Dienstag, 6. Februar 2007

Bosbach will kämpfen

Fraktions-Vize Wolfgang Bosbach gibt der Debatte eine Wendung in Richtung Koalitionsfrust.

Berlin / Düsseldorf / Köln - Politiker können ja so fies sein. Da wirft Friedrich Merz den letzten Brocken hin, der ihm noch geblieben ist, seine Kandidatur für den Bundestag - und niemand zeigt sich erschüttert. Also gut - fast niemand: Der Vorsitzende der „Jungen Union“ in NRW, Sven Volmering, immerhin befindet, der Rückzug des Sauerländers sei eine „Katastrophe“. Denn Merz rede „Klartext“ und stehe „stramm für Generationengerechtigkeit“.

In Weherufe bricht auch Guido Westerwelle aus. „Der Rückzug von Friedrich Merz schwächt das marktwirtschaftliche Lager innerhalb der Union dramatisch.“ Doch im Munde des politischen Gegners ist Mitleid selten selbstlos. Und so bietet der FDP-Chef seine Partei „den von der Union enttäuschten Anhängern der sozialen Marktwirtschaft“ als „starkes, freiheitliches Gegengewicht zu den Sozialdemokraten in Union und SPD“ an. Ohnehin werde die Union „immer stärker zu einer schwarzen SPD“.

Merz würde das bestimmt unterschreiben. Umso mehr sind Bundes- und Landes-CDU darum bemüht, seinen Abschied herunterzuspielen.

Generalsekretär Ronald Pofalla und NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers belassen es beim ritualisierten „Bedauern“. Gewiss, so Pofalla, sei Merz „einer der profiliertesten Wirtschafts- und Finanzpolitiker“. Aber schon heute sitze er nur als einfaches Mitglied im Rechtsausschuss. Deshalb reiße sein Abgang

auch keine Lücken. Noch weniger Empathie legen allenfalls Madame Tussauds Wachsfiguren an den Tag.

Wenn es da nicht Wolfgang Bosbach und seine Frustattacke gäbe. Der Unionsfraktions-Vize gibt zu Protokoll, auch ihn durchzuckten Rückzugsgedanken, „wenn man in 14 Monaten Regierung mehr Frustrations-Erlebnisse hat als in sieben Jahren Opposition.“ Unversehens hat Bosbach der Debatte damit eine Wendung gegeben: weg vom Schicksal eines Hinterbänklers namens Merz - hin zu schwarz-roten Stimmungslagen. „Dass wir keine lupenreine CDU-Politik machen können, ist doch klar“, sagt das CDU-Vorstandsmitglied Ursula Heinen aus Köln. „Aber die Vorteile der Regierungsarbeit überwiegen. Deshalb bin ich auch nicht frustriert, und ich erlebe auch die Stimmung in der Fraktion nicht so.“

Ein Kollege vermutet hinter Bosbachs Ausbruch auch die Enttäuschung darüber, dass ihm ein Regierungsamt - etwa der Posten des Innenministers - versagt geblieben ist.

Sicher aber speist sich Bosbachs Misslaunigkeit nicht nur aus den großkoalitionären Erfahrungen in Berlin, sondern auch aus seinem Ärger über Rüttgers, der sich als Sozialapostel profiliert - notfalls auch auf Kosten der eigenen Leute in Berlin. Aber das hat der Mann aus Bergisch Gladbach lieber für sich behalten.

Die Gefühle vieler anderer zum Merz-Rückzug fasst ein führender NRW-Vertreter in das Wort „überfällig“. Den Ausgang der Malaise mit Merz sehen Weggefährten im Jahr 2002, als er Angela Merkel im Kampf um den Fraktionsvorsitz unterlag. Damals, sagt einer aus der Fraktionsspitze, habe man Merz eigentlich schon verloren. Er sei „nicht teamfähig“ und kenne seine Grenzen nicht. So sei er letztlich ein „Opfer der eigenen Selbstüberschätzung“. Merkel könne man daran aus heutiger Sicht keine Mitschuld mehr geben. Sie habe sich zuletzt sehr um Merz bemüht.

Doch statt in der von ihm ständig kritisierten großen Koalition für seine politischen Ideen zu kämpfen, habe sich Merz darauf verlegt, „von außen zu sagen, was alles schiefläuft“. Diesen „bequemen Weg“ eingeschlagen und sich „wie Tausendschönchen auf die Bank gesetzt“ zu haben, kreiden ihm viele an. „Er hat uns nie dauerhaft und wirksam unterstützt“, klagt ein Vertreter des CDU-Wirtschaftsflügels,

als dessen Galionsfigur Merz vielfach wahrgenommen wird.

Es sei legitim, sich aus persönlicher Enttäuschung zurückzuziehen. Aber das dürfe man nicht mit Prinzipienfestigkeit verwechseln. Jürgen Rüttgers verspritzt in Düsseldorf noch eine andere Sorte Gift. Es sei „schade“, dass Merz vor seinem Rückzug nicht das

persönliche Gespräch gesucht habe. Damit will erMerz als Einzelgänger brandmarken. Seine Angriffe auf den Landesverband sollen so ins Leere laufen. „Politischen Autismus“ wollen Berliner Abgeordnete schon seit längerem bei Merz diagnostiziert haben. Einer redet sogar von den „Totalausfällen eines Quartalsirren“. Der Chef der Düsseldorfer CDU-Landtagsfraktion, Helmut Stahl, zieht sich demgegenüber auf die gestanzte Formel zurück, für Merz' Kritik sehe er „keinen objektiven Anlass“.

Dass Merz Rüttgers' sozial getönten Schmusekurs für das Allerletzte hält, können manche in der Landespartei sogar noch verstehen. Aber sich an der Regierung abzuarbeiten, gehe dann doch zu weit. „Wir sind da in einer Koalition mit der FDP - was will er denn noch?“, fragt ein Spitzenvertreter der Landes-CDU. Einer aus der Düsseldorfer Fraktionsführung hat gleich die Antwort parat: „So ist er halt, der Friedrich Merz. Wenn er mal loslegt, gibt es immer einen Rundumschlag.“

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