Mittwoch, 7. Februar 2007

"In der CDU brennt die Hütte"

Pressestimmen

Der symbolträchtige Abgang von Friedrich Merz hat die Kommentatoren deutscher Tageszeitungen aufhorchen lassen. Die Stimmung in der CDU ist schlechter als manche zugeben möchten, konstatieren sie. Die Kanzlerin ist gewarnt.

"Abendzeitung" (München):

"Merz und Bosbach sind alles andere als schmerbäuchige Hinterbänkler - sie gehören zur Zunft der Alpha-Politiker, die rar geworden ist in Berlin. Wenn sich ein mit allen Wassern gewaschener Parteisoldat wie Bosbach so weit aus dem Fenster lehnt, darf man sicher sein, dass er nicht nur für sich und Merz spricht, sondern dass der Frust in der Union groß ist. Es wird höchste Zeit, dass sich Angela Merkel, die soeben als Friedenspredigerin durch die arabische Welt jettete, um ihre Partei kümmert. Dort brennt die Hütte."

"Der Tagesspiegel" (Berlin):

"Merz ist ein Symptom. Denn vor der Wahl etwas ganz anderes zu predigen als nach der Wahl zu tun, bleibt erklärungsbedürftig und diskussionswürdig; also warum danach Machtwillen vor Prinzipientreue ging. Die Debatte darüber, die auch eine notwendige Selbstvergewisserung ist, darf bis heute nicht geführt werden. Höchstens Halbsätze weisen darauf hin, dass für die große CDU etwas gewaltig schiefgelaufen sein könnte, und wer sich hierfür in der Verantwortung fühlt. Jetzt aber steigt der Druck noch einmal, und es wird wohl so sein, dass Merz genau das beabsichtigt hat: mit seinem Tropfen das Wasser anschwellen zu lassen, auf dass es Dämme ein- und Merkel und all die anderen mitreißt, die aus der Union eine schlechtere SPD machen wollen."

Friedrich Merz hat der Politik den Rücken gekehrt
Friedrich Merz hat der Politik den Rücken gekehrt

"Stuttgarter Nachrichten":

"Lassen wir die Kirche im Dorf. Der Sauerländer war, man mag es bedauern, zuletzt in Fraktion und Partei ein Einzelgänger. Und er hat sich als Anwalt beruflich neu orientiert. Mag sich die FDP noch so sehr über die inhaltliche Erosion einer reformunfähigen CDU freuen: Noch ist Merzens enttäuscht-beleidigter Rückzug ein Einzelfall. Wenn auch gefährlich spektakulär."

"Badisches Tagblatt" (Baden-Baden):

"Spürbar ist die Unzufriedenheit an der Parteibasis über eine Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners mit dem Koalitionspartner SPD, der sich in der Öffentlichkeit auch noch entschlossener und harmonischer präsentiert als die Union. Aus dieser misslichen Lage kann sich die CDU aber nur selbst befreien und zwar durch härtere inhaltliche Auseinandersetzungen mit dem Koalitionspartner und einen Verzicht auf die Profilierung einiger Landesfürsten und anderer Spitzenpolitiker. Gelingt das nicht, wird die Christdemokraten das gleiche Schicksal ereilen wie einst die Sozialdemokraten, die durch langwierige Flügelkämpfe das Vertrauen der Wähler für lange Zeit verspielt hatten."

"Westdeutsche Allgemeine Zeitung":

"In der Person Merkels verdichtet sich alles, was Merz nicht sein will: der Opportunismus des Regierenden, wenn er es auch weiter bleiben will, der hemmungslose Kurswechsel, die Intrige. Merkel und Merz führen vor, was passiert, wenn Alpha-Tiere ohne Airbag aufeinanderprallen. Politik lebt von Typen. Merz Privatisierung entlässt den konservativen Unions-Flügel in die Heimatlosigkeit. Und sie macht Politik insgesamt ärmer. Es ist tragisch, weil es so kommen musste."

"Flensburger Tageblatt":

"Angela Merkel mag erleichtert sein, dass mit Friedrich Merz einer ihrer schärfsten Widersacher das Handtuch wirft. Doch sie sollte gewarnt sein: Die Kritiker ihres großkoalitionären Schmusekurses waren nie bekehrt, sondern nur zeitweilig verstummt. Das Gerangel um die Gesundheitsreform mit dem Ergebnis, das so gar nicht mit den Vorgaben des Leipziger CDU-Parteitags von 2003 zusammenpasst, hat die Gegner der Sozialdemokratisierung der Union neu sensibilisiert."

"Neue Osnabrücker Zeitung":

"Es gehört zu den schwersten Fehlern der Kanzlerin, dass sie Merz nach dem großen Streit von 2002 nicht ins gemeinsame Boot zurückholen konnte. Jetzt muss Angela Merkel ihn zwar nicht mehr fürchten, aber ein fachlicher Ersatz ist nirgendwo in Sicht. Das schwächt die Union gegenüber SPD und FDP. Hinzu kommt die mögliche Symbolkraft des Abgangs. Denn Merz war lange der Kopf des wirtschaftsliberalen und wertkonservativen Flügels. Eine rechte Volkspartei muss diese Klientel an sich binden. Ohne Merz dürfte das aber viel schwieriger werden, denn sein Name galt vielen als Gewähr gegen eine schleichende Sozialdemokratisierung der CDU im Bund und auch in NRW."

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