Freitag, 15. Oktober 2010

19-jähriger Asylwerber aus Äthiopien nimmt sich das Leben

Der Äthiopier Samuel T. wurde am Montag tot aus der Donau geborgen. Er sei ein "Systemopfer", sagen seine Betreuer von der Caritas Wien - und fordern die Regierung zum Handeln auf.

Am Montag dieser Woche wurde die Leiche eines 19-jährigen Asylwerbers aus Äthiopien bei Hainburg aus der Donau geborgen. Freunde hatten Samuel T. zum letzten Mal am Sonntag gesehen. Seine Betreuer bei der Caritas Wien wurden am Mittwoch informiert, nachdem der junge Mann von der Polizei identifiziert worden war: Er hatte sich das Leben genommen.


Die Caritas nimmt nun die Politk in die Pflicht: Ein "Systemopfer" sei dieser junge Mann, sagt Michael Zikeli, Abteilungsleiter für Asyl und Integration, zur "Presse". An diesem "besonders tragischen Fall" zeige sich, was passieren könne, "wenn Asylverfahren so lange dauern wie in Österreich." Sein Leben sei immer aussichtloser geworden: Das lange Warten, die zunehmende Unsicherheit: "Er war ein labiler Mensch", sagt Zikeli. "Und irgendwann konnte er nicht mehr."


Was war geschehen? Im September 2005 war Samuel als 14-Jähriger nach Österreich gekommen. Er stellte einen Asylantrag und wurde in einem Heim der Caritas Graz für minderjährige Flüchtlinge untergebracht. Bald begann er ein "normales" Leben: Die Hauptschule und den Polytechnischen Lehrgang schloss er positiv ab; in seiner Freizeit spielte er bei einem Verein in Graz Fußball.


Sein Asylantrag wurde in allen Instanzen negativ beurteilt. Die Beschwerde dagegen lehnte der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 10. Dezember 2008 ab. Im März 2009 stellte Samuel einen Antrag auf humanitäres Bleiberecht - bis heute gibt es keine Entscheidung.


Im Sommer 2009 wurde er dann, aufgrund des aufrechten Ausweisebescheids, in Schubhaft genommen. Allerdings konnte kein Heimreisezertifikat besorgt werden - weil für Äthiopien (wie auch für Somalia und Afghanistan) nahezu "ein Ding der Unmöglichkeit" sei, heißt es bei der Caritas. Flüchtlinge aus diesen Ländern bekämen deshalb in der Regel auch subsidiären Schutz.


Samuels Beschwerde gegen die Schubhaft wurde stattgegeben (sprich: sie wurde als rechtswidrig erkannt). Deshalb wurde ihm auch ein Schadenseratz in der Höhe von 2100 Euro zugesprochen. Doch aus der Grundversorgung in Graz musste der junge Mann entlassen werden. Samuel ging nach Wien, wohnte zunächst bei Freunden und kam später im Caritas-Heim in der Robert Hamerlinggasse unter.


Im August versuchte Samuel zum ersten Mal, sich das Leben zu nehmen: Er trank Lauge und konnte im Otto-Wagner-Spital noch gerettet werden. Dort sprang er aus dem zweiten Stock und zog sich schwere Verletzungen zu (unter anderem einen Beckenbruch). Er wurde ins Hanusch-Krankenkaus gebracht, auf der Intensivstation verbrachte er einige Zeit im künstlichen Tiefschlaf. Am Freitag, dem 1. Oktober, wurde er aus dem Krankenkaus entlassen. Er konnte wieder selbstständig gehen. Zehn Tage später war er tot.

Die Caritas fordert die Regierung nun zum Handeln auf: Die Verfahren müssten dringend beschleunigt werden. "Gottlob gebe es nicht mehr Fälle wie diesen", sagt Zikeli. "Aber jeder einzelne muss verhindert werden."

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