02.07.2011
Scheibchenweise werden Details zur Überwachung von Blockaden und Versammlungen der Proteste gegen rechtes Gedenken im Februar in Dresden öffentlich (Rasterfahndung per Handy). Sichtbar wird, wie zur Kontrolle von politischem Protest die Bildung krimineller oder terroristischer Vereinigungen behauptet wird, um das massenhafte Eindringen in die telekommunikative Privatsphäre zu begründen. Nach bisheriger Bewertung waren die Dresdener Überwachungsanordnungen ein spektakulärer Einzelfall. Die Durchsicht von Ermittlungsakten zum G8-Gipfel in Heiligendamm zeigt allerdings, dass Bundes- und Landesbehörden schon 2005 die Funkzellenauswertung nicht nur zur Handhabung einzelner Proteste, sondern zur Durchleuchtung einer kompletten Bewegung genutzt hatten.
"Wir haben in den Busch geschossen, nun sehen wir, was und wer sich dort bewegt", kommentierte ein beteiligter Ermittler süffisant. Zwar ging der "Schuss" nach hinten los - das Vorgehen hatte innerhalb weniger Stunden allein in Berlin 5.000 Demonstranten mobilisiert, die ihre Solidarität mit den Betroffenen ausdrückten. Nicht bekannt war zu diesem Zeitpunkt, dass die Behörden längst wussten "was und wer" sich im Busch bewegt. Geholfen haben hierfür umfangreiche Eingriffe in die telekommunikative Privatsphäre.
Massenhafte Funkzellenauswertung "angeregt"Immer wieder kommt es im Rahmen von internationalen Gipfeltreffen zu politisch motivierten Sachbeschädigungen, die von linken Aktivisten begangen und meist in einen anti-kapitalistischen Begründungszusammenhang gestellt werden.
Auch in Deutschland hatte es vor dem G8-Gipfel mehrere sogenannte kleinere "Direkte Aktionen" gegeben, im Rahmen derer auch die "Villa Borsig", ein Gästehaus des Auswärtigen Amtes in Berlin-Tegel, teilweise abgebrannt war. Das Gebäude stand zum Zeitpunkt des Anzündens wegen Bauarbeiten leer. In einem an Zeitungen versandten Schreiben (in amtsdeutsch Selbstbezichtigungsschreiben, SBS) hatten "autonome gruppen / militant people (mp)" die Verantwortung hierfür übernommen und die Aktion mit der Mobilisierung gegen den G8-Gipfel kontextualisiert: "Wir sind auch dabei, wir sind ein Teil dieser sozialen Bewegung."Der Anschlag fand am 17. Oktober 2005 statt, nur wenige Tage vor dem ersten großen Vorbereitungstreffen gegen den G8-Gipfel. Dieses dreitägige Treffen in der Hamburger "Universität für Wirtschaft und Politik" war mit rund 250 Teilnehmern außerordentlich gut besucht und versprach den Beginn einer breit aufgestellten Gipfelbewegung.Die Vorbereitung wurde vom Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Bundeskriminalamt argwöhnisch beobachtet. Die Ämter machten sich hierfür schon früh auf Vorrat gespeicherte Mobilfunkdaten zunutze: Laut Ermittlungsakten, die für die Razzien vom 9. Mai 2007 angelegt wurden, hatte das BKA beim Generalbundesanwalt "angeregt, einen Beschluss gem. §§100 g,h StPO zur Beschaffung der Verbindungsdaten der Funkzelle des Veranstaltungsortes in Hamburg, 'Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik' zu beantragen". Damit wurden alle Bewohner wie auch Besucher, die sich innerhalb von drei Tagen in der entsprechenden Hamburger Funkzelle aufhielten, protokolliert. Vorgebliches Ziel des BKA war es, "festzustellen, welche Personen, insbesondere aus dem Raum Berlin, an dem Treffen in Hamburg teilgenommen haben".
Der Beschluss zur verpflichtenden Herausgabe der gespeicherten Verbindungsdaten wurde am 4. November nachträglich erlassen und erging an die vier Telekommunikationsprovider Deutsche Telekom (T-Mobile), Vodafone, E-Plus und O2 (heute Telefónica). Der Vermerk des Bundeskriminalamts bezieht sich nur auf die Erlangung von Verkehrsdaten, die zunächst keinen Anschlussnehmern zugeordnet werden können. Die Halter der Telefone wurden vermutlich erst nachträglich im Falle von "Treffern" ermittelt. Hierfür muss kein richterlicher Beschluss eingeholt werden.Wie viele Beschlüsse zur Herausgabe von Verbindungsdaten in Deutschland erteilt werden, bleibt im Dunkeln. Das Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie die Umsetzung der strittigen EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung definieren, dass statistische Daten über Eingriffe in die telekommunikative Privatsphäre erfasst werden müssen. Ab 2009 werden die Festnetztelekommunikation, Mobilfunktelekommunikation und Internettelekommunikation in den Tabellen des Bundesamts für Justiz hierfür getrennt ausgegeben.
Für den Mobilfunk wird die Zahl der jeweiligen Überwachungsanordnungen mit 16.376 angegeben. Gegenüber dem Vorjahr zeigt sich bezüglich der Gesamtheit der Maßnahmen ein steigender Trend, wobei Bayern weit vorn liegt und Sachsen etwa im Mittelfeld. Auch die Generalbundesanwaltschaft wird in der Statistik genannt. Im Mai hatte die Bundesregierung noch erklärt, eine "Statistik speziell zu Funkzellenabfragen oder zu der Erhebung von Standortdaten" würde weder beim GBA noch beim Bundeskriminalamt (BKA) geführt. Erinnert wird seitens der Bundesregierung an die Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, der angesichts steigender Anordnungen jedoch scheinbar zunehmend nebensächlich wird.Die Funkzellenauswertung sorgte erst kürzlich in Hamburg für Furore, nachdem eine Richterin es gewagt hatte, nicht alle Anträge der Polizei ohne weiteres abzunicken. "In anderen Bundesländern reicht es den Richtern für die Herausgabe der Mobilfunkdaten, dass es eine Tat gab. In Hamburg müssen wir Hinweise dafür liefern, dass der Täter auch vor Ort telefoniert hat", schimpfte der Landesvorsitzende vom "Bund Deutscher Kriminalbeamter" im Rahmen einer Fachtagung zur Funkzellenauswertung.
Dabei ist die Justiz eigentlich nicht zimperlich mit der Gewährung richterlicher Beschlüsse: Eine "Umfrage bei der Staatsanwaltschaft" habe laut der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg ergeben, dass seit 2009 in elf Ermittlungsverfahren, die Autobrände in Hamburg zum Gegenstand haben, Anträge nach § 100g StPO auf Auswertung von Mobilfunkzellen gestellt wurden. Hiervon wurden in neun Fällen die beantragten Beschlüsse erlassen. In einem Fall wurde der Antrag der Staatsanwaltschaft mangels Erfolgsaussicht der beantragten Maßnahme abgelehnt.Kein Problem also bezüglich der Zusammenarbeit zwischen Polizei und Gerichten. Dennoch findet der Zusammenschluss einiger Kriminalbeamter, "die Justiz, insbesondere die Gerichte in Hamburg", seien "mitverantwortlich an der Nichtaufklärung der hiesigen Fahrzeugbrandserie".Suche nach "Kreuztrefferdaten"
Die in Hamburg erlangten Daten wurden unter anderem mit ebenfalls angeforderten Verbindungsdaten der Tatorte abgeglichen. Später kam der Abgleich mit einem weiteren, großen Vorbereitungstreffen von Aktivisten hinzu, das im Januar 2006 im Berliner "Mehringhof" stattfand.
Laut Ermittlungsakten wurde geprüft, welche Telefone sowohl auf den Treffen oder an Tatorten festgestellt werden können. Kriminalpolizisten gehen dabei von der äußerst unwahrscheinlichen These aus, dass die Ausführenden ihre Mobiltelefone angeschaltet lassen und bei der Tat mitführen. Ein ermittelnder Kommissar hatte im Rahmen der Tatrekonstruktion einer geringfügigen Brandstiftung am Amtsgericht Wedding behauptet, die Tatausführenden hätten über ein Kommunikationsmittel in Verbindung gestanden.Es dürfte sich hierbei eher um eine vorsorgliche Schutzbehauptung handeln, da ansonsten ein richterlicher Beschluss zur Herausgabe der Daten fraglich wäre. Denn für Hamburg gilt etwa bezüglich Anordnungsvoraussetzungen für eine Funkzellenabfrage, dass neben der Länge und der Uhrzeit des abgefragten Zeitraums, des konkreten Standortes der Funkzelle, der Schwere der aufzuklärenden Straftat und des vermuteten Datenaufkommens konkrete Hinweise vorgelegt werden müssen, dass Beschuldigte tatsächlich ein Mobiltelefon benutzten.
Seitens des BKAs waren für die Ermittlungsverfahren rund um die G8-Proteste die zwei damaligen Abteilungen ST 12 und ST 11 befasst, wie es die von den Durchsuchungen betroffenen Aktivisten in einer späteren Auswertung dokumentierten. ST 12 führte die Ermittlungen, während ST 11 die Bekennerschreiben bewertete und Berichte zu Gruppen und Strukturen anlegte. Diese Dossiers versammelten auch "Funde" sogenannter "Kreuztrefferdaten": Funkzellendatenauswertungen ergaben demnach, "dass mit dem Handy der S. sowohl während des bundesweiten Koordinierungstreffens in Hamburg im Oktober 2005 als auch während des Treffens im Berliner Mehringhof im Januar 2006 an den Veranstaltungsorten telefoniert wurde. Die bloße Teilnahme an den beiden bis dahin größten Vorbereitungstreffen reichte also, um in den Dossiers des BKA zu landen.Der Ermittlungseifer des Bundeskriminalamts war indes mit der Funkzellenauswertung längst nicht erschöpft. Die Behörde bestellte sämtliche Informationen, die über die Anti-G8-Bewegung verfügbar waren und dem BKA durch Bundes- und Landesbehörden von Polizei und Verfassungsschutz geliefert wurden.
Im Focus stand vor allem das internationale "Dissent!"-Netzwerk, das sich als basis-orientiert beschrieb und einen starken Zulauf vor allem bei jüngeren Aktivisten hatte. Der Argwohn der Verfolgungsbehörden wuchs:- Entstehung und Entwicklung der 'Anti-G8-Bewegung', insbesondere im Raum Berlin,
- Personenerkenntnisse zu den 'G8-Gegnern' aus dem Raum Berlin,
- Lichtbilder der 'G8-Gegner' aus dem Raum Berlin,
- Erkenntnisse (teilnehmende Personen, Gruppen etc.) zu allen bislang bekannt gewordenen 'Anti-G8-Veranstaltungen' bundesweit,
- Organisationsbezogene Erkenntnisse zu Gruppen aus dem Bereich Berlin, die sich mit der Thematik 'G8' auseinandersetzen.
Wie später bekannt wurde, gehörten zu den "entsprechenden Maßnahmen" auch der massive Einsatz verdeckter Ermittler und Informanten, darunter wegen einer vermeintlich geringeren Entdeckungsgefahr auch ausländischer Undercover-Polizisten - aus Polizeikreisen sickerte durch, dass zum G8-Gipfel in Deutschland allein 12 ausländische Polizisten eingesetzt waren, von denen einige auch später nicht abgezogen wurden. So verblieb etwa der britische Polizist Mark Kennedy in der anti-kapitalistischen Szene, die er mit einer Brandstiftung zur "Legendenbildung" beeindrucken wollte (Spitzel aller Länder).
Die Funkzellenauswertung diente nur als eine von zahlreichen anderen Maßnahmen zum Durchleuchten der Mobilisierung gegen den G8-Gipfel. Dabei wird sie selbst von Kriminalpolizisten als sensible "Analyse der telekommunikativen Visitenkarte" bezeichnet, die sich laut einer Abhandlung zweier polizeilicher Sachverständiger als "Schuss ins Blaue" wegen rechtlichen und taktischen Gründen verbieten würde. Zudem gerieten unverhältnismäßig viele Nicht-Betroffene in die Datenbanken von Polizeibehörden. Hierzu zitieren die beiden Autoren das Landgericht Magdeburg, das 2005 festgestellt hatte:
Je größer dieser Kreis der zu erwartenden Daten über Unverdächtige ist, desto gewichtiger müssen neben der aufzuklärenden Tat und dem Tatverdacht die Tatsachen sein, die auf einen Erfolg durch die Datenauswertung hoffen lassen."Im Zusammenhang mit der Mobilisierung gegen den G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm aufgefallen"
Die Funkzellenauswertung dürfte außerdem eine Rasterfahndung darstellen, da die erfragten Datenbestände nach zeitlichen und örtlichen Rasterkriterien ausgewählt werden. Eine von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Studie kommt 2008 zu dem Schluss, dass sich durch die zusätzlichen Datenbestände neue Missbrauchsgefahren etwa durch unberechtigte Zugriffe von innen oder außen eröffnen. Das Potenzial "für die strategische Überwachung" größerer Gruppen steige.
"Es ist wohl nicht allzu verwegen, anzunehmen, dass solche Beschlagnahmen mittlerweile zur Ermittlungsroutine bei Anschlägen gehören und dass im Zuge der Rasterfahndung ein Vergleich von neu ermittelten Mobiltelefon-Nummern mit älteren gespeicherten Funkzellendaten stattfindet ", schreiben die von den Ermittlungen betroffenen Aktivisten zur digitalen Überwachung.Kein Telefon ist allerdings auch keine Lösung, um dem Überwachungseifer zu entfliehen: Laut Ermittlungsakten findet es die Generalbundesanwaltschaft erst recht verdächtig, wenn Aktivisten ihre Telefone gar nicht zu Treffen mitnehmen, folglich also "scheinbar eine dauerhafte Überwachung vermutet" wird. Als weitere "konspirative Aktivitäten" gelten laut der Behörde "Mobiltelefone von den Akkus trennen, Verschweigen der eigenen Identität oder Verwendung von Pseudonymen".Wie bei fast allen Ermittlungen in Deutschland nach § 129a üblich wurden beide Verfahren 2008 nach drei Jahren eingestellt. Es bestätigt sich damit die These, wonach der Terrorismusparagraph vor allem der Ausforschung der linken Szene dient. Tatsächlich findet sich in den Akten ein Vermerk von 2006, der zahlreiche Personen auflistet und beschreibt, die "im Zusammenhang mit der Mobilisierung gegen den G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm aufgefallen" sind.
Der administrative und finanzielle Aufwand zur Ausforschung der Anti-G8-Bewegung ist indes beträchtlich: Im bekannten Teil der Akten, wovon auch den Anwälten der Verteidigung lediglich 12.000 der 80.000 Seiten zugänglich sind, werden teilweise ohne erkennbare Systematik 950 Namen Beschuldigter, Verdächtiger, Angehöriger, Kontaktpersonen oder Verwandter zusammengetragen, hinzu kommen 270 Berichte, Vermerke, Gutachten etc.Gesammelt wurde auch Material früherer ebenfalls eingestellter Ermittlungen. Rund 45 ermittelnde Kriminalbeamte des BKA zeichnen Vermerke und Berichte, hinzu kommen BKA-Kriminaltechniker, mehrere Beamte des Bundesamts für Verfassungsschutz sowie weiterer Landeskriminalämter. Allein von Oktober 2006 bis April 2007 sind 80 Observationen vorgenommen worden, eine unbekannte Zahl weiterer verdeckter Ermittlungen hat keinen Eingang in die Akten gefunden. Dauerobservationen wurden mittels GPS-Peilsendern und Kameras an Hauseingängen durchgeführt, zudem jeweils Tausende Telefonate, Emails und Gespräche in Autos abgehört.Polizeipräsident verwaltet jetzt die Technikabteilung
Die digitale Überwachung unter Zuhilfenahme der Funkzellenauswertung setzt fort, was der frühere Bundesinnenminister Schäuble 2008 in einer informellen Arbeitsgruppe einiger europäischer Innenminister auch EU-weit auf den Weg brachte (Die Wünsche der EU-Innenminister).
In einem Forderungspapier dieser sogenannten "Zukunftsgruppe" schrieb der Innenminister-Stammtisch über einen "digitalen Tsunami" und meinte damit keine Katastrophe, sondern eine "Unmenge von Daten, die für Verfolgungsbehörden nützlich sein könnten". Gefordert wurde der Ausbau von Analysekapazitäten, um noch mehr digitale Spuren automatisiert auszuwerten. "Die größte Herausforderung besteht nicht mehr in der Sammlung von Information, sondern in ihrer Auswertung", hatte der frühere Vizepräsident von EADS vor zwei Jahren auf der jährlichen Polizeimesse "Europäischer Polizeikongress" beigepflichtet ("Wo sind die Herolds, Stümpers und Zacherts?").In der Sprache von Polizei und Geheimdiensten heißen die in den Datenhalden derart aufgefundenen Übereinstimmungen "Risiken". Je nach angeschlossenen Datenbanken wird ermittelt, wer Buchungen in verdächtigen Reisebüros vornimmt oder vom gleichen Konto Zuwendungen erhält - oder sich mit dem Mobiltelefon in Funkzellen aufhält, in denen Behörden ermitteln. Werden zudem Informationen sogenannter "Open Source Intelligence" (OSINT) aus öffentlich zugänglichen sozialen Netzwerken einbezogen oder die Erkenntnisse kombiniert mit Einträgen in Polizeidatenbanken, entsteht ein digitales Abbild der Beziehungen zwischen Personen, Sachen, Zeiträumen und Ereignissen.
Vom Mitteldeutschen Rundfunk wurde im Rahmen der Dresdener Überwachungsaffäre von einem "Datenabgleichsystem EFAS" berichtet, das "Kundendaten der gespeicherten Mobilfunknutzer mit denen von OBI-Baumarkt-Kunden" abgleichen würde. Näheres zu dem System bleibt zunächst verborgen, etwa ob auch auf Verbund- und Zentraldateien bzw. Datensätze von Polizeien oder Verfassungsschutzämtern zugegriffen werden kann. Möglicherweise wurden für die Ermittlungen weitere Daten zu Finanz- oder Reiseverhalten eingeholt.
Als gesichert dürfte gelten, dass Software eingesetzt wird um Beziehungen zwischen Anschlussinhabern und angerufenen Kontaktpersonen zu visualisieren, etwa um nach befreundeten OBI-Einkäufern zu suchen, die sich für inkriminierte Produkte interessieren. Diese "Auswerteprogramme" werden von etlichen Anbietern auf Polizeimessen angeboten, um Zusammenhänge unter kriminalpolizeilichen Ermittlungsergebnissen sichtbar zu machen ("Schon heute wissen, was morgen sein wird"). So bietet etwa die Firma rola Security Solutions diverse Anwendungen zur Verknüpfung von "Personen, Tatmustern, Objekten und Delikten".
Damit würde es Ermittlern erleichtert, verborgene Tatzusammenhänge und Hintergründe schneller zu erkennen."Gerade, wenn es darum geht, weit verzweigte Strukturen aufzudecken, massenhaft gespeicherte Informationen mit einem Knopfdruck auszuwerten oder sie schnell in strukturierter, grafisch aufbereiteter Form zur Verfügung zu stellen, gibt es derzeit nichts Besseres", lobte Bayerns Innenminister Beckstein schon 2003. rola Security Solutions ist einer der Hauptsponsoren des "Europäischen Polizeikongress". Laut einem Produktflyer nutzt die bayerische Polizei die Software "InfoZoom", um automatisiert "elektronische Täterspuren in Mobilfunkdaten herauszufiltern".
Im polizeilichen Einsatz digitaler technischer Hilfsmittel war in der Vergangenheit vor allem Sachsen vorangeprescht: Leipzig war 1996 die erste Stadt, die eine Videoüberwachung öffentlicher Plätze einführte. Das sächsische Landeskriminalamt hatte sich 2008 als erstes Bundesland eine Polizeidrohne beschafft, die seitdem immer öfter bei politischen Protesten und Fußballspielen in Dresden oder Leipzig eingesetzt wird.
Verwaltet werden die polizeilichen Gadgets von der Landespolizeidirektion Zentrale Dienste, in die der wegen der ausufernden Funkzellenauswertungen nicht mehr vorzeigbare Dresdner Polizeipräsident Dieter Hanitsch versetzt. Für Hanitsch dürfte dies keinen Abstieg darstellen, da seine neue Dienststelle nicht nur für die Beschaffung und Anwendung von miniaturgroßen GPS-Peilsendern, fliegenden Kameras, Kennzeichenscannern oder IMSI-Catchern zum Aufspüren und Mithören von Mobilfunkgesprächen verantwortlich ist, sondern die neuen technischen Spielzeuge innerhalb von Bund/Länder-Arbeitsgruppen ausprobieren, bewerten und Beschaffungsempfehlungen aussprechen kann.
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