Frühere Kinderheim-Leiterin Catalina Pestana, Opfer Pedro Namora: Lange erwartetes Urteil
Inzwischen befinden sich alle Angeklagten auf freiem Fuß - die gesetzlichen Fristen für die Untersuchungshaft sind längst überschritten. Während des gesamten Verfahrens beteuerten sechs der insgesamt sieben Angeklagten ihre Unschuld. Einzige Ausnahme: der ehemalige Gärtner und Fahrer der Casa Pia. Den Männern und Frauen wird sexueller Kindesmissbrauch sowie Vergewaltigung und Kuppelei in insgesamt 836 Fällen zur Last gelegt.
Die Angeklagten, unter ihnen mehrere Prominente aus Politik und Medien, sollen sich an 32 Jungen, die in dem staatlichen Heim lebten, vergangen haben. Zur Urteilsverkündung erschienen alle Angeklagten sowie sechs der 32 mutmaßlichen Missbrauchsopfer, die im Prozess als Nebenkläger aufgetreten waren. Die Staatsanwaltschaft fordert mindestens fünf Jahre Haft ohne Bewährung.
"Ich hoffe, dass dem Land an diesem Tag gezeigt wird, dass die Jungen von Anfang an die Wahrheit gesagt haben", sagte vor Prozessbeginn Pedro Namora, der selbst Opfer des Missbrauchs geworden war. Die Täter seien "völlig skrupellose Menschen", sagte eine anderer früherer Bewohner der Casa Pia der Zeitung "Público".
Unter den Angeklagten: die Elite des Landes
Der Fall war 2002 mit der ersten Anzeige eines Jungen aus dem Heim publik geworden, woraufhin sich Dutzende Heimbewohner und Ehemalige meldeten. Demnach war die 200 Jahre alte Einrichtung für bedürftige Kinder und Jugendliche jahrzehntelang Schauplatz sexuellen Missbrauchs. Erste Vorwürfe sollen bereits in den achtziger Jahren bekannt geworden sein, blieben jedoch ohne Konsequenzen.
Der Prozess ist das längste Verfahren der portugiesischen Justizgeschichte. Er begann im November 2004, das Gericht hörte seitdem fast 1000 Zeugen und Sachverständige. Monatelang bestimmte der Pädophilieskandal die Schlagzeilen portugiesischer Zeitungen, auch über die Verwicklung weiterer Prominenter aus Politik und Medien wurde spekuliert.
Zu den Angeklagten gehörte auch der 68-Jährige Showmaster Carlos Cruz, der einst einer der beliebten Fernsehmoderatoren des Landes war. Auf der Anklagebank saßen außerdem der frühere Botschafter Jorge Ritto, der Arzt João Ferreira Diniz, der Unternehmer Manuel Abrantes, der Anwalt Hugo Marçal sowie Gertrudes Nunes, deren Haus als Tatort gedient haben soll.
Heftige Kritik wurde an der andauernden Verschleppung der Ermittlungen zugunsten der zum Teil einflussreichen Angeklagten laut.
Nach Ansicht vieler Beobachter legte der Prozess die Schwächen des portugiesischen Rechtssystems offen. Bereits im März 2006 verurteilte ein Spezial-Schiedsgericht den portugiesischen Staat wegen Vernachlässigung seiner Aufsichtspflicht zur Entschädigungszahlung von zwei Millionen Euro an 44 frühere Heimbewohner. In weiteren Missbrauchsverfahren wurden zudem mehr als ein Dutzend Menschen verurteilt, in erster Linie Lehrer und Erzieher der Casa Pia.
Beobachter erklärten jedoch, das Verfahren werde mit der ersten Urteilsverkündung noch längst nicht zu Ende gehen. Die Anwälte der Angeklagten würden auf jeden Fall Berufung einlegen, um irgendwann auf Verjährung pochen zu können, berichteten portugiesische Zeitungen.
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