Der Tel Aviv-Stürmer Itay Schechter zieht nach seinem Tor in der Champions League seine Kippa aus dem Stutzen, betet – und sieht Gelb. Was ist der Grund für die Verwarnung?
Hammer! Sichel! Rot! Und das in der Champions League! Itay Schechter hatte gegen Red Bull Salzburg gerade das entscheidende Tor geschossen, da sahen die Zuschauer auf seinem Hinterkopf diese Symbole in dieser Farbe. Der Stürmer des israelischen Spitzenclubs Hapoel Tel Aviv hatte im CL-Qualifikationsspiel nach dem dritten Tor für die Israelis eine rote Kippa aus seinem Stutzen gezogen. Auf die runde Kopfbedeckung war das Vereinssymbol gestickt: Hammer und Sichel, denn Hapoel steht für die traditionsreiche jüdische Arbeitersportbewegung. Dafür gab's Gelb.
Schechter wollte sich nach dem Tor, das ihn und seinen Klub in die Champions League - und also auch bald in die Arena auf und gegen Schalke - katapultierte, bei seinem Gott bedanken. Weil Juden, anders etwa als Christen oder Muslime, nur mit Kopfbedeckung beten. Er zog also die Kippa aus dem Stutzen und betete mitten auf dem Salzburger Rasen. "So etwas habe ich in meinem ganzen Schiedsrichterleben noch nicht gesehen, auch nicht in einem israelischen Ligaspiel", sagt Abraham Klein, 74-jährige Schiedsrichterlegende des kleinen Mittelmeerlandes, unter anderem an der Pfeife, als Deutschland 1978 gegen Österreich mit 2:3 narrisch verlor.
So ganz klar ist allerdings bis jetzt noch nicht, warum Schechter die Gelbe Karte sah: Klein vermutet, weil es nicht erlaubt ist, einen Gegenstand im Stutzen zu verstecken, unabhängig davon, was dieser Gegenstand ist. Dabei spielt das, findet der International Football Association Board der Fifa, sehr wohl eine Rolle: "Spieler dürfen keine Unterwäsche mit Slogans oder Werbeaufschriften zur Schau tragen", heißt es eindeutig. "Die vorgeschriebene Grundausrüstung darf keine politischen, religiösen oder persönlichen Botschaften aufweisen."
Beim DFB erfährt man noch, dass "moderne Schutzgegenstände wie Kopfschutz, Gesichtsmaske, Knie- und Ellenbogenschoner aus weichem, leichtem und gepolstertem Material" und damit "nicht gefährlich" sein dürfen. Was aber ist an einer Kippa, noch dazu nur während einer Spielunterbrechung getragen, gefährlicher als eine Gesichtsmaske?
Was gerne mit Auslegungssache, Ermessensspielraum oder Fingerspitzengefühl umschrieben wird, führt letztlich ins Politisch-Religiöse: Die ägyptische Nationalmannschaft etwa feiert ihre Siege immer mit einem kollektiven Beten gen Mekka – von Schiedsrichtern und Fifa-Funktionären unbehelligt.
Als jedoch bei der Mini-WM 2009 Brasilien das Finale gegen die USA gewann, kniete die gesamte Seleção zum Gebet nieder – die Fifa verwarnte Brasilien deswegen. Und die Schweizer Boulevardzeitung Blick schäumte sofort: "Verbietet die Fifa (nur) Christen das Gebet?" Zumal die Schiedsrichter ja auch angehalten sind, das Zeigen von "Jesus loves you"-T-Shirts unter den Trikots mit einer Gelben Karte zu ahnden.
Die Angst vor einer Welle der Christenverfolgung im internationalen Fußball ist aber unbegründet. Schließlich gehört das Bekreuzigen beim Einwechseln oder vor dem Elfmeter schon zum Standard. Auch die muslimischen Gottesverehrungen werden nicht nur toleriert, sondern mitunter sogar massiv gefordert.
Als der Bundesligaprofi Mohammed Zidan einmal nach einem Sieg seiner ägyptischen Nationalmannschaft das tat, was eine gleichermaßen respekt- und stilvolle Geste ist: gelangweilt neben den Betenden stehen, wurde er nicht vom Schiedsrichter, aber vom Trainer zum Rapport gebeten. Ägyptens Nationalcoach Hassan Schehata hat nämlich die Religiosität zum wichtigsten Nominierungskriterium erhoben. "Ohne die werden wir keinen Spieler berufen", hat er einmal gesagt. Eine bemerkenswerte Diskriminierung von Säkularen und Atheisten.
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