Sonntag, 21. November 2010

"Großer Teil der katholischen Kleriker ist homosexuell"

Theologe David Berger

Harte Worte vom Ex-Herausgeber eines konservativen katholischen Magazins: Der Theologe David Berger behauptet im Gespräch mit dem SPIEGEL, ein "großer Teil der katholischen Kleriker" sei homosexuell. Berger sieht eine Verbindung zwischen verdrängter Sexualität und Schwulenhass.


Hamburg - Der Theologe David Berger, der als korrespondierender Professor für die Päpstlichen Akademie des heiligen Thomas von Aquin in Rom arbeitete, verlangt im Gespräch mit dem SPIEGEL ein Ende der kirchlichen Schwulendiskriminierung: "Es muss anerkannt werden, dass ein großer Teil der katholischen Kleriker und Priesteranwärter in Europa und den Vereinigten Staaten homosexuell veranlagt ist."

Berger berichtet, er selbst habe als katholischer Theologe, der mit einem Partner zusammenlebe, viele Jahre unter der schwulenfeindlichen Atmosphäre seiner Kirche wie unter einem "Alptraum" gelitten. Seine Arbeit bei der theologischen Zeitung sei überwacht und zensiert worden, berichtet er dem SPIEGEL. So habe er in Artikeln nicht "Lebensgefährte" schreiben sollen, sondern "Unzuchtpartner". "Homosexuell" habe als zu neutraler Begriff gegolten, er habe "widernatürliche Unzucht" schreiben müssen.

Dabei gehe "die größte Schwulenfeindlichkeit in der katholischen Kirche von homophilen Geistlichen aus, die ihre Sexualität krampfhaft verdrängen", meint der inzwischen von seinen Ämtern zurückgetretene Berger. "Offensichtlich werden diejenigen, die ihren Trieben nachgehen, besonders heftig abgelehnt, wenn man die Veranlagung bei sich selbst so schmerzhaft unterdrückt."

Der Theologe, der heute als Gymnasiallehrer bei Köln arbeitet, outete sich im April dieses Jahres, nachdem der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck in der Talkshow "Anne Will" während der Debatte um sexuellen Missbrauch Homosexualität als widernatürlich und Sünde bezeichnet hatte. Über seine Erfahrungen in der Kirche hat Berger ein Buch geschrieben, das unter dem Titel "Der heilige Schein. Als schwuler Theologe in der katholischen Kirche" diese Woche erscheint.

Theologe Berger wirft seiner Kirche eine Wagenburgmentalität vor: "Die Angst vor der Welt, vor einer verdorbenen gottlosen Zivilgesellschaft, von der man sich abgrenzen will", führe in eine Isolation und seinen Erfahrungen nach auch zum "Schulterschluss mit Evangelikalen, Bibelfundamentalisten und extrem reaktionären Kräften".

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