Es ist schon später Nachmittag, als an jenem 12. September 2009 zwei junge Männer den Manager Dominik Brunner am Bahnhof München-Solln verprügeln. Die beiden hatten in der S-Bahn vier Kinder belästigt und angepöbelt. Brunner hatte sich schützend vor die Kinder gestellt. Die darauffolgende Schlägerei am Bahnsteig dauert nur rund 90 Sekunden, dann lassen die 17 und 18 Jahre alten Schläger den Schwerverletzten am Boden liegen. Brunner schafft es noch einmal, kurz aufzustehen, bricht dann aber wieder zusammen. Eine gute Stunde später, um 18 Uhr 20, stirbt der 50-Jährige in einer Münchner Klinik.
Brunners Tod löst deutschlandweit Entsetzen aus. Am Bahnsteig in München-Solln legen Menschen hunderte Blumen, Gestecke und Texte nieder. Die Sollner sind verstört. Das gutbürgerliche Viertel mit seinen vielen Einfamilienhäusern und schicken Villen gehört zu den besseren im laut Polizeistatistik ohnehin recht friedlichen München. "Wenn so was in einem Problemviertel wie dem Hasenbergl oder Neuperlach passiert, dann wären wir vielleicht nicht so bestützt gewesen. Aber ausgerechnet hier im beschaulichen Münchner Süden", sagt eine ältere Sollner Dame zu Reportern und schüttelt den Kopf.
Brunner wird zum Helden
Posthum bekommt Dominik Brunner mehrere Auszeichnungen. Der damalige Bundespräsident Horst Köhler verleiht ihm das Bundesverdienstkreuz. Medien und Politik machen ihn zum Vorbild in Sachen Zivilcourage. Eine Stiftung wird nach ihm benannt und im Fröttmaninger Stadion, das normalerweise kurz vor Spielbeginn einem Hexenkessel gleicht, fordert Uli Hoeneß, Präsident des FC-Bayern, die Fans zu einer Schweigeminute für Brunner auf - und 60.000 Menschen gedenken dem Toten von Solln.
Die beiden schmächtigen jungen Männer, die Dominik Brunner zusammengeschlagen hatten, werden wenige Meter vom Tatort entfernt von der Polizei festgenommen. Boulevardzeitungen beschreiben sie als Monster und eiskalte Killer. Kurz vor der Bundestagswahl, die zwei Wochen nach dem Verbrechen in Solln stattfindet, rufen einige Politiker nach härteren Strafen. Beate Merk, Bayerns Justizministerin von der CSU, nimmt den Tod von Dominik Brunner zum Anlass, um - wieder einmal - eine Verschärfung des Jugendstrafrechtes zu fordern.
Todesursache Herzstillstand
Die Münchner Staatsanwaltschaft erhebt Anfang Februar Anklage wegen Mordes aus niederen Beweggründen. Laut Staatsanwaltschaft wollten sich die beiden an Dominik Brunner rächen, weil er sie in der S-Bahn daran gehindert hatte, vier Kinder zu berauben. "Die zwei Täter haben selbst dann noch auf ihr Opfer eingetreten, als dieses bereits am Boden lag. Mit Tritten gegen Kopf und Rumpf haben sie in Kauf genommen, ihm tödliche Verletzungen beizubringen und Herr Brunner ist dann auch an diesen Verletzungen gestorben", so Barbara Stockinger, Sprecherin der Münchner Staatsanwaltschaft.
Die Staatsanwaltschaft erwähnt damals allerdings nicht, dass Brunner am Bahnhof in Solln einen Herzstillstand erlitten hat. Der Manager hatte einen krankhaft vergrößerten Herzmuskel. Von dieser Erkrankung wusste Dominik Brunner nach Aussagen von Freunden und Angehörigen aber nichts. Ohne den Herzfehler hätte der Manager die Schlägerei in Solln überlebt. Diese Details erfährt die Öffentlichkeit jedoch erst während des Prozesses im Juli durch die Aussagen eines Gerichtsmediziners.
Staatsanwaltschaft fordert hohe Haftstrafen
Für die Verteidiger der beiden Angeklagten ist das ein entscheidender Punkt. Nach den Aussagen des Gerichtsmediziners sagen die Anwälte in Interviews: "Wir gehen jetzt davon aus, dass der Mordvorwurf vom Tisch ist." Die Staatsanwaltschaft dagegen sieht das anders: "Kein Straftäter könne erwarten, dass sein Opfer hundertprozentig gesund ist."
Erst die brutalen Schläge hätten den Herzstillstand ausgelöst, so Anklagevertreterin Verena Käbisch. Sie bleibt im Falle des älteren Angeklagten bis zum Schluss der Meinung, dass das Verbrechen ein Mord war und fordert für ihn zehn Jahre Haft -mehr geht nicht im Jugendstrafrecht. Dem Jüngeren der beiden kann die Staatsanwaltschaft auch nach Anhörung von über 50 Zeugen und mehreren Sachverständigen keinen Tötungsvorsatz mehr nachweisen. In ihrem Plädoyer spricht die Staatsanwältin nur noch von einer Körperverletzung mit Todesfolge, fordert aber dennoch acht Jahre Jugendhaft. Die Anwälte plädieren auf Strafen von deutlich unter sieben und dreieinhalb Jahren.
Zeugen: "Brunner hat als erster zugeschlagen"
Neben der Todesursache Herzstillstand haben die Anwälte bei ihrer Verteidigungsstrategie noch einen weiteren Trumpf: Gleich mehrere Zeugen schildern glaubwürdig, dass Dominik Brunner als erster zugeschlagen habe. Das bringt das Bild vom vorbildlich agierenden Helden in der Öffentlichkeit kräftig ins Wanken.
Die Anwälte betonen, man wolle Brunners Ruf nicht schädigen. "Der 50-Jährige kann nichts dafür, dass er auf ein hohes Podest gestellt wurde und ihn Medien und diverse Politiker zum Helden machten. Er hat sich in der S-Bahn, als er sich schützend vor die vier Kinder stellte und die beiden Angeklagten in die Schranken wies, sicherlich vorbildlich verhalten", so Verteidiger Jochen Ringler.
"Warum ist er nicht einfach weitergegangen?"
Ob Brunners Verhalten dann kurze Zeit darauf am S-Bahnhof in Solln auch noch vorbildlich war, ist aber mehr als fraglich. Nach allem, was man aus Zeugenaussagen inzwischen weiß, ging der Manager dort einer körperlichen Auseinandersetzung nicht aus dem Wege. Er entstieg mit den Kindern der S-Bahn, blieb stehen, zog sich seine Jacke aus und wartete auf die beiden jungen Männer in einer Stellung, die von einigen Zeugen als "Kampfhaltung" interpretiert wurde. "Warum ist er nicht einfach mit den Kindern weitergegangen", fragen die Verteidiger.
Die Staatsanwaltschaft betrachtet Brunners ersten Schlag als Notwehr. Das spätere Opfer habe gar keine andere Wahl gehabt, musste den ersten Schlag setzen, um einen Angriff abzuwehren. Die Richter haben es nicht einfach. Welcher Interpretation des Geschehens sie sich anschließen, stellt sich am Montag (06.09.2010) heraus. Um 9 Uhr wird im Schwurgerichtssaal des Münchner Landgerichtes ein Urteil gesprochen.
Autor: Ernst Weber
Redaktion: Dennis Stute / Kay-Alexander Scholz
Redaktion: Dennis Stute / Kay-Alexander Scholz
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