Donnerstag, 15. März 2007

„Ungerecht, so leben zu müssen“

MADRID. Seit vielen Jahren hatte Inmaculada Echevarría

Um der Kranken einen qualvollen Todeskampf zu ersparen, hatten die Ärzte ihr zuvor ein Betäubungsmittel verabreicht. Ihr Fall hatte in Spanien seit Wochen für Schlagzeilen gesorgt und eine Debatte über die Sterbehilfe ausgelöst.

Echevarría litt unter einem unheilbaren Muskelschwund und war seit zwei Jahrzehnten wegen Lähmungen ans Bett gefesselt. In den letzten Monaten ihres Lebens konnte sie nur mit schwacher Stimme sprechen sowie ihre Fingerspitzen und Gesichtsmuskeln bewegen. Da die Lähmung auf die Atemmuskulatur übergegriffen hatten, war sie auf ein Beatmungsgerät angewiesen.

Im Oktober 2006 äußerte sie öffentlich den Wunsch, sterben zu dürfen: „Es ist ungerecht, so leben zu müssen.“ Vor ihrem Tod wurde die Frau von einem Bekannten gefragt: „Wenn Du hättest wählen können, wärest Du lieber schon früher gestorben?“ Echevarría antwortete: „Ja, viel früher. Vor 27 Jahren.“ Damals hatte sie auf Grund ihrer Krankheit den einzigen Sohn acht Monate nach der Geburt zur Adoption freigeben müssen. Ihr Mann war bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen.

Die Regierung Andalusiens gab den Ärzten vor zwei Wochen die Erlaubnis, das lebenswichtige Beatmungsgerät abzustellen - und dies, obwohl Sterbehilfe in Spanien verboten ist. Sie stützte sich dabei auf zwei Gutachten. Darin vertraten Experten die Ansicht, das Abstellen des Beatmungsgeräts sei keine Sterbehilfe. Man gewähre der Kranken vielmehr das gesetzlich verbriefte Recht, eine medizinische Behandlung abzulehnen.

„Wenn Echevarría das Gerät von Anfang an abgelehnt hätte, wäre sie gestorben, ohne dass jemand protestiert hätte“, meinte der Rechtsphilosoph José Miguel Serrano Ruiz-Calderón. Andere Wissenschaftler sehen dies anders. „Der Fall Echevarría ist reine und knallharte Euthanasie“, erklärte etwa die Biochemikerin Natalia López Moratalla.

Die Entscheidung der andalusischen Regierung hatte vor allem in der katholischen Kirche heftige Proteste ausgelöst. Deren Haltung führte auch dazu, dass Echevarría zum Sterben in ein anderes Krankenhaus verlegt werden musste.

Die San-Rafael-Klinik, die dem katholischen Orden San Juan de Dios unterstellt ist und in dem die Kranke seit Jahren behandelt worden war, hatte sich zwar zunächst bereit erklärt, musste dann aber einen Rückzieher machen. Nach Angaben der Zeitung „ABC“ untersagte die Ordensführung in Rom es den Ärzten, der Patientin das Beatmungsgerät abzustellen. sich nichts sehnsüchtiger gewünscht als den Tod. Nun ging der Wunsch der unheilbar kranken Spanierin in Erfüllung. Die Ärzte eines Krankenhauses in Granada stellten in der Nacht zu gestern das Beatmungsgerät ab, das die gelähmte Frau seit zehn Jahren am Leben gehalten hatte. Die 51-Jährige sei daraufhin gestorben, teilte die Regionalregierung von Andalusien mit.

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