Kein Geld für niemand
Diese Geschichte könnte kaum absurder sein: Ermittler filzen die Wohnung eines Berliner Autonomen und beschlagnahmen seine Handys. Zu Unrecht, stellt der Bundesgerichtshof fest. Der Mann verlangt eine Entschädigung - und geht leer aus. Einen Ausgleich gibt es nämlich nur bei rechtmäßigen Razzien.Berlin - Bernhard Feder hat im Laufe der vergangenen 30 Jahre so seine Erfahrungen mit der Justiz gemacht. Die meisten fand er unerfreulich. Das konnte als Hausbesetzer und Autonomer in Berlin-Kreuzberg auch schwer anders sein.
Er sei "für Sachen verurteilt worden, mit denen ich nichts zu tun hatte", erzählt der 45-Jährige gut gelaunt in einem französischen Restaurant unweit des Schlesischen Tors in Kreuzberg. Er sei umgekehrt in einer Art ausgleichender Gerechtigkeit für Vorwürfe, die zutrafen, nicht verurteilt worden. "Aber so etwas wie jetzt ist mir noch nicht passiert."
Die Hamburger Justizbehörde ist dafür verantwortlich, was Feder so entsetzt. Die Juristen der Hansestadt haben ihm die Entschädigung für Kosten verweigert, die durch eine Hausdurchsuchung und Beschlagnahmung entstanden - mit einer Begründung, die Feder zweimal lesen musste, um sie zu glauben.
Denn in dem Brief stand: Weil der Bundesgerichtshof entschieden habe, dass die von der Bundesanwaltschaft beantragte Durchsuchung seiner Wohnung rechtswidrig war, sei der Antrag auf Entschädigung abgelehnt. "Eine Entschädigungspflicht" bestehe nur "für Schäden, die durch rechtmäßig vollzogene vorläufige Strafverfolgungsmaßnamen entstanden sind".
Aber von vorne. Am Anfang dieser Justizposse stand ein Buch. Ein Werk mit dem Titel "Autonome in Bewegung - aus den ersten 23 Jahren". Es erschien 2004 unter dem Pseudonym "AG Grauwacke", herausgegeben von fünf Berlinern. Beamte des Bundesamtes für Verfassungsschutz waren der Ansicht, dass Feder und seine Mitautoren zu einer Gruppe gehörten, die seit den achtziger Jahren bei den Berliner Autonomen im Hintergrund die Fäden ziehe.
Hausdurchsuchung morgens um 8 Uhr
Die Verfassungsschützer fütterten die Bundesanwälte in Karlsruhe mit einem Dossier an. Prompt beantragten die obersten Strafverfolger der Republik im August 2006 beim Bundesgerichtshof eine umfassende Überwachung von Feder und seinen Genossen. Beamte des Landes- und Bundeskriminalamtes observierten ihn; sein Telefon wurde abgehört, mit einer Videokamera hatten Ermittler stets den Eingang des Mietshauses im Blick, in dem Feder wohnte. Seine Post und die Telefongespräche überwachten Verfassungsschützer zu diesem Zeitpunkt schon länger als vier Jahre.
Dass Ermittler hinter ihm her waren und ihm die "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" vorwarfen, bemerkte Feder erst, als die Überwachung schon ein Dreivierteljahr lief. Am 9. Mai 2007 lag er morgens um 8 Uhr im Bett und starrte in die Mündung einer Pistole, berichtet er. Polizisten hätten kurz geklopft, im nächsten Moment die Tür eingeschlagen und seien zur Hausdurchsuchung in die Wohnung gestürmt. Von 8 bis 18 Uhr stellten 18 Mann unter Führung eines Bundesanwalts sein Zimmer auf den Kopf, berichtet Feder. Dabei beschlagnahmten sie unter anderem drei Mobiltelefone. Eines davon brauchte Feder unbedingt für seine Arbeit als Autokurier.
An jenem Tag marschierten Polizisten auch bei 14 weiteren Beschuldigten zur Razzia ein. Sie alle standen unter Verdacht, Mitglieder einer terroristischen Vereinigung zu sein. Der Vorwurf: Sie sollen vor dem G-8-Gipfel in Heiligendamm Brandanschläge in Norddeutschland propagiert, geplant und verübt haben.
Nach der Razzia sah sich Feder sein Auto genauer von unten an und fand einen mit schwarzem Klebestreifen umwickelten Kasten, einen GPS-Sender des Bundeskriminalamts, mit dem sich der Opel jederzeit orten ließ. Als Freunde der "Antifaschistischen Linken" auf die Idee kamen, den Sender öffentlich zu versteigern, leitete die Berliner Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen Unterschlagung und Hehlerei gegen Feder ein. Es wurde später eingestellt.
"Kafka pur"
Der Bundesgerichtshof entschied schließlich, dass Feder und seinen Mitbeschuldigten keine Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen werden könne, sondern höchstens Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Da die mit den Ermittlungen betraute Hamburger Staatsanwältin aber auch dafür keinerlei Beweise sah, stellte sie das aufwendige Verfahren im September 2008 ein.
Feders Anwältin beantragte eine Entschädigung für den Kauf eines Ersatz-Mobiltelefons und für Anwaltskosten, die vom Amtsgericht Hamburg auch bewilligt wurde. Die Justizbehörde hingegen lehnte dies ab. Feder klagte dagegen, er möchte von der Justizbehörde 370 Euro.
"Kafka pur", sagt der 45-Jährige über die Ermittlungen gegen ihn und seine einstigen Genossen aus der Autonomenszene. Besonders überrascht ist er allerdings nicht. Er bespricht schon lange nichts Privates mehr am Telefon. Die Staatsschützer seien so "nachtragend wie Elefanten", sagt er. Das habe er schon lange gelernt.
Als die Justizkasse Hamburg nun Feder aufforderte, einen Vorschuss auf die Prozesskosten in Höhe von 105 Euro zu bezahlen, hatte er genug. Er werde diese Angelegenheit nicht weiterverfolgen, beschloss er: "Diese Reise durchs Absurdistan der deutschen Justiz werde ich mir ersparen."
Nicht erspart aber blieb ihm eine "Zahlungserinnerung" der Justizkasse Hamburg - denn schon die Einreichung der Klage war gebührenpflichtig. Er solle 35 Euro überweisen, ohne dass irgendetwas geschehen sei, klagt Feder. "Das schürt bei mir ein wenig die Politik- und Staatsverdrossenheit."
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