Freitag, 1. Juli 2011

In der Gewaltfalle

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Syrien

In der Gewaltfalle

Staatspräsident Assads Spielraum reicht nicht für die nötigen Reformen aus. Noch ist die kritische Masse nicht erreicht, die es braucht, um ihn zu stürzen. Doch die landesweiten Proteste sind nicht die einzige Gefahr im Innern, der Assad gegenübersteht.

Von Rainer Hermann. Abu Dhabi

Noch ist Assads größter Trumpf, dass alle externen Akteure vor einem Regimewechsel in Damaskus zurückschrecken

Noch ist Assads größter Trumpf, dass alle externen Akteure vor einem Regimewechsel in Damaskus zurückschrecken

01. Juli 2011

Die Proteste dauern an. Obwohl die Armee weiter gegen die Regimegegner vorgeht, obwohl das Regime zuletzt geduldet hat, dass Dissidenten einen „Nationalen Koordinierungsrat“ bilden. Während dieser Rat nicht ausdrücklich einen Rücktritt von Staatspräsident Baschar al Assad fordert, sondern nur seinen Verzicht auf eine abermalige Kandidatur, standen die landesweiten Proteste des Freitags erstmals unter dem Motto „irhal“ – verschwinde.

Aus der Küstenstadt Latakia wurden Explosionen gemeldet. Erstmals kam es zahlreichen Stadtteilen der Wirtschaftsmetropole Aleppo zu Protesten und Zusammenstößen. Sicherheitskräfte hatten vergeblich auf die Händler der Stadt Druck ausgeübt, dass sie ihre Läden schließen und einer Kundgebung für Assad anschließen sollten. Die syrische Armee besetzte in der Unruheprovinz Idlib an der Grenze zur Türkei weitere Städte und Dörfer.

Das „korrupte Tyrannenregime“ abschütteln

  • Die landesweiten Proteste standen erstmals unter dem Motto „irhal“ – verschwinde

Die amerikanische Außenministerin Hillary Clinton hat das Regime in Damaskus noch einmal gewarnt. Die Zeit für Reformen werde knapp, sollten sie nicht umgehend eingeleitet werden, erwarte sie eine Zunahme des „organisierten Widerstands“ gegen Assads Herrschaft, sagte die Ministerin. Die Dissidenten des „Nationalen Koordinierungsrat“ erklärten, sie würden an dem von Präsident Assad für den 10. Juli angesetzten Treffen des „nationalen Dialogs“ nicht teilnehmen, es sei denn, dass bis dahin wirklich Reformen auf den Weg gebracht worden seien. Sie fürchten, der nationale Dialog diene dem Regime nur dazu, Zeit zu gewinnen. Zum Kreis der Unterzeichner der Erklärung gehören prominente Dissidenten wie Aref Dalila, Michel Kilo und Hussein Audat. In der Erklärung heißt es, man wolle den Aktivisten helfen, das „korrupte Tyrannenregime“ abzuschütteln.

Assads Spielraum für Reformen ist jedoch sehr gering. Würde er Reformen einleiten, also politische Parteien und freie Wahlen zulassen oder so etwas wie gute Regierungsführung durchsetzen, würde er damit den Kollaps des Regimes herbeiführen. Denn das Regime gründet auf dem Politikmonopol der Baath-Parteil und der Aufteilung der Pfründen unter den Stützen des Regimes. Noch ist Assads größter Trumpf, dass alle externen Akteure vor einem Regimewechsel in Damaskus zurückschrecken, da er eine völlige Neugestaltung weiter Teile des Nahen Ostens nach sich ziehen würde.

Noch ist auch die kritische Masse nicht erreicht, die es braucht, um das Regime zu stürzen. Doch die landesweiten Proteste sind nicht die einzige Gefahr im Innern, der Assad gegenübersteht. Zwar scheint aber die Armeespitze noch loyal gegenüber dem Machthaber zu sein. Einheiten der Armee sind aber schon zu den Regimegegnern übergelaufen. Syrer, die sich aus ihrer Heimat abgesetzt haben und mit dem Regime vertraut sind, verweisen zudem darauf, dass die Unterstützung der schiitischen Alawiten, zu denen Assad gehört und die als Minderheit in Syrien herrschen, für Assad zurückzugehen scheint. Assad gelte als führungsschwach, eine Alternative zu ihm sei bei den Alawiten indes nicht in Sicht.

Massive Präsenz iranischer Sicherheitskräfte

Als sicher gilt, dass die Alawiten erbittert für den Fortbestand Regimes – und im wahrsten Sinne des Wortes um ihr Überleben – kämpfen werden. Da offenbar weder die Opposition noch die Führung in Damaskus rasch die Oberhand gewinnen kann, schließen Analysten nicht mehr aus, dass Syrien in einen Bürgerkrieg abgleitet.

Und spätestens dann könnten Akteure aus dem Ausland eingreifen. In Damaskus ist schon das geflügelte Wort zu hören, das Regime wende sich an Washington, wenn es Frieden wolle, und an Teheran, wenn es um Krieg gehe. Noch sei aber von einer massive Präsenz erfahrener iranischer Sicherheitskräfte in Syrien nichts zu bemerken.

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