Dienstag, 20. März 2007

Städtische Videoüberwachung eines Kunstwerks in Regensburg entbehrt gesetzlicher Grundlage

- Bundesverfassungsgericht -
Pressemitteilung Nr. 31/2007 vom 20. März 2007

Zum Beschluss vom 23. Februar 2007 – 1 BvR 2368/06 –

Die Stadt Regensburg ließ 2005 über den Resten der ehemaligen mittelalterlichen Synagoge auf dem Neupfarrplatz ein Bodenrelief herstellen, das den Grundriss der ehemaligen Synagoge andeutet. Das Kunstwerk ist als Begegnungsstätte für die Bevölkerung konzipiert. In der Vergangenheit kam es im Bereich des Kunstwerks zu mehreren Vorfällen, aufgrund derer die Stadt Regensburg eine Videoüberwachung des Ortes mit vier Überwachungskameras für erforderlich hielt. Die Stadt beabsichtigt, die Überwachung in eigener Zuständigkeit auf der Grundlage des Bayerischen Datenschutzgesetzes durchzuführen. Gegen die geplante Videoüberwachung der Begegnungsstätte erhob der Beschwerdeführer Klage. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Hiergegen gerichtete Rechtsmittel blieben vor dem BayerischenVerwaltungsgerichtshof ohne Erfolg.

Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die angegriffenen Entscheidungen aufgehoben, da es für die geplante Videoüberwachung mit Aufzeichnung des gewonnenen Bildmaterials an einer hinreichenden gesetzlichen Ermächtigung fehle.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
Die geplante Videoüberwachung des Bodenkunstwerks mit Aufzeichnung des gewonnenen Bildmaterials stellt einen Eingriff von erheblichem Gewicht in das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Recht der informationellen Selbstbestimmung dar. Das durch die Videoüberwachung gewonnene Bildmaterial kann und soll dazu genutzt werden, belastende hoheitliche Maßnahmen gegen Personen vorzubereiten, die in dem von der Überwachung erfassten Bereich bestimmte unerwünschte Verhaltensweisen zeigen. Die offene Videoüberwachung eines öffentlichen Ortes kann und soll zugleich abschreckend wirken und insofern das Verhalten der Betroffenen lenken. Das Gewicht dieser Maßnahme wird dadurch erhöht, dass infolge der Aufzeichnung das gewonnene Bildmaterial in vielfältiger Weise ausgewertet, bearbeitet und mit anderen Informationen verknüpft werden kann. Von den Personen, die die Begegnungsstätte betreten, dürfte nur eine Minderheit gegen die Benutzungssatzung oder andere rechtliche Vorgaben, die sich aus der allgemeinen Rechtsordnung für die Benutzung der Begegnungsstätte ergeben, verstoßen. Die Videoüberwachung und die Aufzeichnung des gewonnenen Bildmaterials erfassen daher überwiegend Personen, die selbst keinen Anlass schaffen, dessentwegen die Überwachung vorgenommen wird.

Angesichts des erheblichen Gewichts der Grundrechtsbeeinträchtigung kann die geplante Videoüberwachung nicht auf Art. 16 Abs. 1 und Art. 17 Abs. 1 Bayerisches Datenschutzgesetz gestützt werden. Diese Normen enthalten keine hinreichenden Vorgaben für Anlass und Grenzen der erfassten datenbezogenen Maßnahmen, um als Ermächtigungsgrundlage für den beabsichtigten Grundrechtseingriff in Betracht zu kommen. Sie begrenzen die Datenerhebung lediglich durch das Gebot der Erforderlichkeit. Dies allein kann die behördliche Praxis aber nicht hinreichend anleiten oder Kontrollmaßstäbe bereitstellen.

Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass eine Videoüberwachung öffentlicher Einrichtungen mit Aufzeichnung des gewonnenen Bildmaterials auf der Grundlage einer hinreichend bestimmten und normenklaren Ermächtigungsgrundlage materiell verfassungsgemäß sein kann, wenn für sie ein hinreichender Anlass besteht und Überwachung sowie Aufzeichnung insbesondere in räumlicher und zeitlicher Hinsicht und im Hinblick auf die Möglichkeit der Auswertung der Daten das Übermaßverbot wahren.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen