Mittwoch, 24. September 2008

Bush verspielt seine letzte Chance

Von Thomas Nehls, z.Zt. ARD-Studio New York

Deutlicher hätten die Unterschiede kaum ausfallen können. Da nutzt der noch knapp vier Monate amtierende mächtigste Politiker unter der Sonne nicht eine Sekunde lang die Gelegenheit, der Weltöffentlichkeit wenigstens ein paar nachdenkliche Worte zu hinterlassen; und da empfiehlt sich der nächste Redner geradezu ganzheitlich als jemand, der die Zeichen der Zeit erkannt zu haben scheint. George W. Bush der eine, Nicolas Sarkozy der andere.

Dass der US-Präsident tatsächlich 24 Minuten vor der UNO-Vollversammlung zu reden vermochte, ohne auch nur eine einzige bedenkenswerte Anregung zu machen – damit hat er sich sogar selbst übertroffen, denn bei ähnlichen Anlässen war das auch schon einmal anders. Die Substanz seiner 17 Minuten lang dem andauernden Anti-Terror-Kampf und in der restlichen Zeit mehr oder minder Allgemeinplätzen gewidmeten Ansprache ist so gering, dass sie in einer Flaschenpost – nicht einmal Pfand beansprucht werden könnte.

Sei´s drum, der nachfolgende Redner machte die Defizite wett: Wie schon zum Auftakt der Debatte UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon, mahnte Frankreichs Staats- und Europas derzeitiger Ratspräsident, den unkritischen Glauben an die "Magie des Marktes" in Frage zu stellen und die Wirtschaft nicht länger von Begriffen wie Ethik und Verantwortung auszunehmen. Ob man es ihm nun Wort für Wort abnehmen möchte oder nicht – der präsidiale Aktionist aus Paris will mit der Renovierung des Kapitalismus umgehend beginnen und sie umfassend anlegen.

Mit seinem Ansatz, dabei nicht nur die Instrumente und Mechanismen zu überprüfen, sondern auch die Menschen auf der Schattenseite von Gier und Globalisierung einzubeziehen, rennt er offene Türen ein. Schon am ersten Tag der Debatte haben der nicaraguanische Präsident der 63. Vollversammlung und der brasilianische Staatschef ins selbe Horn gestoßen. Der Gleichklang lässt hoffen und dürfte von Dutzenden anderen fortgesetzt werden.

Die Bundesentwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul hat auf einer hochkarätig besetzten Parallel-Veranstaltung in New York bereits davor gewarnt, angesichts der Finanzkrise zugesagte Programme für die Bekämpfung der Armut in all ihren Facetten in Frage zu stellen; und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier will die Mahnung erweitern – beispielsweise, wenn er heute den einem großen Teil der Weltbevölkerung versagt gebliebenen Zugang zu Frischwasser als Quelle sogar neuer Kriege ausmachen wird.

Solche nur vermeintlich abwegigen Zusammenhänge sind zur Verwunderung vieler auf der Tagesordnung dieser UNO-Vollversammlung nach vorn gerückt. Sie sollten sich von sowieso in New York selten erfolgreichen Lösungsversuchen für aktuelle politische Krisen nicht verdrängen lassen. Die Vereinten Nationen sind das Forum der Weltbevölkerung – und in der sind Länder mit eigensüchtigen Vorstellungen oder solche mit imperialen Gelüsten glücklicherweise in der Minderheit.

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