Papst Benedikt XVI. sagt erstmals nicht mehr strikt Nein zum Gebrauch von Kondomen - und sorgt damit auch in den eigenen Reihen für Aufregung. Und auch wenn der Papst seine Aussage zur Kondombenutzung auf Einzelfälle im Kampf gegen Aids beschränkt - es ist ein radikaler Kurswechsel.
Von Stefan Troendle, ARD-Hörfunkstudio Rom
Für die katholische Kirche kamen die Aussagen des Papstes zur Lockerung des Kondomverbots überraschend - das ist offensichtlich. Beim Empfang in der Botschaft am Heiligen Stuhl in Rom gestern Abend anlässlich der Ernennung der beiden neuen deutschen Kardinäle wollte sich kein Geistlicher offiziell dazu äußern. Man ist wohl gerade bemüht, die neue Linie abzustimmen. Unter der Hand äußerten die meisten katholischen Würdenträger jedoch Zustimmung. Tenor: Das sei schon lange nötig gewesen. Ein Vatikan-Insider sagte, durch diese Aussage würden Dämme brechen.
"Keine wirkliche und moralische Lösung"
Die Vatikanzeitung "Osservatore Romano" hatte gestern Auszüge aus einem Interview mit Benedikt XVI. veröffentlicht, das am Dienstag als Buch vorgestellt wird. Darin hieß es, der Papst sei nicht mehr grundsätzlich gegen den Gebrauch von Kondomen. Anschließend berichteten andere Medien weitere Details: Auch wenn die katholische Kirche Kondome natürlich nicht als "wirkliche und moralische Lösung" ansehe, wird der Papst zitiert, können Kondome im einen oder anderen Fall in der Absicht, Ansteckungsgefahr zu verringern, ein erster Schritt sein auf dem Weg hin zu einer anders gelebten, menschlicheren Sexualität.
Papst Benedikt XVI. erlaubt Kondome in "begründeten Einzelfällen".
Benedikts Aussage enthält allerdings noch weit Explosiveres: Der Papst führte nämlich als Beispiel männliche Prostituierte an, die so die Ausbreitung von Aids verhindern könnten - ein weiteres Tabuthema, da dies erstens auf käuflichen Homosexuellen-Sex hindeutet und da es zweitens diese Form der Sexualität nach Ansicht der katholischen Kirche gar nicht geben dürfte. Die Vatikanzeitung hat die Passage übrigens falsch mit der weiblichen Bezeichnung für Prostituierte übersetzt - der Papst hat jedoch tatsächlich die männliche Formulierung gewählt.
Benedikts Aussage enthält allerdings noch weit Explosiveres: Der Papst führte nämlich als Beispiel männliche Prostituierte an, die so die Ausbreitung von Aids verhindern könnten - ein weiteres Tabuthema, da dies erstens auf käuflichen Homosexuellen-Sex hindeutet und da es zweitens diese Form der Sexualität nach Ansicht der katholischen Kirche gar nicht geben dürfte. Die Vatikanzeitung hat die Passage übrigens falsch mit der weiblichen Bezeichnung für Prostituierte übersetzt - der Papst hat jedoch tatsächlich die männliche Formulierung gewählt.
Rückblick: Afrika-Reise 2009
Unabhängig davon sind diese Papstaussagen ein radikaler Wandel der bisherigen Haltung. Benedikt XVI. ist der erste Papst, der sich so dezidiert äußert und damit die Benutzung von Kondomen unter bestimmten Auflagen erlaubt. Noch bei seiner Afrika-Reise 2009 hatte der Papst gesagt, man könne das Aids-Problem mit Kondomen allein nicht lösen. Diese würden das Problem nur vergrößern.
Lob vom Zentralrat der Juden
Für diese Aussage war das Oberhaupt der katholischen Kirche scharf kritisiert worden. Jetzt kommt Lob - unter anderem von Charlotte Knobloch, der Präsidentin des Zentralrats der Juden. In einer ersten Reaktion sagte sie dem ARD-Hörfunkstudio Rom: "Die Fortschritte, die man im Vatikan beobachten kann, sind jetzt noch zusätzlich ersichtlich. Ich hoffe, dass das noch weiter ausgedehnt wird." Viele Menschen seien hell auf begeistert, wie sich der Papst nun zu diesem Thema verhält.
Auch von der bayerischen Regierung kam Zustimmung. Kultusminister Ludwig Spaenle sagte, die Wirklichkeit sei an diesem Papst nie vorbeigegangen, diese Lockerung sei ein wichtiges Zeichen. Mehr noch: "Das ist ein Schritt nach vorne."
Chef sagt, wo es lang geht...
Und ganz offenbar auch eine Änderung der Medienstrategie: Der Chef ändert die Linie alleine und macht die PR dafür selbst. Das Interview wurde nämlich schon im Juli aufgezeichnet und ganz offensichtlich war der brisante Inhalt niemandem im Vatikan vorab bekannt.
Aus dem Papstbuch "Licht der Welt" kursieren übrigens inzwischen weitere Aussagen: So spricht sich der Papst gegen ein allgemeines Burka-Verbot aus, plädiert für Moscheen in westlichen Ländern und äußert sich auch dezidiert zu einem Rücktritt: Wenn ein Papst physisch, psychologisch oder spirituell unfähig sei, seiner Aufgabe nachzukommen, dann habe er auch das Recht - unter bestimmten Umständen sogar die Pflicht - zurückzutreten. Das deutet darauf hin, dass Benedikt XVI. Anweisungen für den Fall seiner Erkrankung gegeben hat.
Audio: Papst lockert striktes Kondomverbot
Stefan Troendle, ARD-Hörfunkstudio Rom 21.11.2010 03:44 | 3'34
- Download des Audios: mp3-Format, Ogg Vorbis-Format
... und gibt Versäumnisse des Vatikan zu
Der "Focus" berichtet, dass Benedikt XVI. in dem Buch auch gezielt auf die Affäre um die Piusbrüder eingeht. Der Papst gibt zu, dass im Vatikan niemand im Internet nachrecherchiert hat, um wen es sich bei dem umstrittenen Bischof Richard Williamson handelte. Hätte er von Williamsons Holocaust-Leugnung gewusst, hätte er die Rücknahme der Exkommunikation nicht unterschrieben und den Fall abgetrennt. Die Affäre rund um den rechtsradikalen Piusbruder hatte 2009 zur bislang schlimmsten Krise des Pontifikats von Benedikt XVI. geführt.
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