat des BGH den Anträgen von Verteidigung und Bundesanwaltschaft.
Das Landgericht hatte den 32-Jährigen im September 2006 wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu einer Geldstrafe von 3600 Euro verurteilt. Durch eine "kommerzielle Massenverbreitung" solcher Symbole bestehe die Gefahr der Wiedereinbürgerung des Hakenkreuzes, hatte das Landgericht argumentiert. Dem widersprach nun der BGH. Alle vom Angeklagten vertriebenen Artikel seien "gegen die Wiederbelebung nationalsozialistischer Bestrebungen gerichtet", sagte der Vorsitzende Richter Walter Winkler.
Dies sei "eindeutig und offenkundig zum Ausdruck gebracht worden". Nur in einem Fall einer CD-Hülle - der aber letztlich rechtlich unerheblich sei - sei die Distanzierung nicht auf den ersten Blick erkennbar gewesen. "Wichtige Hürde, um Missbrauch zu verhindern" Der Vorsitzende verdeutlichte aber, dass Anti-Nazi-Symbole nur dann nicht strafbar seien, wenn die Nazi-Gegnerschaft für jeden Beobachter auf Anhieb erkennbar sei.
Diese Eindeutigkeit sei wichtig, weil sonst eine Lockerung des Paragrafen von der rechtsextremen Szene missbraucht werden könne. "Wir glauben, wir haben mit dem Urteil eine wichtige Hürde geschaffen, um Missbrauch zu verhindern", sagte Winkler. Denn Rechtsextremisten würden sich schwer tun, Symbole mit einer klaren Anti-Nazi-Aussage zu verwenden, weil sie dies als Verhöhnung ihrer "geheiligten Zeichen" empfinden würden.
Mit Blick auf die massenhafte Verbreitung von Anti-Nazi-Symbolen durch den Angeklagten sagte Winkler, es spiele keine Rolle, wie oft solche Darstellungen gezeigt würden. "Im Gegenteil: Ein zehnfacher Protest ist vielleicht noch wirkungsvoller als ein einfacher Protest."
Der Richter verwies auch auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit. Die Befürchtung des Landgerichts, Rechtsextreme könnten die Verbots-Lockerung durch den BGH ausnutzen und ihrerseits derart abgeänderte Kennzeichen verwenden, teilte der BGH nicht. Die Bundesrichter sind überzeugt davon, dass Rechtsradikale solche Darstellungen, in denen Hakenkreuze in gegnerischer Zielrichtung verwendet werden, als Verhöhnung der ihnen "heiligen" Symbole empfinden und selbst nicht verwenden würden.
"Wir glauben, wir haben mit dem Urteil eine wichtige Hürde geschaffen, um Missbrauch zu verhindern", sagte Winkler. Der Versandhändler aus dem baden-württembergischen Winnenden vertreibt über seinen Online-Shop "Nix Gut" unter anderem Anstecker und Aufnäher mit durchgestrichenen oder zerschlagenen Hakenkreuzen. Die Produkte finden vor allem in der antifaschistischen Szene als Zeichen gegen Neonazis Verwendung.
Der 32-jährige Punker, der mit knallrot gefärbten Haaren vor dem BGH erschien, zeigte sich erleichtert über das Urteil. Mit Blick auf das Landgericht sagte er jedoch: "Ich habe erfahren, dass man letztlich ausgeliefert ist." Bundesanwalt Gerhard Altvater betonte, das BGH-Urteil schaffe mehr Rechtssicherheit. Für alle, die einen Anti-Nazi-Button tragen, bedeute das Urteil "die Befreiung vom Risiko der Strafbarkeit, das bisher noch gegeben war".
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