Nach dem tödlichen Blackwater-Zwischenfall sind die privaten Sicherheitsfirmen im Irak ins Kreuzfeuer geraten. Bagdad droht, ihnen die Lizenzen zu entziehen. Doch dazu hat die Regierung nicht die Befugnis: Die Söldner arbeiten in einer legalen Grauzone - und dürften das auch weiter tun.
New York - Es waren scharfe Worte: Iraks Regierungssprecher Ali al-Dabbagh erklärte, das Innenministerium habe die Lizenz der US-Sicherheitsfirma Blackwater einkassiert. Und Bagdad werde die "Situation" aller privater Wachunternehmen "prüfen". Der schiitische Kleriker Muktada al-Sadr forderte, "die Arbeit dieser Firma und den Rest der kriminellen und geheimdienstlichen Unternehmen" gleich ganz zu "kündigen".
Scharfe Worte, doch wahrscheinlich am Ende ohne Biss. Die tödliche Schießerei mit Blackwater, bei der am Sonntag unter noch ungeklärten Umständen elf Iraker ums Leben kamen, zog ein rasches diplomatisches Schattenboxen nach sich: Bagdad polterte, und US-Außenministerin Condoleezza Rice rief Iraks Ministerpräsident Nuri Kamal al-Maliki persönlich an, um ihr Bedauern auszudrücken.
Die private Blackwater-Armee wartet derweil geduldig, bis sich der Staub gelegt hatte - um ihre Söldnerarbeit im Irak weiterzuführen. Ungestört, unkontrolliert und unreguliert.
Immun gegen irakisches Recht
Es war nicht das erste Mal, dass Blackwater - oder eine der Hunderten anderen Sicherheitsfirmen im Irak - in die Schlagzeilen geraten ist. Bisweilen wurde das eine oder andere Unternehmen zurück in die USA geschickt, straffrei meist. Jedes Mal hat sich der Sturm danach wieder beruhigt. Und jedes Mal setzten die Söldner ihre Patrouillen fort. Denn sie sind längst unabkömmlich geworden, die "Huren des Krieges". So nannte sie jedenfalls Katy Helvenston, die Mutter des 2004 in Falludscha getöteten Blackwater-Mitarbeiters Scott Helveston, die Blackwaters Geiz und Geldgier für seinen Tod mitverantwortlich machte.
Heute kommt keiner im Irak mehr ohne die privaten Sicherheitsdienste aus. Weder das US-Militär noch das diplomatische Korps - US-Botschafter Ryan Crocker nennt seine Blackwater-Eskorten "unverzichtbar" - noch, bei allem zur Schau gestelltem Widerwillen, Iraks Regierung selbst. Ohne Blackwater geht in Bagdad nichts - weshalb das US-Außenministerium seinen dortigen Diplomaten gestern befahl, vorerst in der verbarrikadierten Green Zone zu bleiben, bis die ganze Sache geklärt ist.
Iraks Regierung ist eigentlich nicht autorisiert, Sicherheitsfirmen wie Blackwater zu maßregeln oder gar des Landes zu verweisen. Die Männer operieren, unter Washingtons Flankenschutz, ausdrücklich in einer legalen Grauzone: immun gegen irakisches Recht - und zugleich weitgehend unbehelligt von US-Gerichten, sollten sie zur Glättung der Wogen heimgeschickt werden.
Verschwiegene Branche
Diese Farce offenbart sich allein an der Frage der Lizenzen: Viele Firmen machen sich seit den Irak-Wahlen 2005 wegen der unklaren Rechtslage offenbar gar nicht mal mehr die Mühe, ihre Jahreslizenzen beim irakischen Innenministerium zu verlängern. Sicherheitskreise in Bagdad berichten, nur "wenige Companys" hätten "gültige Lizenzen", viele arbeiteten stattdessen "mit Bestechung".
Selbst bei Blackwater konnte das US- Außenministerium bisher noch nicht klar beantworten, ob der Konzern überhaupt eine aktuelle Lizenz habe, die man aufheben könne. Nach Informationen der "Private Security Company Association of Iraq" hat Blackwater eine Lizenz beantragt, aber mehr nicht.
Auch weiß keiner genau, wie viele private Sicherheitskräfte überhaupt durch den Irak geistern. Die Schätzungen gehen von 20.000 bis zu 50.000 Söldnern aus den USA wie aus Europa aus - eine private "Schattenarmee" ("Nation") im Schatten der eigentlichen Armee. Sie stehen an Checkpoints in der Green Zone, schützen Uno-Einrichtungen, eskortieren Diplomaten und Kongressabgeordnete durch die Feuerzonen und patrouillieren schwer bewaffnet durch Straßen und im Luftraum.
Blackwater ist der berüchtigste Vertreter dieser verschwiegenen Branche, die keiner US-Regierungskontrolle unterliegt. 1997 von Erik Prince gegründet, einem christlich-konservativen Millionenerben und früheren Mitglied der Marine-Spezialeinheit Navy-Seals, hat der Konzern inzwischen rund 2300 Söldner in neun Ländern stationiert - davon rund 1000 im Irak - sowie 20.000 weitere in Bereitschaft.
Von seinem Hauptquartier im US-Bundesstaat North Carolina aus verfolgt Blackwater nach eigenen Angaben die ehrenvolle Mission, mit seinen Leuten "Sicherheit, Frieden, Freiheit und Demokratie überall zu unterstützen". Das war anfangs nicht gerade von Erfolg gekrönt.
Dann kam der 11. September 2001. "Ich war langsam etwas zynisch geworden, wie ernst die Leute Sicherheit nehmen", sagte Prince dem konservativen Nachrichtensender Fox News kurz nach den Qaida-Anschlägen. "Doch jetzt hört das Telefon gar nicht mehr auf zu klingeln."
Unter den Anrufern: die CIA, das US-Außenministerium, das Pentagon. Bald hatte sich Blackwater - oft ohne jeden Wettbewerb - Regierungsaufträge über fast eine Milliarde Dollar gesichert. Sein Stützpunkt in den Marschen North Carolinas wucherte bald zur größten privaten Militärbasis der Welt, mit Schießbahnen, Geisterstädten, einem künstlichen See und einer Flugzeug-Startbahn.
Blackwaters größter Auftraggeber ist das US-Außenministerium: Seit 2003 schützt Blackwater die US-Diplomaten im Irak. Es übernimmt auch den Personenschutz für Kongressdelegationen.
Mehrere hundert "ernsthafte Zwischenfälle"
Bis heute agieren Blackwater und die anderen privaten Sicherheitsfirmen im Irak unter dem "Memorandum 17", das die US-Verwaltung der irakischen Übergangsregierung 2004 schnell noch aufgedrückt hatte. Das unterstellt die Söldner dem Gesetz ihrer Heimatstaaten - und gewährt ihnen Immunität vor irakischem Gesetz. Zwar haben sich die Umstände im Irak dramatisch gewandelt. Doch Andy Bearpark, der Chef der British Association of Private Security Companies, bestand noch diese Woche darauf, zumindest "gewisse Elemente der Immunität beizubehalten", da das irakische Justizwesen "einfach nicht robust genug ist".
"Es ist ein sehr schwammiger Bereich", klagt die demokratische Abgeordnete Jan Schakowsky, die im US-Kongress seit langem vergeblich für eine Regulierung der Sicherheitsfirmen kämpft. "Unter welchem Recht operieren diese Individuen? Haben die Iraker die Autorität, Leute für Straftaten zu verfolgen, die ihnen vorgeworfen werden?"
Nach US-Zeitungsinformationen ereigneten sich seit 2003 mehrere hundert "ernsthafte Zwischenfälle" unter Beteiligung privater Unternehmen. Blackwater wurde erstmals im März 2004 weltbekannt, als irakische Milizen einen Firmenkonvoi in Falludscha angriffen.
"Bis zum Ende im Irak"
Vier Blackwater-Wachen wurden getötet, ihre Leichen zerstückelt und verbrannt, zwei an einer Brücke aufgeknüpft. Hinterbliebene beschuldigten das Unternehmen später, durch Inkompetenz und Profitgier Mitschuld zu tragen. Beim folgenden Versuch von US-Marineinfanteristen, Falludscha einzunehmen, starben 27 Soldaten und Hunderte Zivilisten.
2005 kamen fünf Blackwater-Männer beim Abschuss eines Helikopters um, fünf weitere bei einem ähnlichen Vorfall Anfang dieses Jahres. Zu Weihnachten 2006 erschoss ein Blackwater-Mitarbeiter einen irakischen Sicherheitsbeamten. Der Mann wurde gefeuert.
Im jüngsten Fall herrscht nun ein Patt. Gestern verbot das Außenministerium seinen Diplomaten in Bagdad, die auf den Schutz von Blackwater angewiesen sind, die Green Zone zu verlassen, bis die Vorwürfe geklärt sind. Sicherheitsexperten bezweifeln aber, dass die Affäre langfristige Auswirkungen auf das Blackwater-Geschäft haben wird. "Gesunder Menschenverstand", schrieb die Autorin R.J. Hillhouse auf ihrem Blog, "besagt, dass Blackwater bis zum Ende im Irak sein wird."
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