Montag, 5. Februar 2007

Der Staat als Hacker

Der Bundesgerichtshof untersagt geheime Online-Durchsuchungen von Computern durch die Polizei, doch das Bundesinnenministerium lässt bereits eine Spy-Software entwickeln. Kommt jetzt ein Hacker-Gesetz?

Von Christoph Seils

Man stelle sich einmal vor, die Polizei würde die Wohnung eines Verdächtigen heimlich durchsuchen, Akten lesen, Tagebücher kopieren und vielleicht auch noch die Kontoauszüge studieren. Immer auf der Suche nach versteckten Hinweisen auf geplante Verbrechen. Ein Skandal wäre dies, von Stasi-Methoden wäre die Rede und von einem Verfassungsbruch, schließlich besitzt die Unverletzlichkeit der Wohnung Verfassungsrang. Haussuchungen müssen offen erfolgen und dem großen Lauschangriff, der akustische Wohnraumüberwachung mittels Wanzen, hat das Bundesverfassungsgericht enge Grenzen gesetzt.

Computer stehen mittlerweile in fast jedem Haushalt, auf ihm werden Briefe geschrieben, Kontos geführt, intimste Informationen gespeichert. Das ganze Leben eines Menschen lässt sich mittlerweile mithilfe der Informationen, die auf einem Computer gespeichert sind, nachvollziehen. Trotzdem fanden die Sicherheitsbehörden bislang nichts dabei, Computer von Beschuldigten mithilfe von so genannten Trojanern oder Backdoor-Programmen online zu durchsuchen, ohne die Betroffenen darüber in Kenntnis zu setzen. Bislang war es deren Praxis, Online-Durchsuchungen beim Verdacht schwerer Straftaten gemäß Paragraf 102 Strafprozessordnung wie Haussuchungen zu behandeln. Die Vorschrift, dass ein Beschuldigter bei einer Durchsuchung anwesend sein müsse, sah die Bundesanwaltschaft allein dadurch erfüllt, dass der Betroffene online und damit „während der Maßnahme zugegen“ sei. Dass er von der Durchsuchung nichts merke, so die etwas absurde Argumentation, ändere an seiner Anwesenheit nichts.

Damit ist jetzt erst einmal Schluss. In seinem heute veröffentlichten Urteil erklärte der 3. Strafsenat des BGH verdeckte Online-Durchsuchungen der im Computer eines beschuldigten gespeicherten Daten für unzulässig, weil es in der Strafprozessordnung an der für einen solche Eingriff erforderlichen Ermächtigungsgrundlage fehle. Im vorliegenden Fall hatte der Bundesgerichtshof über eine Beschwerde der Generalbundesanwältin Monika Harms zu entscheiden. Die Bundesanwaltschaft hatte zuvor beantragt, den Computer eines Verdächtigen ohne dessen Wissen online zu durchsuchen. Doch der zuständige Bundesrichter hatte diesen Antrag im November vergangenen Jahres erstmals abgelehnt. Dagegen richtete sich die jetzt gescheiterte Beschwerde.

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