Syrien
In der Gewaltfalle
Staatspräsident Assads Spielraum reicht nicht für die nötigen Reformen aus. Noch ist die kritische Masse nicht erreicht, die es braucht, um ihn zu stürzen. Doch die landesweiten Proteste sind nicht die einzige Gefahr im Innern, der Assad gegenübersteht.
Noch ist Assads größter Trumpf, dass alle externen Akteure vor einem Regimewechsel in Damaskus zurückschrecken
01. Juli 2011
Die Proteste dauern an. Obwohl die Armee weiter gegen die Regimegegner vorgeht, obwohl das Regime zuletzt geduldet hat, dass Dissidenten einen „Nationalen Koordinierungsrat“ bilden. Während dieser Rat nicht ausdrücklich einen Rücktritt von Staatspräsident Baschar al Assad fordert, sondern nur seinen Verzicht auf eine abermalige Kandidatur, standen die landesweiten Proteste des Freitags erstmals unter dem Motto „irhal“ – verschwinde.
Aus der Küstenstadt Latakia wurden Explosionen gemeldet. Erstmals kam es zahlreichen Stadtteilen der Wirtschaftsmetropole Aleppo zu Protesten und Zusammenstößen. Sicherheitskräfte hatten vergeblich auf die Händler der Stadt Druck ausgeübt, dass sie ihre Läden schließen und einer Kundgebung für Assad anschließen sollten. Die syrische Armee besetzte in der Unruheprovinz Idlib an der Grenze zur Türkei weitere Städte und Dörfer.
Das „korrupte Tyrannenregime“ abschütteln
Die landesweiten Proteste standen erstmals unter dem Motto „irhal“ – verschwinde
Assads Spielraum für Reformen ist jedoch sehr gering. Würde er Reformen einleiten, also politische Parteien und freie Wahlen zulassen oder so etwas wie gute Regierungsführung durchsetzen, würde er damit den Kollaps des Regimes herbeiführen. Denn das Regime gründet auf dem Politikmonopol der Baath-Parteil und der Aufteilung der Pfründen unter den Stützen des Regimes. Noch ist Assads größter Trumpf, dass alle externen Akteure vor einem Regimewechsel in Damaskus zurückschrecken, da er eine völlige Neugestaltung weiter Teile des Nahen Ostens nach sich ziehen würde.
Noch ist auch die kritische Masse nicht erreicht, die es braucht, um das Regime zu stürzen. Doch die landesweiten Proteste sind nicht die einzige Gefahr im Innern, der Assad gegenübersteht. Zwar scheint aber die Armeespitze noch loyal gegenüber dem Machthaber zu sein. Einheiten der Armee sind aber schon zu den Regimegegnern übergelaufen. Syrer, die sich aus ihrer Heimat abgesetzt haben und mit dem Regime vertraut sind, verweisen zudem darauf, dass die Unterstützung der schiitischen Alawiten, zu denen Assad gehört und die als Minderheit in Syrien herrschen, für Assad zurückzugehen scheint. Assad gelte als führungsschwach, eine Alternative zu ihm sei bei den Alawiten indes nicht in Sicht.
Massive Präsenz iranischer Sicherheitskräfte
Als sicher gilt, dass die Alawiten erbittert für den Fortbestand Regimes – und im wahrsten Sinne des Wortes um ihr Überleben – kämpfen werden. Da offenbar weder die Opposition noch die Führung in Damaskus rasch die Oberhand gewinnen kann, schließen Analysten nicht mehr aus, dass Syrien in einen Bürgerkrieg abgleitet.
Und spätestens dann könnten Akteure aus dem Ausland eingreifen. In Damaskus ist schon das geflügelte Wort zu hören, das Regime wende sich an Washington, wenn es Frieden wolle, und an Teheran, wenn es um Krieg gehe. Noch sei aber von einer massive Präsenz erfahrener iranischer Sicherheitskräfte in Syrien nichts zu bemerken.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen